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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 573

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 402/15, Beschluss v. 16.03.2016, HRRS 2016 Nr. 573


BGH 1 StR 402/15 - Beschluss vom 16. März 2016 (LG Mannheim)

(Verminderte) Schuldunfähigkeit (Persönlichkeitsstörung als schwere andere seelische Abartigkeit: besondere Schwere; erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit: normative Gesamtbetrachtung).

§ 20 StGB; § 21 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Persönlichkeitsstörung kann die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (st. Rspr.). Da der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit sind, ist die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle, durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen. Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden (vgl. BGHSt 49, 45, 52 f.).

2. Ob die Steuerungsfähigkeit wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten hat. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. BGH NJW 2014, 3382, 3384). Dazu hat der Tatrichter in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung zu bewerten, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlass und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 2. April 2015 im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen Betruges“ in vier Fällen unter Einbeziehung weiterer rechtskräftiger Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt, wovon es sechs Monate für vollstreckt erklärt hat. Wegen Erschleichens von Leistungen in sieben Fällen und „gewerbsmäßigen Betruges“ in elf Fällen hat es ihn zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und hiervon fünf Monate für vollstreckt erklärt. Weiterhin hat es die Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die er auf die Sachrüge und die Verletzung von Verfahrensrecht stützt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. a) Der Angeklagte verstand es in drei Fällen im Jahr 2010 auf geschickte Art und Weise, geschäftlich unerfahrene 18 bzw. 19 Jahre alte und hilfsbereite Männer zu überreden, in ihrem eigenen Namen Handyverträge für den Angeklagten abzuschließen. Er gab dabei vor, dies selber wegen eines Schufa-Eintrags nicht zu können, sicherte aber wahrheitswidrig die Übernahme der monatlichen Kosten durch ihn bzw. seinen Vater zu. Im Vertrauen darauf, dass sie durch die Vertragsabschlüsse über die Laufzeit von jeweils 24 Monaten nicht mit Kosten belastet würden, schlossen die Geschädigten die Verträge ab. Die daraufhin erhaltenen Mobiltelefone händigten sie absprachegemäß an den Angeklagten aus. Diesem war es auf den Erhalt der Geräte angekommen, die er plangemäß verkaufte und den Erlös für sich verwendete. In einem weiteren Fall veranlasste er wenige Tage nach Abschluss der Handyverträge einen der Geschädigten zudem dazu, für ihn zwei Verträge über den Empfang des Senders Sky abzuschließen. Auch hier hatte er zugesichert, die mit den über eine zwölfmonatige Laufzeit geschlossenen Verträgen verbundenen Kosten zu übernehmen. Nachdem der Geschädigte deswegen die Verträge unterzeichnet hatte, erhielt er die beiden zum Empfang erforderlichen Festplattendigitalreceiver ausgehändigt. Diese übergab er absprachegemäß an den Angeklagten, der sie wiederum verkaufte und den Erlös für sich verwertete.

b) Zwischen dem 16. Juli und dem 16. November 2011 benutzte der Angeklagte in sieben Fällen Züge ohne gültigen Fahrausweis.

c) Am 5. November 2011 beantragte er bei einer Firma, die mit Autoteilen handelte, die Einrichtung eines Kundenkontos. Dabei gab er seine von ihm nicht mehr genutzte alte Adresse und seine keine Deckung aufweisende Kontoverbindung an. Außerdem legte er eine Gewerbeanmeldung vor. Das Kundenkonto wurde eingerichtet. Nachdem der Angeklagte im Februar 2012 aus einem Freiheitsentzug entlassen worden war, bestellte er innerhalb von fünf Tagen in vier Fällen aufgrund eines jeweils neuen Entschlusses diverse Autoteile im Wert von zusammen 1.750,58 €. Diese verkaufte er. Wie von ihm beabsichtigt, scheiterte der Lastschrifteinzug.

Im Oktober 2011 hatte der Angeklagte bei einer mit Werkzeugen handelnden Firma für sich ein Kundenkonto für Gewerbetreibende einrichten lassen. Hierzu erteilte er einen Abbuchungsauftrag für ein erfundenes Sparkassenkonto. Durch das Kundenkonto war es ihm möglich, Ware zu erhalten, ohne sie sofort bezahlen zu müssen. Hierauf kam es ihm an, da er tatsächlich nicht in der Lage war, die Ware zu bezahlen. Innerhalb weniger Tage im März 2012 bestellte der Angeklagte in vier Fällen aufgrund eines jeweils neuen Entschlusses Maschinen im Wert von 600 bis zu 1.200 €, die ihm im Vertrauen auf seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit auch ausgehändigt wurden. In einem dieser Fälle schickte der Angeklagte einen Taxifahrer zur Abholung. Die Maschinen verkaufte der Angeklagte, um den Erlös für sich zu verwenden. Nachdem ein erster Abbuchungsauftrag fehlgeschlagen war, gab der Angeklagte gegenüber der Firmenmitarbeiterin an, es sei eine Zahl bei der Kontonummer falsch, was sie ihm glaubte.

Zwei Tage nach der letzten Werkzeugbestellung wandte sich der Angeklagte am 16. März 2012 an einen Getränkehandel. Dort spiegelte er der Verkäuferin vor, er benötige für eine größere Feier Getränke auf Kommission. Im Vertrauen auf seine Zusage, nach der Feier unverbrauchte Getränke zurückzubringen und verbrauchte zu bezahlen, erhielt er Getränke im Wert von annähernd 300 € ausgehändigt. Entweder noch am Nachmittag des Folgetages oder am darauffolgenden Vormittag erschien er erneut im Getränkehandel und erreichte die Herausgabe weiterer Getränke im Wert von über 2.500 € auf Kommission und zweier Kühlschränke zur Miete. Am 19. März 2012 erhielt der Angeklagte durch erneute Täuschung weitere Waren im Wert von 6.000 € auf Kommission und eine Kühlbox ausgehändigt. Tatsächlich verkaufte der Angeklagte seinem Plan entsprechend die erlangten Gegenstände und verwendete den Erlös für sich.

2. Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass beim Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorliegt. Diese sei so gravierend, dass sie „im Zusammenhang“ mit einer Minderbegabung das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfülle und bei den Taten zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt habe. Die Persönlichkeit des Angeklagten sei durch eine ausgesprochen egozentrische Weltsicht gekennzeichnet. Er ziehe aus der Freundlichkeit und Naivität anderer Personen seinen Vorteil. Dabei habe er ein Talent, Personen aufzuspüren, die sein Vorhaben nicht durchschauten und sich aus Gutmütigkeit darauf einließen. Die Konsequenzen für die Betroffenen seien ihm egal, ihm komme es allein darauf an, zur eigenen Bedürfnisbefriedigung schnell an Geld zu gelangen. Um bekannte Regeln würde er sich nicht scheren, wobei ihn auch Bestrafungen von weiteren Taten nicht abhalten konnten. In Folge der Minderbegabung sei er nicht in der Lage, längerfristige Perspektiven zu entwickeln und aktuelle Bedürfnisse zum längerfristigen eigenen Nutzen zurückzustellen und einem spontanen Impuls gegenzusteuern.

II.

1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Erfolg. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass der Senat hinsichtlich der Beanstandung, der Beweisantrag vom 17. Februar 2015 auf Vernehmung des P. als Zeugen sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, jedenfalls ein Beruhen des Urteils - soweit es nicht ohnehin der Aufhebung unterliegt - auf dem behaupteten Gesetzesverstoß ausschließen kann.

2. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten wegen eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht.

a) Die Urteilsgründe belegen schon nicht, dass bei dem Angeklagten zu den Tatzeiten eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB vorgelegen hat.

Der Sachverständige hat bei dem Angeklagten zwar eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Eine solche Störung kann - wie auch das Landgericht nicht verkannt hat - die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 - 4 StR 498/14 und vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 - 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Da der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit sind, ist die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle, durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen. Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN aus dem psychiatrischen Schrifttum).

An einer solchen Bewertung fehlt es jedoch. Die Strafkammer beschränkt sich auf die Darstellung der Symptome, die zu der Diagnose der dissozialen Persönlichkeitsstörung geführt haben. Danach ist aber nicht erkennbar, dass die festgestellten Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten - mögen sie auch die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung tragen - dem Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit entsprechen und es sich nicht nur um Eigenschaften und Verhaltensweisen handelt, die übliche Ursachen für strafbares Verhalten darstellen. Eine Auseinandersetzung mit der geschickten, Vorbereitung erfordernden und zeitlich gestreckten Vorgehensweise (vgl. zur möglichen Relevanz dieser Umstände für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ aus psychiatrischer Sicht, BGH aaO, 53) bei den Betrugstaten im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit findet nicht statt. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als dies Rückschlüsse darauf zulassen könnte, ob der Angeklagte zur vorübergehenden Zurückstellung seiner Bedürfnisse in der Lage war und nicht aus einem inneren Zwang heraus gehandelt hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 4 StR 498/15 mwN).

Auch die festgestellte Minderbegabung führt zu keiner anderen Beurteilung. Ihre Annahme beruht allein auf Ergebnissen von Intelligenztests, wobei der Sachverständige, dem das Landgericht folgt, einen Gesamt-IQ von 67 festgestellt hat. Dies begegnet schon für sich genommen Bedenken. Diese unkritische Übernahme testpsychologischer Ergebnisse lässt einen Abgleich mit dem tatsächlich gezeigten Leistungsverhalten vermissen. Dieses imponiert durch gezielte, strategisch günstige Opferauswahl und die Fähigkeit, „eine in sich geschlossene, einem Dritten einleuchtende Erklärung“ bei Bedarf abzurufen und zum Einsatz zu bringen. Defizite beim Sprachverständnis, Sprachgebrauch oder bei der Handhabung von komplexen Handlungsanforderungen sind hingegen nicht zu Tage getreten. Jedenfalls aber ist angesichts der konkreten Tatumstände nicht dargelegt, dass eine Minderbegabung zu einer strafrechtlich relevanten Einschränkung seiner Handlungsmuster geführt haben könnte.

b) Zudem könnte auch die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB für sich genommen keinen Bestand haben.

Ob die Steuerungsfähigkeit wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten hat. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (BGH, Urteil vom 14. August 2014 - 4 StR 163/14, Rn. 29, NJW 2014, 3382, 3384 mwN). Dazu hat der Tatrichter in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung zu bewerten, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlass und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53 f. mwN). Den hierzu angestellten Erwägungen des Landgerichts fehlt aber jegliche tatbezogene Betrachtung, insbesondere findet keine Auseinandersetzung mit der komplexen und strukturierten Begehungsweise der Betrugstaten statt.

3. Zwar ist der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht beschwert. Der Strafausspruch kann aber aus anderen Gründen keinen Bestand haben.

Die Strafkammer ist für die Betrugstaten vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB und für die übrigen Taten vom Strafrahmen des § 265a StGB ausgegangen. Während sie für die vor dem 27. Oktober 2011 begangenen Taten wegen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 StGB vorgenommen hat, hat sie eine solche für 1die Taten danach - mithin für die unter 1.c. geschilderten vier Betrugstaten und die drei letzten der unter 1.b. geschilderten Taten - versagt. Der verminderten Schuldfähigkeit stünden schulderhöhende Gesichtspunkte entgegen. Hierzu zähle vor allem, dass der Angeklagte am 27. Oktober 2011 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei, ohne dass ihn diese Sanktion von der Begehung der weiteren Taten habe abhalten können.

Es begegnet schon Bedenken, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob der für die ersten vier Betrugstaten bejahte vertypte Milderungsgrund des § 21 StGB - gegebenenfalls mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen - geeignet war, von der Annahme eines besonders schweren Falles abzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595-2599; Beschluss vom 26. März 2014 - 5 StR 45/14). Jedenfalls aber fehlt es an einer Erörterung, inwieweit die dem Angeklagten schulderhöhend angelasteten Umstände (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 25. März 2014 - 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239 und vom 7. September 2015 - 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74) ihm angesichts der festgestellten erheblich verminderten Schuldfähigkeit bei den Taten uneingeschränkt zum Vorwurf gemacht werden durften. Hierzu hätte vor allem deswegen Anlass bestanden, weil nach den Feststellungen die beim Angeklagten vorliegende, die verminderte Schuldfähigkeit verursachende Störung gerade seine Fähigkeit beeinflussen soll, aus Sanktionen zu lernen, mithin für den Bereich besondere Relevanz entfaltet, der ihm schulderhöhend angelastet wird.

Der Senat hebt sämtliche Einzelstrafen auf, um dem Tatrichter eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage.

4. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 573

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede