HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 17
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 352/22, Beschluss v. 20.10.2022, HRRS 2023 Nr. 17
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 2. Juni 2022, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf; der Strafausspruch, gegen den auch der Generalbundesanwalt Bedenken hatte, hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
Das Landgericht hat wegen Reifeverzögerungen bei dem zur Tatzeit beinahe 21-jährigen Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendrecht angewandt und die Verhängung einer Jugendstrafe mit schädlichen Neigungen des Angeklagten (§ 17 Abs. 2 Alternative 1 JGG; vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. März 2021 - 2 StR 218/20 Rn. 22 mwN) begründet. Bei der Bemessung der Jugendstrafe hat es den Erziehungsgedanken angesprochen, sich aber im Wesentlichen an im Erwachsenenstrafrecht geltenden Zumessungsgesichtspunkten orientiert, wie etwa den verschuldeten Auswirkungen der Tat, dem Zeitablauf seit der Tat und der Vorahndung des Angeklagten.
Zur Begründung der Verhängung einer Jugendstrafe hat das Landgericht dabei bereits nicht tragfähig ausgeführt, warum unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und des bisherigen Werdegangs des Angeklagten Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zu dessen Erziehung nicht ausreichend sein könnten (§ 17 Abs. 2 Alternative 1 JGG).
Auch hat es den Umfang des Erziehungsbedarfs beim Angeklagten, der gemäß § 18 Abs. 2 JGG für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblich ist, weder konkret bestimmt noch tragfähig begründet. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass das Tatgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2022 - 3 StR 279/21 Rn. 5 und vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14 Rn. 6; jeweils mwN). Dem werden die pauschalen Ausführungen der Strafkammer nicht gerecht, weil sie sich weder mit der Qualität der Vorahndung des Angeklagten und den ihr sowie dem späteren, dem hier abgeurteilten Tatgeschehen nachfolgenden Strafbefehl vom 30. November 2021 zugrundeliegenden Taten noch mit der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten auseinandergesetzt und sie sich auch nicht zu dem hieraus ergebenden konkreten Erziehungsbedarf des Angeklagten verhalten hat.
Um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 17
Bearbeiter: Christoph Henckel