HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 262
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: EuGH, C-440/05, Urteil v. 23.10.2007, HRRS 2008 Nr. 262
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, den Rahmenbeschluss 2005/667/JI des Rates vom 12. Juli 2005 zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe (ABl. L 255, S. 164) für nichtig zu erklären.
Am 12. Juli 2005 erließ der Rat der Europäischen Union auf Initiative der Kommission den Rahmenbeschluss 2005/667.
Gestützt auf Titel VI des EU-Vertrags, insbesondere auf die Art. 31 Abs. 1 Buchst. e EU und 34 Abs. 2 Buchst. b EU, ist der Rahmenbeschluss 2005/667, wie sich aus seinen ersten fünf Erwägungsgründen ergibt, ein Instrument der Europäischen Union zur Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich des Strafrechts, durch das die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, zur Bekämpfung der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verschmutzung durch Schiffe einheitliche strafrechtliche Sanktionen vorzusehen.
Der Rahmenbeschluss 2005/667 ergänzt die Richtlinie 2005/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße (ABl. L 255, S. 11), um durch Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten die Sicherheit des Seeverkehrs zu erhöhen.
Der Rahmenbeschluss 2005/667 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten eine Reihe von Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht ergreifen, um das Ziel der Richtlinie 2005/35, die Gewährleistung eines hohen Sicherheits- und Umweltschutzniveaus im Seeverkehr, zu erreichen.
Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2005/667 lautet:
„Für diesen Rahmenbeschluss gelten die Begriffsbestimmungen nach Artikel 2 der Richtlinie 2005/35/EG.“
Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2005/667 sieht vor:
„(1) Vorbehaltlich des Artikels 4 Absatz 2 dieses Rahmenbeschlusses ergreift jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Verstöße im Sinne der Artikel 4 und 5 der Richtlinie 2005/35/EG als Straftat behandelt werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Mitglieder der Mannschaft, soweit die betreffenden Verstöße in Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, in ausschließlichen Wirtschaftszonen oder auf hoher See erfolgen und die Bedingungen nach Anlage I Regel 11 Buchstabe b bzw. nach Anlage II Regel 6 Buchstabe b des [Marpol]-Übereinkommens 73/78 erfüllt sind.“
Art. 3 des Rahmenbeschlusses 2005/667 bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat ergreift im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Beihilfe oder die Anstiftung zu einer Straftat nach Artikel 2 unter Strafe gestellt wird.“
Art. 4 des Rahmenbeschlusses 2005/667 lautet:
„(1) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten nach Artikel 2 oder 3 mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen bedroht sind, die zumindest in schweren Fällen auch Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mindestens einem bis drei Jahren umfassen.
(2) In minder schweren Fällen, in denen die begangene Handlung keine Verschlechterung der Wasserqualität verursacht, kann ein Mitgliedstaat Sanktionen einer anderen Rechtsnatur als die in Absatz 1 vorgesehenen Strafen vorsehen.
(3) Die strafrechtlichen Sanktionen nach Absatz 1 können durch andere Sanktionen oder Maßnahmen ergänzt werden, insbesondere durch Geldsanktionen oder die Aberkennung des Rechts einer natürlichen Person zur Ausübung einer erlaubnis- oder genehmigungspflichtigen Tätigkeit oder zur Gründung, Geschäftsführung oder Leitung einer Gesellschaft oder Stiftung, wenn die Verurteilung auf Umständen beruht, aus denen deutlich hervorgeht, dass die Gefahr besteht, dass der Täter erneut eine gleichartige strafbare Handlung begeht.
(4) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine vorsätzlich begangene Straftat nach Artikel 2 mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf bis zehn Jahren bedroht ist, wenn durch die Tat eine erhebliche und umfangreiche Schädigung der Wasserqualität oder von Tier- und Pflanzenarten oder Teilen davon und der Tod oder eine schwere Verletzung von Personen verursacht wurde.
(5) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine vorsätzlich begangene Straftat nach Artikel 2 mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwei bis fünf Jahren bedroht ist, wenn
a) durch die Tat eine erhebliche und umfangreiche Schädigung der Wasserqualität oder von Tier- oder Pflanzenarten oder Teilen davon verursacht wurde oder
b) die Tat im Rahmen einer kriminellen Vereinigung im Sinne der Gemeinsamen Maßnahme 98/733/JI des Rates vom 21. Dezember 1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union [ABl. L 351, S. 1] begangen wurde, und zwar unabhängig von der Höhe der Strafe, auf die in dieser Gemeinsamen Maßnahme Bezug genommen wird.
(6) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine Straftat nach Artikel 2, sofern sie grob fahrlässig begangen wurde, mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwei bis fünf Jahren bedroht ist, wenn durch die Tat eine erhebliche und umfangreiche Schädigung der Wasserqualität oder von Tier- und Pflanzenarten oder Teilen davon und der Tod oder eine schwere Verletzung von Personen verursacht wurde.
(7) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine Straftat nach Artikel 2, sofern sie grob fahrlässig begangen wurde, mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem bis zu drei Jahren bedroht ist, wenn die Tat eine erhebliche und umfangreiche Schädigung der Wasserqualität oder von Tier- oder Pflanzenarten oder Teilen davon verursacht hat.
(8) In Bezug auf Freiheitsstrafen gilt dieser Artikel unbeschadet des Völkerrechts und insbesondere des Artikels 230 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982.“
Art. 5 des Rahmenbeschlusses 2005/667 bestimmt:
„(1) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person für eine Tat nach Artikel 2 oder 3 verantwortlich gemacht werden kann, die zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die aufgrund
a) einer Befugnis zur Vertretung der juristischen Person oder
b) einer Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder
c) einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person
eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person innehat.
(2) Neben den in Absatz 1 vorgesehenen Fällen trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person verantwortlich gemacht werden kann, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle seitens einer der in Absatz 1 genannten Personen die Begehung einer Tat nach Artikel 2 zugunsten der juristischen Person durch eine ihr unterstellte Person ermöglicht hat.
(3) Die Verantwortlichkeit der juristischen Person nach den Absätzen 1 und 2 schließt die strafrechtliche Verfolgung natürlicher Personen als Täter, Anstifter oder Gehilfen bei einer Straftat nach den Artikeln 2 und 3 nicht aus.“
Art. 6 des Rahmenbeschlusses 2005/667 schreibt vor:
„(1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass gegen eine im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 verantwortliche juristische Person wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt werden können. Die Sanktionen
a) umfassen zumindest in den Fällen, in denen die juristische Person Taten nach Artikel 2 zu verantworten hat, strafrechtliche oder nicht strafrechtliche Geldsanktionen
i) im Höchstmaß von mindestens 150 000 EUR bis 300 000 EUR,
ii) im Höchstmaß von mindestens 750 000 EUR bis 1 500 000 EUR in den schwersten Fällen einschließlich mindestens der vorsätzlich begangenen Taten nach Artikel 4 Absätze 4 und 5;
b) können in allen Fällen andere als Geldsanktionen umfassen, wie beispielsweise
i) den Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen,
ii) das vorübergehende oder ständige Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit,
iii) die richterliche Aufsicht,
iv) die richterlich angeordnete Eröffnung des Liquidationsverfahrens,
v) die Verpflichtung zum Ergreifen spezieller Maßnahmen, um die Folgen der die Verantwortlichkeit der juristischen Person begründenden Tat zu beseitigen.
(2) Zur Durchführung von Absatz 1 Buchstabe a wenden Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, unbeschadet von Absatz 1 Satz 1 den im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Wechselkurs an, der am 12. Juli 2005 gilt.
(3) Ein Mitgliedstaat kann Absatz 1 Buchstabe a in der Weise durchführen, dass die Geldsanktion proportional zum Umsatz der juristischen Person, zum erzielten oder erhofften finanziellen Vorteil aus der Tat oder zu einem anderen Bezugswert ist, aus dem sich die finanzielle Lage der juristischen Person ergibt, soweit sichergestellt ist, dass dabei Geldsanktionen auferlegt werden können, deren Höchstmaß den in Absatz 1 Buchstabe a genannten Mindestbeträgen für das Höchstmaß wenigstens gleichwertig ist.
(4) Ein Mitgliedstaat, der diesen Rahmenbeschluss nach Absatz [3] durchführt, teilt diese Absicht dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission mit.
(5) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass gegen eine im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 verantwortliche juristische Person wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen oder Maßnahmen verhängt werden können.“
Art. 7 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2005/667 bestimmt die objektiven Merkmale der strafbaren Handlungen, für die die Mitgliedstaaten, soweit völkerrechtlich zulässig, ihre Zuständigkeit durch Erlass der erforderlichen Maßnahmen begründen sollen.
Sind mehrere Mitgliedstaaten für eine Tat zuständig, müssen sich die betreffenden Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses 2005/667 darum bemühen, ihr Vorgehen in angemessener Weise zu koordinieren, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen der Verfolgung und der Durchführungsvorschriften der Rechtshilfe. Art. 7 Abs. 5 des Rahmenbeschlusses regelt, welche Anknüpfungspunkte dabei zu berücksichtigen sind.
Art. 8 des Rahmenbeschlusses 2005/667 bestimmt:
„(1) Erhält ein Mitgliedstaat Kenntnis von einer Tat oder der Gefahr der Begehung einer Tat nach Artikel 2, die eine unmittelbare Verschmutzung bewirkt oder zu bewirken droht, so unterrichtet er sofort die anderen Mitgliedstaaten, die diesen Schaden erleiden könnten, sowie die Kommission.
(2) Erhält ein Mitgliedstaat Kenntnis von einer Tat oder der Gefahr der Begehung einer Tat nach Artikel 2, für die ein Mitgliedstaat zuständig sein könnte, so unterrichtet er sofort diesen Mitgliedstaat.
(3) Die Mitgliedstaaten unterrichten den Flaggenstaat oder jeden anderen betroffenen Staat unverzüglich über die Maßnahmen, die sie aufgrund dieses Rahmenbeschlusses, insbesondere des Artikels 7, ergriffen haben.“
Art. 9 des Rahmenbeschlusses 2005/667 lautet:
„(1) Jeder Mitgliedstaat benennt bestehende Kontaktstellen oder richtet im Bedarfsfall neue Kontaktstellen ein, insbesondere für den Informationsaustausch im Sinne des Artikels 8.
(2) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission seine Stelle bzw. seine Stellen mit, die als Kontaktstellen gemäß Absatz 1 dienen. Die Kommission unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten über diese Kontaktstellen.“
Nach Art. 10 des Rahmenbeschlusses 2005/667 deckt sich dessen territorialer Anwendungsbereich mit dem der Richtlinie 2005/35/EG.
Art. 11 des Rahmenbeschlusses 2005/667 sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss bis zum 12. Januar 2007 nachzukommen.
(2) Bis zum 12. Januar 2007 teilen die Mitgliedstaaten dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus diesem Rahmenbeschluss ergebenden Verpflichtungen in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt haben. Anhand dieser Angaben und eines schriftlichen Berichts der Kommission überprüft der Rat bis spätestens 12. Januar 2009, inwieweit die Mitgliedstaaten diesem Rahmenbeschluss nachgekommen sind.
(3) Bis zum 12. Januar 2012 unterbreitet die Kommission dem Rat auf der Grundlage von Informationen der Mitgliedstaaten einen Bericht über die praktische Anwendung der Bestimmungen, mit denen dieser Rahmenbeschluss umgesetzt wird, unterbreitet ihm die ihr geeignet erscheinenden Vorschläge, gegebenenfalls auch solche, in denen vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf Straftaten, die in ihren Hoheitsgewässern oder ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone oder gleichwertigen Zone begangen werden, die unter der Flagge eines anderen Mitgliedstaats fahrenden Schiffe nicht als fremde Schiffe im Sinne des Artikels 230 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 betrachten.“
Gemäß seinem Art. 12 trat der Rahmenbeschluss 2005/667 am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Art. 1 der Richtlinie 2005/35 lautet:
„(1) Ziel dieser Richtlinie ist es, die internationalen Standards für die Meeresverschmutzung durch Schiffe in das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen und sicherzustellen, dass gegen Personen, die für Einleitungen verantwortlich sind, angemessene Sanktionen gemäß Artikel 8 verhängt werden, um die Sicherheit des Seeverkehrs zu erhöhen und den Schutz der Meeresumwelt vor der Verschmutzung durch Schiffe zu verstärken.
(2) Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Maßnahmen gegen die Meeresverschmutzung durch Schiffe im Einklang mit dem Völkerrecht zu ergreifen.“
Art. 2 der Richtlinie 2005/35 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
1. [‚Marpol-Übereinkommen 73/78’ das internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der] Meeresverschmutzung durch Schiffe und dessen Protokoll von 1978 in der jeweils geltenden Fassung;
2. ‚Schadstoffe’ die unter die Anlagen I (Öl) und II (als Massengut beförderte schädliche flüssige Stoffe) des Marpol-Übereinkommens 73/78 fallenden Stoffe;
3. ‚Einleiten’ bzw. ‚Einleitung’ jedes von einem Schiff aus erfolgende Freisetzen unabhängig von seiner Ursache, wie in Artikel 2 des Marpol-Übereinkommens 73/78 bestimmt;
4. ‚Schiff’ ein Seeschiff, ungeachtet seiner Flagge und seiner Art, das in der Meeresumwelt betrieben wird, einschließlich Tragflächenbooten, Luftkissenfahrzeugen, Tauchfahrzeugen und schwimmendem Gerät.“
Art. 3 der Richtlinie 2005/35 lautet:
„(1) Diese Richtlinie gilt im Einklang mit dem Völkerrecht für das Einleiten von Schadstoffen in
a) innere Gewässer, einschließlich Häfen, eines Mitgliedstaats, soweit die Marpol-Bestimmungen anwendbar sind,
b) das Küstenmeer eines Mitgliedstaats,
c) Meerengen, die nach den Bestimmungen von Teil III Abschnitt 2 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 über die Transitdurchfahrt der internationalen Schifffahrt dienen, soweit ein Mitgliedstaat Hoheitsbefugnisse über diese Meerengen ausübt,
d) die im Einklang mit dem Völkerrecht festgelegte ausschließliche Wirtschaftszone oder entsprechende Zone eines Mitgliedstaats und
e) die hohe See.
(2) Diese Richtlinie gilt für das Einleiten von Schadstoffen von allen Schiffen, ungeachtet ihrer Flagge, mit Ausnahme von Kriegsschiffen, Flottenhilfsschiffen oder sonstigen Schiffen, die Eigentum eines Staates sind oder von einem Staat betrieben werden und zum betreffenden Zeitpunkt ausschließlich für nichtgewerbliche staatliche Dienste eingesetzt werden.“
Art. 4 der Richtlinie 2005/35 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass von Schiffen ausgehende Einleitungen von Schadstoffen in einem der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Gebiete als Verstöße betrachtet werden, wenn sie auf Vorsätzlichkeit, Leichtfertigkeit oder grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen sind. Diese Verstöße werden in dem Rahmenbeschluss [2005/667] zur Ergänzung dieser Richtlinie unter den in dem Rahmenbeschluss vorgesehenen Umständen als Straftat betrachtet.“
Art. 8 der Richtlinie 2005/35 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Verstöße im Sinne von Artikel 4 Gegenstand wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen sind, die auch strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Sanktionen umfassen können.
(2) Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Absatz 1 genannten Sanktionen auf alle Personen anwendbar sind, die sich eines Verstoßes im Sinne von Artikel 4 schuldig gemacht haben.“
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Richtlinie 2005/35 und des Rahmenbeschlusses 2005/667 gab die Kommission Erklärungen ab, in denen sie sich von der vom Rat vorgenommenen „Abtrennung“ distanzierte. Die Erklärung zum Rahmenbeschluss 2005/667 lautet:
„Da es wichtig ist, Maßnahmen gegen die Verschmutzung durch Schiffe zu ergreifen, befürwortet die Kommission, dass von Schiffen ausgehende Einleitungen von Schadstoffen unter Strafe gestellt werden und dass im Falle von Verstößen gegen die gemeinschaftlichen Vorschriften über die Verschmutzung durch Schiffe Sanktionen auf nationaler Ebene erlassen werden.
Die Kommission vertritt jedoch die Auffassung, dass der Rahmenbeschluss nicht das geeignete Rechtsinstrument ist, mit dem die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden können, die illegale Einleitung von Schadstoffen in das Meer unter Strafe zu stellen und entsprechende strafrechtliche Sanktionen auf nationaler Ebene einzuführen.
Wie die Kommission vor dem Gerichtshof im Zusammenhang mit dem von ihr angefochtenen Rahmenbeschluss ‚Schutz der Umwelt durch das Strafrecht’ (Rechtssache C-176/03) [Urteil vom 13. September 2005, Kommission/Rat, Slg. 2005, I-7879,] betont hat, ist sie der Ansicht, dass im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Verwirklichung der Ziele nach Artikel 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft die Gemeinschaft dafür zuständig ist, die Mitgliedstaaten aufzufordern, auf nationaler Ebene Sanktionen - gegebenenfalls auch strafrechtlicher Art - einzuführen, wenn sich dies als erforderlich erweist, um ein Gemeinschaftsziel zu erreichen.
Dies gilt in Bezug auf Fragen im Zusammenhang mit der Verschmutzung durch Schiffe; Rechtsgrundlage hierfür ist Artikel 80 Absatz 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
In Erwartung des Urteils in der Rechtssache C-176/03 behält sich die Kommission für den Fall, dass der Rat den Rahmenbeschluss ungeachtet dieser Gemeinschaftszuständigkeit annimmt, alle ihre Rechte nach dem Vertrag vor.“
Da die Kommission der Ansicht ist, dass der Rahmenbeschluss 2005/667 nicht auf der richtigen Rechtsgrundlage erlassen worden sei und daher ein Verstoß gegen Art. 47 EG vorliege, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Der Präsident des Gerichtshofs hat mit Beschluss vom 25. April 2006 das Europäische Parlament als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission und das Königreich Belgien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, Irland, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn, die Republik Malta, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, die Slowakische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.
Mit Beschluss vom 28. September 2006 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Slowenien als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.
Die Kommission trägt vor, dass der Rahmenbeschluss 2005/667 wegen der für seinen Erlass gewählten Rechtsgrundlage gegen Art. 47 EU verstoße und deshalb für nichtig zu erklären sei.
Aus dem bereits angeführten Urteil Kommission/Rat, dessen Bedeutung über den Bereich der Gemeinschaftspolitik des Umweltschutzes hinausgehe, ergebe sich, dass die geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass eines Rechtsakts anhand seines Ziels und Inhalts zu ermitteln sei. Zwar habe der Gerichtshof in diesem Urteil daran erinnert, dass das Strafrecht grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft falle. Er habe jedoch anerkannt, dass die Gemeinschaft eine an eine spezifische Rechtsgrundlage geknüpfte, stillschweigend übertragene Zuständigkeit habe und damit geeignete strafrechtliche Maßnahmen erlassen könne, wenn die Notwendigkeit bestehe, gegen Versäumnisse bei der Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft vorzugehen, und diese Maßnahmen die volle Wirksamkeit der in Rede stehenden Gemeinschaftspolitik gewährleisten sollten. Im Übrigen habe der Gerichtshof den Umfang der Zuständigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers im Bereich des Strafrechts nicht definiert, weil er nicht nach der Art der betreffenden strafrechtlichen Maßnahmen unterschieden habe.
Im vorliegenden Fall gehe aus den Erwägungsgründen des Rahmenbeschlusses 2005/667 hervor, dass dieser die Regelung, die durch die auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG erlassene Richtlinie 2005/35 eingeführt worden sei, ergänzen solle, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten.
Was den Inhalt des Rahmenbeschlusses 2005/667 angehe, bezögen sich die Maßnahmen in dessen Art. 1 bis 10 alle auf das Strafrecht und beträfen Verhaltensweisen, die nach dem Gemeinschaftsrecht als strafwürdig anzusehen seien.
Die Voraussetzung der Notwendigkeit von Maßnahmen, die der Gerichtshof im Urteil Kommission/Rat aufgestellt habe, sei im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt. Zum einen habe der Rat dies mit dem Erlass des Rahmenbeschlusses 2005/667 stillschweigend eingeräumt, da nach Art. 29 Abs. 2 dritter Gedankenstrich EU die Mitgliedstaaten ihre Strafvorschriften nur annähern könnten, „soweit dies erforderlich ist“. Zum anderen seien angesichts der Besonderheiten der in der Richtlinie 2005/35 genannten Handlungen alle Bestimmungen des Rahmenbeschlusses notwendig, um die Wirksamkeit der Regelung dieser Richtlinien zu gewährleisten.
Entgegen der Ansicht des Rates mache der Gerichtshof eine Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich des Strafrechts nicht zusätzlich davon abhängig, dass die Gemeinschaftspolitik „Querschnittcharakter“ habe. Eine solche Voraussetzung würde im Übrigen für die meisten Gebiete des Gemeinschaftsrechts die Möglichkeit eines strafrechtlichen Schutzes durch das Gemeinschaftsrecht selbst dann ausschließen, wenn Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht erwiesenermaßen notwendig seien.
Zum Argument, dem Rat stehe es weiterhin frei, Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht der Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Titel VI des EU-Vertrags zu erlassen, da er in Wahrnehmung des ihm in Art. 80 Abs. 2 EG verliehenen Rechts entschieden habe, die Sanktionen in der Richtlinie 2005/35 nicht näher festzulegen, führt die Kommission aus, dass Art. 80 Abs. 2 EG nicht die Gemeinschaftskompetenz als solche, sondern nur ihre Ausübung Einschränkungen unterwerfe. Zwar habe der Rat entscheiden können, dass die Mitgliedstaaten zuständig blieben. In diesem Fall hätten die Mitgliedstaaten jedoch einzeln vorgehen müssen, da Art. 47 EU den Rückgriff auf Titel VI des EU-Vertrags ausschließe.
Außerdem harmonisiere der Rahmenbeschluss 2005/667 weder Maß noch Art der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen; die Mitgliedstaaten behielten insoweit einen gewissen Spielraum und die nationalen Gerichte seien zur individuellen Strafzumessung befugt. Die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses unterschieden sich mithin nicht grundlegend von denen des Art. 5 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (ABl. L 29, S. 55), der vom Gerichtshof im Urteil Kommission/Rat für nichtig erklärt worden sei.
Das Strafrecht sei zwar keine eigenständige Gemeinschaftspolitik. Die Gemeinschaft habe jedoch eine strafrechtliche Annexkompetenz, von der sie Gebrauch machen könne, soweit dies erforderlich sei. Die Voraussetzung der Notwendigkeit von Maßnahmen, die der Gerichtshof im Urteil Kommission/Rat aufgestellt habe, gelte nur für die Ausübung dieser Zuständigkeit und nicht für deren Bestehen.
Angesichts des funktionellen Ansatzes, den der Gerichtshof im Urteil Kommission/Rat gewählt habe, sowie des Umstands, dass die in den Art. 1 bis 10 des Rahmenbeschlusses 2005/667 vorgesehenen Maßnahmen strafrechtliche Bestimmungen seien, die notwendig seien, um die Wirksamkeit der in der Richtlinie 2005/35 dargestellten gemeinsamen Verkehrspolitik zu gewährleisten, verstoße dieser Rahmenbeschluss insgesamt gegen Art. 47 EU und sei daher für nichtig zu erklären.
Die Kommission führt weiter aus, dass die Begriffe „unerlässlich“ und „notwendig“ einerseits und der Begriff „erforderlich“ in Art. 29 EU andererseits in Wirklichkeit dieselbe Bedeutung hätten und dass insoweit kein Unterschied zwischen dem EG-Vertrag und dem EU-Vertrag bestehe.
Schließlich nehme ihre Auslegung des Urteils Kommission/Rat dem Titel VI des EU-Vertrags nicht seine praktische Wirksamkeit, da zahlreiche der unter diesen Titel fallenden Bereiche von den Folgen dieser Auslegung nicht berührt würden.
Das Europäische Parlament trägt vor, dass der Rahmenbeschluss 2005/667 dem Fall, um den es im Urteil Kommission/Rat gegangen sei, genau entspreche. Zum einen gleiche er in Bezug auf Ziel und Inhalt dem vom Gerichtshof in diesem Urteil für nichtig erklärten Rahmenbeschluss 2003/80. Wie sich aus den Erwägungsgründen des Rahmenbeschlusses 2005/667 ergebe, seien die Bekämpfung von Verschmutzung und der Umweltschutz keine untergeordneten oder nachrangigen Ziele dieses Rahmenbeschlusses. Auch der Inhalt des Rahmenbeschlusses ähnele dem des Rahmenbeschlusses 2003/80, da sich die Straftatbestände in beiden Fällen auf das Einleiten von Schadstoffen bezögen. Zwar unterschieden sich die beiden Rahmenbeschlüsse hinsichtlich der genauen Festlegung von Maß und Art der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen, doch könne dieser Unterschied in der vorliegenden Rechtssache keine Entscheidung rechtfertigen, die von der im Urteil Kommission/Rat getroffenen abweiche. In diesem Urteil habe der Gerichtshof bereits festgestellt, dass sich die Zuständigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers im Bereich des Strafrechts auf Bestimmungen erstrecke wie beispielsweise Art. 5 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2003/80, der Art und Maß der strafrechtlichen Sanktionen betreffe.
Sodann sei auch die Voraussetzung der Notwendigkeit von Maßnahmen im vorliegenden Fall erfüllt. Da schließlich die Art. 1 bis 6 des Rahmenbeschlusses 2005/667 in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fielen, sei dieser Beschluss wegen Unteilbarkeit seiner Bestimmungen insgesamt als Verstoß gegen Art. 47 EU anzusehen.
Der Rat macht dagegen geltend, dass er, indem er gemeinsam mit dem Europäischen Parlament im Mitentscheidungsverfahren die Richtlinie 2005/35 erlassen habe, gemäß Art. 80 Abs. 2 EG die Frage entschieden habe, „ob“ und „inwieweit“ der Gemeinschaftsgesetzgeber von seiner Zuständigkeit für den Erlass von Vorschriften in Bezug auf die Verschmutzung durch Schiffe und insbesondere von Vorschriften, die für den Fall von Verstößen gegen die einschlägigen Bestimmungen Sanktionen einführten, Gebrauch machen solle. Mit dem Erlass dieser Richtlinie habe der Gemeinschaftsgesetzgeber die Grenzen seiner eigenen Handlungsbefugnis im Bereich der Seeverkehrspolitik festlegen wollen. Diese Vorgehensweise stehe mit Art. 80 Abs. 2 EG und der Rechtsprechung des Gerichtshofs völlig im Einklang.
Zwar hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG beschließen können, weiter zu gehen. In Wahrnehmung des ihm durch den EG-Vertrag eingeräumten Rechts habe er hierauf jedoch verzichtet. Es verdiene im Übrigen Beachtung, dass das Europäische Parlament und der Rat dem Vorschlag der Kommission bezüglich der Rechtsgrundlage für den Erlass der Richtlinie 2005/35 gefolgt seien. Obwohl die Richtlinie auch Ziele des Umweltschutzes verfolge, habe der Gemeinschaftsgesetzgeber die Auffassung vertreten, dass sie im Wesentlichen unter die gemeinsame Verkehrspolitik falle und die Hinzufügung einer den Umweltschutz betreffenden Rechtsgrundlage, namentlich des Art. 175 Abs. 1 EG, nicht erforderlich sei. Die gewählte Rechtsgrundlage sei weder vom Parlament noch von der Kommission in Frage gestellt worden.
Da die Zuständigkeit, die Art 80 EG der Gemeinschaft im Bereich der Verkehrspolitik übertrage, Einschränkungen unterliege und da diese Politik anders als die Umweltschutzpolitik, um die es im Urteil Kommission/Rat gegangen sei, kein wesentliches Ziel verfolge, das Querschnittscharakter habe und von grundlegender Bedeutung sei, seien aus diesem Urteil nicht unbedingt dieselben Folgen für die beiden Politiken herzuleiten.
Daher könne nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2005/667 vom Gemeinschaftsgesetzgeber hätten erlassen werden müssen.
Hilfsweise führt der Rat aus, dass die Gemeinschaft nicht befugt sei, Maß und Art strafrechtlicher Sanktionen, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht vorsehen müssten, verbindlich festzusetzen, und dass er, der Rat, folglich mit dem Erlass des Art. 1, des Art. 4 Abs. 1 und 4 bis 7, des Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, 2 und 3 sowie der Art. 7 bis 12 des Rahmenbeschlusses 2005/667 nicht gegen den EG-Vertrag und den EU-Vertrag verstoßen habe.
Betrachte man Ziel und Inhalt des Rahmenbeschlusses 2005/667, die wesentliche Kriterien für die Ermittlung der für den Erlass eines Rechtsakts geeigneten Rechtsgrundlage seien, so zeige sich, dass der Rahmenbeschluss die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe im Wege einer Harmonisierung von Maß und Art der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen angleichen solle. Nach dem Urteil Kommission/Rat falle aber eine solche Harmonisierung, die weit über die im Rahmenbeschluss 2003/80 hinausgehe, derzeit nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft.
Da die Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Kommission/Rat als Ausnahme von dem Grundsatz zu verstehen sei, dass das Strafrecht ebenso wie das Strafprozessrecht nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft falle, seien die Kriterien, auf die der Gerichtshof diese Entscheidung gestützt habe, eng auszulegen. Diese Entscheidung gelte somit nur im Fall der „Notwendigkeit“ von Maßnahmen, ein Begriff, der mit dem Begriff „erforderlich“ in Art. 29 Abs. 2 EU nicht übereinstimme.
Überdies nehme die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils Kommission/Rat zum einen Titel VI des EU-Vertrags weitgehend seine praktische Wirksamkeit und verkenne zum anderen, dass die Entscheidung des Gerichtshofs in diesem Urteil darauf beruht habe, dass das Gemeinschaftsziel des Umweltschutzes ein wesentliches Ziel sei, das Querschnittscharakter habe und von grundlegender Bedeutung sei.
Schließlich habe der Gerichtshof im Urteil Kommission/Rat entschieden, dass die Art. 1 bis 7 des Rahmenbeschlusses 2003/80 angesichts ihres Ziels und ihres Inhalts von der Gemeinschaft hätten erlassen werden können, und habe damit Art. 8 des Rahmenbeschlusses über die Gerichtsbarkeit sowie Art. 9 des Rahmenbeschlusses über die Auslieferung und die Verfolgung von diesem Zuständigkeitsbereich ausgenommen. Genauso sei im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Art. 7, 8 und 9 des Rahmenbeschlusses 2005/667 Bereiche beträfen, für die der EG-Vertrag der Gemeinschaft keine Zuständigkeit übertragen habe.
Das Vorbringen der Mitgliedstaaten, die dem vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, entspricht weitgehend dem Vorbringen des Rates.
Nach Art. 47 EU lässt der EU-Vertrag den EG-Vertrag unberührt. Dasselbe ergibt sich aus Abs. 1 des Art. 29 EU, der Titel VI („Bestimmungen über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“) des EU-Vertrags einleitet.
Der Gerichtshof hat darüber zu wachen, dass die Handlungen, von denen der Rat behauptet, sie fielen unter diesen Titel VI, nicht die Zuständigkeiten beeinträchtigen, die die Bestimmungen des EG-Vertrags der Gemeinschaft zuweisen (vgl. Urteile vom 12. Mai 1998, Kommission/Rat, C-170/96, Slg. 1998, I-2763, Randnr. 16, und vom 13. September 2005, Kommission/Rat, Randnr. 39).
Zu prüfen ist daher, ob die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2005/667 die Zuständigkeit, über die die Gemeinschaft nach Art. 80 Abs. 2 EG verfügt, beeinträchtigt, soweit sie, wie die Kommission vorträgt, auf der Grundlage dieser Vorschrift hätten erlassen werden können.
Die gemeinsame Verkehrspolitik gehört zu den Grundlagen der Gemeinschaft, da nach Art. 70 EG in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 EG die Mitgliedstaaten die Ziele des Vertrags auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs im Rahmen dieser Politik verfolgen (vgl. Urteil vom 28. November 1978, Schumalla, 97/78, Slg. 1978, 2311, Randnr. 4).
Gemäß 80 Abs. 2 EG kann der Rat darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchem Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt zu erlassen sind (vgl. u. a. Urteil vom 17. Mai 1994, Corsica Ferries, C18/93, Slg. 1994, I1783, Randnr. 25), und es finden die Verfahrensvorschriften des Art. 71 EG Anwendung.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs schließt Art. 80 Abs. 2 EG keineswegs die Anwendbarkeit des EG-Vertrags auf den Seeverkehr aus, sondern sieht lediglich vor, dass die in Titel V des EG-Vertrags enthaltenen besonderen Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik nicht automatisch für diesen Tätigkeitsbereich gelten (vgl. u. a. Urteil vom 7. Juni 2007, Kommission/Griechenland, C178/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 52).
Da Art. 80 Abs. 2 EG keine ausdrückliche Einschränkung trifft, welche gemeinsamen besonderen Vorschriften der Rat gemäß den Verfahrensvorschriften des Art. 71 EG auf dieser Grundlage erlassen kann, verfügt der Gemeinschaftsgesetzgeber nach dieser Bestimmung über eine weitreichende Rechtsetzungsbefugnis und ist aufgrund dessen und analog zu den übrigen Bestimmungen des EG-Vertrags über die gemeinsame Verkehrspolitik, insbesondere zu Art. 71 Abs. 1 EG, u. a. für den Erlass von „Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“ und „aller sonstigen zweckdienlichen Vorschriften“ im Bereich der Seeschifffahrt zuständig (vgl. in diesem Sinne zum Straßenverkehr Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, C184/02 und C223/02, Slg. 2004, I7789, Randnr. 28).
Die Feststellung, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen der ihm durch Art. 80 Abs. 2 EG übertragenen Zuständigkeiten Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit des Seeverkehrs ergreifen kann, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Rat es im vorliegenden Fall nicht für angebracht gehalten hat, die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2005/667 auf der Grundlage des Art. 80 Abs. 2 EG zu erlassen. Eine durch Art. 80 Abs. 2 EG zugewiesene Zuständigkeit besteht nämlich unabhängig davon, ob der Gesetzgeber beschließt, tatsächlich von ihr Gebrauch zu machen.
Da außerdem die Erfordernisse des Umweltschutzes, der eines der wesentlichen Ziele der Gemeinschaft ist (vgl. u. a. Urteil vom 13. September 2005, Kommission/Rat, Randnr. 41), nach Art. 6 EG „bei der Festlegung und Durchführung der ... Gemeinschaftspolitiken und maßnahmen... einbezogen werden [müssen]“, ist dieser Schutz als ein Ziel anzusehen, das auch Bestandteil der gemeinsamen Verkehrspolitik ist. Der Gemeinschaftsgesetzgeber kann deshalb auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG in Wahrnehmung der ihm durch diese Bestimmung zugewiesenen Befugnisse beschließen, den Umweltschutz zu fördern (vgl. entsprechend Urteil vom 19. September 2002, Huber, C-336/00, Slg. 2002, I-7699, Randnr. 36).
Schließlich muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts nach ständiger Rechtsprechung auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (vgl. Urteile vom 11. Juni 1991, Kommission/Rat, C-300/89, „Titandioxid“, Slg. 1991, I-2867, Randnr. 10, Huber, Randnr. 30, und vom 13. September 2005, Kommission/Rat, Randnr. 4).
Was speziell den Rahmenbeschluss 2005/667 betrifft, so geht aus seinen Erwägungsgründen hervor, dass er die Verbesserung der Sicherheit des Seeverkehrs und zugleich die Verstärkung des Schutzes der Meeresumwelt vor der Verschmutzung durch Schiffe zum Ziel hat. Wie sich aus seinen Erwägungsgründen 2 und 3 ergibt, soll er eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten herbeiführen, um zu vermeiden, dass sich Katastrophen wie der Untergang des Öltankschiffs „Prestige“ wiederholen.
Nach seinem vierten Erwägungsgrund und dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/35 ergänzt der Rahmenbeschluss diese Richtlinie durch detaillierte Bestimmungen im Bereich des Strafrechts. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 1 und 14 sowie aus ihrem Art. 1 ergibt, strebt auch die Richtlinie ein hohes Sicherheits- und Umweltschutzniveau an. Nach ihrem 14. Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 hat sie zum Ziel, dass die internationalen Normen für die Meeresverschmutzung durch Schiffe in das Gemeinschaftsrecht einbezogen und Sanktionen - die strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Sanktionen einschließen können - für Verstöße gegen diese Normen festgelegt werden, um deren Wirksamkeit zu gewährleisten.
Inhaltlich verpflichtet der Rahmenbeschluss 2005/667 die Mitgliedstaaten in seinen Art. 2, 3 und 5, strafrechtliche Sanktionen für juristische und natürliche Personen vorzusehen, die Straftaten nach den Art. 4 und 5 der Richtlinie 2005/35 begangen, dazu angestiftet oder dazu Beihilfe geleistet haben.
Der Rahmenbeschluss, der verlangt, dass die strafrechtlichen Sanktionen wirksam, angemessen und abschreckend sind, bestimmt außerdem in seinen Art. 4 und 6 Art und Maß der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen nach Maßgabe der durch die strafrechtlichen Handlungen verursachten Schädigung der Wasserqualität oder von Tier- und Pflanzenarten oder von Menschen.
Zwar fällt das Strafrecht grundsätzlich ebenso wie das Strafprozessrecht nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1981, Casati, 203/80, Slg. 1981, 2595, Randnr. 27, vom 16. Juni 1998, Lemmens, C-226/97, Slg. 1998, I-3711, Randnr. 19, und vom 13. September 2005, Kommission/Rat, Randnr. 47), doch kann der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn die Anwendung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender strafrechtlicher Sanktionen durch die zuständigen nationalen Behörden eine zur Bekämpfung schwerer Beeinträchtigungen der Umwelt unerlässliche Maßnahme darstellt, die Mitgliedstaaten gleichwohl zur Einführung derartiger Sanktionen verpflichten, um die volle Wirksamkeit der von ihm in diesem Bereich erlassenen Rechtsnormen zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2005, Kommission/Rat, Randnr. 48).
Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2005/667 ebenso wie die des Rahmenbeschlusses 2003/80, um den es in der dem Urteil Kommission/Rat vom 13. September 2005 zugrunde liegenden Rechtssache ging, Handlungen betreffen, die die Umwelt besonders schwer beeinträchtigen können, im vorliegenden Fall durch Missachtung der Rechtsnormen der Gemeinschaft im Bereich der Sicherheit des Seeverkehrs.
Zum anderen ergibt sich aus den Erwägungsgründen 3 bis 5, 7 und 8 der Richtlinie 2005/35 sowie aus den ersten fünf Erwägungsgründen des Rahmenbeschlusses 2005/667, dass der Rat strafrechtliche Sanktionen für notwendig gehalten hat, um die Einhaltung der im Bereich der Sicherheit des Seeverkehrs erlassenen Gemeinschaftsvorschriften sicherzustellen.
Da die Art. 2, 3 und 5 des Rahmenbeschlusses 2005/667 die Wirksamkeit der im Bereich der Sicherheit des Seeverkehrs erlassenen Rechtsnormen gewährleisten sollen, deren Missachtung schwerwiegende Folgen für die Umwelt haben kann, und zu diesem Zweck die Mitgliedstaaten verpflichten, bestimmte Verhaltensweisen strafrechtlich zu ahnden, haben diese Artikel im Wesentlichen die Verbesserung der Sicherheit des Seeverkehrs und den Umweltschutz zum Ziel und hätten wirksam auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG erlassen werden können.
Die Bestimmung von Art und Maß der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen fällt dagegen, anders als die Kommission meint, nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft.
Bestimmungen wie die Art. 4 und 6 des Rahmenbeschlusses 2005/667 können daher vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht erlassen werden, weil sie Art und Maß der anwendbaren strafrechtlichen Sanktionen betreffen. Diese Bestimmungen sind somit nicht unter Verstoß gegen Art. 47 EU erlassen worden.
Aus den Verweisen dieser Bestimmungen auf die Art. 2, 3 und 5 des Rahmenbeschlusses 2005/667 ergibt sich klar, dass diese Bestimmungen im vorliegenden Fall mit den Bestimmungen über die Straftaten, auf die sie sich beziehen, untrennbar verbunden sind.
Die Art. 7 bis 12 des Rahmenbeschlusses 2005/667, die die gerichtliche Zuständigkeit, die gegenseitige Unterrichtung der Mitgliedstaaten, die Benennung von Kontaktstellen, den territorialen Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses, die Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten und den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rahmenbeschlusses betreffen, sind im vorliegenden Fall ebenfalls untrennbar mit den in den Randnrn. 69 und 71 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen des Rahmenbeschlusses verbunden, so dass auf die Frage, ob sie in die Zuständigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers fallen könnten, nicht eingegangen zu werden braucht.
Nach alledem verstößt der Rahmenbeschluss 2005/667, da er die durch Art. 80 Abs. 2 EG der Gemeinschaft zugewiesenen Zuständigkeiten beeinträchtigt, gegen Art. 47 EU und ist aufgrund seiner Unteilbarkeit insgesamt für nichtig zu erklären.
Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Rates in die Kosten beantragt hat und dieser mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die dem vorliegenden Rechtsstreit beigetretenen Streithelfer ihre eigenen Kosten.
1. Der Rahmenbeschluss 2005/667/JI des Rates vom 12. Juli 2005 zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe wird für nichtig erklärt.
2. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.
3. Das Königreich Belgien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, Irland, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn, die Republik Malta, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, die Slowakische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Europäische Parlament tragen ihre eigenen Kosten.
HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 262
Externe Fundstellen: NStZ 2008, 703
Bearbeiter: Karsten Gaede