HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 929
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 506/15, Urteil v. 26.04.2017, HRRS 2017 Nr. 929
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 2015 werden mit der Maßgabe verworfen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarte der Zeuge A. mit einer Vertrauensperson der Polizei für den 10. März 2014 die Lieferung von einem Kilogramm Ampthetamin zum Preis von 3.700 €. Der Zeuge besorgte sich von dem Angeklagten Am. 890 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 22,1 %, das sich dieser zu einem Preis von 2.000 € von einer dritten, nicht namentlich bekannten Person beschafft hatte. Den Kaufpreis, den der Zeuge A. zu entrichten hatte, konnte das Landgericht nicht feststellen. Bei der Übergabe des Rauschgifts an die Vertrauensperson wurde der Zeuge A. festgenommen, die Betäubungsmittel wurden sichergestellt.
2. Der nicht revidierende Mitangeklagte S. informierte im Juni 2014 den im selben Haus wohnenden Angeklagten Am., dass er Amphetamin und Haschisch im Kilogrammbereich zur Verfügung habe, und übergab ihm zwei Proben mit einem Feuchtgewicht von 19,81 Gramm, die später, am 25. Juni 2014, in seiner Wohnung sichergestellt wurden. Einige Zeit später kam es zwischen beiden zu einem Geschäft über 877,37 Gramm Haschisch; das Rauschgift wurde alsbald von dem Abnehmer des Angeklagten Am. an diesen und sodann an den Mitangeklagten S. zurückgegeben, da es sich mit einem Wirkstoffgehalt von lediglich 0,8 % als „unbrauchbar“ erwiesen hatte. Hinsichtlich dieses Tatkomplexes ist das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
Mitte Juni 2014 übergab der Mitangeklagte S. dem Angeklagten Am. ein Kilogramm Amphetamin mit einem geschätzten Wirkstoffanteil von 6,1 %, das dieser zu einem Preis von 3.400 € weiterveräußern wollte. Das Geschäft kam nicht zur Durchführung, weil der Abnehmer des Angeklagten hiervon plötzlich aus vom Angeklagten unbekannten Gründen Abstand nahm.
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos; das Rechtsmittel des Angeklagten hat nur im geringen Umfang Erfolg.
1. Die Revision des Angeklagten
Das auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel ist zwar zulässig, denn die Revision ist rechtzeitig eingelegt, weshalb es eines Eingehens auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bedarf. Die Revision hat aber nur in geringem Umfang Erfolg.
a) Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
aa) Der Angeklagte rügt der Sache nach einen Verstoß gegen die der Strafkammer obliegende Transparenz- und Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Er beanstandet konkret, die Mitteilung der Vorsitzenden über den Inhalt des während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung am 27. Januar 2015 geführten Verständigungsgesprächs sowie dessen Protokollierung seien unvollständig. Diese habe in der Hauptverhandlung erklärt und entsprechend protokolliert, die Mitglieder hätten sich in dem Gespräch „konkret nicht geäußert“, während die Vorsitzende tatsächlich erklärt habe, sie könne sich für den Angeklagten eine Bewährungsstrafe vorstellen.
Es kann dahinstehen, ob die Rüge insoweit zulässig ist, als in der Revisionsbegründung nicht vorgetragen ist, ob und ggf. in welcher Weise der Angeklagte von seinem Verteidiger über den tatsächlichen Inhalt des am 27. Januar 2015 geführten Verständigungsgesprächs ins Bild gesetzt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2014 - 2 StR 171/14, NJW 2014, 266). Sie ist jedenfalls unbegründet.
Zwar ist unter Zugrundelegung der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden davon auszugehen, dass sie in dem fraglichen Gespräch eine Strafvorstellung geäußert hat, die keinen Niederschlag in der Protokollierung des Rechtsgesprächs gefunden hat. Gegenstand einer Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO muss aber auch sein, von wem im Rahmen von Erörterungen über eine Verständigung welche Vorstellungen geäußert wurden und welchen Standpunkt die anderen Beteiligten hierzu eingenommen haben. Daran fehlt es hier.
Auf dem festgestellten Verstoß gegen die Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO beruht das Urteil hier aber ausnahmsweise nicht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:
„Nach den Feststellungen im Urteil hat der Angeklagte beide Taten eingeräumt (UA S. 11 ff.). Dem Revisionsvorbringen ist ebenso wie dem Hauptverhandlungsprotokoll zu entnehmen, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers zu dem ersten Tatkomplex bereits am 1. Hauptverhandlungstag - noch vor den Verständigungsgesprächen - für den Angeklagten eine Erklärung zur Sache abgegeben hatte, die dieser sich als seine Einlassung zu Eigen gemacht hatte. Insoweit kann sicher ausgeschlossen werden, dass durch die Verletzung der Informationspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten betroffen ist. Gleiches gilt auch für die Einlassung des Angeklagten zum zweiten Tatkomplex. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mitteilung über die am 2. Hauptverhandlungstag geführten Gespräche nicht gänzlich unterblieben ist, sondern nur unvollständig, jedoch unter Bekanntgabe ihrer wesentlichen Ergebnisse, erfolgt ist und dass eine Verständigung nicht zustandegekommen ist. Im Nachgang zu dieser (unvollständigen) Mitteilung durch die Vorsitzende gab der Verteidiger für den Angeklagten eine weitere Erklärung ab, die dieser ebenfalls als richtig bestätigte. Zudem erklärte der Angeklagte im Anschluss daran nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, auf die Herausgabe des sichergestellten Geldbetrages in Höhe von 10.700 € zu verzichten. Es liegt nahe, dass er zuvor von seinem Verteidiger über die von der Vorsitzenden in dem Verständigungsgespräch geäußerte Straferwartung für den Fall eines Geständnisses und eines Verzichts unterrichtet worden ist. Jedenfalls war ihm aber aufgrund der vorangegangenen Mitteilung der Vorsitzenden zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass eine dahingehende Einigung nicht zustande gekommen war, da die Vorstellungen über die zu verhängenden Strafen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu weit auseinanderfielen. Wenn der Angeklagte sich - nachdem er über das Scheitern des Verständigungsgesprächs unterrichtet war - dennoch entschlossen hat, sich weiter zur Sache einzulassen und seinen Verzicht auf die Herausgabe des sichergestellten Geldes zu erklären, ist damit aber auszuschließen, dass dies aufgrund eines infolge der unvollständigen gerichtlichen Mitteilung beim Angeklagten hervorgerufenen Informationsdefizits erfolgt ist und seine Selbstbelastungsfreiheit in irgendwie fassbarer Weise beeinträchtigt sein könnte. Vielmehr geschah dies erkennbar lediglich in der Hoffnung, gleichwohl im Falle eines Geständnisses und eines Verzichts eine Bewährungsstrafe zu erhalten, ohne dass diese Erwartung durch die unvollständige Information hervorgerufen worden sein könnte. Daher kann sicher ausgeschlossen werden, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.“ Auch ein Einfluss einer konkludent behaupteten unzureichenden Information der Öffentlichkeit, der die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zugleich dient, auf die Entscheidungsfindung ist auszuschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Beruhen hierauf auszuschließen, wenn der Inhalt der geführten Gespräche - wie hier - zweifelsfrei feststeht und diese nicht auf die Herbeiführung einer gesetzwidrigen Absprache gerichtet waren (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170, 172).
bb) Die Beanstandung des Angeklagten, ein weiteres Gespräch, das zwischen dem 27. Januar 2015 und dem 2. Februar 2015 im Dienstzimmer der Vorsitzenden und in Anwesenheit der beisitzenden Richterin stattgefunden habe und in dem beide übereinstimmend erklärt hätten, eine Strafe von drei Jahren bis drei Jahren und sechs Monaten erscheine ihnen deutlich zu hoch, sei entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt worden, ist bereits nicht zulässig erhoben. Der Angeklagte trägt schon selbst nicht eindeutig vor, dass das fragliche Gespräch, an das der Verteidiger des Angeklagten Näheres nicht erinnert, eine „Konkretion“ erreicht hat, die eine Dokumentationspflicht nach sich ziehen könnte.
b) Auch die Sachrüge bleibt weitgehend ohne Erfolg.
Die Überprüfung von Schuld- und Strafausspruch hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
aa) Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten sowohl bei der Strafrahmenwahl wie auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne berücksichtigt, dass die Grenze zur nicht geringen Menge im Fall 1 der Anklage um das 12-fache und im Fall 2 der Anklage um das 6,1-fache überschritten worden sei.
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
(1) Dies gilt zunächst, soweit das Landgericht bei der Prüfung des minder schweren Falles die Überschreitung um das 6,1 bzw. 12-fache als einen gegen den Angeklagten sprechenden Umstand eingestellt hat.
Ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheinen lässt, ist daran auszurichten, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 2017 - 2 StR 294/16). In diese Gesamtwürdigung sind alle Umstände einzubeziehen, die für die Wertung von Tat und Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat inne wohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder ihr nachfolgen. Bei der sonach erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist es regelmäßig von Bedeutung, ob die nicht geringe Menge um ein Vielfaches oder nicht sehr erheblich überschritten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 1983 - 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162, 165). Je höher im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist, desto gewichtiger müssen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die für die Annahme eines minder schweren Falles hinzugezogenen Gründe sein.
Je geringer demgegenüber die Überschreitung des Grenzwerts ist, umso eher wird die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommen. Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung wird - weil unterhalb des „Durchschnittsfalles“ gelegen - ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles sein, während eine erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht. Daran gemessen unterliegt es im vorliegenden Fall keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht einen minder schweren Fall unter anderem auch mit Blick auf die 6,1 bzw. 12-fache Überschreitung der nicht geringen Menge abgelehnt hat.
(2) Soweit das Landgericht die 6,1 bzw. 12-fache nicht geringe Menge bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt hat, ist auch dies nicht zu beanstanden.
Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG darf die Tatbegehung hinsichtlich einer „nicht geringen Menge“ als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes nicht berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann der Grad der Überschreitung des Grenzwerts in die Rechtsfolgenentscheidung einbezogen werden, soweit es sich nicht nur um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt, wodurch praktisch alleine die Erfüllung des Straftatbestands festgestellt ist. Wo diese Bagatellgrenze liegt, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzulegen. Ob sie „annähernd beim Doppelten der nicht geringen Menge“ (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2017 - 4 StR 533/16), beim 2,5-fachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141) oder dreifachen (so im Ergebnis Senat, Beschluss vom 31. März 2016 - 2 StR 36/16, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 44) der nicht geringen Menge noch nicht überschritten wird, kann offen bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 4 StR 248/16: Überschreitung um ein Drittel kein zulässiger Strafschärfungsgrund). Bei einem Handeltreiben mit dem 6,1 bzw. 12-fachen der nicht geringen Menge wie hier ist der Bagatellbereich aber auf jeden Fall verlassen.
Jenseits einer die Untergrenze zur Tatbestandserfüllung nur unwesentlich überschreitenden Wirkstoffmenge hat das Maß der Überschreitung dieser Grenze(n), regelmäßig die Bedeutung eines zulässigen und im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgrundes. Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat die Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung. Die Bewertungsrichtung wird insoweit durch die Anknüpfung des Qualifikationstatbestands gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln vorgegeben. Unbeschadet des Erfordernisses einer Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen ist die Überschreitung zur nicht geringen Menge gegenüber der Mindeststrafe für sich genommen schärfend zu berücksichtigen (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 2017 - 2 StR 294/16).
Eine Orientierung an einem anderen Bezugspunkt, wie etwa einem normativen Normalfall, von dem aus ein einzelner Umstand im Rahmen seiner Bewertungsrichtung als „strafmildernd“ oder „strafschärfend“ bezeichnet werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351), oder einem statistischen Durchschnitts- oder Regelfall als Bezugspunkt für die Bestimmung einer Bewertungsrichtung scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der konkreten Strafzumessung aus (vgl. BGHSt 34, 345, 351). Es bleibt daher bei der von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vorgegebenen Bewertungsrichtung, wonach das Maß der Überschreitung der nicht geringen Menge ein gegenüber der Mindeststrafe schärfender Gesichtspunkt ist.
Soweit der Senat früher bemerkt hat, eine nur geringe Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge sei ein „Strafmilderungsgrund“ (Senat, Urteil vom 10. August 2016 - 2 StR 22/16, Rn. 40; krit. BGH, Beschluss vom 8. November 2016 - 5 StR 487/16 sowie Beschluss vom 10. Januar 2017 - 5 StR 552/16), hält er daran nicht fest.
Das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. November 2016 - 1 StR 329/16 - steht dem nicht entgegen. Dieser hat zwar auch angeführt, dass eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ein Strafmilderungsgrund sei; dies war allerdings für die Entscheidung des 1. Strafsenats ohne Bedeutung und damit nicht tragend. Er hatte über die tatrichterliche Wertung zu entscheiden, ob die 1,8-fache Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ein Strafschärfungsgrund sein könne. Das Ergebnis des 1. Strafsenats, der dies beanstandete, steht im Übrigen mit den Wertungen des Senats im Zusammenhang mit der Überschreitung des Grenzwerts in einem Bagatellbereich ohne Weiteres in Einklang.
bb) Soweit die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, er habe die gegenüber dem Besitz schwerwiegendere Tatbestandsalternative des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dem Handeltreiben kommt gegenüber dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein erhöhter Unrechtsgehalt zu.
cc) Zur Kompensation der überlangen Dauer des Revisionsverfahrens war anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Das Revisionsverfahren hat aus Gründen, die der Angeklagte mit Blick auf Erkrankungen und urlaubsbedingte Abwesenheiten beteiligter Richter nicht zu vertreten hat, auch unter Berücksichtigung des Verfahrensumfangs vierzehn Monate und damit zu lange gedauert.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Auch der ebenfalls auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg versagt.
a) Die Rüge, ein außerhalb der Hauptverhandlung geführtes Verständigungsgespräch sei entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt worden, greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob diese Rüge - wie der Generalbundesanwalt meint - bereits nicht zulässig erhoben ist, weil nicht konkret behauptet und bestimmt dargelegt werde, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefunden hätten. Daran könnten Zweifel bestehen, weil die Staatsanwaltschaft sich in ihrem Vorbringen allein auf Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers des Angeklagten zu einem zwischen Mitgliedern des Gerichts und der Verteidigung geführten Gespräch bezieht, an dem die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt war. Insoweit dürfte entsprechendes, der Staatsanwaltschaft insoweit gar nicht mögliches Vorbringen keine Voraussetzung für eine zulässige Rüge sein.
Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Nach der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin war Gegenstand der Erörterungen mit dem Verteidiger lediglich das zu erwartende Strafmaß, ohne dass in diesem Zusammenhang ein Konnex zu dem Aussageverhalten oder sonstigen Prozessverhalten des Angeklagten hergestellt worden wäre. Danach handelte es sich - auch soweit die zu diesem Zeitpunkt in den Fall noch nicht eingearbeitete Vorsitzende angegeben hatte, eine Strafhöhe von drei Jahren und sechs Monaten sei möglicherweise zu hoch angesetzt - nicht um ein Verständigungsgespräch, das Mitteilungs- und Dokumentationspflichten ausgelöst hat.
b) Auch die Sachrüge zeigt Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht auf.
Soweit die Strafkammer nicht feststellen konnte, welchen Kaufpreis der Zeuge A. im Fall 1 der Urteilsgründe zu entrichten hatte und damit auch den Gewinn des Angeklagten aus diesem Geschäft nicht ausdrücklich beziffert hat, stellt dies keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Handeltreibens verurteilt und ist dabei offensichtlich davon ausgegangen, dass er aus diesem Geschäft einen Gewinn erzielt hat. Die von der Staatsanwaltschaft vermisste Bezifferung eines Gewinns von mindestens 200 € stellt sich angesichts des sehr geringen Gewinns jedenfalls nicht als ein bestimmender Strafzumessungsgrund dar, der ausdrücklicher Erwähnung bedurft hätte.
Auch im Hinblick auf die weitere Rüge, das Landgericht hätte die von dem Angeklagten eingeräumte Tat des Handeltreibens mit einem Kilogramm Marihuana minderer Qualität, die in der Hauptverhandlung eingestellt worden sei, ausdrücklich strafschärfend berücksichtigen müssen, bleibt ohne Erfolg.
Die Strafkammer wäre zwar nicht gehindert gewesen, diesen Umstand bei der Strafzumessung zu würdigen, es handelt sich aber nicht um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, auf den sie in jedem Fall hätte eingehen müssen.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 929
Externe Fundstellen: NStZ 2017, 658 ; StV 2019, 371
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede