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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 931

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 165/24, Beschluss v. 15.05.2024, HRRS 2024 Nr. 931


BGH 1 StR 165/24 - Beschluss vom 15. Mai 2024 (LG Kempten)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (keine Neuentscheidung über den Strafausspruch nach Inkrafttreten des KCanG); gefährliche Körperverletzung (Handeln mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich).

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG; § 354a StPO

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 23. November 2023 wird als unbegründet verworfen. Jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit Raub, mit räuberischer Erpressung, mit gefährlicher Körperverletzung und mit verbotenem Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit Raub, mit räuberischer Erpressung, mit Körperverletzung und mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; daneben hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe geraubter 600 € und des zur Kommunikation mit den anderen Tatbeteiligten eingesetzten Mobiltelefons angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist im Wesentlichen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO); allein der Schuldspruch bedarf der Abänderung zugunsten (§ 349 Abs. 4 StPO), aber auch zu Lasten des Angeklagten.

1. a) Das Handeltreiben des Angeklagten bezog sich allein auf Marihuana, und zwar auf ein Kilogramm mit einer Wirkstoffmenge von 50 Gramm. Damit ist der Schuldspruch an das am 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 anzupassen (§ 2 Abs. 3 StGB iVm § 354a StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Nr. 4 KCanG; BGH, Beschlüsse vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 3 und vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 4 f.) und insoweit allein ein Vergehen zu tenorieren.

b) Die Feststellungen tragen eine gefährliche Körperverletzung in der Form der gemeinschaftlichen Tatbegehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB): Der Angeklagte schlug und würgte gemäß dem Tatplan den in einem Kraftfahrzeug entführten Fahrer des Betäubungsmittelkäufers, den Zeugen V., nachdem der Mitangeklagte A. und der nichtrevidierende Mitangeklagte M. bereits zuvor - ebenfalls von der Abrede gedeckt - dem Geschädigten Faustschläge zugefügt hatten, wodurch dieser wie auch durch das gewaltsame Fortbringen ersichtlich verängstigt war. Der Angeklagte wirkte im weiterhin einschüchternden Beisein seiner drei nach wie vor gewaltbereiten Mittäter und zweier Gehilfen auf V. ein, sodass sich dieser mehr als einem Angreifer gegenübersah und jedenfalls hierdurch das Qualifikationsmerkmal erfüllt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 - 6 StR 490/23 Rn. 7; vom 25. Juli 2017 - 3 StR 93/17 Rn. 8 und vom 30. Juni 2015 - 3 StR 171/15, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 Gemeinschaftlich 5 Rn. 7; Urteil vom 14. Juni 2018 - 3 StR 585/17, BGHSt 63, 138 Rn. 46).

c) § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Es ist auszuschließen, dass sich der Angeklagte hiergegen wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Der Strafausspruch bleibt von der Abmilderung des Schuldspruchs hinsichtlich des ausgeurteilten Betäubungsmitteldelikts unberührt. Denn der zugrunde gelegte Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ergibt sich neben dem nicht mehr anwendbaren § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auch aus dem minder schweren Fall des § 239a Abs. 2 StGB, zu dem das Landgericht nach Abwägung aller relevanten Strafzumessungsgesichtspunkte den Angeklagten nicht beschwerend gelangt ist. Es ist auszuschließen (§ 354 Abs. 1 StPO analog), dass das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinne eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn es hinsichtlich des gehandelten Marihuanas vom Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG anstelle des Verbrechenstatbestandes des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ausgegangen wäre. Das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ist erfüllt, weil die nicht geringe Menge nach wie vor nach einem Grenzwert von 7,5 Gramm THC zu bestimmen ist (BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 7-21 und vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 11-21). Den für sich genommen rechtsfehlerfreien Erwägungen, mit denen das Landgericht einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt hat, ist zu entnehmen, dass es auch nicht von der Indizwirkung des Regelbeispiels abgegangen wäre. Ohnehin liegt der Schwerpunkt der Tat ersichtlich auf dem gewaltsamen Entführen des Zeugen V. mitsamt der Wegnahme des Bargelds von 600 € und der erzwungenen Aushändigung des Fahrzeugschlüssels.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 931

Bearbeiter: Christoph Henckel