HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 609
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 351/24, Beschluss v. 14.01.2025, HRRS 2025 Nr. 609
Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Münster vom 24. Juni 2024 wird als unzulässig verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammenhängenden Fällen und Körperverletzung sowie wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen dieses am 11. April 2024 in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben vom selben Tag Revision eingelegt und begründende Ausführungen gemacht. Zugleich kündigte er an, er werde seinen Verteidiger bitten, die Begründung der Revision zu ergänzen. Ausweislich des am 14. Mai 2024 fertiggestellten Sitzungsprotokolls wurde der Angeklagte über Rechtsmittel belehrt. Das Urteil wurde seinem Verteidiger am 15. Mai 2024 zugestellt. Mit Beschluss vom 24. Juni 2024 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO), weil eine formgerechte Begründung nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO eingegangen sei. Dieser Beschluss wurde seinem Verteidiger mit Rechtsmittelbelehrung am 25. Juni 2024 zugestellt; dem Angeklagten wurde formlos eine Abschrift mit dem Zusatz übermittelt, dass die Zustellung an seinen Verteidiger bewirkt worden sei. Mit Schreiben vom 28. Juni 2024, eingegangen beim Landgericht am 4. Juli 2024, beantragte der Angeklagte die Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss vom 24. Juni 2024. Bis heute wurden keine Revisionsanträge gestellt.
1. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist unzulässig, weil die Antragsfrist des § 346 Abs. 2 StPO nicht gewahrt worden ist.
a) Die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 StPO ist mit der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses an den Verteidiger des Angeklagten am 25. Juni 2024 in Lauf gesetzt worden (§ 145a Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Antrag des Angeklagten vom 28. Juni 2024 ist erst am 4. Juli 2024 und damit nach Fristablauf bei Gericht eingegangen.
b) Dem Angeklagten ist auch nicht gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren, da er ersichtlich nicht ohne eigenes Verschulden daran gehindert war, die Frist des § 346 Abs. 2 StPO einzuhalten.
Allein der Umstand, dass dem Angeklagten im Rahmen der Unterrichtung über die Zustellung gemäß § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist, führt nicht ohne weiteres dazu, dass ihn an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft. Bei einer Unterrichtung über eine Zustellung an den Verteidiger gemäß § 145a Abs. 3 StPO ist eine Belehrung des Angeklagten grundsätzlich nicht erforderlich (SSW-StPO/Beulke, 5. Auflage, § 145a StPO Rn. 14; LR/Jahn, 27. Auflage, § 145a StPO Rn. 14; OLG Karlsruhe, Justiz 1989, 68; a.A. MüKo-StPO/Kämpfer/Travers, 2. Auflage, § 145a StPO Rn. 15). Anhaltspunkte dafür, dass sich der mit seinem Verteidiger in Kontakt stehende Angeklagte nicht bei diesem nach der Frist zur Rechtsmitteleinlegung hätte erkundigen können, sind nicht erkennbar.
2. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da weder durch den Verteidiger noch durch den Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle formgerecht Revisionsanträge gestellt worden sind und die Revision damit entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht begründet worden ist. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO in die versäumte Revisionsbegründungsfrist kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine formgerechte Revisionsbegründung bis heute nicht vorliegt. Der Angeklagte war auch nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Revision gehindert (§ 44 StPO). Ein das Verschulden des Angeklagten ausschließender „offenkundiger Mangel“ der Verteidigung liegt ersichtlich nicht vor (vgl. EGMR, Urteil vom 22. März 2007 - 59519/00 - Staroszcyk/Polen Tz. 122, 133; BGH, Beschluss vom 29. April 2024 - 6 StR 86/24 Rn. 9; Beschluss vom 12. Januar 2021 - 3 StR 422/20 Rn. 7; Beschluss vom 11. März 2020 - 4 StR 68/20 Rn. 5 f.).
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 609
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede