HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 684
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 13/18, Beschluss v. 06.04.2018, HRRS 2018 Nr. 684
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 24. Oktober 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen B. I. und II. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat hinsichtlich der Fälle B. I. und II. der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Am 17. Dezember 2015 veräußerte der Angeklagte im Namen der G. GmbH & Co. KG (im Folgenden: G.) an die V. GmbH (im Folgenden: V.) insgesamt neun Pkw der Marke BMW zu einem Gesamtkaufpreis von 145.900 Euro. Tatsächlich existierten fünf dieser Fahrzeuge nicht. Der Angeklagte täuschte den Geschäftsführer der V., den Zeugen M., insoweit darüber, willens und in der Lage zu sein, der V. das Eigentum an diesen Fahrzeugen verschaffen zu können. Für die nicht existierenden fünf BMW war ein Kaufpreis von 81.000 Euro vereinbart. Nach der vertraglichen Vereinbarung sollten sämtliche Fahrzeuge bei der G. verbleiben.
Die Kaufpreisforderung der G. wurde - seitens des Zeugen M. im Vertrauen auf die Existenz und Werthaltigkeit der BMW - durch eine Verrechnung mit Gegenforderungen der V. aus Autoverkäufen gegen die G. beglichen. Dazu veräußerte der Zeuge M. seinerseits am 17. Dezember 2015 im Namen der V. zwei Pkw an die G. zu einem Gesamtpreis von 39.400 Euro und übergab diese. Neben dieser Forderung wurde ein Kaufpreisanspruch der V. aus einem Fahrzeuggeschäft vom 21. September 2015 verrechnet, welches den Verkauf von vier Pkw an die G. zu einem Gesamtkaufpreis von 149.300 Euro zum Gegenstand hatte. Den - nach der Verrechnung zu Lasten der G. verbleiben den - Differenzbetrag in Höhe von 42.800 Euro überwies die G. am 31. Dezember 2015 an die V. .
Das Landgericht hat aufgrund der wertlosen Gegenleistung der G. einen Vermögensschaden der V. in Höhe von 81.000 Euro im Hinblick auf einen „Verzicht“ der V. auf die Geltendmachung entsprechender Forderungen angenommen.
2. Am 29. Januar 2016 veräußerte der Angeklagte im Namen der G. an die V. insgesamt acht nicht existierende Pkw der Marke Ford zu einem Gesamtkaufpreis von 191.000 Euro, wobei er wiederum vortäuschte, der V. Eigentum an diesen Fahrzeugen verschaffen zu können. Um die Existenz der Fahrzeuge zu belegen, übergab er dem Zeugen M. für die jeweiligen Fahrzeuge professionell hergestellte, fingierte Zulassungsbescheinigungen Teil II, die er zuvor von unbekannten Tätern erworben hatte. Der Kaufpreis wurde wiederum - seitens des Zeugen M. im Vertrauen auf die Existenz der Fahrzeuge und die Fähigkeit des Angeklagten zur Eigentumsverschaffung - durch Verrechnung mit einer Gegenforderung der V. aus einem früheren Verkauf von fünf Pkw an die G. zu einem Gesamtkaufpreis von ebenfalls 191.000 Euro beglichen. Der V. sei dadurch ein Vermögensschaden in Höhe von 191.000 Euro entstanden.
1. Der Schuldspruch wegen Betruges in den Fällen B. I. und II. der Urteilsgründe hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteilsfeststellungen belegen den von der Strafkammer angenommenen Vermögensschaden der V. nicht hinreichend.
a) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. März 2017 - 1 StR 350/16, NStZ 2017, 413, 414 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - 1 StR 20/16, NJW 2016, 3543, 3544 Rn. 33; Beschluss vom 9. März 2017 - 1 StR 350/16, NStZ 2017, 413, 414 jeweils mwN).
Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines Vertrages verleitet, sind bei der für die Schadensbestimmung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen (Eingehungsschaden). Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1, 9 f. Rn. 31 mwN). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollem wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1, 10 Rn. 31 mwN).
b) Diesen Maßstab hat auch das Landgericht zugrunde gelegt. Im Ansatz ist es weiter zutreffend davon ausgegangen, dass bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung die erbrachten Leistungen miteinander zu vergleichen sind, da es vorliegend zum Leistungsaustausch gekommen ist (vgl. Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 104 mwN; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 263 Rn. 175 ff., 178). Das Landgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft den eingetretenen Schaden mit dem vollen wirtschaftlichen Wert der nicht existierenden Fahrzeuge in Höhe des vereinbarten Kaufpreises für die Fahrzeuge von 81.000 Euro bzw. 191.000 Euro angesetzt. Dabei hat es nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Leistung der V. und damit die Vermögensverfügung in der - rechtlich als Aufrechnungserklärung zu qualifizierenden - Verrechnung mit offenen Gegenforderungen gegen die G. liegt.
Insoweit ist anerkannt, dass ein Vermögensschaden auch darin liegen kann, dass der Gläubiger durch Täuschung dazu veranlasst wird, eine ihm zustehende Forderung nicht oder nicht alsbald geltend zu machen (Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 144; Lackner in Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl., § 263 Rn. 245; RG, Urteile vom 26. Januar 1931 - III 730/30, RGSt 65, 99, 100 und vom 14. Mai 1936 - 2 D 695/35, RGSt 70, 225, 227; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. April 1969 - 1 Ss 166/69, NJW 1969, 1975). Nichts anderes gilt aber für den Fall, dass durch eine ins Leere gehende Aufrechnung der Gläubiger von der alsbaldigen Beitreibung absieht, weil er vom Bestehen der wegen Unmöglichkeit erloschenen (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB) Forderung ausgeht. Erforderlich ist jedoch, dass sein Anspruch rechtlichen Bestand hatte und die Forderung bei sofortiger Geltendmachung realisierbar gewesen wäre (vgl. RG, Urteil vom 26. Januar 1931 - III 730/30, RGSt 65, 99, 100; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 144; Lackner in Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl., § 263 Rn. 247; OLG Köln, Urteil vom 13. Januar 1967 - Ss 345/66, NJW 1967, 836; OLG Hamm, Urteil vom 5. Dezember 1957 - 2 Ss 1352/57, GA 1958, 250). Eine wirtschaftliche Einbuße liegt daher nur dann vor, wenn die Vermögensverfügung die zuvor noch gegebene Realisierbarkeit des Anspruchs vereitelt, in ihren Aussichten vermindert oder in höherem Maße als das vorher der Fall war, gefährdet hat (Lackner in Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl., § 263 Rn. 247 mwN).
Das Landgericht hätte daher für den Zeitpunkt der jeweiligen Vermögensverfügung prüfen müssen, ob und inwieweit die Forderungen der V. gegen die G. in Höhe von 81.000 Euro und 191.000 Euro auch tatsächlich realisierbar waren. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der G. im Zeitpunkt der Verrechnungen hat das Landgericht keine konkreten Feststellungen getroffen. Das Urteil leidet insoweit an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen ist auch keineswegs sicher, dass die Forderungen der V. zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Vermögensverfügung überhaupt (noch) werthaltig waren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Urteilsfeststellungen am 25. Mai 2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. eröffnet wurde und der Angeklagte angegeben hat, es habe im Zeitpunkt der jeweiligen Veräußerungen die Insolvenz der G. -Firmen gedroht und er habe gehofft, durch die Taten die Zahlungsfähigkeit der Firmen aufrechterhalten zu können und später - quasi im Rahmen einer Schadensersatzleistung - die nichtexistenten Fahrzeuge von der Firma V. „zurückkaufen“ zu können, ohne dass deren Nichtexistenz aufgefallen wäre (UA S. 15).
2. Dieser Rechtsfehler führt im Fall B. II. der Urteilsgründe zur Aufhebung des - für sich gesehen rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Schuldspruchs wegen Urkundenfälschung (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14 Rn. 8 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2014, 569 f.] und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Angesichts der Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B. I. und II. der Urteilsgründe kann auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.
3. Die Feststellungen in den Fällen B. I. und II. der Urteilsgründe und die der Gesamtstrafenbildung zugrunde liegenden Feststellungen waren gemäß § 353 Abs. 2 StPO aufzuheben, um dem neuen Tatgericht insoweit in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
4. Darüber hinaus gibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe Anlass darauf hinzuweisen, dass Bezugnahmen auf den Anklagesatz in den Urteilsgründen unzulässig sind, da jedes Strafurteil grundsätzlich aus sich selbst heraus verständlich sein muss (vgl. nur Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 267 Rn. 2 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 684
Externe Fundstellen: StV 2019, 25
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede