HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 255
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 19/12, Beschluss v. 24.01.2013, HRRS 2013 Nr. 255
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Eröffnungsbeschluss des Kammergerichts vom 5. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, er habe als Mitarbeiter des mongolischen Geheimdienstes am 14. Mai 2003 in Le Havre/Frankreich zusammen mit weiteren Personen den Exilmongolen D. in seine Gewalt gebracht, ihn in gefesseltem und zeitweise durch Spritzen betäubtem Zustand im Pkw über Brüssel nach Berlin geschafft und ihn dort am 18. Mai 2003, wiederum betäubt, in ein Flugzeug nach Ulan Bator/Mongolei verbracht. Dies habe dem Zweck gedient, gegen D. in der Mongolei ein Strafverfahren wegen Beteiligung an der Ermordung des damaligen mongolischen Innenministers S. am 2. Oktober 1998 in Ulan Bator durchzuführen. Bei seiner Ankunft in der Mongolei am 19. Mai 2003 sei D., wie von den Tätern bezweckt, in Untersuchungshaft genommen worden; in der Folge habe man ihn mehrfach gefoltert, um von ihm ein Geständnis zu erzwingen. Dieses Vorgehen habe lediglich dem Machterhalt der damaligen mongolischen Regierungspartei MRVP gedient. Sie habe ohne Einlösung ihres Wahlversprechens, den Mord an S. aufzuklären, um ihre Wiederwahl gefürchtet, weshalb sich ihre Funktionäre entschlossen hätten, D. ungeachtet fehlender Hinweise auf seine Täterschaft zu einem Geständnis zu zwingen. Dessen sei sich der Angeklagte bei seinem Handeln bewusst gewesen.
Der Generalbundesanwalt hat gegen den Angeklagten wegen dieses Tatgeschehens, das er rechtlich als Verschleppung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 234a Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4, § 52 StGB) bewertet, am 1. August 2011 Anklage zum Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin erhoben. Das Kammergericht hat das Hauptverfahren mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 eröffnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.
1. Das Rechtsmittel ist unzulässig, denn der Beschluss, das Hauptverfahren zu eröffnen, ist nach § 210 Abs. 1 StPO der Anfechtung durch den Angeklagten grundsätzlich entzogen. Die Vorschrift verweist den Angeklagten wegen der Klärung der Beschwerdepunkte, die er gegen diese - nach § 203 StPO nur auf vorläufiger Bewertung beruhende - Zwischenentscheidung vorzubringen hat, auf das zur endgültigen Entscheidung führende Hauptverfahren. Hiergegen bestehen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. August 1994 - 2 BvR 1547/94, NJW 1995, 316).
2. Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Würdigung des Beweisstoffs durch das Kammergericht verstoße gegen das Willkürverbot und das Gebot eines fairen Verfahrens, trifft nicht zu. Zur Begründung bezieht sich der Beschwerdeführer allein darauf, dass der Senat im Beschluss vom 16. September 2011 (StB 11/11) keine hinreichenden Belege für eine Verfolgung des Geschädigten trotz fehlender Verdachtsmomente für seine Täterschaft und allein aus politischen Gründen gesehen, deshalb den dringenden Verdacht einer Verschleppung verneint und demzufolge den vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gegen den Beschwerdeführer erlassenen Haftbefehl mangels Strafgerichtsbarkeit des Bundes aufgehoben hatte. Dieser Beschluss entfaltet indes für die Bewertung der Tat in der Eröffnungsentscheidung des Kammergerichts keine rechtliche Bindung.
Unter diesen Umständen kann der Senat offenlassen, ob es bei einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten von Verfassungs wegen zulässig oder gar allgemein geboten ist, dem Angeklagten in Durchbrechung des § 210 Abs. 1 StPO - und entgegen dem Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395) - die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses zu ermöglichen (vgl. zur Unstatthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzesverletzung" BGH, Beschlüsse vom 19. März 1999 - 2 ARs 109/99, BGHSt 45, 37; vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14). Soweit wegen der Ausstrahlungswirkung des Art. 103 Abs. 3 GG, der Schutz nicht nur vor Doppelbestrafung, sondern auch vor doppelter Strafverfolgung gewährleistet, die - einfache - Beschwerde des Angeklagten gegen einen Eröffnungsbeschluss ausnahmsweise dann als statthaft anzusehen ist, wenn sie sich gegen eine erneute, nach bereits rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung ergangene Entscheidung richtet und geltend macht, diese beruhe entgegen § 211 StPO nicht auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln (BVerfG, Beschluss vom 3. September 2004 - 2 BvR 2001/02, StV 2005, 196), kann der Beschwerdeführer einen Sachverhalt, der damit auch nur vergleichbar wäre, nicht vortragen.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 255
Bearbeiter: Christian Becker