HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 808
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: EGMR, Nr. 45749/06, Urteil v. 22.01.2009, HRRS 2009 Nr. 808
5. Die Beschwerdeführerin Frau K. wurde 1967 geboren und befindet sich zurzeit in Haft. Der Beschwerdeführer Herr T. wurde 1968 geboren und befindet sich zurzeit in Haft.
6. Am 9. Mai 1996 wurden die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer festgenommen und in Untersuchungshaft genommen, weil sie in dem Verdacht standen, am 2. Mai 1996 den Ehemann der Beschwerdeführerin gemeinschaftlich ermordet zu haben.
7. Am 5. September 1996 wurde gegen die Beschwerdeführer beim Landgericht Verden Anklage wegen Mordes erhoben.
8. Am 21. Januar 1997 eröffnete das Landgericht Verden das Hauptverfahren gegen die Beschwerdeführer, die während des gesamten Verfahrens vor den innerstaatlichen Gerichten anwaltlich vertreten waren, sowie gegen einen weiteren Mitangeklagten (M.).
9. Am 16. Dezember 1997 sprach das Landgericht Verden die Beschwerdeführer sowie den Mitangeklagten, die allesamt die Vorwürfe bestritten hatten, des gemeinschaftlichen Mordes an dem Ehemann der Beschwerdeführerin, der den Heiratsplänen der Beschwerdeführer im Weg gestanden hatte, schuldig und verurteilte sie zu lebenslanger Freiheitsstrafe.
10. Nach Anhörung von mehr als fünfzig Zeugen und mindestens fünf Sachverständigen, Inaugenscheinnahme des Tatorts sowie Auswertung der Uhrzeit und Dauer zahlreicher Telefongespräche zwischen den Angeklagten kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin M. 20.000 DM gegeben und ihren Ehemann an einen einsamen Ort gelockt habe, wo er von dem Beschwerdeführer und M., die gemeinschaftlich gehandelt hätten, erschossen worden sei.
11. Das Landgericht hat in Anbetracht der Verstrickung der Beschwerdeführer in ihr intimes Verhältnis, in dem sie sich gegenseitig bis zu der fraglichen Straftat getrieben hätten, die besondere Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 StGB, siehe Rdnr. 45) nicht festgestellt.
12. Am 17. Dezember 1997 legten die Beschwerdeführerin sowie der Beschwerdeführer Revision ein. Sie rügten unter anderem, dass ein Verfahrensfehler des Landgerichts vorliege, weil sich dieses bei seiner Entscheidung auf ein Schriftstück mit einer Auflistung von ihnen geführter Telefongespräche gestützt habe, das nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei.
13. Die Staatsanwaltschaft legte ebenfalls Revision ein, die sie am 29. Mai 1998 begründete. Sie wandte sich insbesondere gegen die Entscheidung des Landgerichts, die besondere Schwere der Schuld bei den Beschwerdeführern zu verneinen.
14. Mit Beschluss vom 10. Februar 1999 verwarf der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Revision der Beschwerdeführer als offensichtlich unbegründet. Er bemerkte ergänzend, dass die Revision der Beschwerdeführer, soweit sie auf einen Verfahrensfehler abstelle, auch nicht zulässig sei. Er vertrat die Auffassung, dass die Beschwerdeführer diese Rüge nicht hinreichend substantiiert hätten. Sie hätten dem Bundesgerichtshof nicht mitgeteilt, dass der Präsident des Landgerichts einen Zeugen, der bei der Telefongesellschaft beschäftigt gewesen sei, welche die Telefongespräche der Beschwerdeführer aufgelistet habe, mit dem Zusatz geladen habe, dass er als Zeuge zu den Einzelheiten der genannten Telefonlisten vernommen werden solle.
15. Mit Urteil vom selben Tag gab der Bundesgerichtshof nach mündlicher Verhandlung der Revision der Staatsanwaltschaft statt. Er hob das Urteil des Landgerichts Verden auf, soweit das Landgericht eine besondere Schwere der Schuld bei den Beschwerdeführern verneint hatte, und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
16. Mit Schriftsätzen vom 8. bzw. 9. April 1999 erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Sie wandten sich insbesondere gegen die Feststellung des Bundesgerichtshofs, dass ihre Revision unzulässig gewesen sei, soweit sie einen Verfahrensfehler gerügt hätten.
17. Am 5. Juli 2001 leitete das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden dem Bundesgerichtshof und dem Generalbundesanwalt zur Stellungnahme zu.
18. Am 6. Dezember 2001 übersandte der Generalbundesanwalt seine Stellungnahme dem Bundesverfassungsgericht. Am 27. Dezember 2001 legte der Präsident des Bundesgerichtshofs die Stellungnahmen aller Senate des Bundesgerichtshofs vor.
19. Im Januar 2002 bat das Bundesverfassungsgericht die Beschwerdeführer um Erwiderung bis zum 30. April 2002.
20. Am 20. August 2002 erwiderte die Beschwerdeführerin und am 14. Oktober 2002 der Beschwerdeführer. Das Bundesverfassungsgericht hatte beiden Beschwerdeführern zuvor auf ihre Anfrage hin mitgeteilt, dass mit einer Entscheidung vor Jahresende nicht zu rechnen sei.
21. Am 30. März 2004 teilte das Bundesverfassungsgericht der Beschwerdeführerin auf ihre Anfrage hin mit, dass eine Entscheidung voraussichtlich im Laufe des Jahres 2004 ergehen werde.
22. Am 25. Januar 2005 hob ein mit acht Richtern besetzter Senat des Bundesverfassungsgerichts den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 1999 auf und verwies die Sache an den Bundesgerichtshof zurück (2 BvR 657/99 und 2 BvR 656/99).
23. In seiner (45 Seiten umfassenden) Leitentscheidung prüfte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festgelegten Anforderungen, die ein Revisionsführer erfüllen muss, um eine revisionsrechtliche Verfahrensrüge in zulässiger Weise zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass diese Anforderungen das Recht eines Revisionsführers auf effektiven Rechtsschutz grundsätzlich nicht verletzten. In der Rechtssache der Beschwerdeführer habe der Bundesgerichtshof im Hinblick auf deren gesamtes Vorbringen diese Anforderungen - soweit er auch Angaben zu einer Zeugenladung an sich verlangt habe - allerdings überspannt und damit das Recht der Beschwerdeführer auf wirksamen Rechtsschutz verletzt.
24. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer am 25. Mai 2005 zugestellt.
25. In ihren Stellungnahmen vom 18. Juli 2005 an den Bundesgerichtshof, mit denen sie sich gegen die Auffassung des Generalbundesanwalts wandten, trugen die Beschwerdeführer insbesondere vor, dass das Verfahren unangemessen lang gewesen sei. Sie beantragten die Feststellung einer Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 der Konvention (die erste Beschwerdeführerin machte ferner eine Verletzung von Artikel 5 Abs. 3 der Konvention geltend) und als Kompensation eine Minderung der Dauer der gegen sie verhängten Freiheitsstrafe.
26. Am 28. September 2005 wurde der Haftbefehl gegen die Beschwerdeführerin außer Vollzug gesetzt, und sie blieb bis zum 23. Februar 2006 auf freiem Fuß.
27. Der auf den 1. Dezember 2005 anberaumte Hauptverhandlungstermin musste wegen Unabkömmlichkeit der Anwälte der Beschwerdeführerin aufgehoben werden.
28. Am 15. Dezember 2005 erlitt der Beschwerdeführer einen Herzinfarkt.
29. Nach einer mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2006 verwarf der 3. Senat des Bundesgerichtshofs die Revisionen der Beschwerdeführer mit Urteil vom 7. Februar 2006. Er stellte fest, dass die von den Beschwerdeführern erhobene Rüge, dass dem Landgericht mit der Verwertung der Telefonlisten ein Verfahrensfehler unterlaufen sei, unbegründet sei, weil verschiedene Zeugen, denen die Daten aus den Telefonlisten in der Verhandlung vorgehalten worden seien, Zeitpunkt und Dauer der fraglichen Telefongespräche bestätigt hätten.
30. Der Bundesgerichtshof befand darüber hinaus, dass die Verfahrensdauer ein Abrücken von den lebenslangen Freiheitsstrafen der Beschwerdeführer nicht rechtfertige.
31. Die seit seiner Entscheidung vom 10. Februar 1999 verstrichene Zeit sei der Justiz nicht zwingend nur deshalb anzulasten, weil das Bundesverfassungsgericht diesen Beschluss anschließend aufgehoben habe. Grundsätzlich begründe die Aufhebung einer Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot, sondern sei notwendige Folge der Möglichkeit, bei Rechtsmitteleinlegung fehlerhafte Entscheidungen zu korrigieren. Deshalb könnten allenfalls Verfahrensverzögerungen, die infolge von Entscheidungen eingetreten seien, die eine eklatante Gesetzesverletzung erkennen lassen, als rechtstaatswidrig angesehen werden. Da sein Beschluss vom 10. Februar 1999 in der vorliegenden Rechtssache eine derartig eklatante Gesetzesverletzung nicht erkennen lasse, liege seit diesem Zeitpunkt keine der Justiz zuzurechnende Verfahrensverzögerung vor.
32. Der Bundesgerichtshof war überdies der Auffassung, dass die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer säumig behandelt habe, offen gelassen werden könne. Selbst wenn eine derartige Verzögerung unterstellt werde, hätten die Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Kompensation. Nach § 211 StGB (siehe Rdnr. 43) sei eine schuldfähige Person, die des Mordes für schuldig befunden worden sei, zwingend mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. Der Bundesgerichtshof ließ ferner offen, ob dies in Ausnahmefällen bei einer extremen Verfahrensverzögerung anders beurteilt werden müsse, denn ein solcher Fall liege in dem Verfahren gegen die Beschwerdeführer nicht vor. Da der Schuld- und Strafausspruch gegen die Beschwerdeführer nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung bereits am 10. Februar 1999 rechtskräftig geworden sei, habe die Ungewissheit, die allein aus der Hoffnung der Beschwerdeführer erwachsen sei, dass das Bundesverfassungsgericht ihren Verfassungsbeschwerden stattgeben werde, keine zu einer Kompensation nötigende Belastung mit sich gebracht. Unter diesen Umständen käme auch eine bloße Feststellung eines Konventionsverstoßes nicht in Betracht.
33. Das Urteil wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer am 9. März 2006 zugestellt.
34. Im April 2006 erhoben die Beschwerdeführer beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2006. Unter Berufung auf ihr Recht auf Freiheit und ihr Recht auf Verhandlung ihrer Sache innerhalb angemessener Frist machten sie insbesondere geltend, dass aufgrund der übermäßigen Verfahrensverzögerungen, vor allem zwischen dem 10. Februar 1999 und dem 7. Februar 2006, ihre lebenslangen Freiheitsstrafen in zeitige Freiheitsstrafen hätten umgewandelt werden müssen.
35. Am 21. Juni 2006 lehnte es eine aus drei Richtern bestehende Kammer des Bundesverfassungsgerichts ab, die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zur Entscheidung anzunehmen, da sie offensichtlich unbegründet seien (2 BvR 750/06 und 2 BvR 752/06).
36. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nicht überzeugt war, dass die Dauer des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht der Dauer des Strafverfahrens hinzugerechnet werden könne, zumal es sich hier um einen außerordentlichen Rechtsbehelf handele, ließ es diese Frage offen. Es stellte fest, dass auch nicht geprüft werden müsse, ob es in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder vor dem Bundesgerichtshof zu unangemessenen rechtsstaatswidrigen Verzögerungen gekommen sei.
37. Selbst wenn derartige Verzögerungen anzunehmen seien, komme eine Reduzierung der gegen die Beschwerdeführer verhängten Strafen nicht in Betracht, weil bei Mord nach § 211 StGB ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen sei. Eine Verletzung des Rechts auf Verhandlung einer Sache innerhalb angemessener Frist könne daher grundsätzlich nicht zu einer Milderung dieser Strafe führen. Das Bundesverfassungsgericht wies erneut darauf hin, dass sich die unangemessene Dauer eines Strafverfahrens schuldmindernd auswirken und in Ausnahmefällen sogar eine Kompensation durch Absehen von Strafe oder Verfahrenseinstellung rechtfertigen könne. § 211 StGB eröffne den Gerichten aber keine Möglichkeit, im Fall eines Mörders schuldmindernde Aspekte wie die überlange Dauer des gegen ihn geführten Verfahrens in Erwägung zu ziehen. Dies sei auch aus § 78 Abs. 2 StGB abzuleiten (siehe Rdnr. 44). Der Gesetzgeber habe Mord von der Verjährung ausgenommen und damit klargestellt, dass er selbst lange, zwischen Tatbegehung und Verurteilung liegende Zeiträume nicht als mildernden Umstand bewertet wissen wolle.
38. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bedurfte es hier nicht einer Entscheidung darüber, ob in Fällen, in denen zwischen Tatbegehung und rechtskräftiger Verurteilung des Mörders Jahrzehnte verstrichen seien, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Abrücken von der lebenslangen Freiheitsstrafe erforderlich sei. Selbst wenn es nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 1999 zu unangemessenen Verzögerungen im vorliegenden Verfahren gekommen wäre, hätten diese keinen Umfang erreicht, der eine Minderung der vom Gesetzgeber für Mord zwingend vorgesehenen lebenslangen Freiheitsstrafe rechtfertige.
39. Im Unterschied zu der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung stellte das Bundesverfassungsgericht ferner fest, dass die Rechte eines Mörders nicht weniger geschützt seien als die anderer Täter. Unangemessene Verzögerungen im Strafverfahren könnten z.B. seine Entlassung aus der Untersuchungshaft nach sich ziehen.
40. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer am 5. Juli 2006 zugestellt.
41. Am 6. November 2006 nahm das Landgericht Verden das auf Antrag der Beschwerdeführer ausgesetzte Verfahren hinsichtlich der Frage der besonderen Schwere ihrer Schuld wieder auf.
42. Mit Urteil vom 15. Dezember 2006 entschied das Landgericht Verden, dass unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen der Mord verübt worden sei, die besondere Schwere der Schuld hinsichtlich der Beschwerdeführer nicht festgestellt werde (§ 57a Abs. 1 StGB).
43. Nach § 211 StGB ist die vorsätzliche Tötung eines Menschen, wenn bestimmte erschwerende Merkmale vorliegen, als Mord zu würdigen. Mörder ist insbesondere, wer aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen einen Menschen tötet (§ 211 Abs. 2). Mord wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft (§ 211 Abs. 1).
44. Mord verjährt nicht (§ 78 Abs. 2 StGB).
45. Stellt das erkennende Gericht, das eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt hat, die besondere Schwere der Schuld des Täters fest, so hat dies Einfluss auf eine spätere Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung. Nach § 57a Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn der Verurteilte fünfzehn Jahre seiner Strafe verbüßt hat, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und wenn nicht die besondere Schwere der Schuld des Täters die weitere Vollstreckung der Strafe gebietet.
46. Die §§ 49 und 51 StGB enthalten Vorschriften über die Strafbemessung. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB können die Gerichte eine lebenslange Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren reduzieren, wenn die Milderung der Strafe nach dieser Bestimmung vorgeschrieben oder zugelassen ist. Nach § 51 Abs. 1 StGB wird die Untersuchungshaft, die ein Verurteilter aus Anlass der verfahrensgegenständlichen Straftat erlitten hat, grundsätzlich auf die gegen ihn verhängte zeitige Freiheitsstrafe angerechnet. Wird eine ausländische Freiheitsentziehung auf die Strafe angerechnet, so bestimmt das Gericht die anzurechnende Zeit nach seinem Ermessen (§ 51 Abs. 4 StGB).
47. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die von den Strafgerichten angewendet wird, garantiert Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Artikel 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip das Recht auf ein zügiges Strafverfahren (siehe u. a. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1983, 2 BvR 121/83, Rdnr. 3 sowie seine Entscheidung vom 5. Februar 2003, 2 BvR 327/02, 2 BvR 328/02 und 2 BvR 1473/02, Rdnr. 33). Außerdem müssen Strafen, die gegen einen Angeklagten verhängt werden, mit dem verfassungsmäßigen Recht auf Freiheit nach Artikel 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang stehen (siehe u.a. die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003, 2 BvR 327/02, 2 BvR 328/02 und 2 BvR 1473/02, Rdnr. 58 und seine Entscheidung vom 21. Januar 2004, 2 BvR 1471/03, Rdnr. 28).
48. Da der Gesetzgeber hinsichtlich der Folgen einer Verletzung des Rechts auf ein zügiges Verfahren keine Regelungen getroffen hat, haben grundsätzlich die für Strafsachen zuständigen Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Schlüsse aus einer unangemessenen Verfahrensverzögerung zu ziehen. Sie können das Verfahren nach §§ 153 und 153a StPO einstellen, die Strafverfolgung nach §§ 154 und 154a StPO beschränken, das Verfahren dadurch beenden, dass sie entweder von Strafe absehen oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aussprechen, oder die Verfahrensdauer bei der Festsetzung der Strafe strafmildernd berücksichtigen (siehe Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 24. November 1983, 2 BvR 121/83, Rdnr. 4-5 und Entscheidung vom 21. Januar 2004, 2 BvR 1471/03, Rdnr. 31-32).
49. War das Recht auf ein zügiges Verfahren verletzt worden, so hatten die Strafgerichte in ihren Urteilen Ausmaß und Ursache der Verzögerungen festzustellen. Erfolgte Abhilfe durch Strafmilderung, so hatten die Gerichte das Maß der gewährten Kompensation durch Angabe der Strafe, die ohne die Verzögerung verhängt worden wäre, und Festsetzung der aufgrund der Verzögerungen gemilderten Strafe zu bestimmen. Im Urteilstenor war dann nur die letztgenannte gemilderte Strafe angegeben (siehe u.a. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 7. März 1997, 2 BvR 2173/96, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 1997, S. 591; Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21. Dezember 1998, 3 StR 561/98, NJW 1999, S. 1198-1199 mit weiteren Verweisungen).
50. In seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 revidierte der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs seine bisherige Rechtsprechung zu der Frage, in welcher Weise die überlange Verfahrensdauer in Strafsachen zu kompensieren ist (GSSt 1/07).
51. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Strafgerichte bei überlanger Dauer des Strafverfahrens die gegen den Verurteilten verhängte Strafe nicht mehr unmittelbar reduzieren (sogenannte Strafabschlaglösung), sondern stattdessen in der Urteilsformel aussprechen sollten, dass ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (sogenannte Vollstreckungslösung).
52. Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass in bestimmten Fällen die nach dem Grundgesetz und der Konvention zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer gebotene Strafminderung mit den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung nicht vereinbar sei. Insbesondere in Fällen, in denen eine Kompensation nur durch eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafe möglich wäre, sei die "Strafabschlagslösung" mit den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs nicht zu vereinbaren. Es sei z.B. nach den Bestimmungen des StGB nicht möglich, zur Kompensation einer überlangen Verfahrensdauer von der Verhängung einer zwingend vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe abzusehen.
53. Die "Vollstreckungslösung", die sich aus dem in der Konvention verankerten Entschädigungsprinzip und aus § 51 Absätze 1 und 4 StGB (siehe Rdnr. 46) herleiten lasse und die mit den Artikeln 6 und 13 der Konvention vereinbar sei, eröffne demgegenüber die Möglichkeit der Kompensation in allen Fällen einer überlangen Verfahrensdauer. Die Strafgerichte könnten damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe verhängen und gleichzeitig eine Kompensation vornehmen, indem sie erklärten, dass ein bezifferter Teil dieser Strafe als vollstreckt gelte. Selbst im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe könnten die Gerichte die Kompensation vornehmen, indem sie erklärten, dass ein Teil der mindestens zu verbüßenden Strafe (siehe § 57a Abs. 1 StGB, Rdnr. 45) als vollstreckt gelte. Durch die Entkopplung von schuldangemessener Strafzumessung und Kompensation behalte die Strafe außerdem die Funktion, die ihr in anderen strafrechtlichen Bestimmungen (etwa für Fragen der Bewährung oder der Sicherungsverwahrung) sowie in beamten- und ausländerrechtlichen Bestimmungen zugewiesen sei.
54. In Anwendung der "Vollstreckungslösung" hätten die Strafgerichte zunächst Ausmaß und Ursachen unangemessener Verfahrensverzögerungen zu ermitteln. Bei der schuldangemessenen Straffestsetzung hätten sie als mildernden Umstand zu berücksichtigen, dass durch einen langen Zeitraum zwischen der Tat und dem Urteil das Bedürfnis, den Täter zu bestrafen, allgemein abnehme. Die unangemessene Verfahrensdauer könne außerdem insoweit relevant sein, als für den Angeklagten mit dem überlangen Verfahren größere Belastungen verbunden seien. Hieran anschließend hätten die Strafgerichte unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls festzulegen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation der von den Behörden und Gerichten verursachten rechtsstaatswidrigen Verzögerung als vollstreckt gelte. In die Urteilsformel sind sowohl die Strafe als auch der als vollstreckt geltende Teil der Strafe aufzunehmen.
55. Da beide Beschwerden Fragen zum Gegenstand haben, die dasselbe Strafverfahren betreffen, in dem die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer gemeinsam angeklagt waren, beschließt der Gerichtshof, die Beschwerden zu verbinden (siehe Artikel 42 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).
56. Die Beschwerdeführer rügten, dass das Strafverfahren gegen sie unangemessen lange gedauert habe. Sie beriefen sich auf Artikel 6 Abs. 1 der Konvention, der, soweit entscheidungserheblich, Folgendes vorsieht:
"Jede Person hat ein Recht darauf, dass ... über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem ... Gericht ... innerhalb angemessener Frist verhandelt wird." 57. Dieses Vorbringen wurde von der Regierung bestritten.
58. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge nicht im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 der Konvention offensichtlich unbegründet ist. Überdies ist sie auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
59. Die Beschwerdeführer vertraten die Auffassung, dass das Verfahren bis zur zweiten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2006 nicht innerhalb der nach Artikel 6 Abs. 1 vorgeschriebenen angemessenen Frist beendet worden sei. Das Verfahren, das nicht als besonders komplex angesehen werden könne, sei seit April 1999 nicht mehr angemessen gefördert worden. Mit einem Hinweis auf die Arbeitsbelastung des Bundesverfassungsgerichts könne die Verfahrensdauer nicht gerechtfertigt werden, denn der Staat müsse seine Gerichte mit genügend Personal ausstatten, damit diese in der Lage seien, die bei ihnen anhängig gemachten Rechtssachen innerhalb angemessener Frist zu erledigen. Die überlange Verfahrensdauer sei für die Beschwerdeführer wegen der Ungewissheit über den Verfahrensausgang eine Belastung gewesen. Die Beschwerdeführerin trug außerdem vor, dass sie im Verlauf des Verfahrens unterschiedlichen Formen der Inhaftierung unterworfen gewesen sei. Insbesondere seien bei ihr zunächst bestimmte Vollzugslockerungen entfallen, weil sie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2005 nicht mehr als Verurteilte in Strafhaft, sondern wieder in Untersuchungshaft untergebracht gewesen sei. Der Beschwerdeführer trug vor, dass der Ausgang des Verfahrens für ihn besonders wichtig gewesen sei, weil ihm im gesamten Verfahren, in dessen Verlauf sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe, keine Vollzugslockerungen gewährt worden seien.
60. Die Regierung räumte ein, dass das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach der ersten Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer lange gedauert habe. Das Verfahren habe allerdings eine gewisse Komplexität aufgewiesen, denn das Gericht habe erstmalig über die Auslegung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision durch den Bundesgerichtshof zu entscheiden gehabt. Unter Bezugnahme auf Statistiken hob die Regierung hervor, dass der für die Entscheidung über die Beschwerden der Beschwerdeführer zuständige Senat im maßgeblichen Zeitraum voll ausgelastet gewesen sei; dieser Situation sei durch Einsatz zusätzlichen Personals in der Geschäftsstelle begegnet worden. In Anbetracht seiner besonderen Rolle als Hüterin der Verfassung habe das Bundesverfassungsgericht zehn anderen bei ihm anhängigen Rechtssachen, die für die Allgemeinheit wichtiger gewesen seien, Vorrang einräumen müssen. Die Regierung brachte ferner vor, dass die Belastungen der Beschwerdeführer durch die Dauer des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht nicht so hoch gewesen seien wie durch die Dauer des Verfahrens vor den Strafgerichten, in dem die Beschwerdeführer bereits am 10. Februar 1999 rechtskräftig verurteilt worden seien. Die Erfolgsquote bei Beschwerden zum Bundesverfassungsgericht liege lediglich bei zwei Prozent; die Ungewissheit der Beschwerdeführer über den Ausgang ihres Verfahrens hätte daher geringer sein müssen. Die Regierung trat außerdem der Auffassung entgegen, dass zwischen den Formen der Inhaftierung der Beschwerdeführer und der Verfahrensdauer ein Zusammenhang bestanden habe.
61. Der Gerichtshof stellt fest, dass der zu berücksichtigende Zeitraum am 9. Mai 1996 mit der Festnahme der Beschwerdeführer begann. Die Beschwerdeführer rügten die Dauer der Verfahren bis zur zweiten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2006, die den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer am 5. Juli 2006 zugestellt wurde. Diese Verfahren dauerten auf der Ermittlungsebene und in drei Instanzen einschließlich einer Zurückverweisung 10 Jahre und knapp zwei Monate.
62. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass das Verfahren durch die innerstaatlichen Behörden und Gerichte zwar ansonsten angemessen gefördert wurde, beim Bundesverfassungsgericht jedoch bezüglich der ersten Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer mehr als sechs Jahre und einen Monat anhängig war. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung Artikel 6 Abs. 1 auch auf Verfahren vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht Anwendung findet, da sie im Ergebnis den Ausgang eines strafgerichtlichen Verfahrens gegen einen Beschwerdeführer beeinflussen könnten (siehe G. und P. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 29357/95, Rdnr. 64-66, ECHR 2000-II, mit weiteren Verweisen.) Er bemerkt ergänzend hierzu, dass eine Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht - würde das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht generell angesehen, als könne es den Ausgang des strafgerichtlichen Verfahrens nicht beeinflussen - nicht als ein wirksamer Rechtsbehelf betrachtet werden könnte, den ein Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erschöpft haben muss, ehe er eine Beschwerde zum Gerichtshof erhebt.
63. Der Gerichtshof erkennt unter Berücksichtigung der in seiner Rechtsprechung festgelegten Kriterien (siehe Frydlender ./. Frankreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 30979/96, Rdnr. 43, ECHR 2000-VII) an, dass der Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, in dem durch einen seiner Senate eine Leitentscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision ergangen ist, nicht einfach war. Aber es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verzögerungen verursacht haben. Sie übersandten ihre Erwiderungen nämlich erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist, nachdem ihnen mitgeteilt worden war, dass über ihre Rechtssache ohnehin noch nicht verhandelt werden könne. Obwohl der Gerichtshof nicht überzeugt ist, dass die Dauer des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht als solche sich auf die Bedingungen der Inhaftierung der Beschwerdeführer nachteilig ausgewirkt hat, erkennt er doch an, dass das Ergebnis des Verfahrens, das für die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Mordes hätte von Bedeutung sein können, für sie wichtig war.
64. Was die Verfahrensführung der innerstaatlichen Gerichte angeht, stellt der Gerichtshof fest, dass es im ersten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erhebliche Verzögerungen gegeben hat. Insbesondere vergingen zwischen dem Eingang der Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer und ihrer Übersendung an die innerstaatlichen Behörden zur Stellungnahme mehr als zwei Jahre. Außerdem gab es eine Verzögerung von mehr als zweieinhalb Jahren zwischen dem Eingang der Stellungnahme des Beschwerdeführers und dem Tag, an dem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Beschwerdeführern zugestellt wurde. Der Gerichtshof erkennt an, dass das Bundesverfassungsgericht als Hüterin der Verfassung eine besondere Rolle im innerstaatlichen Rechtssystem spielt und im maßgeblichen Zeitraum stark belastet war. Die Vertragsstaaten sind aber dennoch nach Artikel 6 Abs. 1 verpflichtet, ihre Rechtspflege so zu organisieren, dass ihre Gerichte jede Anforderung aus dieser Vorschrift erfüllen können, auch die Verpflichtung, über Rechtssachen innerhalb angemessener Frist zu verhandeln (siehe u.a. Gast und Popp, a.a.O., Rdnr. 75, 78; K. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19124/02, Rdnr. 45, 15. Februar 2007); dies ist in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen in dieser Rechtssache nicht der Fall gewesen.
65. Folglich ist Artikel 6 Abs. 1 der Konvention verletzt worden.
66. Die Beschwerdeführer trugen vor, dass die innerstaatlichen Gerichte ihnen eine angemessene Wiedergutmachung für die Verletzung des Gebots der angemessenen Frist versagt hätten. Sie rügten, dass die deutschen Gerichte zur Begründung angeführt hätten, dass das deutsche Recht ihnen, selbst wenn von einer überlangen Verfahrensdauer auszugehen sei, keine Möglichkeit eröffne, die lebenslangen Freiheitsstrafen der Beschwerdeführer durch Umwandlung in zeitige Freiheitsstrafen zu mindern.
67. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Rüge der Beschwerdeführer nach Artikel 13 der Konvention zu prüfen ist, der wie folgt lautet:
"Jede Person, die in ihren in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben."
68. Diesem Vorbringen trat die Regierung entgegen.
69. Die Regierung wandte ein, dass die Beschwerdeführer sich in ihren Beschwerden zum Gerichtshof nicht ausdrücklich auf Artikel 13 der Konvention berufen hätten und dass Artikel 13 daher nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde sei.
70. Nach seiner ständigen Rechtsprechung ist der Gerichtshof für die Untersuchung der von einem Beschwerdeführer gerügten Umstände in Anbetracht sämtlicher Erfordernisse der Konvention zuständig. In seiner Aufgabenerfüllung steht es ihm frei, den Sachverhalt, so wie er sich aus den ihm vorliegenden Beweisen ergibt, rechtlich anders zu würdigen als der Beschwerdeführer oder gegebenenfalls anders zu betrachten (siehe u.a. Camenzind ./. die Schweiz, 16. Dezember 1997, Rdnr. 50, Entscheidungssammlung 1997-VIII, und Rehbock ./. Slowenien, Individualbeschwerde Nr. 29462/95, Rdnr. 63, ECHR 2000-XII).
71. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer in der vorliegenden Rechtssache gerügt haben, dass die innerstaatlichen Gerichte ihnen eine Wiedergutmachung für die unangemessene Dauer des gegen sie geführten Verfahrens mit der Begründung verweigert hätten, dass das deutsche Recht ihnen die Möglichkeit dazu nicht eröffne. Er ist der Auffassung, dass diese Sachrüge rechtlich als eine Rüge nach Artikel 13 der Konvention und nicht nach Artikel 34 der Konvention einzustufen ist; dies fällt in seine Zuständigkeit.
72. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge nicht im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 der Konvention offensichtlich unbegründet ist. Überdies ist sie auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
73. Die Beschwerdeführer machten geltend, dass zur maßgeblichen Zeit ein wirksamer Rechtsbehelf zur Wiedergutmachung der überlangen Dauer des gegen sie geführten Strafverfahrens nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Beschwerdeführerin brachte außerdem vor, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2008 (siehe Rdnr. 50-54) in der vorliegenden Rechtssache nicht zur Anwendung komme. Diese Entscheidung setze voraus, dass die innerstaatlichen Gerichte eine Verletzung des Gebots der angemessenen Frist ausdrücklich anerkannt haben; dies hätten aber weder der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. Februar 2006 noch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2006 getan. Außerdem gelte sie nur ex nunc und finde keine Anwendung auf Verfahren, die bereits vorher durch rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen worden seien.
74. Die Regierung trug vor, dass nach deutschem Recht grundsätzlich ein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, um die überlange Dauer des Strafverfahrens zu rügen. Die innerstaatlichen Gerichte hätten die Möglichkeit, zum Ausgleich für unangemessene Verzögerungen entweder die Strafe zu mildern oder das Verfahren einzustellen. In der vorliegenden Rechtssache sei es jedoch nach dem Stand des deutschen Rechts und der deutschen Rechtsprechung zur maßgeblichen Zeit aus den vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 7. Februar 2006 und vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2006 dargelegten Gründen nicht möglich gewesen, die Strafen der Beschwerdeführer durch Umwandlung der wegen Mordes verhängten lebenslangen Freiheitsstrafen in zeitige Freiheitsstrafen zu mildern. Durch die absolute Strafandrohung für Mord - lebenslange Freiheitsstrafe - in § 211 StGB habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass mildernde Umstände keine Berücksichtigung finden könnten. Zum anderen hätten keine solch außergewöhnlichen Umstände vorgelegen, dass die konkrete Schuld der Täter dem gesetzlich vorgegebenen Unrechtsgehalt der Tat nicht mehr entsprochen hätte. Eine ausnahmsweise Umwandlung der lebenslangen Freiheitsstrafen in zeitige Freiheitsstrafen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB sei daher nicht in Betracht gekommen (siehe Rdnr. 46).
75. Die Regierung wies darauf hin, dass Artikel 13 indes keine wirksame Beschwerde gegen die Verfahrensweise des höchsten Gerichts fordere. Denn dies würde eine nie endende Kette von innerstaatlichen Rechtsbehelfen hervorrufen.
76. Die Regierung trug ferner vor, dass der Große Senat des Bundesgerichtshofs mit seiner Leitentscheidung vom 17. Januar 2008 eine neue Lösung für den Ausgleich einer überlangen Verfahrensdauer in Strafverfahren herbeigeführt habe (siehe Rdnr. 50-54). Zur Wiedergutmachung solle nicht mehr die verhängte Strafe gemildert, sondern erklärt werden, dass ein bestimmter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gelte. Damit sei eine Wiedergutmachung auch in Rechtssachen wie der vorliegenden möglich, in der ein Angeklagter zu einer Mindeststrafe wie z.B. lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt werden müsse. Die Regierung räumte ein, dass diese neue Rechtsprechung auf das vorliegende Verfahren, das bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei, keine Anwendung finden könne.
77. Nach Artikel 1 der Konvention obliegt die Anwendung und Gewährleistung der garantierten Rechte und Freiheiten in erster Linie den nationalen Behörden. Das Instrumentarium der Beschwerde zum Gerichtshof ist folglich den nationalen Systemen zum Schutz der Menschenrechte nachgeordnet. Diese Subsidiarität kommt in den Artikeln 13 und 35 Abs. 1 der Konvention zum Ausdruck (siehe Kudla ./. Polen [GK], Individualbeschwerde Nr. 30210/96, Rdnr. 152, ECHR 2000-XI, und Scordino ./. Italien (Nr. 1) [GK], Individualbeschwerde Nr. 36813/97, Rdnr. 140, ECHR 2006-...).
78. Artikel 13 der Konvention garantiert eine wirksame Beschwerde bei einer innerstaatlichen Instanz, wenn eine Verletzung des Gebots der Verhandlung einer Sache innerhalb angemessener Frist nach Artikel 6 Abs. 1 behauptet wird. Es ist deshalb in jeder Rechtssache zu prüfen, ob die Mittel, die den Prozessparteien nach innerstaatlichem Recht zur Verfügung stehen, insoweit "wirksam" sind, als sie entweder die behauptete Rechtsverletzung oder deren Fortdauer verhindern oder bezüglich einer bereits geschehenen Rechtsverletzung angemessene Abhilfe schaffen (siehe Kudla, a.a.O., Rdnr. 156-158, und Hartman ./. Tschechische Republik, Individualbeschwerde Nr. 53341/99, Rdnr. 81, ECHR 2003-VIII (auszugsweise)).
79. Artikel 13 bietet somit eine Alternative: Eine Beschwerde ist "wirksam", wenn von ihr Gebrauch gemacht werden kann, um entweder eine Entscheidung der mit der Rechtssache befassten Gerichte zu beschleunigen oder der Prozesspartei eine angemessene Wiedergutmachung für bereits eingetretene Verzögerungen zu verschaffen (siehe Mifsud ./. Frankreich (Entsch.), [GK], Individualbeschwerde Nr. 57220/00, Rdnr. 17, ECHR 2002-VIII, Hartman, a.a.O., Rdnr. 81, und S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 75529/01, Rdnr. 99, ECHR 2006 -).
80. Da die Rügen der Beschwerdeführer über die Dauer des gegen sie geführten Strafverfahrens für zulässig erklärt worden sind (siehe Rdnr. 58), ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Beschwerdeführer für die Zwecke des Artikels 13 der Konvention "vertretbar geltend machen", dass sie Opfer einer Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 sind (vgl. u.a. Powell und Rayner ./. Vereinigtes Königreich, 21. Februar 1990, Rdnr. 31-33, Serie A Band 172, und Ivison ./. Vereinigtes Königreich (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 39030/97, 16. April 2002).
81. Was das Argument der Regierung angeht, Artikel 13 fordere keine wirksame Beschwerde gegen die Verfahrensweise des höchsten Gerichts, so ist der Gerichtshof der Auffassung, dass dem Wortlaut des Artikels 13 nichts zu entnehmen ist, was eine solche Beschränkung seines Anwendungsbereichs begründen könnte. Dementsprechend hat der Gerichtshof dieses Argument bereits zurückgewiesen (siehe z.B. Kirsten, a.a.O., Rdnr. 55 und 56). Er sieht keinen Grund, von dieser Auffassung abzuweichen.
82. Der Gerichtshof nimmt zur Kenntnis, dass es gemäß dem Schriftsatz der Regierung nach den Bestimmungen des deutschen Rechts, so wie sie von den deutschen Gerichten zur maßgeblichen Zeit ausgelegt wurden, nur ausnahmsweise nicht möglich war, die unangemessene Dauer des Strafverfahrens im Fall der Beschwerdeführer zu kompensieren.
83. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Mittel, die Beschwerdeführern nach deutschem Recht zur Verfügung stehen, um wegen der Dauer von Strafverfahren Beschwerde zu erheben, grundsätzlich als "wirksam" im Sinne von Artikel 13 angesehen werden können, da sie geeignet sind, bezüglich einer eingetretenen Verletzung des Gebots der angemessenen Frist angemessene Abhilfe zu schaffen. Nach der gefestigten Rechtsprechung der deutschen Gerichte haben die Strafgerichte und die Strafverfolgungsbehörden, gegebenenfalls auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, aus der überlangen Verfahrensdauer in Strafsachen Konsequenzen zu ziehen (siehe Rdnr. 47-49). Hierzu gehören insbesondere die Einstellung des Verfahrens nach §§ 153 und 153a StPO, die Beschränkung der Strafverfolgung nach §§ 154 und 154a StPO bzw. das Absehen von Strafe oder die Strafmilderung. Der Gerichtshof hat dementsprechend die Ansicht vertreten, dass ein Beschwerdeführer diese wirksamen Rechtsbehelfe, insbesondere die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht, in Anspruch nehmen muss, ehe er eine Beschwerde wegen der Dauer des gegen ihn geführten Verfahrens beim Gerichtshof erhebt (siehe W. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 14374/03, 3. April 2007; vgl. ferner J. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 44186/98, 12. Oktober 2000 und D. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 65745/01, Rdnr. 100-104, 10. November 2005, bezüglich einer Strafmilderung, und S. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 72438/01, 17. November 2005, bezüglich einer Einstellung des Verfahrens).
84. Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass für alle hier in Rede stehenden Formen der Wiedergutmachung Voraussetzung ist, dass die betroffene Person entweder einer Straftat für schuldig befunden wurde, oder - bei Anwendung von §§ 153, 153a, 154 oder 154a StPO - das Verfahren in der Annahme eingestellt wird, dass die betroffene Person von den Strafgerichten andernfalls einer Straftat für schuldig befunden werden könnte. Darüber hinaus muss die Maßnahme, mit der Abhilfe geschaffen wird, nach den anwendbaren Bestimmungen des Strafrechts und des Strafprozessrechts unter den Umständen des Falls zugelassen sein.
85. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer in der vorliegenden Rechtssache wegen einer Straftat (Mord) schuldig gesprochen wurden. Nach den Feststellungen sowohl des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 7. Februar 2006 (siehe Rdnr. 32) als auch des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 21. Juni 2006 (siehe Rdnr. 37 und 38) war eine Herabsetzung der Strafen der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs unter diesen Umständen ausgeschlossen. Die innerstaatlichen Gerichte befanden, dass bei Mord lebenslange Freiheitsstrafe nach § 211 StGB zwingend vorgeschrieben sei und, wenn überhaupt, nur unter außergewöhnlichen Umständen, wenn es zu einer extremen Verzögerung gekommen sei, in eine zeitige Freiheitsstrafe umgewandelt werden könne. Folglich waren die den innerstaatlichen Gerichten zur maßgeblichen Zeit zur Verfügung stehenden Abhilfemöglichkeiten unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache nicht geeignet, den Beschwerdeführern eine angemessene Wiedergutmachung für eine Verletzung des Gebots der angemessenen Frist zu verschaffen. Die Regierung hat dies auch eingeräumt.
86. Der Gerichtshof nimmt außerdem zur Kenntnis, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, wie Strafgerichte eine Verletzung des Gebots der angemessenen Frist kompensieren sollten, kürzlich eine Änderung vorgenommen wurde. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 ausdrücklich erklärt hat, können die Strafgerichte mit der neuen sogenannten Vollstreckungslösung auch in Rechtssachen wie der vorliegenden, in denen nach den anwendbaren Bestimmungen des StGB die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe absolut vorgeschrieben ist, Prozessparteien im Einklang mit den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs Wiedergutmachung verschaffen. Die Gerichte könnten die Kompensation vornehmen, indem sie erklären, dass ein bestimmter Teil der lebenslangen Freiheitsstrafe, von der mindestens fünfzehn Jahre zu verbüßen sind (siehe Rdnr. 45), als vollstreckt gilt.
87. Der Gerichtshof begrüßt diese Initiative. Sie entspricht dem subsidiären Charakter des Instrumentariums der Beschwerde zum Gerichtshof, der in den Artikeln 1, 35 Abs. 1 und 13 der Konvention zum Ausdruck kommt; danach obliegt die Anwendung und Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der Konvention in erster Linie den nationalen Behörden. Diese neue Rechtsprechung ist jedoch, wie zwischen den Parteien auch unstreitig ist, jüngeren Datums als die schon rechtskräftigen Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte in der vorliegenden Rechtssache. Sie kann folglich nichts an der Schlussfolgerung ändern, dass den Beschwerdeführern zur maßgeblichen Zeit kein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung stand, der geeignet war, bezüglich einer Verletzung des Gebots der angemessenen Frist unter den Umständen ihrer Rechtssachen Abhilfe zu schaffen.
88. Folglich ist Artikel 13 der Konvention verletzt worden.
89. Die Beschwerdeführerin rügte zudem die überlange Dauer ihrer Untersuchungshaft. Sie berief sich auf Artikel 5 Abs. 3 der Konvention, der, soweit entscheidungserheblich, lautet: "Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, ... hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens. Die Entlassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden."
90. Der Gerichtshof hat die Rüge der Beschwerdeführerin, so wie sie von ihr erhoben wurde, geprüft und dabei alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen sowie die Tatsache berücksichtigt, dass eine Freiheitsentziehung nach Artikel 5 Abs. 3 im Sinne der Konvention endet, wenn die Schuld festgestellt und die Strafe erstinstanzlich verhängt worden ist (siehe u.a. Solmaz ./. Türkei, Individualbeschwerde Nr. 27561/02, Rdnr. 24-26, ECHR 2007. (auszugsweise)). Er stellt fest, dass die Rüge selbst unter der Annahme, dass die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft wurden, keine Anzeichen für eine Verletzung der in Artikel 5 Abs. 3 bezeichneten Rechte und Freiheiten erkennen lässt.
91. Daraus folgt, dass dieser Teil der Individualbeschwerde der Beschwerdeführerin nach Artikel 35 Abätze 3 und 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
92. Artikel 41 der Konvention lautet: "Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."
93. Die Beschwerdeführerin verlangt unter Hinweis auf ihre Belastung durch das überlange Verfahren (siehe Rdnr. 59) 29.557 EUR für den immateriellen Schaden; sie betrachtet eine Entschädigung von 11 EUR pro Tag als angemessen für die 2.687 Tage, an denen das Verfahren nicht ordnungsgemäß gefördert worden sei.
94. Der Beschwerdeführer verlangt 24.640 EUR für den immateriellen Schaden; auch er betrachtet eine Entschädigung von 11 EUR pro Tag als angemessen für die 2.240 Tage, an denen das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht ordnungsgemäß gefördert worden sei. Er brachte vor, dass er insbesondere durch das Warten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelitten habe und dass ihm während dieser Zeit keine Vollzugslockerungen gewährt worden seien. Außerdem seien bei ihm infolge der überlangen Verfahrensdauer irreparable Gesundheitsschäden aufgetreten, und er habe im Dezember 2005 einen Herzinfarkt erlitten.
95. Unter Bezugnahme auf ihre Stellungnahme hinsichtlich der geringeren Belastung der Beschwerdeführer durch die Dauer des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (siehe Rdnr. 60) trug die Regierung vor, dass die Forderungen der Beschwerdeführer in Bezug auf immaterielle Schäden überhöht seien. Außerdem habe der Beschwerdeführer einen Kausalzusammenhang zwischen der Dauer des gegen ihn geführten Verfahrens und der Verschlechterung seines Gesundheitszustands bzw. seinen Haftbedingungen nicht dargetan.
96. Unter Bezugnahme auf seine bereits getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrensausgangs für die Beschwerdeführer (siehe Rdnr. 63) ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Beschwerdeführer unter der unangemessenen Verfahrensdauer und darunter, dass ein wirksamer Rechtsbehelf zur Rüge dieser Verfahrensdauer nicht zu Verfügung stand, gelitten haben müssen. Der Gerichtshof setzt die Summe nach Billigkeit fest und spricht den Beschwerdeführern jeweils 3.000 EUR für den immateriellen Schaden zu, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern.
97. Die Beschwerdeführerin verlangte unter Vorlage von Belegen 1.964,58 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer (MwSt)) für die in dem erneuten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht entstandenen Kosten und Auslagen sowie 3.638,06 EUR (einschließlich MwSt) für die in dem Verfahren vor dem Gerichtshof entstandenen Kosten und Auslagen (bestehend aus 2.975 EUR für die Abfassung der Schriftsätze und 663,06 EUR für deren Übersetzung ins Englische).
98. Der Beschwerdeführer verlangte unter Vorlage von Belegen 1.385,58 EUR für die in dem erneuten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht entstandenen Kosten und Auslagen sowie 5.750 EUR für die in dem Verfahren vor dem Gerichtshof entstandenen Kosten und Auslagen (bestehend aus 5.000 EUR für die Abfassung der Schriftsätze und 750 EUR für deren Übersetzung ins Englische).
99. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin war die Regierung der Auffassung, dass nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes lediglich 490,28 EUR als angemessene Kosten und Auslagen für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Betracht kommen könnten; für die in dem Verfahren vor diesem Gerichtshof entstandenen Kosten und Auslagen sei derselbe Betrag angemessen. Hinsichtlich des Beschwerdeführers, bei dem nach Angaben der Regierung keine Umsatzsteuer anfalle, könnten nur 412 EUR als angemessene Kosten und Auslagen für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und ebenso für das Verfahren vor diesem Gerichtshof in Betracht kommen.
100. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Beschwerdeführer nur insoweit Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen, als nachgewiesen wurde, dass diese tatsächlich und notwendigerweise entstanden sind und der Höhe nach angemessen waren. Der Gerichtshof stellt in der vorliegenden Rechtssache fest, dass das erneute Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen darauf gerichtet war, eine Verletzung des Gebots der angemessenen Frist zu verhindern oder zu kompensieren. Unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Informationen und der oben genannten Kriterien hält er es für angemessen, der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer zur Abgeltung aller Kosten und Auslagen jeweils 4.000 EUR zuzüglich der bei ihnen gegebenenfalls zu berechnenden Steuern zuzusprechen.
101. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank zuzüglich 3 Prozentpunkten zugrunde zu legen.
1. Die Beschwerden werden verbunden;
2. die Rüge wegen der Dauer der Untersuchungshaft der Beschwerdeführerin wird für unzulässig erklärt, und im Übrigen werden die Individualbeschwerden für zulässig erklärt;
3. Artikel 6 Abs. 1 der Konvention ist verletzt worden;
4. Artikel 13 der Konvention ist verletzt worden;
5. a) der beschwerdegegnerische Staat hat binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, den Beschwerdeführern jeweils folgende Beträge zu zahlen:
i) 3.000 EUR (dreitausend Euro), zuzüglich der gegebenenfalls zu berechnenden Steuern, für den immateriellen Schaden;
ii) 4.000 EUR (viertausend Euro), zuzüglich der bei den Beschwerdeführern gegebenenfalls zu berechnenden Steuern, für Kosten und Auslagen;
b) nach Ablauf der genannten Frist von drei Monaten bis zur Auszahlung fallen für die genannten Beträge einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht;
6. im Übrigen werden die Forderungen der Beschwerdeführer nach gerechter Entschädigung zurückgewiesen.
[Redaktioneller Hinweis: Der Entscheidung liegt eine Übersetzung des BMJ zugrunde. Zur doppelten Konventionsverletzung durch das BVerfG und den BGH vgl. bereits Gaede JR 2007, 254 ff. Zu einer weiteren Fallgruppe der ungenügenden Abhilfe im Strafverfahren vgl. Gaede, HRRS-FG Fezer (2008), S. 21, 39 ff.]
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 808
Bearbeiter: Karsten Gaede