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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 863

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 130/17, Beschluss v. 20.06.2017, HRRS 2017 Nr. 863


BGH 2 StR 130/17 - Beschluss vom 20. Juni 2017 (LG Köln)

Raub mit Todesfolge (qualifikationsspezifischer Zusammenhang: keine Finalität erforderlich).

§ 251 StGB; § 249 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für den Raub mit Todesfolge erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch die Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht.

2. Demzufolge kann der Tatbestand des Raubes mit Todesfolge auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. Oktober 2016

a) im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und des Diebstahls schuldig ist;

b) im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass die im Fall 1 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe entfällt. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen Mordes und wegen Diebstahls, jeweils in Tatmehrheit, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und aufgrund eines Härteausgleichs von dieser Gesamtstrafe zwei Monate für vollstreckt erklärt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet in Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Am 22. Juli 2007 betrat der Angeklagte den Verkaufsraum einer Salatbar in der K. Innenstadt. Er beabsichtigte, in den seines Erachtens leeren Räumlichkeiten nach stehlenswerten Gegenständen zu suchen. Tatsächlich befand sich im hinteren Teil des Ladenlokals die spätere Geschädigte, die dort die Warenbestellung für den nächsten Tag notierte.

Diese bemerkte den Angeklagten und sprach ihn an. Der Angeklagte fasste nunmehr den Entschluss, die Geschädigte zur Herausgabe von Geld zu zwingen. Er griff der Geschädigten an den Hals und forderte sie auf, ihm Geld zu geben. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zog er ein von ihm mitgeführtes Messer mit feststehender Klinge hervor. Die Geschädigte begann daraufhin aus Angst laut zu schreien.

Der Angeklagte fürchtete nunmehr, dass durch die Schreie andere Personen auf das Geschehen aufmerksam werden und ihn daran hindern könnten, vom Tatort zu fliehen. In dieser Situation entschloss er sich spontan, das Messer gegen die Geschädigte einzusetzen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er stach wuchtig auf die Geschädigte ein und brachte ihr mehrere tödliche Stichverletzungen bei.

Nachdem die Geschädigte im Verlauf dieses Tatgeschehens zu Boden gegangen war, brachte der Angeklagte die schwer Verletzte in den Kühlraum des Ladenlokals und schloss die Tür von außen. Er wollte hierdurch für einen möglichst langen Zeitraum verhindern, dass das Tatopfer von Passanten und Anwohnern gesehen und/oder gehört würde, um sich unerkannt und unbehelligt vom Tatort zu entfernen.

Als er sich anschließend Richtung Ausgang begab, fiel sein Blick auf zwei Taschen im Verkaufsbereich, die die Geschädigte dort zuvor abgestellt hatte. In der Absicht, die Taschen der Geschädigten dauerhaft zu entziehen und deren Inhalt seinem Vermögen einzuverleiben, nahm er diese an sich.

Ohne in dem Ladenlokal weiter nach Bargeld zu suchen, verließ er anschließend die Salatbar. Die Geschädigte verstarb kurze Zeit später am Tatort.

II.

1. Das Landgericht hat die Tat als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung, Mord und Diebstahl gewertet und hinsichtlich der Konkurrenzen jeweils Tatmehrheit angenommen.

2. Diese Wertung des Landgerichts ist unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden.

a) Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für § 251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch die Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511, 512). Demzufolge kann der Tatbestand des § 251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war (BGH, Urteil vom 15. Mai 1992 - 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 299; Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511, 512; Urteil vom 23. Dezember 1998 - 3 StR 319/98, NJW 1999, 1039, 1040; Beschluss vom 29. März 2001 - 3 StR 46/01, NStZ 2001, 371; Beschluss vom 13. August 2002 - 3 StR 204/02, NStZ 2003, 34; Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 214; ebenso Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 251 Rn. 4; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 251 Rn. 8, 18 jew. mwN; aA Fischer, StGB, 64. Aufl., § 251 Rn. 5; Sander in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 251 Rn. 11 mwN; Küpper/Grabow, Festschrift für Achenbach, 2011 S. 265, 280 f.; Habetha, NJW 2010, 3133, 3135).

Nach diesen Maßstäben ist hier der erforderliche qualifikationsspezifische Gefahrzusammenhang gegeben. Zwar waren die tödlichen Messerstiche nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht mehr vom Willen getragen, das Tatopfer zur Herausgabe von Geld zu nötigen, sondern dienten nur noch dazu, dieses zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Es gehört jedoch stets zu den sich aufdrängenden deliktstypischen Risiken, dass das Opfer einer unter Verwendung eines Messers begangenen räuberischen Erpressung vor Entsetzen schreit, und der Täter das Messer daraufhin in tödlicher Weise gegen das Opfer einsetzt, um eine Entdeckung der Tat zu verhindern. Zudem war hier die Anwendung der tödlichen Gewalt so eng mit der eigentlichen räuberischen Erpressung verknüpft, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht in adäquater Weise erfasst wäre, wollte man den besonderen Kausalzusammenhang der schweren Folge verneinen. Denn der Angeklagte hat die unmittelbar zuvor angedrohte Gewalt mit der Tötungshandlung unter Einsatz des zuvor vorgehaltenen Messers gegen das Opfer der schweren räuberischen Erpressung umgesetzt, wobei die Tathandlungen der versuchten schweren räuberischen Erpressung und der Tötungshandlung zeitlich und räumlich fließend ineinander übergingen.

b) Die vom Landgericht zu Recht als Mord in Verdeckungsabsicht gemäß § 211 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 9 StGB gewertete Tötung der Geschädigten steht zur versuchten (schweren) räuberischen Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; Beschluss vom 13. August 2002 - 3 StR 204/02, NStZ 2003, 34). Hinsichtlich der Wegnahme der Taschen verbleibt es bei einem tatmehrheitlich begangenen Diebstahl.

3. § 265 Abs. 1 StPO steht einer Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil in der Anklage der Tatvorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1 und Abs. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 251, 52 StGB aufgeführt war und der Angeklagte sich gegen den Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge gemäß §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Alt. 9, 253, 255, 251, 22, 23, 52 StGB nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

4. Die Neufassung des Schuldspruchs bedingt die Änderung des Strafausspruchs. Sie führt zum Wegfall der Einzelstrafe von drei Jahren für die tatmehrheitlich ausgeurteilte versuchte besonders schwere räuberische Erpressung. Hinsichtlich des Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge verbleibt es gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 2 StGB bei der vom Landgericht bereits für den Mord festgesetzten lebenslangen Freiheitsstrafe. Der vom Landgericht vorgenommene Härteausgleich sowie die weitere Einzelstrafe für den Diebstahl sind unbetroffen.

5. Die weitergehende Revision bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 3. April 2017 dargestellten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO ohne Erfolg.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 863

Externe Fundstellen: NStZ 2017, 638 ; StV 2020, 122 ; StV 2019, 106

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner