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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 51

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 104/15, Urteil v. 06.09.2016, HRRS 2017 Nr. 51


BGH 1 StR 104/15 - Urteil vom 6. September 2016 (LG München I)

Begriff der prozessualen Tat (Tatbegehung durch Unterlassen: sachlicher Zusammenhang der Vorkommnisse); rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (nur in außergewöhnlichen Einzelfällen Verfahrenshindernis); Untreue (Vermögensschaden durch schwarze Kassen); tatrichterliche Beweiswürdigung (Ansprüche an ein freisprechendes Urteil).

Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 264 StPO; § 13 Abs. 1 StGB; § 266 Abs. 1 StGB; § 261 StPO; § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Unter den Begriff der prozessualen Tat im Sinne von § 264 StPO fallen alle mit dem in der Anklage enthaltenen Lebensvorgang zusammenhängenden und darauf bezogenen Vorkommnisse, auch wenn sie nicht explizit in der Anklage Erwähnung finden. Ein zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 355). Dies gilt insbesondere beim Unterlassen, bei dem daher auf den sachlichen Zusammenhang abzustellen ist (vgl. BGH NStZ 1995, 46).

2. Ein Verfahrenshindernis wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (vgl. BGHSt 46, 159, 168 f.). Bei bloßen Verfahrensfehlern wird dies in der Regel nicht der Fall sein.

3. Ein durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in außergewöhnlichen Einzelfällen, in denen eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen der Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, zu einem Verfahrenshindernis führen. Diese Entscheidung des 2. Strafsenats, wonach eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation unter sehr hohen Anforderungen ein Verfahrenshindernis darstellt (vgl. BGHSt 60, 276), kann nicht ohne Weiteres auf andere Verfahrensfehler übertragen werden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30. Mai 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Untreue durch Unterlassen (Ziffer III. der Anklage) freigesprochen wurde.

2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Untreue in zwei Fällen, einmal in Tateinheit mit Anstiftung zur Untreue, und der Untreue durch Unterlassen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die, gestützt auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts, vor allem die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet.

Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

I.

Mit der zugelassenen Anklage vom 28. März 2011 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten folgende Taten zur Last gelegt:

1. Der Angeklagte habe als Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG im Frühjahr 2003 den Zeugen G., den damaligen Leiter der zentralen kaufmännischen Abteilung des Geschäftsbereichs „P. T. a. D.“ (im Folgenden: PTD), angewiesen, den Zeugen M. zu Zahlungen in Höhe von 9,5 Mio. USD aus einer von diesem verwalteten schwarzen Kasse zu veranlassen. Damit sollen Schmiergelder an die Regierung Argentiniens geleistet worden sein; anschließend sei die schwarze Kasse wieder aufgefüllt worden (Ziffer II.2.a und b der Anklage).

2. Des Weiteren soll der Angeklagte Ende 2003 den Zeugen K. erfolgreich angewiesen haben, 4,7 Mio. USD als Schmiergeld an einen argentinischen Unternehmer namens S. zu zahlen (Ziffer II.2.c der Anklage).

3. Ferner liegt dem Angeklagten zur Last, in Kenntnis vom Fortbestehen einer schwarzen Kasse der Landesgesellschaften (im Folgenden: LGs) des Siemens-Konzerns in Südamerika mit einem Guthaben von ungefähr 35 Mio. USD nichts zu deren Auflösung und zur Rückführung der Gelder unternommen zu haben (Ziffer III. der Anklage).

II.

Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

1. Der Angeklagte war seit 1978 im Siemenskonzern tätig, wobei er unter anderem von 1991 bis 1996 die Position eines Chief Executive Officer (im Folgenden: CEO) der LG Kolumbien innehatte. 1996 kehrte der Angeklagte als Bereichsvorstandsvorsitzender des Geschäftsbereichs Energieversorgung, welcher später in „P. T. a. D. “, PTD, umbenannt wurde, nach Deutschland zurück. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2000 wurde er in den Vorstand der Siemens AG berufen und zugleich Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG. In dieser Funktion war der Angeklagte für die Geschäftsbereiche PTD und Power Generation sowie als Betreuer für die Region „Amerika“ für die Länder Nord-, Mittel- und Südamerikas zuständig. Daneben war er von Dezember 2000 bis September 2003 Mitglied des Verwaltungsrats der LG Argentinien und vom 27. August 2007 bis 27. Februar 2008 Aufsichtsratsvorsitzender der LG Kolumbien. Zum 31. Dezember 2007 schied der Angeklagte aus der Siemens AG aus.

2. Die Siemens AG ist in vertikaler Ebene in Geschäftsbereiche, wie z.B. den Geschäftsbereich PTD, selbständige Geschäftsgebiete und Bereiche mit eigener Rechtsform, wie z.B. die Siemens Business Services GmbH & Co. OHG (im Folgenden: SBS), untergliedert, und horizontal nach Regionen strukturiert, wobei die LGs jeweils juristisch selbständige Gesellschaften sind, die von deren jeweiligen Organen geführt werden. Geleitet wird die Siemens AG durch den Vorstand bzw. den aus Vorstandsmitgliedern bestehenden Zentralvorstand, deren Aufgaben in der Geschäftsordnung für den Vorstand der Siemens AG vom 24. Juli 2002 (im Folgenden: GeschO) normiert sind. Die Vorstandsmitglieder sind danach unter anderem gemäß § 2 Ziff. 2 GeschO dazu verpflichtet, für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen und darauf auch bei den Konzernunternehmen hinzuwirken, sowie das operative Geschäft zu überwachen. Gemäß § 10 Ziff. 1 GeschO werden ferner einzelnen Mitgliedern des Zentralvorstandes Betreuungszuständigkeiten für einen oder mehrere Geschäftsbereiche der Siemens AG zugeordnet, deren Belange sie wahrnehmen und den Zentralvorstand ihnen gegenüber vertreten müssen. Weisungen des Betreuers sind gegenüber den entsprechenden Bereichsvorständen gemäß § 10 Ziff. 2 GeschO bindend. Entsprechend der horizontalen Strukturierung der Siemens AG gibt es ferner regionale Betreuungszuständigkeiten für die verschiedenen Regionen, wobei der Angeklagte für den Bereich „Amerika“ zuständig war.

3. Anfang 1998 erhielt die SBS als Generalunternehmerin gemeinsam mit diversen Subunternehmen den Zuschlag für das DNI-Projekt in Argentinien. Dieses Projekt hatte unter anderem die Herstellung und Verteilung von fälschungssicheren Pässen und Ausweisen für die argentinische Bevölkerung zum Gegenstand. Kurz vor Zuschlag war die Ma. S.A. (im Folgenden: Ma.) - ein Subunternehmen, das zu einer Projektgruppe bestehend aus den in Argentinien lebenden Unternehmern S., C. und So. gehörte - gegen die Gesellschaft A. ausgetauscht worden. Nach einem Regierungswechsel in Argentinien 1999 geriet das DNI-Projekt ins Stocken. Schließlich kündigte die neue argentinische Regierung nach gescheiterten Vertragsverhandlungen den DNI-Projektvertrag am 18. Mai 2001. Da das SBS-Konsortium erheblich in Vorleistung gegangen und dem Siemens-Konzern ferner ein beträchtlicher Gewinn entgangen war, leitete die Siemens AG ein Schiedsverfahren auf Schadensersatz in Höhe von 500 Mio. USD vor der Weltbank in Washington D.C., USA, ein. 2007 wurde der Staat Argentinien in diesem Schiedsverfahren zu einer Entschädigung in Höhe von 200 Mio. USD verurteilt.

a) Im Zusammenhang mit dem DNI-Projekt machte S. diverse Forderungen geltend, unter anderem auch solche mit korruptivem Hintergrund. Es bestanden nämlich sowohl Schmiergeldvereinbarungen mit der alten Regierung um Präsident Me. als auch Schmiergeldforderungen der neuen Regierung um Präsident D. Letztlich kam es zu keiner Einigung.

Im März oder April 2003 suchte G., der kaufmännische Leiter von PTD, den kaufmännischen Abteilungsleiter bei PTD St., auf und teilte diesem mit, dass er im Auftrag des Angeklagten circa 7 Mio. EUR über die in Dubai ansässige Gesellschaft des M., I., nach Südamerika transferieren solle, PTD jedoch einen Ausgleich erhalten werde. In der Folge wurden gut 7 Mio. EUR mit Hilfe von Scheinrechnungen von PTD an die I. ausgeleitet, wobei PTD nachträglich intern von SBS einen Ausgleich in Höhe von 9,6 Mio. EUR erhielt.

b) Da S. sich weiterhin beklagte, dass ihm durch den Austausch der Ma. ein Schaden in Höhe von circa 5 Mio. USD entstanden sei, traf sich der Angeklagte im November 2003 mit S. und vereinbarte mit diesem, dass S. eine Rechnung in Höhe von 4,7 Mio. USD über K., den damaligen CEO der LG Argentinien, an die SBS leiten solle, damit die Berechtigung dort geprüft werden könne. Mit dieser Zahlung müssten laut dem Angeklagten allerdings auch sämtliche Ansprüche aus dem DNI-Projekt beglichen sein. Ohne weitere Prüfung und auch ohne weitere Involvierung des Angeklagten wurden sodann die von S. im Dezember 2003 an K. übergebenen acht Rechnungen mit einem Gesamtbetrag über 4,7 Mio. USD am 21. Januar 2004 beglichen. Dennoch stellte die Mf. am 15. März 2005 einen Antrag bei der Züricher Handelskammer auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen SBS zwecks Zahlung von gut 22 Mio. USD aus dem Mf. -Vertrag vom 3. Januar 2001 bzw. der Miami-Vereinbarung vom 6. Juli 2001, das letztlich am 11. Dezember 2006 durch Vergleich endete, der die SBS zur Zahlung von 8,8 Mio. USD verpflichtete.

4. Die schwarze Kasse der Regionalgesellschaft (im Folgenden: RG) An. wurde mittels von der zentralen Finanzabteilung der Siemens AG ausgestellter Verrechnungsschecks befüllt. Hierzu führte die zentrale Finanzabteilung neben den offiziellen Verrechnungskonten für die LGs auch noch inoffizielle Konten, die in der Bilanz der LGs jeweils nicht erschienen, jedoch auf Seiten der Siemens AG ordnungsgemäß gebucht wurden. Verfügungsberechtigt über die Konten der schwarzen Kasse war jeweils der Regionalleiter der RG An. und eine zweite Person aus dem kaufmännischen Bereich, in der Regel der Chief Financial Officer der LG Kolumbien. Diese führten die Konten der schwarzen Kasse nach eigenem Gutdünken ohne irgendeine Kontrolle. Von 1991 bis 1996 verwaltete der Angeklagte diese schwarze Kasse als Regionalleiter und war daher auch mit ihrer Befüllung über die inoffiziellen Verrechnungskonten der Siemens AG vertraut. Bei seinem Ausscheiden 1996 belief sich das Guthaben der schwarzen Kasse auf mindestens 35 Mio. USD. Sie wurde von seinen Nachfolgern T., Ko. und Co. in gleicher Weise fortgeführt. Noch Ende 2004 rief der damalige Regionalleiter Co. - durch eine Bilanzbeschwerde betreffend die inoffiziellen Verrechnungskonten, die sog. Bilanzbeschwerde „Lombana“, alarmiert - 1,59 Mio. USD von den inoffiziellen Verrechnungskonten bei der zentralen Finanzbuchhaltung ab und führte diese mittels Verrechnungsschecks der schwarzen Kasse zu. Erst Ende 2006 offenbarte Ko. gegenüber dem Ombudsmann der Siemens AG die schwarzen Kassen, so dass diese schließlich 2008 aufgelöst und die verbliebenen Gelder in Höhe von 23,9 Mio. USD an die Siemens AG zurückgeführt wurden. Bereits seit der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung von 1998 und vor allem durch die Listung der Siemensaktie an der New York Stock Exchange im März 2001 hatte eine tiefgreifende Umstrukturierung der Buchführung und Bilanzierung bei der Siemens AG stattgefunden. Es wurde - unterstützt durch den Aufbau einer entsprechenden Compliance-Abteilung - vermehrt darauf geachtet, dass keine schwarzen Kassen mehr existierten.

III.

Das Landgericht hat den Angeklagten, der die Tatvorwürfe im Ermittlungsverfahren bestritten hatte, sich in der Hauptverhandlung aber nicht zur Sache eingelassen hat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

1. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte mit den Zeugen Tr. und Ste. über die Leistung von Schmiergeldzahlungen gesprochen und den Zeugen Tr. mit der Klärung der offenen DNI-Forderungen betraut hatte. Zwar habe der Zeuge Tr. laut Aussage der Ermittlungsbeamtin B. in der Beschuldigtenvernehmung vom 11. November 2010 angegeben, dass der Angeklagte immer über das Vorgehen von ihm und Ste. Bescheid gewusst, ihn sogar angewiesen hätte, die Forderungen zu begleichen, und ihn an G. verwiesen hätte.

a) Das Landgericht hielt die Angaben des Zeugen für zum Teil in sich widersprüchlich. So habe Tr. z.B. in seiner Beschuldigtenvernehmung behauptet, dass er keinen richtigen Überblick über die die Zahlungen betreffenden Verträge gehabt habe, es vielmehr nur seine Aufgabe gewesen sei, den Betrag herunterzuhandeln. In seinen Zeugenerklärungen im Mf. -Schiedsverfahren habe Tr. dagegen angegeben, dass er die auf Siemens-Seite am besten informierte Person gewesen sei. Auch widersprächen die Angaben des Tr. teilweise denen der anderen Zeugen. Während Tr. den Zeugen Bu. als aktiven Part und offen für „nützliche Aufwendungen“ geschildert habe, habe Bu. in seiner Zeugenaussage in der Hauptverhandlung angegeben, dass Tr., Ste. und Bo. zwar mehrfach an ihn wegen Schmiergeldforderungen herangetreten seien, er derartige Zahlungen jedoch strikt abgelehnt habe. Da sich das Landgericht in der Hauptverhandlung keinen eigenen Eindruck von den Zeugen Tr., Ste. und Bo. habe machen können, hätten diese Widersprüche nicht aufgeklärt werden können. Dies habe auch nicht mit Hilfe der Zeugin B. gelingen können, die die Beschuldigtenvernehmung des Tr. am 11. November 2010 geführt, jedoch die besagten Widersprüche nicht thematisiert, sondern vielmehr nur eine Bestätigung des „Tatbeteiligungsberichts des Bayerischen LKA“ vom 31. August 2009 gesucht habe. Unklar sei ferner Tr. s Motivation für seine widersprüchlichen Aussagen. Der Zeuge Dr. Sc. habe diesbezüglich eigene Bereicherungsabsichten des Tr. vermutet.

Da auch das Aussageverhalten des Zeugen Ste. in seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 25. Juni 2008, 19. August 2008 und 19. Januar 2009 laut der Vernehmungsbeamtin RiLG Stef. in sich widersprüchlich und nicht konstant gewesen sei, so dass er insbesondere viele Punkte aus dem Gesprächs-Vermerk der Zeugin Am. aus dem Mf. -Schiedsverfahren als unzutreffend dargestellt habe, habe auch dieses hierzu keinen Erkenntnisgewinn geliefert. Letztlich habe das Landgericht nicht einmal feststellen können, ob die 18 Mio. USD an die Projektgruppe um S. sowie das argentinische Innenministerium tatsächlich gezahlt worden seien.

Auch die von Tr. im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung übergebene Dokumenten-Sammlung habe keinen Aufschluss bieten können, da für das Landgericht nicht feststellbar gewesen sei, ob es den darin enthaltenen E-Mail-Wechsel mit dem Angeklagten überhaupt gegeben habe oder ob die Dokumente vielmehr Ergebnis einer Manipulation gewesen seien. Diese hätten nämlich einige Auffälligkeiten wie z.B. Querstriche oder dem Landgericht nicht erklärliche Zeitangaben aufgewiesen. Einen Hilfsbeweisantrag der Staatsanwaltschaft auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der E-Mail-Verkehr nicht nachträglich erstellt wurde, und Schreibfehler bei der Datumsangabe im E-Mail-Header vom 18. März 2005 auf softwarebedingter fehlerhafter Umsetzung des Umlautes „ä“ beruhen, lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass ein Sachverständigengutachten hier ungeeignet sei, da es bei den von Tr. vorgelegten Blättern an entsprechenden Anknüpfungstatsachen gefehlt habe. Ferner wäre die Kammer selbst ohne Schreibfehler, Querstriche und Datumsangaben aufgrund der ungeklärten Hintergründe der Schriftstücke nicht davon ausgegangen, dass die E-Mails authentisch sind.

b) Dem Landgericht war es aus seiner Sicht außerdem nicht möglich, Einzelheiten zu den S. -Forderungen, insbesondere inwieweit diese einen korruptiven Hintergrund hatten und inwieweit sie berechtigt waren, aufzuklären. Weder aus den Zeugenaussagen noch aus den sonstigen Beweismitteln ließe sich entnehmen, wie hoch der Entschädigungsanspruch der Ma. gewesen sei und wie hoch die Schmiergeldforderungen.

c) Ferner habe nicht festgestellt werden können, dass der Angeklagte den Zeugen G. im Jahr 2003 zweimal kontaktiert und angewiesen habe, für SBS Zahlungen aus einer von M. für PTD verwalteten schwarzen Kasse nach Argentinien zu leisten und die schwarze Kasse dann wiederum mit Mitteln von PTD erneut zu befüllen. Der Zeuge G. habe in der Hauptverhandlung bereits nicht bestätigt, dass der Angeklagte ihn diesbezüglich zweimal angesprochen habe. Vielmehr habe der Angeklagte ihn nur einmal im Frühjahr 2003 um Hilfe gebeten, wobei die Bitte nicht auf eine Zahlung aus einer schwarzen Kasse gerichtet gewesen sei. Der Angeklagte habe ihn auch nicht veranlasst, Gelder von PTD in eine schwarze Kasse auszuleiten. G. habe gar nicht gewusst, dass M. eine schwarze Kasse für PTD verwaltete, sondern sei davon ausgegangen, dass M. aufgrund seiner legalen Firmen in Dubai helfen könne. Diese Angaben hätten der Aussage widersprochen, die M. in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 11. Juni 2008 gemacht habe. Hier habe M. laut der Vernehmungsbeamtin B. vor allem angegeben, dass es zwei Zahlungsanfragen von G. gegeben habe. Diese und andere Widersprüche seien jedoch im Ermittlungsverfahren nicht thematisiert worden und hätten, da Tr. und M. nicht zur Hauptverhandlung erschienen seien, auch vom Gericht nicht aufgeklärt werden können. Da auch die Zeugen St., May., Al. und E. nur angegeben hätten, dass sie zu dem Angeklagten bezüglich der Geldausleitungen bei PTD nie Kontakt gehabt hätten, war eine - wie von der Staatsanwaltschaft behauptete - Involvierung des Angeklagten in diese Vorgänge für das Landgericht nicht feststellbar. Vielmehr läge es laut dem Landgericht nahe, dass G. sich bei den M. -Zahlungen nur „die Autorität des Angeklagten geliehen“ habe (UA S. 287).

d) Mangels entsprechender Unterlagen konnte sich das Landgericht noch nicht einmal davon überzeugen, dass es überhaupt Zahlungen in Höhe von insgesamt 9,5 Mio. USD an die Firmen des M., Ch. Ltd. bzw. R. Ltd., gab. Auch diesbezüglich seien die Widersprüche in den Zeugenaussagen nicht aufklärbar, da sich das Gericht weder von M. noch von Tr. ein eigenes Bild in der Hauptverhandlung habe machen können.

e) Für eine verbindliche Zahlungsanweisung des Angeklagten zur Zahlung von 4,7 Mio. USD seitens SBS zu einem Zeitpunkt, als das DNI-Projekt bereits gescheitert war, konnte das Landgericht bereits kein Motiv des nicht für die SBS zuständigen Angeklagten erkennen. Die Zeugen Re., Met. und But. hätten die Involvierung des Angeklagten in die Zahlung ausgeschlossen.

2. Von der Kenntnis des Angeklagten vom Fortbestand der schwarzen Kasse konnte sich das Landgericht ebenfalls nicht überzeugen.

a) Es habe bereits keine Feststellungen dazu treffen können, dass es tatsächlich mehrfach „Hilferufe“ des Zeugen Co. beim Angeklagten nach Übernahme der schwarzen Kasse hinsichtlich der Rückführung des Guthabens gegeben habe. Die Angaben des Zeugen Co. in der Hauptverhandlung hätten bezüglich der Anzahl der Gespräche mit dem Angeklagten, in denen Co. diesen um Hilfe gebeten haben will, geschwankt. Das Landgericht hielt die Aussage des Zeugen Co. nicht für glaubhaft. Insbesondere habe der Zeuge für das Landgericht nicht plausibel darlegen können, warum er sich nicht direkt nach Übernahme der schwarzen Kasse um deren Rückführung bemüht habe. Zu diesem Zeitpunkt hätte ihm kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden können. Ferner spreche die Tatsache, dass Co. im Zusammenhang mit der Bilanzbeschwerde „Lombana“ die schwarze Kasse erneut mit 1,59 Mio. USD befüllt habe, gerade nicht für die Absicht, diese aufzulösen. Die Angaben Co. s seien schließlich auch nicht durch sonstige Beweismittel gestützt worden. Insbesondere der Zeuge Pr. habe keine eigene Wahrnehmung bezüglich der angeblichen Gespräche des Co. s mit dem Angeklagten gehabt, sondern habe von diesen nur vom Hörensagen über Co. gewusst.

b) Das Landgericht konnte auch nicht feststellen, dass der Angeklagte anderweitig Kenntnis von der schwarzen Kasse der RG An. im anklagegegenständlichen Zeitraum erlangt hat. Zwar habe er diese von 1991 bis 1996 als Regionalleiter der RG An. selber geführt, doch hätten für das Landgericht keine Anhaltspunkte dahingehend bestanden, dass der Angeklagte im Anklagezeitraum von deren Fortbestehen wusste. Vielmehr habe es in der Zwischenzeit zwei Zäsuren in Form der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung 1998 und des Börsengangs der Siemens AG 2001 gegeben, aufgrund derer die Compliance-Struktur bei Siemens enorm ausgebaut worden sei, so dass der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts keine Indizien für den Fortbestand der schwarzen Kasse gehabt habe.

IV.

Die Revision gegen den Freispruch hinsichtlich der Untreue durch Unterlassen bezüglich der schwarzen Kasse (Ziffer III. der Anklage) hat bereits auf die Sachrüge hin Erfolg, denn die Beweiswürdigung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies führt zu einer Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht und zu einer erneuten umfassenden Sachprüfung in diesem Punkt.

1. Der Aufhebung des Freispruchs und der Zurückverweisung der Sache insoweit steht ein zur Verfahrenseinstellung führendes Verfahrenshindernis nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung liegt kein durch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit in Kombination mit einer Verletzung des Akteneinsichtsrechts und einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Verfahrens begründetes Verfahrenshindernis vor.

Ein Verfahrenshindernis wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (vgl. BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - 3 StR 104/87, BGHSt 35, 137, 140; vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f. mit zahlr. w.N. und vom 11. August 2016 - 1 StR 196/16 Rn. 6; siehe auch Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl., Einl. Rn. 353 und Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Einl. K. Rn. 37 mwN). Bei bloßen Verfahrensfehlern wird dies in der Regel nicht der Fall sein. Der Gesetzgeber sieht selbst bei einem Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO keinen Anlass, ein Verfahrenshindernis anzunehmen, sondern legt in § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO nur ein (nicht disponibles) Verwertungsverbot fest (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159). Für den Fall der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zuletzt unter sehr hohen Anforderungen und unter Berufung darauf, dass dies bei der „schonenden Einpassung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in das nationale Rechtssystem“ erforderlich sei, ein Verfahrenshindernis bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 - 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276; vgl. aber auch Senat, Beschluss vom 19. Mai 2015 - 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238). Diese Entscheidung kann jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Verfahrensfehler übertragen werden. Ein durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in außergewöhnlichen Einzelfällen, in denen eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen der Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, zu einem Verfahrenshindernis führen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 171; vgl. auch Meyer-Goßner, Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse, 2011, S. 5 ff.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier offensichtlich nicht vor. Selbst die Kombination einer Verfahrensverzögerung mit einer fehlerhaften Aktenführung seitens der Staatsanwaltschaft wiegt nicht derart schwer, dass sich eine Entscheidung in der Sache verbietet. Der Senat kann offen lassen, ob das Hinzutreten von Fehlern in der Aktenführung bei gravierenden Verfahrensverzögerungen ein Verfahrenshindernis entstehen lassen könnte. Bei der hier gegebenen Sachlage lässt sich die Verzögerung des Verfahrens, die nicht einmal in der Nähe eines Verfahrenshindernisses angesiedelt werden kann, unter Beachtung der Regelungen der §§ 199, 198 GVG (vgl. hierzu Graf in BeckOK-StPO, Ed. 26, § 199 GVG Rn. 8 ff.) ausreichend kompensieren. Die unzureichende Aktenführung kann ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen der Beweiswürdigung Belang gewinnen kann.

2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich jedoch als rechtsfehlerhaft. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung gelten folgende Maßstäbe:

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dem Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 - 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - 1 StR 94/16 mwN). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Beweiswürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314 mwN). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238). Der Tatrichter darf zudem keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 StR 607/15). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN).

3. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil bezüglich des Tatvorwurfs der Untreue durch Unterlassen nicht gerecht. Das Landgericht hat insoweit überspannte Anforderungen an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit hinsichtlich des auf die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens und des daraus resultierenden Vermögensnachteils bezogenen Vorsatzes des Angeklagten gestellt.

Angesichts der Feststellungen des Landgerichts, dass der Angeklagte die schwarze Kasse der RG An. von 1991 bis 1996 selbst führte und auch das bei der zentralen Buchhaltung von Siemens etablierte System der inoffiziellen Verrechnungskonten zur Abverfügung von Geldern in schwarze Kassen kannte und durch die Bilanzbeschwerde „Lombana“ einen Hinweis auf den Fortbestand der inoffiziellen Verrechnungskonten und damit auf den Fortbestand der schwarzen Kasse erhalten hatte, hat das Landgericht nicht tragfähig begründet, warum die Kenntnis des Angeklagten von der schwarzen Kasse nachträglich entfallen sein soll. Insbesondere hatte die Einrichtung von Compliance-Strukturen bei der Siemens AG keinen direkten Bezug zu der schwarzen Kasse der Landesgesellschaften der Region An. Diese Erwägung des Landgerichts bleibt hypothetisch und zeigt lediglich eine abstrakte Möglichkeit auf, die den Angeklagten zu der Annahme einer Rückführung der schwarzen Kasse veranlasst haben könnte. Es liegt nach den Feststellungen des Landgerichts bezüglich der juristischen Selbstständigkeit der Landesgesellschaften nicht ohne Weiteres nahe, dass sich entsprechende Maßnahmen bei der Siemens AG auch automatisch bei den Landesgesellschaften auswirkten. Allein mit der allgemeinen Erwägung der Einführung eines Compliance-Systems konnte vor diesem Hintergrund der Vorsatz des Angeklagten durch das Landgericht nicht tragfähig verneint werden.

4. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Untreue durch Unterlassen kann hier auch nicht von vorneherein aus Rechtsgründen ausgeschlossen werden. Denn die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der Siemens AG ergibt sich spätestens seit 1. Oktober 2000 aus seiner Stellung als Mitglied des Zentralvorstands. Zwar stellt nicht jedes Unterhalten einer schwarzen Kasse bzw. deren mangelnde Auflösung eine Untreue im Sinne des § 266 StGB dar, sondern nur, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einem Vermögensnachteil der Treugeberin kommt (vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100 und vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323). Zur Klärung, ob im vorliegenden Fall ein Vermögensnachteil der Siemens AG eingetreten ist, wird die neue Wirtschaftsstrafkammer in den Blick zu nehmen haben, ob die Siemens AG direkten Zugriff auf die Gelder der schwarzen Kasse hatte. Andernfalls wird der neue Tatrichter - gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen oder im Wege der Schätzung - bestimmen müssen, inwieweit eine Wertminderung der Anteile an den Tochtergesellschaften durch die mangelnde Rückführung der schwarzen Kasse eingetreten ist.

Einer Verurteilung wegen Untreue durch Unterlassen zum Nachteil der Siemens AG im Zeitraum Oktober 2000 bis zum Ausscheiden des Angeklagten im Dezember 2007 stünde dabei nicht entgegen, dass das Unterlassen in der Anklageschrift nur den Zeitraum ab Frühjahr 2004 erfasste und als Untreue zum Nachteil der Landesgesellschaften gewertet wurde. Hierbei handelt es sich um dieselbe prozessuale Tat im Sinne von § 264 StPO, denn darunter fallen alle mit dem in der Anklage enthaltenen Lebensvorgang zusammenhängenden und darauf bezogenen Vorkommnisse, auch wenn sie nicht explizit in der Anklage Erwähnung finden. Ein zeitliches Zusammentreffen der einzelnen Handlungen ist weder erforderlich noch ausreichend (BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 542/11, NStZ-RR 2012, 355). Dies gilt insbesondere beim Unterlassen, bei dem daher auf den sachlichen Zusammenhang abzustellen ist (BGH, Urteil vom 1. September 1994 - 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46). Ein derartiger Zusammenhang liegt hier vor. Ausdrücklich angeklagt war das Verschweigen der schwarzen Kasse der RG An. ab Frühjahr 2004 zum Nachteil der Landesgesellschaften. Jedoch ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, dass der Angeklagte bereits seit 2000 Mitglied des Zentralvorstands war und ihn daher bereits spätestens seit diesem Zeitpunkt eine entsprechende Aufklärungspflicht gegenüber der Siemens AG traf. Zäsuren, die diese Pflicht zwischenzeitlich entfallen ließen, sind nicht ersichtlich. Die unterlassene Rückführung einer schwarzen Kasse stellt ein Dauerdelikt dar, das grundsätzlich erst mit Auflösung der schwarzen Kasse (BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 339) oder - im hiesigen Fall mit Ausscheiden des Angeklagten aus der Siemens AG im Dezember 2007 - beendet ist.

V.

Der Freispruch bezüglich der Untreuevorwürfe im Zusammenhang mit den Schmiergeldzahlungen (Ziffern II.2. a-c der Anklage) hat dagegen Bestand.

1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Der von der Revision beanstandete Verstoß der fehlerhaften Ablehnung des Hilfsbeweisantrags liegt nicht vor. Die Staatsanwaltschaft hat in der Hauptverhandlung einen Hilfsbeweisantrag dahingehend gestellt, dass, falls das Gericht nicht ohnehin zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der vom Zeugen Tr. vorgelegte E-Mail-Verkehr authentisch ist und nicht erst nachträglich erstellt wurde, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt werde. Dies sollte dem Nachweis dienen, dass der E-Mail-Verkehr des Zeugen Tr. nicht nachträglich erstellt wurde und dass ein Schreibfehler in der Datumsangabe des Headers der E-Mail des Zeugen Tr. vom 18. März 2005 auf einer softwarebedingten fehlerhaften Umsetzung des Umlautes „ä“ beruhte. Das Landgericht hat den Antrag rechtsfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei vorliegend ungeeignet, da es an Anknüpfungstatsachen, die eine sachverständige Begutachtung ermöglichen, fehle, weil lediglich die vom Zeugen Tr. übergebenen Blätter vorlägen. Allein aus diesen Dokumenten könne auch ein Sachverständiger nicht die unter Beweis gestellten Rückschlüsse ziehen. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei dem Schreibfehler im Header um eine softwarebedingte fehlerhafte Umsetzung handelte, habe es ferner an den Anknüpfungstatsachen, nämlich welche Software und welche Rechner verwendet worden seien, gefehlt.

b) Die Aufklärungsrüge, dass eine Beiziehung und Inaugenscheinnahme der vom Zeugen Tr. übergebenen Dokumente im Original hätte stattfinden müssen, dringt ebenfalls nicht durch. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Landgericht betonte, dass es aus dem Schreibfehler keinerlei Rückschlüsse auf die Authentizität des vom Zeugen Tr. vorgelegten E-Mail-Verkehrs ziehe und, selbst wenn die Dokumente keinerlei Schreibfehler oder Auffälligkeiten enthalten hätten, aufgrund der ungeklärten Hintergründe dieser Schriftstücke oder Kopien nicht davon ausgegangen wäre, dass die E-Mails authentisch und nicht nachträglich erstellt sind, ergibt sich, dass es sich dem Landgericht nicht aufdrängen musste, diese Dokumente in Augenschein zu nehmen.

c) Auch die Aufklärungsrüge, mit der die Revision die mangelnde Vernehmung der Zeugin Th. zu übergebenen E-Mail-Ausdrucken beanstandet, greift nicht durch.

Diese Rüge ist bereits unzulässig, da der Inhalt der betreffenden E-Mails nicht in der Revisionsbegründung selber wiedergegeben ist, sondern insoweit auf ein - nicht paginiertes - Anlagenkonvolut Bezug genommen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2010 - 2 StR 42/10 und vom 24. Juni 2008 - 3 StR 515/07; Cirener, NStZ-RR 2011, 134).

2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt bezüglich dieser Tatvorwürfe ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.

a) Soweit der Generalbundesanwalt beanstandet, dass in der mangelnden Einvernahme der Zeugin Th. eine lückenhafte Beweiswürdigung zu sehen sei, bleibt dies erfolglos. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Erhalt einer beruflichen E-Mail vor über zehn Jahren für die damalige Assistentin des Angeklagten um einen Routinevorgang handelte, drängte sich eine nähere Erörterung eines möglichen Wissens der Zeugin Th. nicht auf. Fehler der Beweiswürdigung können sich grundsätzlich nur hinsichtlich erhobener Beweismittel ergeben. Die mangelnde Einvernahme der Zeugin Th. hätte daher nur aufgrund einer (hier aber nicht zulässig erhobenen) Aufklärungsrüge Berücksichtigung finden können. Die sachlich-rechtliche Beanstandung hat keinen Einfluss auf die fehlende Zulässigkeit der Aufklärungsrüge.

b) Auch bedurfte es keiner alle Tatkomplexe umspannenden Gesamtabwägung, da bezüglich der übrigen Tatvorwürfe der Untreue kein relevanter Zusammenhang mit der schwarzen Kasse im Fall III. gegeben ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 51

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede