HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 599
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 6/17, Beschluss v. 06.04.2017, HRRS 2017 Nr. 599
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Beschuldigte wurde am 22. November 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 (5 BGs 367/16) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in der Zeit von 2011 bis Dezember 2014 die außereuropäische terroristische Vereinigung „Ahrar al Sham“ durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten und Ferngläsern unterstützt.
Auf die mündliche Haftprüfung am 21. Februar 2017 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 23. Februar 2017 (5 BGs 68/17) den Haftbefehl aufrechterhalten und den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, mit der er insbesondere einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend macht. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 1. März 2017, 5 BGs 71/17).
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die Vereinigung Ahrar al Sham
(1) Die Ahrar alSham ist aus den im Jahr 2011 gegründeten „Kata'ib Ahrar al Sham“ („Brigaden der Freien von Großsyrien“) hervorgegangen, die sich Ende des Jahres 2012 dem Bündnis „Al Jabha al Islamiya as Suriya“ („Syrisch-Islamische Front“) anschloss. Nach der damaligen Verlautbarung war Ziel der Organisation der Sturz des Assad-Regimes; mit militärischen und zivilen Mitteln sollte eine islamische Gesellschaft entstehen, die gemäß den Regeln der Sharia regiert werden sollte. Nicht-Muslime wurden indes nicht als Feinde bezeichnet, in der militärischen Auseinandersetzung sollten Zivilisten geschont werden.
Ende Januar 2013 schlossen sich die „Kata'ib Ahrar al Sham“ mit drei anderen Gruppierungen zur Ahrar al Sham zusammen. In dem dazu veröffentlichten Video mit dem Titel „Gründungserklärung der Harakat Ahrar al Sham al Islamiya“ wurde nunmehr eine streng islamische Ausrichtung der Organisation betont. Ende November 2013 löste sich die „Syrisch-Islamische Front“ auf und gab zugleich die Gründung eines neuen, umfassenderen Bündnisses mit dem Namen „Islamische Front“ bekannt, als dessen Ziele der Sturz des Assad-Regimes und die Gründung eines „rechtgeleiteten islamischen Staates“ unter der Geltung der Sharia in ihrer radikalislamistischen Ausrichtung benannt wurden. Die Ahrar al Sham wurde in der Erklärung als Gründungsmitglied bezeichnet; sie ist als eigenständige Vereinigung innerhalb des Bündnisses gleichwohl bestehen geblieben.
(2) Ziel der Ahrar al Sham ist nach wie vor in erster Linie der Sturz des Assad-Regimes. Im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen, in denen von Toleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen die Rede war, wird nunmehr eine salafistische Ausrichtung der Organisation betont, die den Schutz des Islam und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung unter dem Gesetz der Sharia als weitere Ziele definiert. Korrespondierend mit den teilweise engen Bindungen der Ahrar al Sham zu etwa der Jabhat al Nusra und zum Teil auch dem Al Qaida-Netzwerk sind die Ziele der Ahrar al Sham von denen dieser jihadistisch ausgerichteten Gruppierungen nicht klar abzugrenzen: So akzeptiert die Ahrar al Sham die derzeitigen Grenzen des syrischen Staates nicht und beabsichtigt dementsprechend, den islamischen Staat, dessen Errichtung sie anstrebt, über die Grenzen des heutigen Syriens hinaus auszudehnen. Eine politische Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab, der bewaffnete Kampf wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaffenden Staates soll auf der Basis der Sharia autoritär geprägt sein, Säkularismus und Demokratie sieht die Ahrar al Sham als Übel an, die in ihrem Staat keinen Platz hätten. Dem allgemeinen Ziel der Al Qaida, einen transnationalen islamischen Staat zu schaffen, stimmt die Vereinigung zu, wenn sie auch die Auffassung vertritt, dass bei der Erreichung dieses Ziels Realismus und Geduld von Nöten seien.
(3) Im Lauf des Jahres 2013 wurde die Ahrar al Sham mit 10.000 bis 20.000 Kämpfern zur stärksten Gruppierung innerhalb des syrischen Aufstands. Sie setzt im Kampf gegen das Assad-Regime in erster Linie militärische Mittel und Einsatztaktiken ein. Selbstmordattentate lehnt sie zwar ab, arbeitete aber bei Operationen mit der Jabhat al Nusra zusammen, deren Kämpfer dabei Selbstmordanschläge begingen. Bereits seit dem Jahr 2012 war sie bzw. ihre Vorgängerorganisation - häufig in enger Zusammenarbeit mit Gruppierungen der späteren Islamischen Front - an fast allen wichtigen Operationen der syrischen Aufständischen beteiligt, insbesondere an der Offensive in der Stadt Aleppo im Juli 2012, der Einnahme der Provinzhauptstadt Raqqa im März 2013, in Zusammenarbeit mit der Jabhat al Nusra, dem „Islamischen Staat im Irak und Syrien“ und anderen jihadistischen Gruppierungen ab dem 4. August 2013 an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Gebirge in der Provinz Latakia, bei der zahlreiche Zivilisten ermordet wurden, sowie im Februar 2014 an dem Angriff auf das Zentralgefängnis von Aleppo, an dem wiederum auch die Jabhat al Nusra und weitere jihadistische Vereinigungen teilnahmen. Seit März 2015 besteht ein dauerhaftes militärisches Zweckbündnis mit der Jabhat al Nusra.
(4) An der Spitze der Organisation stand bis September 2014 als politischer Führer Hassan Abboud, der im Juni 2013 in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al Jazeera an die Öffentlichkeit trat und sich ausführlich zur Ahrar al Sham und ihren Zielen äußerte. Nachdem Abboud mit anderen Führungspersönlichkeiten der Vereinigung am 9. September 2014 getötet worden war, setzte der Shura-Rat der Organisation bereits am Tag nach seinem Tod mit Hashim al Sheikh (Kampfname: Abu Dschabir) einen Nachfolger für ihn ein und mit Abu Salih Tahhan den Nachfolger für den ebenfalls getöteten bisherigen Militärverantwortlichen Abu Talha. Seit September 2015 führt Abu Yahia al Hamawi (alias Mohannad al Masri) die Ahrar al Sham. Die zentrale Führung der Ahrar al Sham besteht aus einem Shura-Rat sowie Büros für Militär, Religion, Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation verfügt nach eigenen Angaben über ein eigenes Medienbüro, das die diversen Videoveröffentlichungen erstellt; Verlautbarungen sowie Bekenner- und Propagandavideos werden sowohl über soziale Netzwerke, als auch über die eigene Internetpräsenz verbreitet. Als weitere Führungsebene fungieren die Anführer in den einzelnen syrischen Provinzen. Die Mitglieder der Vereinigung stammen überwiegend aus Syrien, in einigen Fällen auch aus anderen Ländern. Die Kampfeinheiten sind überwiegend mit erbeuteten ehemaligen Beständen der syrischen Armee bewaffnet. Die Organisation verfügt über koordinierende Befehlsstrukturen; die Anweisungen und Planungen der höheren Ebenen werden durch die nachgeordneten Teile umgesetzt.
b) Der Beschuldigte unterstützte die Ahrar al Sham in Kenntnis der Ziele und Methoden der Organisation in der Zeit von 2011 bis Dezember 2014 durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten und Ferngläsern wie folgt:
aa) Zwischen dem Jahr 2011 und dem 21. Mai 2013 erwarb der Beschuldigte bei der Firma T. zwei Funkscanner des Typs ICR20 ICOM im Wert von 800 €, die er an Vertreter der Ahrar al Sham in Syrien lieferte.
bb) Im Zeitraum vom 16. August bis zum 21. September 2013 transportierte er vier Zielfernrohre der Marke Z. nach Syrien zur Ahrar al Sham.
cc) Zwischen dem 28. Juli 2013 und dem 7. August 2013 transportierte der gesondert verfolgte S. zwei Ferngläser und ein nicht näher bezeichnetes optisches Gerät des Unternehmens C. sowie 1.000 € Bargeld nach Syrien zu“ O.“ als Vertreter der Ahrar al Sham, nachdem der Beschuldigte die erforderlichen Kontakte zu Mitgliedern dieser Vereinigung hergestellt hatte.
dd) Am 12. Dezember 2013 übergab der Beschuldigte dem gesondert Verfolgten S. zwei Ferngläser, eine quadratische Antenne mit Kabel, zwei Router, einen Laptop sowie Antennen, die dieser nach den Vorgaben des Beschuldigten mit einem Krankenwagen zum Büro der Ahrar al Sham am türkischsyrischen Grenzübergang transportieren ließ, wo die Geräte am 20. Dezember 2013 eintrafen.
ee) Im Januar und Februar 2014 finanzierte der Beschuldigte im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten H. den Ankauf von fünf Funkscannern im Gesamtwert von 2.000 € bei der Firma T., die im Frühjahr 2014 unter Beteiligung des S. nach Syrien zur Ahrar al Sham transportiert wurden.
ff) Im April 2014 veranlasste der Beschuldigte die Lieferung von zwei Fernrohren nebst Trägern, zwei Ferngläsern, mehreren Routern und weiteren technischen Geräten u.a. für den Aufbau einer Satelliten-Internetverbindung an drei Führungspersonen der Ahrar al Sham.
gg) Im November 2014 beschaffte der Beschuldigte zehn Ferngläser und bewirkte gemeinsam mit den gesondert verfolgten Sa. und S. die Lieferung dieser sowie eines Leistungsmessers nach Syrien zur Ahrar al Sham, wo die Geräte im Dezember 2014 eintrafen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 Bezug genommen.
c) Der dringende Tatverdacht folgt, soweit er die Vereinigung Ahrar al Sham betrifft, aus öffentlich zugänglichen Quellen und den vorliegenden Strukturerkenntnissen zu dieser Organisation. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vom 19. Februar 2015 und vom 21. März 2016 (vorläufige SA Bd. 1, Fach „Struktur der Ahrar al Sham“) sowie den Auswertebericht des Bundeskriminalamts vom 1. November 2015 (vorläufige SA Bd. 1, Fach „Struktur der Ahrar al Sham“).
Der dringende Verdacht betreffend die Tathandlungen des Beschuldigten ergibt sich aus der Auswertung der durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellten Audio-Files aus vorangegangenen Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (vorläufige SA Bde. 3 bis 5, Inhalte aus G-10-Maßnahmen; Zusammenfassender Bericht des Bayerischen Landeskriminalamts vom 18. Juni 2015, vorläufige SA Bd. 1 Fach „Verfahrensgang“) sowie den bei dem Beschuldigten und bei Mitbeschuldigten sichergestellten Datenträgern und Notizen, deren Auswertung andauert. Weitere belastende Hinweise ergeben sich aus den Angaben der Mitbeschuldigten H. (Vernehmung vom 22. November 2016, vorläufige SA Bd. 2 Fach „Vernehmungen“) und S. (richterliche Vernehmung vom 23. November 2016, vorläufige SA Bd. 2 Fach „Vernehmungen“).
2. Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht hat.
a) Die Gruppierung Ahrar alSham stellt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen dar als ein auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen und mithin als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221 mwN). Ihre Zwecke und ihre Tätigkeit sind darauf gerichtet, Mord und Totschlag (§§ 211, 212 StGB) zu begehen, wobei die Opfer nicht nur Soldaten des von ihr bekämpften Assad-Regimes sind, sondern - wie etwa die Massaker in alawitischen Dörfern zeigen - auch Zivilisten zu ihren Zielen gehören.
b) Der Beschuldigte hat diese Vereinigung durch die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen unterstützt.
c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der Ahrar al Sham, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 25. Juli 2014 erteilt (Aktenzeichen II B 1 4030 E [1027] 21 1158/2013).
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
Die Gesamtwürdigung der Umstände des Falles macht es wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten wird. Der Beschuldigte hat mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen hohen Fluchtanreiz bietet. Demgegenüber sind die fluchthemmenden Umstände, insbesondere die familiären Bindungen des Beschuldigten in Deutschland und seine Arbeit als Ingenieur bei der HU. GmbH in N., die angebotene Kaution und die Bereitschaft, Reisedokumente bei der Polizei zu hinterlegen, auch in der Zusammenschau mit den weiteren fluchthemmenden Umständen nicht geeignet, dem von der zu erwartenden Freiheitsstrafe ausgehenden Fluchtanreiz hinreichend entgegenzuwirken, zumal der Beschuldigte enge Verwandte in Saudi-Arabien bzw. in den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei hat und Kontakte zu Mitgliedern und Unterstützern der Ahrar al Sham pflegt, die bei einer Flucht behilflich sein könnten.
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens fortzudauern; das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Insofern gilt:
a) Im Hinblick auf das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit ist der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen wegen der Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig. Den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen muss - unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt in diesem Zusammenhang auch, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich regelmäßig das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen, aber auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zunehmen (BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217 f. mwN).
Das damit angesprochene Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, juris Rn. 39 ff. mwN; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - StB 4/17, juris Rn. 10).
b) Gemessen an diesen Anforderungen ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig.
aa) Er steht zunächst nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 112 Abs. 1 Satz 2, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Das aufzuklärende Tatgeschehen stellt sich nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine erhebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Umständen schwer, da der Beschuldigte nach den bisherigen Ermittlungen eine zentrale Funktion bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die Ahrar al Sham in Deutschland innehatte. Die im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartende und zu verbüßende Strafe wird deshalb bis auf weiteres die Dauer der Untersuchungshaft nicht nur unwesentlich übersteigen. Die von der Verteidigung aufgestellte These, der Beschuldigte habe sein Engagement für die Ahrar al Sham mit Zunahme der Radikalisierung dieser Vereinigung zurückgeschraubt, findet bisher in den Ermittlungsergebnissen keine Stütze. Auch die Erwägung, dass sechs der vorgeworfenen Fälle vor Erteilung einer Strafverfolgungsermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB datieren, relativiert das Gewicht der mutmaßlichen Taten nicht. Deren Unrechtsgehalt ist unabhängig von der Ermessensentscheidung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (vgl. dazu Fischer, StGB, 64. Aufl., § 129b Rn. 14 mwN) über die Erteilung der bis zum Verfahrensabschluss nachholbaren Prozessvoraussetzung zu bewerten.
bb) Das Verfahren ist bisher auch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Auswertung der sichergestellten umfangreichen Beweismittel dauert an und wird mit Nachdruck betrieben. Im Rahmen der Durchsuchungen in insgesamt zehn Objekten wurden am 22. November 2016 neben zahlreichen CDs neun Tablet-Computer, 26 Laptops, 35 USB-Speichergeräte, 33 Mobiltelefone und 108 Festplatten sichergestellt; allein die dem Beschuldigten zugeordneten Speichermedien umfassen etwa zwei Terabyte Daten, die auch in gelöschten Speicherbereichen ausgewertet werden müssen. Die technische Sicherung der Mobiltelefone ist zwischenzeitlich nahezu vollständig durchgeführt worden. Zwar hat der Beschuldigte Passwörter mitgeteilt, welche die Auswertung seiner Speichermedien erleichtern; es reicht indes zur Ermittlung des Sachverhalts nicht aus, nur diese in den Blick zu nehmen. Zudem wird die Auswertung dadurch erschwert, dass zahlreiche Inhalte in arabischer Sprache abgefasst sind. Trotz des Einsatzes von regelmäßig zwei Dolmetschern dauert deren Auswertung noch an. Aus den Auswertungen der beim Beschuldigten sichergestellten Gegenstände ergeben sich weitere belastende Hinweise: So wurden durch Auswertung seines Mobiltelefons Verbindungen mit weiteren Beschuldigten erkennbar; auf handschriftlichen Notizen wurden Auflistungen der Ausgaben für Tages- und Nachtferngläser sowie Zahlungen der mutmaßlichen Empfänger festgestellt und neben dem Namen eines Empfängers bei der Ahrar al Sham fand sich das Wort „Scharfschützenfernglas“. Hinsichtlich der weiteren Beschuldigten S. und H. ergaben sich aus der Asservatenauswertung Hinweise auf zahlreiche Transporte von Ausrüstungsgegenständen nach Syrien, die teilweise unter falschem Namen beschafft wurden.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 599
Bearbeiter: Christian Becker