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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 418

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 526/15, Urteil v. 15.03.2016, HRRS 2016 Nr. 418


BGH 1 StR 526/15 - Urteil vom 15. März 2016 (LG Ansbach)

Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (abweichendes Sexualverhalten als schwere andere seelische Abartigkeit: Gesamtbetrachtung; Gefährlichkeitsprognose: schwere Störung des Rechtsfriedens durch zu erwartende Straftaten).

§ 63 StGB; § 20 StGB; § 21 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen.

2. Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (vgl. dazu BGH, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag.

3. Für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB kommt es darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 76 f.). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.).

4. Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 339, 340) und gilt für „hands-on-Delikte“ zu Lasten von Kindern erst recht.

5. Dafür kommt es auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse an. Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern - wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) - über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.

Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharing-Netzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.

Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:

1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16 Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.

Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinderpornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).

2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).

3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.

Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.

2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle - was allein in Betracht käme - dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).

a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 - 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 - 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).

Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).

b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.

Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19). Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vier Stunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten können. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und 23).

Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.

Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltensweisen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinderund jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinderund jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.

Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.

c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.

d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.

Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht - im rechtlichen Ansatz zutreffend - zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 - 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 - 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 - 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognostizierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest § 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.

3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 - 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 - 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 - 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn - wie hier (Rn. 10) - eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 - 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).

b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert - im Fall der Schuldunfähigkeit - verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.

4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.

a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.

Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).

b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 - 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es - wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfolgt - auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 - 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern - wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) - über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 418

Externe Fundstellen: StV 2017, 29

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede