HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 29
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 296/16, Urteil v. 21.02.2017, HRRS 2018 Nr. 29
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 20. Oktober 2015 wird das Verfahren eingestellt (§ 260 Abs. 3 StPO), soweit der Angeklagte G. wegen Steuerhinterziehung und der Angeklagte S. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt worden sind (Fall A.II. der Urteilsgründe); insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil werden der Angeklagte S. vom Vorwurf der Untreue und der Angeklagte G. vom Vorwurf der Beihilfe hierzu (Fall A.II. der Urteilsgründe) auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte S. vom Vorwurf der Untreue in 160 Fällen freigesprochen worden ist (Fall B.IV. der Urteilsgründe).
4. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden kostenpflichtig verworfen.
5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt und ihn vom Vorwurf der Untreue in 160 Fällen freigesprochen.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer insoweit zugunsten der Angeklagten eingelegten Revision, dass die als Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung abgeurteilten Taten nicht Gegenstand der Anklage gewesen seien. Darüber hinaus begehrt sie mit ihrer Revision die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Untreue und des Angeklagten G. wegen Beihilfe zur Untreue sowie die Aufhebung der Freisprechung des Angeklagten S. und dessen Verurteilung wegen Untreue in 160 Fällen.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben teilweise, die der Angeklagten vollen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte S. bis zum Jahr 2003 Vorstandsvorsitzender der V. - und B. (nachfolgend: V.), einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Er führte deren Geschäfte und vertrat sie nach außen. Danach war er bis Mitte 2008 Vorsitzender des Verwaltungsrats. Der Verwaltungsrat war für die Überwachung der Tätigkeit des Vorstands und für die Entscheidung über bestimmte Grundlagengeschäfte zuständig. Der Angeklagte S. befasste sich auch als Verwaltungsratsvorsitzender weiter mit den finanziellen Angelegenheiten der V. .
2. Zu Fall A.II. der Urteilsgründe hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.
a) Die BS. GmbH war ein Kommunalunternehmen des Zweckverbands. Geschäftsführer war der Angeklagte S. Im Oktober 1998 schloss die BS. GmbH mit der K. GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Angeklagte G. war, einen Beratungsvertrag mit erfolgsabhängiger Bezahlung ab. Am 25. Februar 2003 vereinbarten die V., die BS. GmbH und die K. GmbH, dass für im Rahmen des Beratungsvertrags abzuschließende Finanztermingeschäfte der V. bei der H. bank ein sich am Mindesttransaktionswert in Höhe von 5,133 Millionen € orientierendes Erfolgshonorar als vereinbart gilt.
Am 15. März 2005 wurden 118.620 € von einem Konto der V. bei der H. bank auf ein Konto des Angeklagten G. überwiesen. Dadurch wurde ein aus der Honorarvereinbarung vom 25. Februar 2005 resultierender Anspruch der K. GmbH befriedigt.
Am 23. März 2005 führte der Angeklagte G. mit dem Verwaltungsmitarbeiter F. ein Telefonat. Darin besprachen sie, dass die Zahlung der 118.620 € als Darlehen der V. an G. gewertet, als Forderung gegen Dritte in die Bilanz der V. eingestellt und Ende 2006/Anfang 2007 mit der Gesamtforderung der K. GmbH verrechnet werden solle, die V. aber von der K. GmbH keine Rechnung erhalten solle. Nach Rücküberweisung von 20 € wurden 118.600 € in der Bilanz der V. für das Jahr 2005 und für die Folgejahre als Darlehen erfasst.
Um es dem Angeklagten G. zu ermöglichen, den Erhalt von 118.600 € vor dem Finanzamt zu verheimlichen und die bei der K. GmbH anfallende Umsatzsteuer für das von der V. bezahlte Honorar nicht abführen zu müssen, beschlossen die Angeklagten im Jahr 2006, zum Schein einen Vertrag zu schließen, mit dem auf die Rückzahlung des „Darlehens“ wegen Uneinbringlichkeit verzichtet wurde. In dem auf den 31. August 2006 datierten, von dem Angeklagten G. entworfenen und von beiden Angeklagten - vom Angeklagten S. im Namen der V. - unterzeichneten Vertrag wurde Stillschweigen über den Vertragsinhalt vereinbart. Im Jahr 2009 wurde das Darlehen in der Bilanz der V. als uneinbringlich ausgebucht.
Wie zwischen den Angeklagten vereinbart, stellte die K. GmbH keine Honorarforderung in Höhe der am 18. März 2005 überwiesenen 118.620 €.
Um Steuern zu verkürzen, gab der Angeklagte G. bei der nach dem 5. September 2006 abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldung für den maßgeblichen Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum entweder überhaupt keinen Umsatz an, gab gar keine Erklärung ab oder aber einen um 118.600 € brutto niedrigeren Umsatz, obwohl ihm bekannt war, dass er auch diesen Umsatz in voller Höhe anzugeben hatte. Das zuständige Finanzamt setzte deshalb eine um 16.358,62 € zu niedrige Steuer fest.
Dem Angeklagten S. war bei Zeichnung der Verträge vom 31. August 2006 und 5. September 2006 bewusst, dass diese Vorgehensweise dazu diente, den Umsatz in Höhe von 118.600 € brutto dem zuständigen Finanzamt nicht offen zu legen.
b) Das Landgericht hat in seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt, dieses Verhalten der Angeklagten erfülle nicht den Tatbestand der Untreue bzw. der Beihilfe zur Untreue (§§ 266, 27 StGB), sondern den der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 AO, § 27 StGB).
aa) Der Angeklagte S. habe zwar eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB für die Vermögensinteressen der V. gehabt, aber weder pflichtwidrig gehandelt noch sei bei der V. ein Vermögensnachteil eingetreten.
Durch die Überweisung der 118.620 € sei die Forderung der K. GmbH in gleicher Höhe erloschen. Soweit auf den Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag verzichtet worden sei, läge bereits deshalb keine Untreue vor, da es sich nicht um ein Darlehen gehandelt habe. Der Verzicht sei somit ins Leere gegangen, so dass es an einem pflichtwidrigen Handeln des Angeklagten fehle. Die Deklarierung der Zahlung an die K. GmbH als Darlehen und auch der anfänglich gegenüber der V. nicht offen gelegte „Verzicht“ auf diese Forderung seien zwar pflichtwidrig gewesen, aber hierdurch sei kein Nachteil eingetreten. Eine falsche Buchführung allein begründe keinen Nachteil. Eine unberechtigte erneute Inanspruchnahme der V. durch die K. GmbH sei nicht zu befürchten gewesen; ihre Verteidigungsposition sei mit Blick auf die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel - den Zeugen F., den Darlehensvertrag und das Schreiben des Angeklagten G. an den Angeklagten S. vom 14. März 2015 - nicht erschwert worden.
bb) Die Kammer hat den Angeklagten G. jedoch der Steuerhinterziehung und den Angeklagten S. der Beihilfe hierzu schuldig gesprochen.
(1) Die Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage liege auch bei den Steuerdelikten vor.
Die hinsichtlich des Angeklagten G. angeklagte Beihilfe zur Untreue und die abgeurteilte Steuerhinterziehung bzw. die hinsichtlich des Angeklagten S. angeklagte Untreue und die abgeurteilte Beihilfe zur Steuerhinterziehung seien eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO. Zwar enthalte die unverändert zugelassene Anklage nichts zu den (unterlassenen) Angaben des Angeklagten G. bei der auf die Vereinbarung vom 5. September 2006 folgenden Umsatzsteuervoranmeldung. Das Unterlassen von Angaben gegenüber den zuständigen Finanzbehörden habe aber mit dem in der Anklage beschriebenen - nach Ort und Zeit konkretisierten - Abschluss des Verzichtsvertrags vom 31. August 2006 und dem Vertrag vom 5. September 2005 eine Tat im prozessualen Sinne gebildet; mit dem Abschluss dieser Verträge hätten die Angeklagten bezweckt, den Erhalt der Zahlung in Höhe von 118.620 € zu verheimlichen. Der Abschluss des Verzichtsvertrags sei für den Angeklagten S. die Beihilfehandlung zu der vom Angeklagten G. begangenen Steuerhinterziehung gewesen, so dass eine Verknüpfung des tatbestandsmäßigen Verhaltens gegeben sei. Eine solche liege auch hinsichtlich der abgeurteilten Steuerhinterziehung des Angeklagten G. vor, da die Feststellung der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht ohne Untersuchung der Umstände getroffen werden könne, die zur Auszahlung des vor den Finanzbehörden verheimlichten Betrags und in der Folge zum Abschluss der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Angeklagten geführt hätten, die Gegenstand der Anklage gewesen seien. Eine getrennte Würdigung erschiene als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs.
(2) Die Strafverfolgung sei auch nicht verjährt, da die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 370 Abs. 1 AO, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB durch Anordnung der schriftlichen Vernehmung des Angeklagten S. am 9. Juli 2010 und des Angeklagten G. am 8. Februar 2011 gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB unterbrochen worden sei. Die Unterbrechungshandlung erfasse die Tat im prozessualen Sinne.
3. In Fall B.IV. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten S. von dem Vorwurf der Untreue in 160 Fällen gemäß § 266, § 263 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 53 StGB freigesprochen. In der Anklageschrift war dem Angeklagten S. zur Last gelegt worden, in der Zeit vom 28. Juli 2005 bis zum 20. Oktober 2008 als Vorsitzender des Verwaltungsrats der V. 160 Wertpapiergeschäfte getätigt und dadurch insgesamt Vermögen der V. in Höhe von 82.638.662,70 € gefährdet zu haben. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Im Jahr 1999 nahm die V. im Zusammenhang mit baulichen Investitionen Kredite bei der C. bank in Höhe von rund 25,6 Millionen € auf und investierte davon rund 23 Millionen € in den eigens von der C. bank aufgelegten V. -Cofonds. Dieser Fonds wurde von der C. invest verwaltet und setzte sich aus festverzinslichen Wertpapieren sowie Aktien deutscher Unternehmen zusammen. Ziel war es, eine über die Kreditzinsen hinausgehende Rendite zur Finanzierung insbesondere von Baumaßnahmen der V. zu erwirtschaften.
Der Angeklagte war nicht nur Vorsitzender des Verwaltungsrats, sondern auch Mitglied eines anlässlich der Auflage des Cofonds gegründeten Anlageausschusses. Der Anlageausschuss war für die Verwaltung des Fonds nebst dessen Umschichtung eigenverantwortlich zuständig.
Der Angeklagte traf alle wichtigen finanziellen Entscheidungen beim Abwasserzweckverband bzw. dessen Unternehmen einschließlich der Aktiengeschäfte und der Zinssicherungs- und Zinsoptimierungsgeschäfte, kümmerte sich um die finanziellen Angelegenheiten der V. und trat gegenüber der C. bank als deren einziger Ansprechpartner und Bevollmächtigter in Finanzangelegenheiten auf.
Als die Renditeerwartungen nicht erreicht wurden, entnahm der Angeklagte im Jahr 2005 in zwei Tranchen Fondsanteile in Höhe von rund 5 Millionen € und investierte diesen Betrag je nach Marktlage in - zum Teil hochspekulative - Wertpapiere.
Den Entnahmen ging ein Beratungsgespräch mit Mitgliedern des Anlagenausschusses und Mitarbeitern der C. bank voraus. Gesprächsgegenstand waren die Erhöhung der Rendite bei überschaubaren Risiken, eine Risikostreuung, Aktienanleihen und festverzinsliche Wertpapiere. Etwa einen Monat nach diesem Gespräch wurde das Depot eröffnet und wurden Anlagegeschäfte abgeschlossen, darunter Standardtitel, aber auch Aktien- bzw. Indexanleihen und Währungsoptionsgeschäfte.
Die Aktienanleihen waren überwiegend hinsichtlich Laufzeit und Zinssatz individuell für die V. konzipierte Anlagen, die nicht an der Börse emittiert wurden. Die Gewinnmarge der C. bank betrug zwischen 0,25 und 0,5 % für die erbrachten Dienstleistungen. Der Angeklagte ließ sich jeweils vor der Kaufentscheidung von dem Anlageberater D. beraten und zeigte bei den Geschäften eine mittlere Risikobereitschaft.
Im Zuge der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 kam es zu sinkenden Kursen. Im Jahr 2009 verkaufte die V. die noch vorhandenen Wertpapiere auf Druck des Landratsamts R. als zuständiger Aufsichtsbehörde.
b) Das Landgericht hat in der rechtlichen Würdigung dargelegt, dass ein Missbrauch einer Verfügungs- bzw. Verpflichtungsbefugnis im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB ausscheide, weil das kommunale Unternehmen gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 2 BayGO und § 9 Abs. 4 der Unternehmenssatzung der V. vom Vorstand nach außen vertreten werde. Der Angeklagte sei lediglich Verwaltungsratsvorsitzender gewesen und habe damit zu den Tatzeitpunkten keine Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis gehabt. Er sei jedoch gegenüber der V. einer Vermögensbetreuungspflicht unterlegen, weil ihm alle wichtigen Entscheidungen in finanziellen Angelegenheiten anvertraut gewesen seien.
Diese Treuepflicht habe der Angeklagte nicht verletzt; denn die Wertpapiergeschäfte hätten nicht gegen das allgemeine Spekulationsverbot der Kommunen verstoßen. Den Kommunen sei es durchaus erlaubt zu spekulieren, soweit sie kein unnötiges Risiko eingingen und ein Bezug zu gemeindlichen Aufgaben bestehe. Wann ein Finanzgeschäft gegen das Spekulationsverbot verstoße, könne nur für jedes Geschäft einzeln beantwortet werden und sei Ergebnis einer Abwägung aus den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Bei der Umsetzung dieser Verfahrensmaximen verfügten die Gemeinden über einen Handlungs- und Beurteilungsspielraum, den der Angeklagte nicht überschritten habe. Der Angeklagte habe nur einen Teil in Höhe von 5 Millionen € des in dem Cofonds befindlichen gesamten Volumens von 23 Millionen € verwendet. Er habe in Standardtitel wie Si., Da., I., M., De. Post, T., A., E. und Kr. investiert und die jeweilige Anlageentscheidung auf Empfehlung der C. bank getroffen. Die Wertpapiergeschäfte hätten einen Zusammenhang mit baulichen Investitionen des Zweckverbandes und der Verminderung der damit einhergehenden Schulden aufgewiesen.
Durch den Abschluss der Wertpapiergeschäfte sei der V. kein Nachteil entstanden. Die Wertpapiere seien zu dem jeweiligen Börsenpreis, bei Fehlen eines solchen, zum Marktwert gekauft worden, so dass zum Verfügungszeitpunkt ein Gegenwert in Höhe des weggegebenen Vermögensbestandteils zurückgeflossen sei und es sich deshalb um ein wirtschaftlich ausgeglichenes Geschäft gehandelt habe.
Da das Wertpapier zum Zeitpunkt des Kaufs auch problemlos sofort zum Kaufpreis wiederverkauft habe werden können, habe auch kein Gefährdungsschaden vorgelegen.
Die von der C. bank erhobene Marge stelle ebenfalls keinen Nachteil dar. Das jeweilige Wertpapier sei speziell für die V. konzipiert worden. Es seien nicht vermeidbare und übliche Vermittlungsgebühren, weil solche Geschäfte bei einer Bank abgewickelt werden müssten. Die V. habe zudem in Form der Vermittlung der Wertpapiere eine Dienstleistung der Bank erhalten.
II. Verfahrenshindernis
Die Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen auf die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten führt zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses (§ 260 Abs. 3 StPO), soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt worden sind. Diese Taten waren nicht Gegenstand der Anklage; eine Nachtragsanklage nach § 266 StPO wurde nicht erhoben.
1. Die unverändert zugelassene Anklage legte dem Angeklagten S. Untreue zum Nachteil der V. zur Last, weil er dem Angeklagten G. auf dessen Wunsch im Namen der V. einen Privatkredit über 118.620 € gewährt und schließlich im Namen der V. auf dessen Rückzahlung wegen Uneinbringlichkeit verzichtet haben soll. Dem Angeklagten G. wurde wegen der von ihm in diesem Zusammenhang entfalteten Tätigkeit Beihilfe zur Untreue vorgeworfen.
Die als Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung abgeurteilten Taten waren nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Es handelt sich vielmehr im Verhältnis zur angeklagten Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue um eine andere Tat im Sinne des § 264 StPO.
2. Der prozessuale Tatbegriff umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Den Rahmen der Untersuchung bildet also zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage beschreibt. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob zwischen den zu beurteilenden Verhaltensweisen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung eine so enge innere Verknüpfung besteht, dass eine getrennte Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Eine solche Verknüpfung muss sich jedoch aus den Ereignissen selbst ergeben; sie wird nicht allein dadurch begründet, dass eine Handlung zum besseren Verständnis der gesamten Umstände in der Anklageschrift erwähnt wird (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 5 StR 412/95, NStZ 1996, 563, 564 mwN). Für die Beurteilung, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der prozessualen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierbare Kriterien angeben; maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5 mwN).
Auf der Grundlage dieses in erster Linie an den von der Anklage erfassten faktischen Verhältnissen orientierten prozessualen Tatbegriffs ist die Steuerhinterziehung nicht Gegenstand der mit der Anklageschrift vom 12. April 2012 dort unter Ziffer 2. angeklagten Tat gewesen. Die Anklage umfasst den Zeitraum zwischen dem 14. März 2005 und dem 31. August 2006 und schildert im Anklagesatz ein Geschehen, das mit dem Bemühen des Angeklagten G. um die Gewährung eines Kredits eingeleitet wird und mit dem Verzicht vom 31. August 2006 sein Ende findet. Das „wesentliche Ergebnis der Ermittlungen“, auf das zur Konkretisierung der angeklagten Tat zurückgegriffen werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 - 4 StR 433/09, wistra 2010, 219 f. mwN), enthält zu einer möglichen Steuerhinterziehung ebenfalls nichts.
Nach den Urteilsgründen liegt die abgeurteilte Steuerhinterziehung zeitlich nach diesem Zeitraum. Weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ermittlungsergebnis finden sich Hinweise darauf, dass das Geschehen um die Gewährung des Darlehens und den Verzicht vom 31. August 2006 auf dessen Rückzahlung auch ein steuerstrafrechtlich tatbestandsmäßiges Verhalten zum Nachteil des Fiskus durch eine unterlassene oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung beim zuständigen Finanzamt mit der Folge einer Steuerverkürzung oder Steuervergütung sein könnte. Nach den für die Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs maßgeblichen Kriterien der Identität des Geschädigten, des Tatortes sowie der Tatzeit liegt der abgeurteilte Sachverhalt außerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstands.
Eine so enge innere Verknüpfung zwischen der angeklagten Untreue bzw. der Beihilfe hierzu und der abgeurteilten Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe hierzu, dass eine getrennte Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde, ist nicht vorhanden. An die Untreue knüpft die Umsatzsteuerhinterziehung zum Vorteil der K. GmbH nur insoweit an, als die Untreue den Umsatz erzeugt, aus dem später ein steuerlicher Vorteil gezogen werden soll. Eine nach der Lebensauffassung untrennbare Einheit bilden beide Vorgänge aber nicht. Der Tatbegriff des § 264 StPO knüpft an einen bestimmten historisch abgrenzbaren Lebensvorgang an und nicht an das strafbare Verhalten eines Täters, das dieser in verschiedenen Handlungsvorgängen hinsichtlich eines Tatobjektes begangen haben kann (BGH, Urteil vom 29. September 1987 - 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 64). Die Untreue und die Steuerhinterziehung sind nach Ort, Zeit, Tatumständen und hinsichtlich des verletzten Rechtsguts derart gegeneinander abgegrenzt, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise keinen einheitlichen geschichtlichen Geschehensablauf darstellen.
Für einen inneren Zusammenhang reicht es nicht aus, dass die Steuerhinterziehung möglicherweise als zusätzliches Indiz für eine Untreue herangezogen werden könnte. Eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO wird bei sachlichrechtlich mehreren selbstständigen Handlungen nicht schon dadurch geschaffen, dass eine Handlung zum Beweis der Täterschaft bei einer anderen dient oder dass sie aus sonstigen Gründen, etwa zum besseren Verständnis, in der Anklage miterwähnt wird (BGH, Urteil vom 5. November 1969 - 4 StR 519/68, BGHSt 23, 141, 146).
3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass verjährungsunterbrechende Maßnahmen wegen des Tatvorwurfs der Untreue allein nicht geeignet sind, die Verjährung im Hinblick auf eine mögliche Steuerhinterziehung wirksam nach § 78c StGB zu unterbrechen; denn auch insoweit ist zu beachten, dass es sich nicht um einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang im prozessrechtlichen Sinne handelt.
III. Revisionen der Staatsanwaltschaft 1. Fall A.II. der Urteilsgründe:
Soweit die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des mit den Honoraransprüchen der K. GmbH zusammenhängenden Geschehens eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen Untreue und des Angeklagten G. wegen Beihilfe hierzu erstrebt, bleiben ihre Rechtsmittel erfolglos.
Die Strafkammer hat auf der Grundlage ihrer insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Tatbestand der Untreue nicht als erfüllt angesehen. Sie ist rechtsfehlerfrei im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die am 15. März 2005 erfolgte Überweisung in Höhe von 118.620 € auf das Konto des Angeklagten G. ein aus der Honorarvereinbarung vom 25. Februar 2003 resultierender Anspruch der K. GmbH befriedigt worden ist, es sich also bei der erst nachträglich als „Darlehen“ deklarierten Zahlung nicht um ein Darlehen, sondern um eine Zahlung auf eine tatsächlich bestehende Honorarforderung der K. GmbH gehandelt hat. Der an einen nicht bestehenden Anspruch auf Rückzahlung eines (nicht existenten) Darlehens anknüpfende Verzicht auf die Rückzahlung und die entsprechende falsche Deklaration als Darlehen ist damit für die Prüfung des Untreuevorwurfs ohne Belang. Die fehlende Erfassung der Tilgung der Honorarforderung der K. GmbH in Buchführung bzw. Bilanz der V. ist im Sinne des § 266 StGB unschädlich, da eine unberechtigte Inanspruchnahme des Honorarschuldners auf Grund der von der Strafkammer dargelegten Beweislage nicht zu befürchten war.
2. Fall B.IV. der Urteilsgründe:
Die zum Nachteil des Angeklagten S. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit er wegen des Vorwurfs der Untreue in 160 Fällen freigesprochen worden ist. Dem Revisionsgericht ist aufgrund der unzureichenden Feststellungen in den Urteilsgründen die Prüfung verwehrt, ob die vom Angeklagten S. abgeschlossenen Finanzgeschäfte den kommunalrechtlichen Haushaltsgrundsätzen widersprachen und der Angeklagte deshalb bei seinen Entscheidungen seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat.
a) Zwar hat das Landgericht zutreffend eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der V. bejaht.
Eine Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft, im Rahmen derer ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird, so dass er ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zugreifen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 55 und vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f. und vom 16. August 2016 - 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253, jeweils mwN).
Dem Angeklagten S. waren nach den Urteilsfeststellungen auch als Verwaltungsratsvorsitzender die finanziellen Angelegenheiten der V. übertragen. Er traf alle wichtigen finanziellen Entscheidungen des Abwasserzweckverbands, trat gegenüber der C. bank als dessen einziger Ansprechpartner und Bevollmächtigter in Finanzangelegenheiten auf und tätigte für ihn Aktien-, Zinssicherungs- und Zinsoptimierungsgeschäfte. Ihm waren alle wichtigen Entscheidungen in finanziellen Angelegenheiten anvertraut.
Damit oblag es ihm, im Rahmen seiner Tätigkeit die Finanzwirtschaft des Zweckverbands gemäß den gesetzlich geregelten Haushaltsbestimmungen selbstständig zu führen und alle für eine geordnete Finanzwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
b) Es fehlt aber an Feststellungen, die den Senat in die Lage versetzen, die untreuestrafrechtliche Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Angeklagten S. zu überprüfen.
aa) Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorgaben und Prinzipien können eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB darstellen (vgl. BGH, Urteile vom 1. August 1984 - 2 StR 341/84, NStZ 1984, 549; vom 7. November 1990 - 2 StR 439/90, NJW 1991, 990; vom 21. Oktober 1994 - 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287; vom 4. November 1997 - 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293 und vom 14. Dezember 2000 - 5 StR 123/00, NJW 2001, 2411; MüKo-StGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 259; LK-StGB/Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 236).
bb) Bei dem Maßstab der Pflichtwidrigkeit, der an den Umgang mit kommunal- und haushaltsrechtlicher Bindung unterliegendem Vermögen anzulegen ist, gelten hier folgende Rahmenbedingungen:
Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 KommZG sind auf den Zweckverband die für Gemeinden geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Die Gemeinden sind nach Art. 28 Abs. 2 GG und den jeweiligen Gemeindeordnungen der Bundesländer dazu befugt und angehalten, in Ausübung ihrer Selbstverwaltungsgarantie alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dies bedeutet insbesondere auch, dass sie ihre Finanzwirtschaft unter Beachtung der gesetzlich geregelten Haushaltsbestimmungen selbstständig zu führen und alle für eine geordnete Finanzwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben. Demgemäß bestimmt Art. 22 Abs. 2 Satz 1 BayGO, dass die Gemeinden das Recht haben, ihr Finanzwesen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen selbst zu regeln.
Weitere Vorschriften der BayGO legen sodann die Grenzen der kommunalen Finanzwirtschaft fest. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayGO hat die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist sicherzustellen, eine Überschuldung ist zu vermeiden. Nach Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayGO haben die Gemeinden die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu planen und zu führen. Nach Art. 61 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayGO hat die Gemeinde bei der Führung der Haushaltswirtschaft finanzielle Risiken zu minimieren; ein erhöhtes Risiko liegt vor, wenn besondere Umstände, vor allem ein grobes Missverhältnis bei der Risikoverteilung zu Lasten der Gemeinde, die Gefahr eines erheblichen Vermögensschadens begründen. Nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayGO ist bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag bringen.
Daraus folgt, dass der Gemeinde allein der Gewinnerzielung dienende Finanzgeschäfte nicht gestattet sind; denn Finanzgeschäfte einer Gemeinde dürfen nur ihrer Aufgabenerfüllung dienen (Morlin, NVwZ 2007, 1159 mwN; Weck/Schick, NVwZ 2012, 18, 20). Insofern unterliegen die Gemeinden einem Spekulationsverbot, das sich als Teilaspekt des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit darstellt (Morlin, NVwZ 2007, 1159; Bader/Wilkens, wistra 2013, 81, 83 mwN; Weck/Schick, NVwZ 2012,18, 20).
c) Auf dieser kommunalrechtlichen Grundlage konkretisiert sich der Maßstab der Sorgfaltspflicht, den ein kommunaler Entscheidungsträger bei Abschluss eines Finanzgeschäfts zu beachten hat, wie folgt:
aa) Ein Finanzgeschäft einer Kommune muss einen sachlichen und zeitlichen Bezug (sachliche und zeitliche Konnexität) mit einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag - dem Grundgeschäft - dergestalt haben, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird. Der verantwortliche Entscheidungsträger der Kommune handelt beim Abschluss eines solchen Geschäfts dann pflichtwidrig, wenn es entweder überhaupt keinen Bezug zum Grundgeschäft hat oder nicht geeignet ist, genau dessen Risiken abzusichern oder wenn es nach Höhe und Dauer (Betrags- und Laufzeitkongruenz) dem Grundgeschäft - in der Regel ein Darlehen - nicht entspricht. Dies ist für jedes Finanzgeschäft einzeln zu prüfen. Die Zinsbelastungen mehrerer Kreditverträge können zusammengefasst werden; nach dem Grundsatz der Konnexität muss aber auch dann ein nachweisbarer, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den zu Grunde liegenden Krediten und dem Derivat bestehen (sog. lockere Konnexität im Gegensatz zur strengen Konnexität, bei der Deckungsgleichheit zwischen einem speziellen Grundgeschäft und dem Zinsgeschäft der Höhe und der Laufzeit nach vorliegt, Gehrmann/Lammers KommJur 2011, 41, 43; Kirchner wistra 2013, 418). Der erforderliche sachliche Bezug hängt von der konkreten Beschaffenheit der Risiken des Grundgeschäfts ab. Geschäfte, die bestehende finanzielle Risiken nicht abdecken oder zumindest minimieren, dienen nicht der Zinssicherung oder Zinsoptimierung.
Zinsbezogene Finanzgeschäfte für erst künftig geplante, noch nicht abgeschlossene Kreditgeschäfte kommen nicht in Betracht (vgl. Weck/Schick, NVwZ 2012,18, 20).
Wird mit dem Geschäft bezweckt, die sich aus dem Grundgeschäft ergebenden finanziellen (Zinsänderungs-)Risiken abzusichern bzw. zu optimieren, muss sich die Laufzeit des Finanzgeschäfts an der des Grundgeschäfts orientieren. Einer Laufzeit des Finanzgeschäfts, die über die Restlaufzeit des abzusichernden Kredits hinausgeht, fehlt insoweit die erforderliche Zweckbindung kommunalrechtlicher Haushaltswirtschaft (vgl. Weck/Schick, NVwZ 2012, 18, 20).
bb) Trotz bestehender Konnexität ist ein Finanzgeschäft dann spekulativ und sein Abschluss als pflichtwidrig einzustufen, wenn das Risiko des Kapitalverlustes die Chance des Kapitalgewinns deutlich übersteigt, also keine günstige Relation zwischen angestrebtem Zweck und dafür eingesetzten Mitteln besteht und dadurch die kommunale Aufgabenbindung und -erfüllung nicht unerheblich gefährdet wird (Morlin, NVwZ 2007, 1159 mwN; Lammers, NVwZ 2012, 12, 14; Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 45). Dies kann bei hochspekulativen Wertpapieren der Fall sein.
cc) Ein Finanzgeschäft darf auch dann nicht abgeschlossen werden, wenn die Abwägungsentscheidung infolge von Informationsdefiziten oder Mängeln bei der Sachverhaltserfassung nicht richtig erfolgen konnte (Lammers, NVwZ 2012, 12, 14 mwN). Die Gemeinden müssen sich vor Abschluss eines Geschäfts eine ausreichende Informationsgrundlage verschaffen - u.U. durch eine Nachfrage bei den Aufsichtsbehörden - und eine sorgfältige Risikoanalyse vornehmen. Verlässt sich der Entscheidungsträger allein auf die Angaben der ihn beratenden Bank, die ein Eigeninteresse an ihren Analysen und dem Verkauf ihrer Produkte hat, kann dies schon - zumindest objektiv - eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht indizieren.
dd) Die Entscheidung für das Finanzgeschäft darf nicht auf Erwägungen beruhen, die der kommunalrechtlichen Haushaltswirtschaft fremd sind. Sachfremd ist der Abschluss von Finanzgeschäften zur Gewinnerzielung (Lammers, NVwZ 2012, 12, 14 mwN).
ee) Haben die zur Aufsicht berufenen Stellen konkrete Anweisungen zu Art und Höhe des Geschäfts, Mindestkonditionen, Geschäftspartner etc. erteilt, dürfen diese nicht zu Gunsten einer Chance auf höhere Kostenreduzierung missachtet werden (Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 45 f.).
ff) Ein Indiz für die Pflichtwidrigkeit einer Entscheidung ist das Umgehen der zur Aufsicht berufenen Stellen.
Hält sich der Entscheidungsträger bei seiner Entscheidung an diese Grenze, ist das Geschäft unabhängig von seinem Ausgang nicht pflichtwidrig (Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 45).
d) Die Feststellungen des Landgerichts ermöglichen keine Überprüfung, ob sich der Angeklagte S. an diesen Maßstab gehalten hat und es deshalb bereits an der (objektiven) Pflichtwidrigkeit fehlt. Die Feststellungen beschränken sich darauf, dass die V. im Jahr 1999 „im Zusammenhang mit baulichen Investitionen Kredite bei der C. bank“ aufnahm und „davon rund 23 Millionen € in den eigens von der C. bank aufgelegten V. -Cofonds, der von der C. invest verwaltet wurde und der sich aus festverzinslichen Wertpapieren sowie Aktien deutscher Unternehmen zusammensetzte“, investierte, um „eine über die Kreditzinsen hinausgehende Rendite zur Finanzierung insbesondere von Baumaßnahmen der V. zu erwirtschaften.
[…]. Als die Renditeerwartungen nicht erreicht wurden, entnahm der Angeklagte S. im Jahr 2005 in zwei Tranchen Fondsanteile in Höhe von rd. fünf Millionen € und investierte […] in Wertpapiere.“ Hatten die den 160 Wertpapiergeschäften vorausgehenden Finanzgeschäfte die erforderliche Konnexität, fehlen dem Urteil Feststellungen dazu, dass die 160 Wertpapiergeschäfte, die nun neben Aktien auch Aktien- und Indexanleihen sowie Währungsoptionsgeschäfte umfassten und bei denen der Angeklagte S. nach den Feststellungen eine mittlere Risikobereitschaft zeigte, ihrerseits nach Betrag, Laufzeit und Bedingungen geeignet waren, die Risiken der zu Grunde liegenden Finanzgeschäfte abzusichern.
Auch zu einer etwaigen Einbindung der Aufsichtsbehörden lässt das Urteil Feststellungen vermissen. Offen ist auch, ob sich der Angeklagte S. vor Annahme der jeweiligen Angebote der C. bank eine ausreichende Informationsgrundlage verschafft hatte. So handelte es sich bei dem V. -Cofonds um einen eigens von der C. bank aufgelegten Fonds, der von der C. bank (C. invest) verwaltet wurde. Die jeweilige Anlageentscheidung wurde auf Empfehlung der C. bank getroffen und die Aktienanleihen waren individuell für die V. konzipierte und nicht an der Börse gehandelte Anleihen.
Ein (objektiv) pflichtwidriges Handeln des Angeklagten S. und ggf. dessen sich auf die Pflichtwidrigkeit beziehender Vorsatz - zu dessen Prüfung das Landgericht keine Veranlassung hatte, weil es schon eine Verletzung des Spekulationsverbots und damit eine Pflichtwidrigkeit verneinte - kann auf dieser Grundlage nicht überprüft werden. Das angefochtene Urteil war daher bezüglich des Freispruchs des Angeklagten S. vom Vorwurf der Untreue in 160 Fällen mit den insoweit zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).
IV. Revisionen der Angeklagten 1.
Die von den Angeklagten erhobenen Rügen einer Verletzung von § 275 StPO entsprechen nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Es wird jeweils nicht mitgeteilt, wann das Urteil zu den Akten gebracht (§ 275 Abs. 1 Satz 1 StPO) worden, also zur Geschäftsstelle gelangt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 - 1 StR 317/07 und vom 21. April 2015 - 1 StR 555/14, NStZ-RR 2015, 257 f.). Bei dem am 20. Oktober 2015 verkündeten Urteil war das am 22. Dezember 2015 der Fall, wie sich aus dem auf der letzten Seite des Urteils gemäß § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO angebrachten Vermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ergibt (SA Bd. 3, S. 804). Dies hätten die Beschwerdeführer im Wege der Akteneinsicht ohne weiteres feststellen können.
2. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten haben insoweit Erfolg, als die Strafkammer rechtsfehlerhaft vom Vorliegen einer einheitlichen prozessualen Tat ausgegangen ist und deshalb im Hinblick auf den Vorwurf der Untreue bzw. der Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit den Honoraransprüchen der K. GmbH von einem Freispruch abgesehen hat. Dieser ist durch den Senat nachzuholen; insoweit bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
V. Hinweise zu Fall B.IV. der Urteilsgründe
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zu Fall B.IV. der Urteilsgründe auf Folgendes hin:
1. Es wird zu prüfen sein, ob der Angeklagte subjektiv die mögliche Pflichtwidrigkeit seines Handelns erkannt hat. In diesem Zusammenhang bedarf es zur Feststellung des darauf bezogenen Vorsatzes einer umfassenden Würdigung. Der Täter muss nämlich nicht nur die zugrundeliegenden Tatsachen kennen, sondern auch in seiner Laiensphäre das Element nachvollzogen haben (Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., S. 291 ff.; in der Sache ebenso BGH, Urteil vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, wistra 2017, 153, 158 Rn. 64 f.; in diese Richtung auch bereits Beschluss vom 5. September 2012 - 1 StR 297/12, wistra 2013, 20, 21 Rn. 11 sowie Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, wistra 2015, 311, 317 Rn. 34 [insoweit in BGHSt 60, 94, 111 nicht abgedruckt]; anders - nicht tragend - BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 531 [insoweit in BGHSt 50, 331 ff. nicht abgedruckt]). Für die Frage, ob der Angeklagte im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit gehandelt hat, hat ganz entscheidenden indiziellen Charakter, ob und in welcher Weise die Aufsichtsbehörden informiert und sich zu den Investitionen gestellt haben. In diesem Zusammenhang ist neben den aufsichtsbehördlichen Richtlinien auch die Entscheidungspraxis der Gerichte zu beachten, weil sie das Bewusstsein des Angeklagten hinsichtlich der (möglichen) Pflichtwidrigkeit geprägt haben können. Umgekehrt kann es für das Vorliegen des Vorsatzelements sprechen, wenn er sich in Zweifelsfragen gar nicht an die Aufsichtsbehörden gewandt oder deren Maßgaben ignoriert hat. Für die Feststellung der subjektiven Pflichtwidrigkeit spielen deshalb auch die Erlasse der Innenverwaltung eine wesentliche Rolle.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat sich auf Grund des verstärkten Engagements der Kommunen auf dem Finanzmarkt veranlasst gesehen, die Regierungen mit Schreiben vom 8. November 1995 (IB4-1513. 1-2; vgl. auch KommunalPraxis BY Nr. 2/96, S. 57) ausdrücklich auf das Spekulationsverbot und die sich daraus ergebenden rechtlichen Schranken für den Gebrauch derivativer Finanzierungsinstrumente hinzuweisen und gebeten, die Rechtsaufsichtsbehörden und Kommunen bei Bedarf entsprechend zu beraten.
Die erteilten Hinweise hat das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Rundschreiben vom 14. September 2009 (IB4-1513.1-2) aktualisiert und in der Folgezeit mit weiteren Bekanntmachungen ergänzt (Bekanntmachung vom 10. März 2010 [IB4-1512.5-9] und vom 15. Februar 2012 [IB4-1512.5-9]).
Ähnliche Hinweise, sog. „Derivaterlasse“, sind auch in anderen Bundesländern ergangen (vgl. Lammers, NVwZ 2012, 12 Fn. 44; Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41 Fn. 18-20).
Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 27. Oktober 2010 (9 U 148/08, WM 2010, 2169, 2177 ff.) unter Hinweis auf den Derivaterlass des Innenministeriums von Baden-Württemberg vom 17. August 1998 betont, dass Wesensmerkmal des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots das Erfordernis einer „Grundgeschäftsbezogenheit“ von Finanzierungsgeschäften sei. Zulässige zinsbezogene Derivatgeschäfte seien deshalb nur solche Geschäfte, bei denen noch nicht abgesicherte Zinsänderungsrisiken durch das Derivatgeschäft als selbstständiges Rechtsgeschäft abgesichert würden oder solche, die durch ein selbstständiges Rechtsgeschäft ein allgemeines wirtschaftliches Risiko - wie das Risiko der künftigen Zinsentwicklung - abdecken oder minimieren sollten („Zinsoptimierungsgeschäfte“).
2. Sollte sich ein pflichtwidriges Handeln des Angeklagten S. ergeben, muss dieses zu einem Nachteil für das Vermögen des Zweckverbands geführt haben.
Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 7. September 2011 - 2 StR 600/10 Rn. 8, NStZ 2012, 151 f.; Beschlüsse vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 und vom 16. August 2016 - 4 StR 163/16, NStZ 2017, 32, 36 Rn. 34). Dabei kann ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, dass dies bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 221 ff.; BGH, Beschlüsse vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 mwN und vom 16. August 2016 - 4 StR 163/16, NStZ 2017, 32, 36 Rn. 34), etwa weil im Tatzeitpunkt schon aufgrund der Rahmenumstände die sichere Erwartung besteht, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (BGH, Beschlüsse vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325 Rn. 90 und vom 16. August 2016 - 4 StR 163/16, NStZ 2017, 32, 36 Rn. 34 mwN).
Der Vermögensnachteil ist eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 mwN) und gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu beziffern.
Einen entsprechenden Sachverständigenbeweis hatte die Staatsanwaltschaft (wie sich aus ihrer zulässigen Verfahrensrüge ergibt) mit ihrem Antrag erstrebt. Sie hatte zum Beweis der Tatsache, dass durch 160 Wertpapierkäufe das Vermögen der V. konkret gefährdet worden sei, die Beauftragung eines Sachverständigen mit einem Gutachten zur konkreten Feststellung des Ausfallrisikos, des Wahrscheinlichkeitsgrads einer Gewinnerzielung dieser Wertpapiere sowie die anschließende Ermittlung ihrer Werthaltigkeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beantragt.
Dieser Antrag war entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts ein Beweisantrag, weil er die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache und die Benennung eines Sachverständigen als bestimmtes Beweismittel enthielt, mit dem der Nachweis der benannten Beweistatsachen geführt werden soll und diese dem Sachverständigenbeweis zugänglich waren. Bei der Ermittlung der Werthaltigkeit eines Wertpapiers unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf Grundlage der Höhe des konkreten Ausfallrisikos sowie des Wahrscheinlichkeitsgrads einer Gewinnerzielung handelt es sich um eine dem Beweis - unter Bemühung finanzmathematischer Berechnungen bzw. betriebswirtschaftlicher Bewertungskriterien - zugängliche Tatsache. Aus dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Gutachten über das jeweilige Ausfallrisiko hätten sich voraussichtlich auch nähere Erkenntnisse über die bei den einzelnen Wertpapiergeschäften eingegangenen Risiken und eine Antwort auf die Frage ergeben, ob die vom Angeklagten S. getroffenen Anlageentscheidungen noch mit den für die V. gültigen haushaltsrechtlichen Grundsätzen vereinbar waren.
3. Steht ein Vermögensschaden fest, sind zum subjektiven Tatbestand der Untreue Feststellungen und eingehende Erörterungen, insbesondere zum Vorsatz in Bezug auf den Vermögensnachteil, erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 29
Externe Fundstellen: BGHSt 62, 144; NJW 2018, 177 ; NStZ 2018, 218; StV 2019, 33
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede