HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 978
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 212/12, Beschluss v. 25.09.2012, HRRS 2012 Nr. 978
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28. Dezember 2011 im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten "der falschen Angaben in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott in Tatmehrheit mit 14 sachlich zusammentreffenden Fällen des Betruges in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis" schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Es wurde festgestellt, dass hinsichtlich eines Betrages von 67.830 € nur deshalb nicht auf Verfall des Wertersatzes erkannt worden ist, weil Ansprüche von Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer solchen Anordnung entgegenstehen. Weiter wurde die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge hinsichtlich des gesamten Strafausspruchs Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt näher dargelegten Gründen bereits unzulässig.
2. Der Schuldspruch, der bis auf die Verurteilung wegen falscher Angaben ohnehin bereits rechtskräftig geworden war (vgl. nachfolgend III.), weist keinen Rechtsfehler auf. Die jetzige Verurteilung (nach Beschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO) auch wegen falscher Angaben (§§ 6, 8, 82 GmbHG) lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Der Strafausspruch hält jedoch sachlich - rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 22. Dezember 2010 wegen "falscher Angaben in Tateinheit mit falschen Angaben in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott in Tatmehrheit mit gewerbsmäßigem Betrug in 14 sachlich zusammentreffenden Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis" zu fünf Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Es hat ferner hinsichtlich eines Betrages von 67.380 € festgestellt, dass nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werde, weil Ansprüche des Verletzten entgegenstehen, und es hat die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 20. Oktober 2011 (1 StR 354/11) gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2010 mit den Feststellungen aufgehoben a) soweit der Angeklagte wegen "falscher Angaben in Tateinheit mit falschen Angaben" verurteilt wurde und b) im Ausspruch über die Einzelstrafen sowie im Gesamtstrafenausspruch.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Zutreffend ist das Landgericht im jetzt angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass durch die Senatsentscheidung der Schuldspruch - bis auf die Verurteilung wegen falscher Angaben (in Tateinheit mit falschen Angaben) - genauso rechtskräftig geworden ist wie der Feststellungsausspruch und die Anordnung nach §§ 69, 69a StGB.
2. Der ergänzte Schuldspruch im jetzigen Urteil ist rechtsfehlerfrei (vgl. oben II. 2.). Der Strafausspruch leidet jedoch an durchgreifenden Rechtsfehlern. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft sowohl davon abgesehen, notwendige eigene Feststellungen zu treffen als auch unzulässiger Weise auf aufgehobene - und damit nicht mehr existente - Strafzumessungserwägungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat in seinem Urteil zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen "hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten" (u.a. Vorstrafen) auf Blatt 18-24 des Urteils vom 22. Dezember 2010 Bezug genommen und mitgeteilt, dass sich keine von dessen Feststellungen abweichenden bzw. ergänzenden Erkenntnisse ergeben haben (UA S. 5).
Im Rahmen der Strafzumessung wird ausgeführt, dass bei den Fällen des Betruges vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB auszugehen sei. Zur Begründung wird angeführt: "Da hinsichtlich der entsprechenden Einordnung ... im Urteil vom 22.12.2010 im Revisionsverfahren keine Rechtsfehler festgestellt worden sind, wird auch insoweit auf die entsprechenden Ausführungen unter Ziffer E (Blatt 176) des vorbezeichneten Urteils Bezug genommen. Dies gilt gleichermaßen für die Strafrahmen für die Vergehen der falschen Angaben, des Bankrotts und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis" (UA S. 8).
3. § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt eine in sich geschlossene Darstellung der vom Gericht zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen. Bezugnahmen auf außerhalb der Urteilsgründe befindliche Aktenteile sind nur ausnahmsweise zulässig (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 StPO). Auf mit dem früheren Urteil aufgehobene, also nicht mehr existente Feststellungen, verbietet sich eine Bezugnahme von selbst. Auch die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten im aufgehobenen ersten Urteil müssen vom neuen Tatrichter neu getroffen werden. Eine Bezugnahme wird auch nicht dadurch zulässig, dass sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt (vgl. im Einzelnen KK - StPO Engelhardt 6. Aufl., Rn. 4 zu § 267 mwN).
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2011 (1 StR 354/11) ausdrücklich das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Einzelstrafen sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben (vgl. zur Tenorierung bei Aufhebung von Feststellungen durch das Revisionsgericht BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07).
Danach waren die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten aufgehoben und der neue Tatrichter durfte hierauf nicht Bezug nehmen.
Aber auch die Strafzumessungserwägungen des ersten Tatrichters waren vollumfänglich aufgehoben und es durfte auf sie nicht, auch nicht - wie hier - bei der Strafrahmenwahl, Bezug genommen werden. Nicht mehr existente Strafzumessungserwägungen können nicht Gegenstand einer Bezugnahme sein (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - 3 StR 431/10; BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 - 4 StR 130/09; BGH, Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 149/04).
Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil keine eigenen, mit einer eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten getroffen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 156/12) und keine eigenen Strafzumessungserwägungen bei der Strafrahmenwahl angestellt. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafenausspruchs; denn bereits das Fehlen eigener entscheidungserheblicher Feststellungen des Tatrichters ist ein sachlich -rechtlicher Mangel, der auf die Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH aaO). Dies gilt aber auch soweit in unzulässiger Weise auf aufgehobene Strafzumessungserwägungen Bezug genommen wurde. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass auf diesen Rechtsfehlern der gesamte Strafausspruch beruht.
4. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 = BGHSt 54, 135).
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 978
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2013, 22
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel