HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1305
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 473/18, Beschluss v. 06.08.2019, HRRS 2019 Nr. 1305
1. Die Revision des Angeklagten D. H. gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. Juni 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass
a) der Angeklagte im Fall 7 der Urteilsgründe wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt ist,
b) gegen ihn als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.721,97 € - insoweit auch zugunsten des nicht revidierenden Mitangeklagten R. N. -
c) die weitere gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.697,52 € und d) die Vollziehung von zwei Jahren und neun Monaten der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden.
2. Die Revisionen der Angeklagten T. und M. H. gegen das vorbezeichnete Urteil werden jeweils mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Einziehungsbetrag auf 1.697,52 € festgesetzt ist und die Angeklagten für diesen jeweils gesamtschuldnerisch haften.
3. Die Angeklagten D. H. und M. H. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Bezüglich des Angeklagten T. wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens abgesehen.
Das Landgericht hat den Angeklagten D. H. wegen Diebstahls, schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, besonders schwerer räuberischer Erpressung, besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung sowie Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit der Maßgabe angeordnet, dass zwei Jahre der verhängten Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die Angeklagten T. und M. H. hat es jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten T. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten M. H. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Darüber hinaus hat das Landgericht gegen die Angeklagten D. H. und R. N. als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.410,32 € und gegen die (Mit-)Angeklagten D. H., S. T., T. und M. H. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von weiteren 850 € und 1.000 US-Dollar angeordnet.
Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen, der Angeklagte T. rügt darüber hinaus die Verletzung von Verfahrensrecht. Der Angeklagte D. H. hat die Anordnung der Unterbringung vom Revisionsangriff ausgenommen.
I. Revision des Angeklagten D. H.
Die Revision des Angeklagten D. H. erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat Fall 7 der Urteilsgründe zutreffend als Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewürdigt. Im Rahmen der Strafzumessung ist es jedoch rechtsfehlerhaft vom Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB ausgegangen und hat auf eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten erkannt.
Der Senat setzt diese Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf die - angesichts der übrigen Straftaten des mehrfach vorbestraften und unter Bewährung stehenden Angeklagten im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB unerlässliche - Freiheitsstrafe von einem Monat fest; die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe kann für den Angeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt nachteilig sein.
Die Gesamtstrafe wird durch die Herabsetzung dieser Einzelstrafe nicht berührt; denn es ist im Hinblick auf die übrigen verhängten fünf Einzelfreiheitsstrafen zwischen neun Monaten und sechs Jahren und sechs Monaten und der Einsatzstrafe von sieben Jahren (Fall 6 der Urteilsgründe) auszuschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
2. Die angeordnete Dauer des Vorwegvollzugs hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, die Anordnung des Vorwegvollzugs von zwei Jahren Freiheitsstrafe beruhe auf § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB, wobei eine voraussichtliche Therapiedauer von zwei Jahren zugrunde gelegt wurde.
In Abweichung vom Regelfall des § 67 Abs. 1 StGB, wonach eine Maßregel vor der Strafe zu vollstrecken ist, bestimmt das Gericht, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 Satz 1 StGB). Ist - wie im vorliegenden Fall - eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verhängt, „soll“ das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB), es sei denn, eine andere Entscheidung lässt die Erreichung des Therapieerfolgs aus gewichtigen Gründen des Einzelfalles eher erwarten. Liegen solche Gründe nicht vor, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Er hat diesen Teil nach dem Willen des Gesetzgebers so zu berechnen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Bewährungsentscheidung im Sinne von § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, als eine Halbstrafenentlassung, möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 4 StR 348/09, juris).
Bei der verhängten Gesamtstrafe von neun Jahren und sechs Monaten ist der gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB maßgebliche Halbstrafenzeitpunkt nach vier Jahren und neun Monaten erreicht. Hiervon ist die vom Landgericht zugrunde gelegte voraussichtliche Therapiedauer von zwei Jahren in Abzug zu bringen, so dass die Dauer des Vorwegvollzugs nach den oben dargelegten Grundsätzen zwei Jahre und neun Monate beträgt.
Da die Unterbringung vom Revisionsangriff ausgenommen wurde, der Gesamtstrafenausspruch keinen Rechtsfehler aufweist und auch die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung rechtsfehlerfrei festgestellt ist, kann der Senat die Dauer des Vorwegvollzugs in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern (BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - 3 StR 390/07, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Maßregelausspruch 1; Beschluss vom 7. Juli 2009 - 1 StR 292/09).
3. Das Landgericht hat den in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe der Einziehung unterliegenden Wert von Taterträgen zum Nachteil des Angeklagten der Höhe nach falsch berechnet. Der Angeklagte hat im Fall 1 der Urteilsgründe Gegenstände im Wert von 3.622,90 € erlangt, im Fall 2 der Urteilsgründe 375 € Bargeld, im Fall 3 der Urteilsgründe 50 € Bargeld sowie Gegenstände im Wert von 2.893,90 € und im Fall 4 der Urteilsgründe 1.780,17 € Bargeld. Hieraus errechnet sich ein Gesamtbetrag von 8.721,97 €, nicht von 9.410,32 €. Der Senat kann die Einziehungsentscheidung insoweit der Höhe nach abändern, weil es sich um einen offensichtlichen Rechenfehler in den Urteilsgründen handelt.
Die fehlerhafte Berechnung der Höhe des der Einziehung unterliegenden Wertes von Taterträgen wirkt sich gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf den Nichtrevidenten R. N. als Gesamtschuldner aus.
4. Darüber hinaus hat das Landgericht den weiteren der Tatertragseinziehung nach § 73c Satz 1 StGB unterliegenden Betrag teilweise rechtsfehlerhaft in einer Fremdwährung angegeben. Dem Willen des Reformgesetzgebers folgend, ist der Betrag von 1.000 US-Dollar gemäß dem im Zeitpunkt der Erlangung am 23. August 2017 geltenden Wechselkurs (1,1799 EUR/USD) in 847,52 € umzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2019 - 5 StR 169/19, NStZ 2019, 468). Der Senat nimmt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Umrechnung auf der Basis der durch die Deutsche Bundesbank veröffentlichten taggenauen Euro-Referenzkurse der Europäischen Zentralbank selbst vor und berichtigt den Einziehungsbetrag - nach Addition mit dem ebenfalls im Fall 6 der Urteilsgründe der Einziehung unterliegenden Betrag von 850 € - im Tenor auf 1.697,52 €.
II. Revisionen der Angeklagten T. und M. H.
Die Revisionen der Angeklagten T. und M. H. haben lediglich im Hinblick auf den unter I.4 genannten Rechtsfehler, der zur Berichtigung des Tenors führt, Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
III. Kosten Angesichts des geringen Erfolges der Revisionen der Angeklagten D. und M. H. ist es nicht unbillig, die Angeklagten jeweils mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Die Kostenentscheidung bezüglich des Angeklagten T. folgt aus §§ 74, 109 Abs. 1 JGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1305
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner