HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 724
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 92/14, Urteil v. 25.06.2014, HRRS 2014 Nr. 724
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 6. November 2013 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Landshut zurückverwiesen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 13. März 2012 wegen tateinheitlich begangener Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung unter Einbeziehung anderweitig rechtskräftig gewordener Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hatte es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Während die gegen den Schuldspruch gerichtete Revision des Angeklagten vom Senat verworfen worden ist, ist auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil aufgehoben worden, soweit der Angeklagte freigesprochen worden war. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten hinsichtlich des noch nicht rechtskräftigen Teils erneut aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (vgl. zur richtigen Tenorierung BGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 - 2 StR 526/13). Gegen diesen Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die sie auf eine Aufklärungsrüge und die Sachrüge stützt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem umfangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte, um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für 10.000 € von dem ihm als Scharfschützen bekannten K. ausführen zu lassen. Rechtsanwalt B., dem damaligen Verteidiger des Angeklagten, soll am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am 20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechtsanwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des D. weiterzuleiten und soll am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt haben, indem er festhielt: "K. soll für 10.000,00 den D. verramma, er erledigt die Geschichte". Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
2. Das Landgericht hat hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Im August 2009 äußerte der Angeklagte in einem Telefonat gegenüber dem in dem Betrugsverfahren Mitbeschuldigten S., dass D. "auspacke" und nun große Schwierigkeiten auf sie zukämen. Rechtsanwalt B. fertigte am 21. April 2010, nach einer Besprechung mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt, einen Aktenvermerk, in dem es heißt: "K. soll für 10.000,00 den D. verramma, er erledigt die Geschichte". Diesen Vermerk leitete Rechtsanwalt B. am 22. April 2010 an die Ehefrau des Angeklagten weiter. In den Schreiben Rechtsanwalt B. s an den Angeklagten vom 3. Mai 2010 ist ausgeführt: "D. wird etwas mehr als nur die Fresse poliert bei passender Gelegenheit, so diese Seite" und "mit K. ist noch nicht gesprochen worden, brauchts im Moment wohl auch nicht". Sieben Tage später schrieb B. an den Angeklagten: "Tatsache ist, dass D. sich zum Kronzeugen aufbaut." K. erfuhr nichts von dem Mordauftrag.
3. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht ausgeführt, es fehle bereits am Nachweis des "objektiven Sachverhalts" zum Gespräch zwischen B. und dem Angeklagten am 21. April 2010. Hierzu wisse die Strafkammer lediglich, dass B. bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung ausgesagt habe, das Wort "verramma", welches verräumen, beiseite schaffen, verstecken, wegräumen bedeute, sei vom Angeklagten gekommen. Damit stehe aber nur fest, was der Angeklagte nach B. s Meinung gesagt habe. Dies sei nicht ausreichend. Auch die subjektive Tatseite sei nicht nachgewiesen. So lasse der Aktenvermerk keine ausdrücklichen Handlungsanweisungen erkennen. Zwar habe der Angeklagte irgendwann einmal gegenüber S. geäußert, er bringe jeden um, der gegen ihn auspacke, hingegen in dem Telefonat mit S. aus August 2009 nichts Entsprechendes geäußert.
Das freisprechende Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht mehr bedarf.
Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 und vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11). Nach diesem Maßstab erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft, da sie lückenhaft ist und eine umfassende Gesamtwürdigung der gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vermissen lässt.
Die Feststellung des Landgerichts, es könne sich zum Ablauf des Gesprächs zwischen B. und dem Angeklagten nur auf die späteren Angaben B. s stützen, die für eine Überzeugungsbildung zum Ablauf des Gesprächs nicht ausreichend seien, lässt mehrere Aspekte unerörtert. So wäre zunächst in den Blick zu nehmen gewesen, dass der Angeklagte sich zum Gebrauch des Wortes "verramma" eingelassen hat. Ausweislich der Urteilsgründe hat er hierzu einerseits angegeben, damit Gegenstände gemeint zu haben, die dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen werden sollten, andererseits keine Erinnerung daran zu haben, dieses Wort verwendet zu haben. Eine Würdigung dieses Aussageverhaltens und eine Auseinandersetzung damit zur Ermittlung des Inhalts des fraglichen Gesprächs - auch unter Berücksichtigung des Inhalts und der Entstehungsweise des Vermerks von B. - lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Zum anderen findet der Umstand, dass B. den Aktenvermerk nach den Feststellungen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch mit dem Angeklagten fertigte und alsbald dessen Ehefrau zuleitete, keine Berücksichtigung in der Beweiswürdigung der Strafkammer zum Ablauf des Gesprächs. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Anders als die Angaben B. s in seiner Beschuldigtenvernehmung, auf die sich die Strafkammer im Hinblick auf mögliche Entlastungstendenzen B. s für seine eigene Person nicht allein stützen wollte, erfolgte dieser Vermerk nicht erkennbar für die Strafverfolgungsbehörden. Die Art und der Zweck seiner Abfassung - auch wenn es sich dabei nur um eine Zusammenfassung durch B. handelte - wäre damit ein tauglicher Anknüpfungspunkt für Rückschlüsse auf den Inhalt des Gesprächs und der dabei verfolgten Intention des Angeklagten. Dabei wäre auch der Zusammenhang des Wortes "verramma" mit "10.000,00" und der Bezug auf D. - und nicht etwa auf Gegenstände - einzubeziehen gewesen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei einer diese Aspekte miteinbeziehenden Gesamtwürdigung zu einem anderen Schluss hinsichtlich des Inhalts des Gesprächs zwischen B. und dem Angeklagten am 21. April 2010 insbesondere bezüglich eines entsprechenden Vorsatzes des Angeklagten gekommen wäre.
Da die bisher - ohnehin mit Rechtsfehlern - getroffenen Feststellungen auch nicht ausreichen, um tragfähig einen wirksamen Rücktritt vom Versuch der Anstiftung anzunehmen, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache bedarf insoweit erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an ein anderes Gericht zurückverwiesen.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 724
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel