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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 350

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 402/19, Beschluss v. 18.12.2019, HRRS 2020 Nr. 350


BGH 1 StR 402/19 - Beschluss vom 18. Dezember 2019 (LG Hechingen)

Betrug (Vermögensschaden: Bestimmung bei betrügerisch erlangter Darlehensauszahlung); Strafzumessung (strafschärfende Berücksichtigung fehlender Unrechtseinsicht und Reue).

§ 263 Abs. 1 StGB; § 488 Abs. 1 BGB; § 46 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ist die Vermögensminderung infolge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung (st. Rspr.) erfüllt (Erfüllungsstadium); daher sind die Grundsätze eines Eingehungsbetrugs durch Abschluss eines Vertrags, bei welchem für den Vermögensvergleich maßgeblich auf den jeweiligen Wert der beiderseitigen Vertragspflichten abzustellen ist, nur bedingt anwendbar. Dem Auszahlungsbetrag zu seinem nominellen Geldwert ist der Wert des dadurch erlangten Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) gegenüberzustellen. Es ist grundsätzlich zu ermitteln, was die Rückzahlungsforderung am Markt wert ist.

2. Ist ein Täter geständig, kann ihm zwar grundsätzlich der Vorwurf mangelnder Unrechtseinsicht und Reue gemacht werden. Uneinsichtigkeit des Täters darf allerdings nur dann straferhöhend wirken, wenn sein Verhalten unter Berücksichtigung von Tat und Persönlichkeit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (st. Rspr.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 22. Mai 2019 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, Betruges in zwei Fällen, Computerbetruges in acht Fällen und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Am 13. März 2017 schloss der Angeklagte mit der C. AG in deren Geschäftsräumen ein Universaldarlehen über einen Betrag in Höhe von 40.000 Euro, verzinslich mit einem effektiven Jahreszinssatz von 6,69 % ab. Dabei täuschte er den Bankmitarbeiter darüber, dass er finanziell zur Rückzahlung des Kredits in der Lage war, woraufhin der Kredit bewilligt wurde (Fall 2 der Urteilsgründe).

Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits ein Darlehensvertrag zwischen den Parteien, aus dem der Angeklagte noch 12.537,18 Euro schuldete. Zudem wies sein Giro-Konto bei der C. AG einen Negativ-Saldo von 9.606,86 Euro auf. Das neue Darlehen sollte zur Umschuldung des bereits bestehenden Darlehens und dem Ausgleich des Dispositionskredits dienen sowie im Übrigen zur freien Verfügung des Angeklagten stehen. Am 28. März 2017 zahlte die C. AG die nach Verrechnung mit dem vorangegangenen Darlehen verbleibende Summe von 27.462,82 Euro auf das Girokonto des Angeklagten aus, so dass nach weiterer Verrechnung mit dem dortigen Dispositionskredit, der zu diesem Zeitpunkt noch 9.570,73 Euro betrug, ein Guthaben von 17.892,09 Euro verblieb.

Das Landgericht geht von einem Gesamtschaden von 27.462,82 Euro aus; von der ausbezahlten Darlehenssumme bringt es nur die offene Forderung aus dem vorangegangenen Darlehensvertrag, nicht aber diejenige aus der Überziehung des Girokontos in Abzug.

2. Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer bei den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe - hinsichtlich derer der Angeklagte geständig war - jeweils zu seinen Lasten berücksichtigt, dass dieser „weder im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens … noch der Hauptverhandlung ansatzweise Reue oder Einsicht in seine Taten“ gezeigt habe (vgl. UA S. 46 zu Fall 2 der Urteilsgründe). Diese negative Wertung hat das Landgericht im Fall 2 der Urteilsgründe damit begründet, dass der Angeklagte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu den Tatvorwürfen auf die Frage einer Polizeibeamtin, ob er sich überlegt habe, wie er sich zu den Betrugsstraftaten stelle, erklärt habe, dass doch niemand gestorben sei. Bei den übrigen Taten in den Fällen 3 bis 11 der Urteilsgründe wird auf diese Begründung jeweils Bezug genommen.

II.

Der Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenausspruch halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Im Fall 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Schuldumfang rechtsfehlerhaft bestimmt.

a) Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ist die Vermögensminderung infolge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2019 - 1 StR 395/19 Rn. 11; Urteil vom 4. Oktober 2018 - 3 StR 283/18 Rn. 22). Durch das Auszahlen des Darlehens hatte die Bank bereits ihre Hauptleistungspflicht (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfüllt (Erfüllungsstadium); daher sind die Grundsätze eines Eingehungsbetrugs durch Abschluss eines Vertrags, bei welchem für den Vermögensvergleich maßgeblich auf den jeweiligen Wert der beiderseitigen Vertragspflichten abzustellen ist, nur bedingt anwendbar. Dem Auszahlungsbetrag zu seinem nominellen Geldwert ist der Wert des dadurch erlangten Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) gegenüberzustellen. Es ist grundsätzlich zu ermitteln, was die Rückzahlungsforderung am Markt wert ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - 3 StR 283/18 Rn. 22).

b) Zwar hat das Landgericht den Wert des Rückzahlungsanspruchs der Bank hier zutreffend mit Null angesetzt; nicht richtig bestimmt hat es jedoch den Auszahlungsbetrag. In Fällen einer Umschuldung in einem Zwei-Personen-Verhältnis sind im Rahmen der Gesamtsaldierung die Beträge gegenüberzustellen, die der Schuldner dem Gläubiger vor und nach der maßgeblichen Vermögensverfügung schuldet. Vorliegend belief sich die wertlose Forderung der C. bereits vor Auszahlung des Darlehens in Höhe von 40.000 Euro auf 22.107,91 Euro; 12.537,18 Euro aus dem abgelösten Darlehen und 9.570,73 Euro aus der Überziehung des Girokontos. Dieser Betrag - nicht lediglich der offene Betrag aus dem abgelösten Darlehen - ist von den 40.000 Euro in Abzug zu bringen, so dass der Vermögensschaden sich vorliegend nur auf 17.892,09 Euro beläuft. Das Landgericht ist mithin von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen.

2. Die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe sind ebenfalls durchgreifend rechtsfehlerhaft, soweit sie zu Lasten des Angeklagten dessen fehlende Reue bzw. Einsicht berücksichtigt haben.

a) Ist ein Täter - wie vorliegend - geständig, kann ihm zwar grundsätzlich der Vorwurf mangelnder Unrechtseinsicht und Reue gemacht werden (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 674; LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 209). Uneinsichtigkeit des Täters darf allerdings nur dann straferhöhend wirken, wenn sein Verhalten unter Berücksichtigung von Tat und Persönlichkeit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 21. November 2018 - 1 StR 401/18 Rn. 7 mwN).

b) Dass diese Voraussetzung hier vorliegt, hat das Landgericht nicht hinreichend dargetan. Zwar ist in der von der Strafkammer in diesem Zusammenhang zitierten Bemerkung des Angeklagten, durch die Betrugstaten sei doch niemand gestorben, eine gewisse Bagatellisierung der Taten zu erkennen. Auf Rechtsfeindschaft und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche kann allein aus dieser einmaligen Äußerung im Ermittlungsverfahren jedoch noch nicht geschlossen werden. Von dieser fehlerhaften Strafzumessungserwägung sind die Einzelstrafen in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe betroffen. Sie unterliegen daher der Aufhebung.

3. Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen 2 bis 11 der Urteilsgründe entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage.

4. Die Feststellungen des Landgerichts sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann aber ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 350

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede