HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1214
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 39/19, Urteil v. 09.10.2019, HRRS 2019 Nr. 1214
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin S. gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Mai 2018 werden verworfen.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin A. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch sowie durch die Revision der Nebenklägerin S. entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Nebenklägerin S. trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin S. je zur Hälfte.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.
Der Angeklagte wendet sich gegen diese Verurteilung mit der ausgeführten Sachrüge und macht die Verletzung von Verfahrensrecht durch die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags geltend.
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin S. greifen jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts den Freispruch des Angeklagten vom Tatvorwurf der sexuellen Nötigung zum Nachteil dieser Nebenklägerin an.
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die beruflich in Italien tätige Sängerin A. bestrebt, sich aus Altersgründen in Deutschland eine Existenz aufzubauen und bewarb sich deshalb um freie Stellen an der Hochschule M., deren Präsident der Angeklagte war. Da ihre Bemühungen ohne Erfolg blieben, schilderte sie dem Angeklagten nach Vereinbarung eines Termins ihre persönliche Situation und erzählte ihm auch, dass sie lesbisch war.
a) Im Jahr 2007 bewarb sie sich erneut auf eine Stelle an der Musikhochschule. Als ihr auf Nachfrage mitgeteilt wurde, dass ihre eingereichten Bewerbungsunterlagen nicht vorlägen, vereinbarte sie über die Sekretärin einen Termin mit dem Angeklagten in dessen Büro, um ihn zu bitten, eine ordnungsgemäße Durchführung des Bewerbungsverfahrens sicherzustellen. Bei diesem Termin im Herbst 2007 bat sie der Angeklagte, auf dem Sofa Platz zu nehmen.
Als sie nach Beendigung des Gesprächs im Begriff war aufzustehen, ging der Angeklagte auf sie zu, packte sie, stieß sie so auf das Sofa, dass sie dort flach auf dem Rücken zum Liegen kam, legte sich auf sie und fixierte sie mit seinem Körpergewicht. Die Geschädigte konnte den erigierten Penis des Angeklagten spüren. Sie wehrte sich heftig und bemühte sich vergebens, den Angeklagten von sich herunter zu stoßen. Der Angeklagte versuchte sie zu küssen. Sie drehte den Kopf weg und schrie: „Hör auf, lass mich in Ruhe!“. Nun griff der Angeklagte der Geschädigten über der Kleidung fest an die Brust, öffnete den Knopf ihrer Hose und versuchte den Gürtel seiner Hose aufzureißen. Die Geschädigte wehrte sich heftig und versuchte insbesondere den Angeklagten wegzudrücken. Sie befürchtete, der Angeklagte werde sie vergewaltigen. Schließlich ließ sie der Angeklagte los und sagte: „Es tut mir so leid, mach´s halt, wir müssen unbedingt miteinander schlafen.“. Die Geschädigte flüchtete aus dem Büro. Ihre Bewerbungen blieben weiter erfolglos.
b) Am 19. Februar 2009 um 12.00 Uhr suchte die Geschädigte den Angeklagten deshalb nach Vereinbarung eines Termins erneut auf, um ihn noch einmal zu bitten, sich für ein ordnungsgemäßes Bewerbungsverfahren einzusetzen.
Um einen Übergriff zu unterbinden, setzte sie sich in seinem Büro nicht auf das Sofa, sondern auf den nur eineinhalb bis zwei Meter von der Tür entfernten Stuhl, um einen direkten Fluchtweg zu haben. Dann brachte sie ihr Anliegen vor. Der Angeklagte sicherte ihr - wie auch schon im Herbst 2007 - zu, sich darum zu kümmern. Als sich die Geschädigte nach Beendigung des Gesprächs zur Tür wandte, packte sie der Angeklagte mit beiden Händen an den Armen, zog sie zu sich heran und drückte ihr seine Zunge so heftig in den Mund, dass dies einen Würgereiz auslöste. Der Übergriff kam so schnell, dass die Geschädigte weder ausweichen noch die Zähne zusammenbeißen konnte, um das Eindringen seiner Zunge zu verhindern. Da der Angeklagte sie an sich presste, konnte sie ihre Arme nicht bewegen. Sie versuchte jedoch, sich seinem Griff zu entwinden und dem Zungenkuss zu entziehen, indem sie ihren Oberkörper nach hinten drückte. Nun ließ sie der Angeklagte mit der linken Hand los, packte ihre rechte Brust und drückte fest zu. Die Geschädigte verspürte extreme Schmerzen, schrie deshalb und rief: „Hör auf, lass mich los.“. Sie hatte im Dezember 2008 ihre Brüste operativ verkleinern lassen. Aufgrund von Komplikationen waren die Operationsnähte noch nicht verheilt. Es hatten sich eiternde Entzündungen gebildet, die mit Drainagen versorgt waren. Der Angeklagte packte ihre Hand und zog diese auf seiner Hose an seinen erigierten Penis. Nun schrie die Geschädigte: „Lass das, hör doch auf, ich bin gerade operiert worden!“. Der Angeklagte ließ von der Geschädigten ab und entgegnete: „Was, Dein schöner Busen? Naja, aber es ist ja noch genug da.“. Er müsse unbedingt mit ihr schlafen. Die Geschädigte verließ das Büro, eilte zu einer Toilette und übergab sich dort.
c) Für das Wintersemester 2013/2014 hatte die Hochschule einen Lehrauftrag ausgeschrieben. Die Geschädigte reichte ihre Bewerbungsunterlagen ein und vereinbarte für den 24. Juni 2013 einen Termin bei dem Angeklagten. Sie wählte bewusst eine „distanzierte Sitzordnung“. Sie nahm auf dem Stuhl nahe der Tür Platz. Zwischen ihr und dem Angeklagten stand ein weiterer Stuhl. Dann teilte sie dem Angeklagten mit, sie sei vor 30 Jahren von einem Dirigenten gegen ihren Willen in ein Gebüsch gezerrt und geküsst worden, worauf sie diesem eine Ohrfeige gegeben und ihn angezeigt hätte.
Nachdem das Gespräch beendet war und sich die Geschädigte zur Tür wandte, sagte der Angeklagte: „Bei uns ist das ja was anderes“, packte sie mit beiden Händen, zog sie an sich und drückte ihr seine Zunge tief in den Mund. Dann fasste er der Geschädigten über der Kleidung mit einer Hand an die Brust, wobei er mit der anderen Hand seinen Griff verstärkte und griff ihr in die Hose. Die Geschädigte wehrte sich. Der Angeklagte packte ihre Hand und führte sie auf seiner Hose an seinen erigierten Penis. Die Geschädigte versuchte immer wieder, die Hand wegzuziehen. Dies misslang, weil der Angeklagte ihre Hand festhielt, und er rieb mit ihrer Hand an seinem Penis. Die Geschädigte rief, er solle loslassen, sie sei nur wegen eines Bewerbungsgesprächs hier. Der Angeklagte ließ aber nicht los. Schließlich gelang es ihr unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft sich seinem Griff zu entziehen. Darauf schob sie der Angeklagte aus seinem Büro und schloss die Tür.
2. Diese Geschehnisse hat die Strafkammer als sexuelle Nötigung in drei Fällen gemäß § 177 Abs. 1 StGB idF vom 13. November 1998 gewertet.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge, mit der die Revision beanstandet, die Strafkammer habe den Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aussagefähigkeit der Zeugin A. und zur Glaubhaftigkeit ihrer Aussage rechtlich fehlerhaft wegen eigener Sachkunde abgelehnt, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig; jedenfalls wäre sie auch unbegründet.
2. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. In allen Fällen sind entgegen der Auffassung der Verteidigung sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB idF vom 31. Oktober 2008 bzw. § 184f Nr. 1 StGB idF vom 27. Dezember 2003 (vgl. auch § 184h Nr. 1 StGB nF) gegeben. Im Übrigen wird auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.
3. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Strafkammer hat bei der Prüfung eines minder schweren Falls des § 177 Abs. 1, Abs. 5 StGB idF vom 13. November 1998 nach Erörterung zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechender Umstände folgendes Resümee gezogen:
„Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei ein minder schwerer Fall nicht zu begründen, zumal weder ein Geständnis noch eine Entschuldigung von Seiten des Angeklagten bei dieser Bewertung berücksichtigt werden konnte.“.
Das Landgericht hat mit dieser Erwägung nicht etwa - wie der Generalbundesanwalt meint - das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes straferschwerend gewertet, was fehlerhaft wäre, sondern lediglich festgestellt, dass keine weiteren Milderungsgründe im Sinne eines Geständnisses oder einer Entschuldigung vorliegen, die gegebenenfalls die Annahme eines minder schweren Falls hätten rechtfertigen können; denn die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts, nicht an dessen - möglicherweise missverständlichen oder sonst unzureichenden - Formulierungen zu orientieren. Ob ein einzelner Umstand strafzumessungserheblich und ob die ihm vom Tatrichter beigelegte Bewertungsrichtung vertretbar ist, hängt insbesondere nicht davon ab, ob die Urteilsausführungen diesen Umstand positiv oder negativ umschreiben (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86 Rn. 18, BGHSt 34, 345, 349 f.).
Allein dem Hinweis der Strafkammer auf das Fehlen von Geständnis und Entschuldigung in Gestalt einer hypothetischen Erwägung, dass sie bei ihrem Vorliegen u.U. einen minder schweren Fall hätten begründen können, lässt sich hier in diesem Zusammenhang nicht die Wertung entnehmen, dass ihr Fehlen als Strafschärfungsgrund Berücksichtigung gefunden hat.
b) Soweit die Verteidigung eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB) rügt, weil die Strafkammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung „die Vehemenz des Zungenkusses“ (UA S. 140) berücksichtigt und aufeinanderfolgende Handlungen des Angeklagten (dass dieser „trotz des jetzt für ihn bereits bekannten massiven Widerwillens der Zeugin dieser wieder einen massiven Zungenkuss aufgedrückt hat, sie über der Kleidung zuerst an ihren Busen packte, dann über den Oberkörper bis zuletzt in die Hose der Zeugin bis über die Schamhaargrenze griff und ihre Hand wieder über der Hose an seinem erigierten Penis gerieben hat“, UA S. 140) straferhöhend gewertet habe, trifft diese Beanstandung nicht zu. Die Gewichtung einer den Tatbestand erfüllenden Handlung in Gestalt der Intensität des Übergriffs oder verschiedenartiger aufeinanderfolgender sexueller Übergriffe verletzt § 46 Abs. 3 StGB nicht.
c) Dass die Strafkammer nicht strafmildernd eingestellt hat, dass die Zeugin den Raum schließlich jeweils habe verlassen können, ohne vom Angeklagten daran gehindert zu werden, ist - anders als die Revision meint - kein Rechtsfehler. Die Strafkammer hat nicht etwa sämtliche Strafzumessungs-, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Strafzumessungsgründe zu benennen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - 1 StR 226/17 Rn. 14 mwN). Zudem ist der Umstand, dass es nicht noch zu weiteren Straftaten in Gestalt einer Nötigung oder Freiheitsberaubung gekommen ist, kein Strafmilderungsgrund für die bereits begangene sexuelle Nötigung.
Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten weiterhin eine vollendete anale Vergewaltigung zu Lasten der Nebenklägerin S. vorgeworfen. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen, was die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin mit ihren Revisionen beanstanden.
Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
1. Nach den Feststellungen suchte die Nebenklägerin S. im September/Oktober 2004 die Hochschule M. auf, um zur Vorbereitung ihrer Bewerbung auf eine vakante Stelle als Assistentin der Referentin des Angeklagten Informationen einzuholen. Sie begab sich zum Büro des Angeklagten, den sie von einer früheren Begegnung im Jahr zuvor kannte. Der Angeklagte drehte die Nebenklägerin so auf das Sofa, dass sie auf dem Bauch lag. Er hielt sie mit einer Hand in dieser Position fest, griff mit der anderen unter ihr Kleid, zog ihr die Unterhose aus, schob ihr Kleid nach oben, holte seinen erigierten Penis aus der Hose, hob die Hüfte der Nebenklägerin an und drang mit dem Penis in den Anus der Nebenklägerin ein. Diese schrie auf.
Nachdem der Angeklagte ejakuliert hatte, stand er auf, schloss seine Hose und sagte: „Jetzt ist das Sofa eingeweiht!“. Die Nebenklägerin verließ schnell das Büro.
Bereits einige Tage später lud sie der Angeklagte im Anschluss an ein Konzert in T. zusammen mit den Musikern in ein Lokal ein und anschließend zur Übernachtung zu sich. Dabei kam es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr im Haus des Angeklagten. Die Nebenklägerin ließ sich hierauf ein, „weil sie sich vielleicht damals gedacht habe, dass ihr erstes Erlebnis mit dem Angeklagten ein Irrtum gewesen sei“. Drei Jahre später meldete sich die Nebenklägerin beim Angeklagten, der in B. zu einer Podiumsdiskussion weilte. Sie verabredete ein Treffen mit ihm in seinem Hotelzimmer, wo es schon nach kurzer Zeit zu einvernehmlichem Analverkehr kam. Ihre Motivation hierbei war, „etwas zu heilen“, etwas „wieder gut zu machen“.
2. Die Strafkammer konnte keine hinreichend sichere Überzeugung gewinnen, dass der Angeklagte vorsätzlich den Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB idF vom 13. November 1998 erfüllte, und hat den Angeklagten deshalb freigesprochen.
Zwar sei der Angeklagte mit Gewalt gegen die Nebenklägerin vorgegangen. Aber er habe dies nicht getan, um geleisteten Widerstand zu überwinden. Er habe sie „überrumpelt“; Abwehrreaktionen der Nebenklägerin konnten auf der Grundlage ihrer Angaben nicht festgestellt werden. Dem Angeklagten könne auch nicht nachgewiesen werden, dass er Gewalt anwendete, um einen erwarteten Widerstand zu überwinden. Hierfür hat sich die Strafkammer darauf gestützt, dass schon ein entgegenstehender Wille der Nebenklägerin nicht festgestellt werden konnte, „jedenfalls nicht in dem Maße, dass von ihr Widerstand zu erwarten gewesen wäre“. Deswegen habe der Angeklagte nicht erkennen können, dass sie mit dem Analverkehr nicht einverstanden gewesen sei. Aufgrund einer Gesamtwürdigung ihres dem Angeklagten durchaus zugewandten Verhaltens - sowohl im Vorfeld des Geschehens als auch mit Blick auf die danach stattgefundenen einvernehmlichen Sexualkontakte - könne daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass der Angeklagte subjektiv einen erwarteten Widerstand mit Gewalt hatte ausschließen wollen.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revisionen der Nebenklägerin S. und der Staatsanwaltschaft bleiben erfolglos.
1. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass der Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF in der Variante der Gewaltanwendung erfordert, dass der Täter physische Kraft entfaltet hat, um den als ernst erkannten oder erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme sexueller Handlungen zu überwinden (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2018 - 2 StR 495/17 Rn. 6; vom 5. September 2017 - 2 StR 256/17 Rn. 5 und vom 31. Juli 2013 - 2 StR 318/13, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 17; Urteil vom 4. März 2015 - 2 StR 400/14 Rn. 8).
2. Die auf tragfähiger tatsächlicher Grundlage erfolgte Würdigung, dass der Angeklagte nicht davon ausging, dass Widerstand gegen seine sexuellen Avancen zu erwarten war und durch die Anwendung von Gewalt verhindert werden sollte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehensverlauf, auch in subjektiver Hinsicht, zu verschaffen, obliegt allein dem Tatrichter. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise nähergelegen hätte. Die Prüfung des Revisionsgerichts ist vielmehr auf die Frage beschränkt, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 155/09 Rn. 11).
b) Durchgreifende Rechtsfehler aber zeigt die vom Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung vorgenommene Beweiswürdigung zum Vorstellungshorizont des Angeklagten nicht auf. Insbesondere erweist sich die Würdigung der für und gegen einen entsprechenden Vorsatz sprechenden Aspekte nicht als lückenhaft. So hat die Strafkammer auch solche Umstände erörtert und in die gebotene Gesamtschau eingestellt, die geeignet sein könnten, einen Vorsatz zu begründen. So wird insbesondere gewürdigt, dass es sich um ein berufliches Vorstellungsgespräch im Büro des Angeklagten gehandelt habe, dass er die Nebenklägerin infolge des schnellen Vorgehens überrumpelt und sie aufgeschrien habe. Es hat aber diese grundsätzlich belastenden Aspekte durch die besonderen Umstände dieses sorgfältig aufgeklärten Einzelfalls als entkräftet gesehen. Hierfür hat es insbesondere das Verhalten der Nebenklägerin gewertet, die keinerlei Abwehrverhalten zeigte, den Angeklagten bereits kannte und sich diesem gegenüber zugewandt gezeigt hatte, was damit korrespondiert, dass sie kurze Zeit später wieder mit dem Angeklagten einvernehmlich Geschlechtsverkehr hatte sowie ihn dann - auf ihre Initiative hin - Jahre später in einem Hotelzimmer getroffen, einvernehmlichen Analverkehr hatte und sich „durchaus auch eine Beziehung mit dem Angeklagten hätte vorstellen können“.
All diese Aspekte hat die Strafkammer in eine erschöpfende Gesamtwürdigung eingestellt. Im Rahmen ihrer umfassenden Bewertung ist die Strafkammer dann zu dem Ergebnis gelangt, dass schon die finale Verknüpfung zwischen Krafteinsatz und Herbeiführung des Analverkehrs nicht sicher nachgewiesen sei, aber auch der Angeklagte jedenfalls nach seinem Vorstellungshorizont keinen erwarteten Widerstand der Nebenklägerin mit Gewalt überwinden wollte. Dies begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1214
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 6
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede