HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1107
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 399/15, Beschluss v. 06.11.2018, HRRS 2018 Nr. 1107
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 12. August 2018 gegen den Beschluss des Senats vom 1. September 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 5. März 2015 mit Beschluss vom 1. September 2015 verworfen. Mit beim Bundesgerichtshof am 15. August 2018 eingegangenem Schreiben vom 12. August 2018, ergänzt durch das am 18. August 2018 eingegangene Schreiben vom 15. August 2018, erhebt der Verurteilte die Anhörungsrüge. Er macht zur Begründung geltend, er sei während der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verhandlungsunfähig gewesen, weil er in der Zeit vor und während der Hauptverhandlung erheblich suizidgefährdet und aus diesem Grund über einen unzumutbar langen Zeitraum unter unerträglichen Bedingungen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht gewesen sei. Deshalb, aber auch weil er hierzu nicht vor der Hauptverhandlung angehört und sein Verteidiger nicht über die Situation unterrichtet worden sei, sei er in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Zudem sei er in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt gewesen. Wegen der Rechtsverletzungen durch das Landgericht sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör auch durch den Verwerfungsbeschluss des Senats vom 1. September 2015 verletzt.
Dass er während der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verhandlungsunfähig gewesen sei, sei ihm erst aufgrund späterer Albträume und der rechtlichen Bewertung des Landesamtes für Finanzen des Freistaats Bayern in dessen ihm am 9. August 2018 zugestellten Schriftsatz vom 30. Juli 2018 - in diesem wurde die Zurückweisung des vom Verurteilten gestellten Prozesskostenhilfeantrags für eine Schadensersatzklage beantragt - bewusst geworden.
1. Die Anhörungsrüge erweist sich bereits als unzulässig.
a) Die Anhörungsrüge ist schon deshalb unzulässig, weil dem Vorbringen des Verurteilten zur Anhörungsrüge nicht zu entnehmen ist, wann dieser von der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat. In Fällen, in denen sich - wie hier - die Einhaltung der Frist des § 356a Satz 2 StPO nicht schon aus dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensgang ergibt, gehört die Mitteilung des nach § 356a Satz 2 StPO für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts der Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die Gehörsverletzung ergeben soll, und dessen Glaubhaftmachung (§ 356a Satz 3 StPO) zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. September 2015 - 4 StR 85/15, juris Rn. 2 mwN; vom 29. September 2009 - 1 StR 628/08, StV 2010, 297 und vom 22. Juli 2016 - 1 StR 579/15, NStZ-RR 2016, 351).
Hieran fehlt es vorliegend, weil der Verurteilte weder mitgeteilt noch glaubhaft gemacht hat, wann ihm der Verwerfungsbeschluss vom 1. September 2015 zugegangen ist. Der Zugang des Schriftsatzes des Landesamtes für Finanzen des Freistaats Bayern vom 30. Juli 2018 ist für die Zulässigkeit der Anhörungsrüge schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Schriftsatz lediglich auf tatsächliche Umstände Bezug nimmt, die dem Verurteilten als Gegenstand der eigenen Wahrnehmung von vornherein bekannt waren, und es für die Kenntniserlangung von dem behaupteten Gehörsverstoß nur auf die tatsächlichen Umstände und nicht auf rechtliche Bewertungen ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2016 - 1 StR 52/16, NStZ-RR 2016, 318 mwN).
b) Unzulässig ist die Anhörungsrüge daneben auch deshalb, weil es ihr an der erforderlichen Begründung fehlt. Dem Begründungserfordernis in § 356a Satz 2 StPO ist nicht nur bei Fehlen jeglicher Begründung, sondern auch dann nicht Genüge getan, wenn die Begründung völlig ungeeignet ist, um einen Gehörsverstoß schlüssig darzutun; dem Fehlen einer Begründung ist eine völlig ungeeignete Begründung rechtlich gleichzustellen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 2 St OLG Ss 170/06, NStZ 2007, 237 mwN; KK/Gericke, StPO, 7. Aufl., § 356a Rn. 10; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2005 - 5 StR 269/05, NStZ-RR 2006, 85 mwN; vom 15. November 2012 - 3 StR 239/12, NStZ-RR 2013, 153 mwN und vom 30. September 2013 - 1 StR 305/13, juris Rn. 4 mwN).
Vorliegend fehlt es an der erforderlichen Begründung der Anhörungsrüge. Die Ausführungen des Verurteilten zur Begründung seiner Anhörungsrüge sind schon im Ansatz ungeeignet, eine Gehörsverletzung durch den Senat schlüssig zu begründen. Denn der Verurteilte macht mit seiner Gehörsrüge einen Gehörsverstoß (und die Verletzung anderer Verfahrensrechte) durch das Landgericht geltend, teilt aber nicht nachvollziehbar mit, worin eine Gehörsverletzung durch den Senat liegen sollte. Die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO hat nicht den Zweck, das Revisionsgericht zur Prüfung versäumten Revisionsvorbringens zu einer möglichen Gehörsverletzung (oder sonstigen Verfahrensfehlern) im erstinstanzlichen Verfahren zu veranlassen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 - 4 StR 196/08, juris Rn. 4 mwN; Löwe/Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 356a Rn. 4 mwN).
2. Die Anhörungsrüge wäre aber auch unbegründet, denn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Verurteilten (vgl. hierzu Leibholz/Rinck/ Burghart, GG, 76. Lieferung, Art. 103 Rn. 91 ff. mwN) durch den Beschluss vom 1. September 2015 liegt nicht vor. Der Verurteilte hatte im Revisionsverfahren umfassend Gelegenheit zur Stellungnahme. Auf Gesichtspunkte, zu denen er sich nicht hätte äußern können, ist der mit der Anhörungsrüge angegriffene Verwerfungsbeschluss nicht gestützt.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1107
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede