HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 456
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 15/17, Beschluss v. 22.02.2017, HRRS 2017 Nr. 456
1. Die Strafverfolgung wird im Fall II. B. 8. der Urteilsgründe auf die Vorwürfe des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, der Vergewaltigung und der Körperverletzung beschränkt.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 26. September 2016
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung und von diesen in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist;
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und angeordnet, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Sein Rechtsmittel führt zur teilweisen Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO und hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Senat hat die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts im Fall II. B. 8. der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, der Vergewaltigung und der Körperverletzung beschränkt. Dies hat die Änderung des Schuldspruchs zur Folge. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht im Wege.
Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht im Fall II. B. 8. ohne die durch Beschränkung fortgefallene Beleidigung eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte.
2. Die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift ausgeführt:
"Die Urteilsgründe enthalten keine Ausführungen zur Frage der Erfolgsaussicht einer Therapiebehandlung; auch zu deren voraussichtlicher Dauer verhält das Urteil sich nicht. Mit der im Rahmen der Strafzumessung erwähnten Therapiebereitschaft des Angeklagten (UA S. 19) liegt zwar ein prognosegünstiger Umstand vor. Dieser allein kann jedoch die notwendige Prognose einer Heilungsaussicht bei erfolgreichem Behandlungsverlauf […] nicht hinreichend belegen, zumal die vollständig fehlenden Erörterungen hierzu besorgen lassen, dass die Jugendkammer diese Voraussetzung für die Anordnung der Maßregel insgesamt übersehen hat.“
Dem schließt sich der Senat an.
Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird zu beachten haben, dass die §§ 64, 67, 67d StGB durch das „Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften“ vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 2016, S. 1610) mit Wirkung zum 1. August 2016 neu gefasst worden sind und diese Neufassung gemäß § 2 Abs. 6 StGB anzuwenden ist.
Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob es zwischen dem Hang des Angeklagten zu Rauschmitteln und den begangenen Straftaten einen symptomatischen Zusammenhang gibt. Die bisherigen Ausführungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, auf welcher Tatsachengrundlage die Annahme beruht, dass die Missbrauchstaten auf die Abhängigkeitserkrankung und den Alkoholkonsum des Angeklagten und nicht etwa auf andere Ursachen, wie zum Beispiel auf eine sexuelle Präferenz des Angeklagten, zurückgehen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage liegt auch deshalb nahe, weil hinsichtlich der Fälle II. B. 1. bis II. B. 7. der Urteilsgründe keine Alkoholintoxikation im Tatzeitpunkt festgestellt worden ist, mag auch jeweils eine „geringe Alkoholisierung nicht ausschließbar vorhanden“ gewesen sein.
Sofern der neue Tatrichter eine Maßregelanordnung trifft, wird er die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe vor der Maßregel zu erörtern haben.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4. Für eine Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Verfolgungsbeschränkung ist hier kein Raum (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 1993 - 4 StR 287/93, BGHR StPO § 154a Kostenentscheidung 1, und vom 4. September 2014 - 1 StR 70/14, NStZ-RR 2014, 368).
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 456
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner