HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 760
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 54/19, Beschluss v. 25.04.2019, HRRS 2019 Nr. 760
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 19. September 2018
a) im Strafausspruch aufgehoben und
b) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass gegen den Angeklagten S. die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 388.630 Euro angeordnet wird und er hinsichtlich des Teilbetrages von 148.192 Euro, in dessen Höhe gegen die Angeklagte Sa. die Einziehung angeordnet ist, mit der Mitangeklagten als Gesamtschuldner haftet. Die darüberhinausgehende Einziehungsanordnung gegen die Angeklagte Sa. entfällt.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Mitangeklagte Sa. hat es wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat das Landgericht gegen die Angeklagten die „erweiterte Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen“ in Höhe von 388.630 Euro als Gesamtschuldner angeordnet.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie jeweils mit der ausgeführten Sachrüge, der Angeklagte S. zusätzlich mit einer Verfahrensrüge, begründet haben.
Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten S., mit der er beanstandet, das Urteil beruhe auf einem „unverhältnismäßigen Verlangen im Rahmen des Verständigungsvorschlags“, ist unbegründet.
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die Strafkammer nicht an den Verständigungsvorschlag (Strafobergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe bei umfassendem Geständnis) gebunden war, weil eine Verständigung nicht zustande gekommen ist und das vom Angeklagten erst nach Abschluss der Beweisaufnahme abgelegte Teilgeständnis mit geringerem Gewicht zu berücksichtigen war.
Soweit die Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auch davon abhängig gemacht hatte, dass die Angeklagten bis zum Schluss der Beweisaufnahme 200.000 Euro an die „Landeskasse“ zahlen sollten, und zugesichert hatte, dass dann eine weitere Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen nicht erfolgen würde, kann dahinstehen, ob die Verfahrensbeteiligten über die nach § 73c Satz 1 StGB zwingend anzuordnende Einziehung des Wertes von Taterträgen (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, Rn. 42 und vom 21. November 2018 - 2 StR 262/18, Rn. 6; Beschluss vom 1. August 2018 - 1 StR 326/18, Rn. 6) überhaupt im Rahmen einer Verständigung disponieren können.
2. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler ergeben.
In Bezug auf die im Urteil angegebenen Tatzeiten und Mengen der jeweiligen Steuerhehlerei hat der Angeklagte eingeräumt, dass die in der Anklageschrift benannten Lieferanten und die von diesen gelieferten Mengen zuträfen. Sein Geständnis wird durch die gegen die Angeklagten und gegen mehrere Lieferanten durchgeführten Observations- und Telekommunikationsmaßnahmen, insbesondere durch observierte Anlieferungen von Zigaretten sowie Telefonate über Bestellungen bestimmter Mengen an Zigaretten von den Abnehmern bei den Angeklagten und von den Angeklagten bei den Lieferanten bestätigt.
3. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Die Strafkammer hat bei dem Angeklagten S. einen minder schweren Fall der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 Satz 2 AO abgelehnt und gegen ihn Einzelstrafen verhängt, die sich an der Menge der angekauften Stangen von Zigaretten und des sich hieraus ergebenden Tabaksteuerhinterziehungsbetrages orientieren. Dabei hat die Strafkammer der Bemessung der Einzelstrafen ein abstraktes Schema zugrunde gelegt. Danach sind bei bis zu 100 Stangen sechs Monate Freiheitsstrafe (das betrifft zwei Fälle mit Lieferungen von 40 Stangen und 60 Stangen) zu verhängen, bei „bis unter“ 300 Stangen sieben Monate, bei über 300 Stangen acht Monate, ab 350 Stangen neun Monate, ab 600 bis 1.000 Stangen zehn Monate und darüber hinaus elf Monate. Welche Strafe für genau 300 Stangen zu verhängen ist, hat die Strafkammer nicht festgesetzt. Dies beschwert den Angeklagten aber nicht, da die Strafkammer in den Fällen mit genau 300 Stangen auf die niedrigere Strafe von sieben Monaten erkannt hat. Entsprechendes gilt für Fall 28 (1.050 Stangen), für den die Strafkammer zehn Monate verhängt hat, obwohl es nach dem vorangestellten Schema elf Monate hätten sein müssen. Für die Tat 18 (1.800 Stangen) hat die Strafkammer ein Jahr Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe festgesetzt. Dies widerspricht dem von der Strafkammer verwendeten Schema und beschwert den Angeklagten auch.
Bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren knüpft die Strafkammer an diese Einsatzstrafe an, indem sie ausführt, sie habe „aus den Einzelstrafen unter der Erhöhung der höchsten verwirkten Freiheitsstrafe von einem Jahr als Einsatzstrafe eine Gesamtstrafe gebildet“ (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB).
b) Bei der Angeklagten Sa. hat die Strafkammer zwar einen minder schweren Fall angenommen, aber trotz des verminderten Schuldgehalts regelmäßig dieselben Einzelstrafen wie bei S. verhängt; in zwei Fällen erhält sie sogar einen Monat mehr (Fälle 11, 12), nur in einem einzigen Fall einen Monat weniger (Fall 13).
c) Der Senat hat deshalb bei beiden Angeklagten sämtliche Einzelstrafen aufgehoben, um der Strafkammer eine neue und in sich stimmige Strafzumessung in allen Einzelfällen zu ermöglichen. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter darf ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
4. Die Entscheidung über die „erweiterte“ Einziehung des Wertes von Taterträgen hält nur teilweise einer rechtlichen Überprüfung stand.
Der Steuerhehler erlangt im Sinne des § 73 StGB zunächst die Zigaretten, indem er sie ankauft oder sich sonst verschafft (§ 73 Abs. 1 StGB), und durch den Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös als Tatertrag (§ 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB; BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 407/18, Rn. 11; vom 4. Juli 2018 - 1 StR 244/18, Rn. 8; vom 27. Januar 2015 - 1 StR 613/14, Rn. 15 und vom 28. Juni 2011 - 1 StR 37/11, Rn. 11). Der Wert dieser Taterträge ist nach § 73 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, § 73c StGB einzuziehen. Die Bezeichnung als erweiterte Einziehung ist unzutreffend.
Wird das Verfahren - wie hier hinsichtlich der Angeklagten Sa. - hinsichtlich eines Teils der Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, können die diesen Taten zugeordneten Taterträge nach § 76a Abs. 3 StGB nur noch im selbstständigen Einziehungsverfahren eingezogen werden. Dieses setzt einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO voraus (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 407/18, Rn. 13 mwN und vom 7. Januar 2003 - 3 StR 421/02, Rn. 9). Fehlt es daran (vgl. SA IV HVP S. 165), steht der dennoch ausgesprochenen Einziehung das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen (BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2018 - 3 StR 605/17, Rn. 8 und vom 14. Juni 2018 - 3 StR 28/18, Rn. 4).
Die Anordnung der Einziehung von Wertersatz hinsichtlich der eingestellten Taten kann nicht - anders als der Generalbundesanwalt meint - auf § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB gestützt werden.
Nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB richtet sich die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73, 73a StGB gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat. Die Angeklagte Sa. ist hinsichtlich der Verkaufserlöse in den eingestellten Fällen nicht „ein anderer“ im Sinne dieser Vorschrift, sondern Mittäterin. § 73b Abs. 1 StGB enthält die Grundregel, wonach bei Drittbegünstigten die aus rechtswidrigen Taten erlangten Vermögenswerte durch Einziehung abzuschöpfen sind (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB „Vertretungsfall, Nr. 2 „Verschiebungsfall“, Nr. 3 „Erbfall“). In allen Fällen richtet sich die Einziehungsanordnung gegen Personen, die nicht Tatbeteiligte im Sinne von § 73 StGB sind, aber infolge der Tat selbst etwas erlangt haben (Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73b Rn. 3).
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat hinsichtlich der Angeklagten Sa. daher nur in Höhe von 148.192 Euro (6.736 Stangen à 22 Euro) Bestand.
5. Die Taten 13 bis 15 der Urteilsgründe sind von der am 17. September 2018 beschlossenen und die Angeklagte Sa. betreffenden Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht erfasst (vgl. SA IV HVP S. 162, 163). Insoweit ist hinsichtlich der Angeklagten Sa. weder ein Schuldspruch noch ein Freispruch erfolgt. In diesem Umfang ist das Verfahren noch beim Landgericht anhängig.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 760
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 275; StV 2019, 752
Bearbeiter: Christoph Henckel