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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 1015

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 70/14, Beschluss v. 04.09.2014, HRRS 2014 Nr. 1015


BGH 1 StR 70/14 - Beschluss vom 4. September 2014 (LG Schwerin)

Brandstiftung (Anwendung auf eine Unterstellhalle: Carport); gerichtliche Hinweispflicht; Berücksichtigung prozessordnungsgemäß festgestellter aber nicht mehr verfolgter Sachverhaltsteile in der Strafzumessung.

§ 306 StGB; § 154a StPO; § 46 StGB; Art. 6 EMRK

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die vorgenommene Ausscheidung von Verfahrensstoff gemäß § 154a StPO nicht dazu, dass die mit ihm zusammenhängenden Tatsachen nicht (mehr) anhängig sind, deshalb aus der richterlichen Kognition ausscheiden und aus diesem Grund für die Urteilsfindung außer Betracht bleiben müssten; vielmehr ist das Tatgericht nicht gehindert, auch solchen Tatsachenstoff zu berücksichtigen, wenn er zumindest mittelbar für die Beurteilung von Tat oder Täter von Bedeutung ist (vgl. nur BGH wistra 1985, 153 mwN).

2. Es ist in diesem Fall aber erforderlich, einem möglichen Vertrauen des Angeklagten, der ausgeschiedene Verfahrensstoff könne nicht mehr im Rahmen der Strafzumessung zu seinem Nachteil verwertet werden, durch einen Hinweis entgegenzutreten.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 24. Mai 2013 wird

a) die Verfolgung, soweit das Verfahren den Angeklagten betrifft, gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB beschränkt;

b) das vorbezeichnete Urteil aa) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB schuldig ist, bb) im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr.1 und Nr. 4 StGB - durch die acht Busse und eine Unterstellhalle (Carport) vollständig zerstört wurden (UA S. 17, 63) - zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Im Hinblick auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge, der Angeklagte sei weder in der Anklageschrift noch - entgegen § 265 Abs. 1 StPO - in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen worden, dass hinsichtlich der abgebrannten Unterstellhalle eine Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht komme, beschränkt der Senat die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf die Verfolgung der Verletzung des § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB hinsichtlich der zerstörten Busse.

2. Soweit der Angeklagte im Hinblick auf die acht abgebrannten Busse wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Die Beschränkung der Strafverfolgung hat den Wegfall der Verurteilung wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Folge. Dies zieht hier die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann letztlich nicht ausschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es den Angeklagten nur gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB und nicht auch wegen Zerstörung eines Gebäudes im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt hätte.

4. Einer Aufhebung von Feststellungen zum Strafausspruch bedarf es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind. Das neue Tatgericht darf 2 3 4 5 zur Strafzumessung weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Feststellungen zu der infolge der Brandstiftung bezüglich der Busse abgebrannten Unterstellhalle und zu deren Wert im Rahmen der neu vorzunehmenden Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die vorgenommene Ausscheidung von Verfahrensstoff gemäß § 154a StPO nicht dazu, dass die mit ihm zusammenhängenden Tatsachen nicht (mehr) anhängig sind, deshalb aus der richterlichen Kognition ausscheiden und aus diesem Grund für die Urteilsfindung außer Betracht bleiben müssten; vielmehr ist das Tatgericht nicht gehindert, auch solchen Tatsachenstoff zu berücksichtigen, wenn er zumindest mittelbar für die Beurteilung von Tat oder Täter von Bedeutung ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Februar 1985 - 1 StR 709/84, wistra 1985, 153 mwN). Dies ist hier hinsichtlich des an der Unterstellhalle verursachten Brandschadens der Fall.

Dieser Hinweis ergeht, damit nicht das Vertrauen des Angeklagten erweckt wird, die Zerstörung der Unterstellhalle könne nicht mehr im Rahmen der Strafzumessung zu seinem Nachteil verwertet werden (zum Erfordernis eines Hinweises vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2003 - 1 StR 292/03, NStZ 2004, 277, und Urteil vom 13. Februar 1985 - 1 StR 709/84, wistra 1985, 153; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10, wistra 2010, 409).

6. Für eine Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Verfolgungsbeschränkung ist hier kein Raum (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 1993 - 4 StR 287/93, BGHR StPO § 154a Kostenentscheidung 1, und vom 3. November 1998 - 4 StR 428/98).

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 1015

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 368

Bearbeiter: Karsten Gaede