HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 117
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 433/09, Beschluss v. 09.12.2009, HRRS 2010 Nr. 117
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 23. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Die Revision macht zu Recht geltend, dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben ist.
Das Landgericht hat für die Dauer der Vernehmung der Zeugin R. die Entfernung des Angeklagten gemäß § 247 StPO angeordnet. Nachdem der Angeklagte den Sitzungssaal verlassen hatte, sagte die Zeugin zur Sache aus. Sie blieb nach richterlichem Ermessen unvereidigt und wurde anschließend entlassen. Erst danach wurde der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal geführt und über den Inhalt der Vernehmung der Zeugin in seiner Abwesenheit informiert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, an der dieser festhält, gehört die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen nicht mehr zur Vernehmung, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt (vgl. zuletzt Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 ARs 138/09 m.w.N.). Eine angeordnete Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO erfasst nur die eigentliche Vernehmung des Zeugen, nicht aber die sich anschließende Verhandlung über die Entlassung.
Wird ein Angeklagter - wie auch im vorliegenden Fall - erst nach der Entlassung einer Zeugin wieder in den Sitzungssaal geführt und über den Inhalt der Vernehmung unterrichtet, muss dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
2. Soweit der 5. Strafsenat die für das Verfahren bedeutsame Rechtsfrage mit Datum vom 11. November 2009 dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorgelegt hat (5 StR 460/08), bindet dies die vorliegende Entscheidung nicht. Dass ein Anfragebeschluss nach § 132 Abs. 3 GVG diejenigen Senate, die an der bisherigen Rechtsprechung festhalten wollen, nicht hindert, auf dieser Grundlage weiter zu entscheiden, hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf eine fehlende Sperrwirkung (vgl. § 132 Abs. 2, 3; § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG) bereits entschieden (BGHR GVG § 132 Anfrageverfahren 1; NStZ-RR 2004, 281). Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt worden ist. Die in dem Vorlagebeschluss geäußerte Rechtsansicht dient der Herbeiführung einer Rechtsprechungsänderung, ist aber selbst noch keine bindende Entscheidung, von der nur bei eigener Anrufung des Großen Senats abgewichen werden könnte.
[Redaktioneller Hinweis: Vgl. zum laufenden Anfrageverfahren dem 2. Strafsenat zust. Bung HRRS 2010, 50 ff.]
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 117
Externe Fundstellen: NStZ 2010, 227; StV 2010, 60
Bearbeiter: Karsten Gaede