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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 631

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 228/23, Beschluss v. 30.01.2024, HRRS 2024 Nr. 631


BGH 5 StR 228/23 - Beschluss vom 30. Januar 2024 (LG Berlin)

Relevanz des Vermögensschadens beim Subventionsbetrug (wirtschaftlicher Vermögensbegriff; Vermögen der öffentlichen Hand; Schadensberechnung; Saldierungsprinzip; Kompensation, zweckgemäße Verwendung; formale Anspruchsvoraussetzungen; täuschungsbedingte Auszahlung der Fördersumme).

§ 263 StGB; § 264 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei § 264 StGB ist der Eintritt eines Schadens oder dessen Höhe für die Verwirklichung des Tatbestandes ohne Relevanz, kann jedoch auf der Ebene der Strafzumessung ggf. strafschärfend berücksichtigt werden.

2. Sofern bei Täuschungen im Rahmen von Subventionszahlungen eine Strafbarkeit nach § 263 StGB angenommen wurde, hat der Bundesgerichtshof zur Berechnung der Schadenshöhe im Rahmen des Abrufs bereits bewilligter Fördermittel gegen Rechnungsnachweis erkannt, dass es dabei nicht darauf ankomme, ob der eingereichte Beleg „formal“ korrekt, sondern ob die Leistung dem Subventionszweck entsprechend erbracht worden sei (vgl. zuletzt etwa BGH HRRS 2014 Nr. 512). Der Senat hat aus unterschiedlichen Gründen (hier letztlich nicht entscheidungserhebliche) Bedenken, dem zu folgen. Im Einzelnen:

a) Mit Blick auf § 263 StGB verkennt die bisherige Judikatur aus Sicht des Senats, dass die öffentliche Hand die Auszahlung von Fördermitteln zu Recht gerade auch deshalb von der Vorlage wahrheits- und ordnungsgemäßer Rechnungen abhängig macht, um Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Lohndumping, illegale Beschäftigung oder eine andere den öffentlichen Interessen zuwiderlaufende Mittelverwendung auszuschließen. Werden entgegen den Förderbedingungen Scheinrechnungen eingereicht und irrtümlich für ordnungsgemäß gehalten, zahlt der Subventionsgeber täuschungsbedingt eine Fördersumme aus, die er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht ausgezahlt hätte. Dass diese täuschungsbedingte Vermögensminderung nicht in Höhe des Auszahlungsbetrages zu einem Schaden führen soll, weil zuvor Gelder gemäß dem Förderzweck investiert wurden, widerspricht der Betrugsdogmatik.

b) Für das Vermögen der öffentlichen Hand gilt hinsichtlich der Berechnung des Vermögensschadens nichts anderes als für die Vermögen anderer Vermögensinhaber. Die Besonderheit besteht bei der Gewährung von Subventionen lediglich darin, dass die „Gegenleistung“ des Empfängers in der Erbringung bestimmter Leistungen zur Erfüllung des Subventionszwecks besteht. Wie in anderen Konstellationen gilt aber auch hier: Erbringt der Zahlungsempfänger eine Leistung vorab und täuscht anschließend im Rahmen der Abrechnung über das Vorliegen tatsächlicher Anspruchsvoraussetzungen, ist der gesamte ausgezahlte Betrag als Betrugsschaden anzusehen, wenn unter diesen Bedingungen kein Rechtsanspruch auf die Zahlung besteht. Für die wirtschaftliche Bewertung eines Zahlungsvorganges sind die rechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich. Dies spiegelt wider, dass erst die Anerkennung einer Forderung durch die Rechtsordnung dieser in einem Rechtsstaat wirtschaftlichen Wert verleiht.

c) Der vor der Auszahlung geleistete Einsatz von Mitteln zur Erfüllung des Subventionszwecks hat bei der Schadensberechnung grundsätzlich außen vor zu bleiben. Liegen nach grundsätzlicher Bewilligung der Subvention die Voraussetzungen für eine Auszahlung der Fördersumme nicht vor, hat der Subventionsnehmer keinen Rechtsanspruch darauf. Leistet die öffentliche Hand gleichwohl, leistet sie ohne Rechtsgrund. Dieser Vermögensabfluss wird nicht kompensiert. Denn bei der insoweit im Zeitpunkt der Vermögensverfügung gebotenen Gesamtsaldierung sind keine vermögenswerten Vorteile der öffentlichen Hand ersichtlich, die ihr gleichzeitig mit der Auszahlung der Fördersumme für bereits geleistete Investitionen zufließen würden.

d) Ob der Subventionsempfänger zuvor Teile der zugesagten, aber noch nicht ausgezahlten Fördersumme im Sinne des Subventionszwecks verwendet hat oder nicht, kann schon in zeitlicher Hinsicht zu keiner schadensmindernden Kompensation führen. Dass der Subventionsempfänger in Ansatz gebrachte Leistungen auch ordnungsgemäß hätte abrechnen können, muss als bloß hypothetische Erwägung außen vor bleiben. Beim Subventionsbetrug durch Täuschung über die Auszahlungsbedingungen einer zuvor zugesagten Förderung geht es demnach regelmäßig nicht um die Bestimmung des wirtschaftlichen Werts einer zuvor erbrachten „Gegenleistung“, sondern um die Frage, ob im Zeitpunkt der Auszahlung tatsächlich ein Anspruch darauf besteht.

e) Der Senat hält es ferner für bedenklich, die zur Schadensbestimmung im Rahmen von § 263 StGB entwickelte Rechtsprechung begründungslos auf § 264 StGB zu übertragen. Weshalb für ein bloßes Gefährdungsdelikt die gleichen Maßstäbe wie für ein Erfolgsdelikt gelten sollen, erschließt sich nicht ohne weiteres. Einen „Schaden“ der öffentlichen Hand setzt § 264 StGB nicht voraus, so dass auch Erwägungen zu einer etwaigen Schadenskompensation durch Erreichung des Förderzwecks nicht angebracht sind. Solche Elemente des § 263 StGB in die vom Gesetzgeber ganz anders konzipierte Vorschrift des § 264 StGB zu übernehmen, überzeugt nicht.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. September 2022 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen mehrerer Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges oder der Beihilfe hierzu jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt und teilweise Einziehungsentscheidungen getroffen. Die mit Verfahrens- und Sachrügen geführten Revisionen bleiben erfolglos im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO (vgl. Antragsschriften des Generalbundesanwalts). Dies gilt auch, soweit die Revisionen bemängeln, die Strafkammer habe bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt, dass die geförderten Beratungsleistungen vollständig und mangelfrei erbracht worden seien und der letztlich entstandene Schaden deshalb nur einen Bruchteil der Fördersumme ausgemacht habe.

I.

Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

1. Der Angeklagte S. war geschäftsführender Alleingesellschafter der G. mbH (nachfolgend G.). Diese Gesellschaft war auf Fördermittelberatung und -vermittlung spezialisiert und begleitete ihre Kunden bei der Beantragung und Abwicklung von Fördermitteln für Investitions- und Innovationsvorhaben. Die G. war zunächst vor allen Dingen im Rahmen des „ZIM-Förderprogramms“ (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) tätig, das die Entwicklung einer bereits als förderfähig erkannten Idee zur Marktreife unterstützte. Sie übernahm dabei insbesondere die Antragstellung sowie bei Erfolg die Dokumentation und Abrechnung für ihre Kunden. Im Einklang mit den Förderbedingungen wurde ein Erfolgshonorar von 12 % der ausgezahlten Fördersumme vereinbart, so dass die G. bei der aufwändigen Antragstellung in Vorleistung ging und das finanzielle Risiko der Antragsablehnung trug.

Im Rahmen des 2009 zur Bekämpfung der Folgen der Finanzkrise beschlossenen Konjunkturpakets II verdiente die G. sehr gut aufgrund einer Aufstockung der „ZIM-Mittel“ auf 900 Mio. Euro. Auch zuvor eher erfolglose Anträge wurden bewilligt, die Erfolgsquote stieg deutlich. Als das Konjunkturpaket II auslief, fürchtete S. erhebliche Umsatzeinbußen. Der Kreis der Förderberechtigten schwand erheblich, die Erfolgsquote der Anträge sank deutlich und die finanziellen Risiken stiegen aufgrund der vereinbarten Erfolgsprovision; die Akquise neuer Kunden war schwierig.

Der Angeklagte S. entschloss sich, diese Geschäftsverluste durch eine Tätigkeit im Rahmen einer vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) im Frühjahr 2010 neu aufgelegten „goinno-Förderung“ zu kompensieren. Dabei handelte es sich um Förderung von Innovationsberatung in der Anfangsphase eines Ideen- und Innovationsprozesses, also in einer Phase, bevor ein „ZIM-Projekt“ in Betracht kam. Gefördert wurden etwa eine Marktanalyse oder die Beratung zu Anschlussförderungen. Nach den Richtlinien der „goinno-Förderung“ wurden lediglich 50 % der Beratungskosten bezuschusst. Zweck der Förderung war, die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu stärken. Den Restbetrag musste zwingend das KMU als Eigenanteil aufbringen, um die Gefahr von Fehlallokationen zu verringern. Dahinter steckte die Überlegung, dass beim Aufbringen eines solchen Eigenanteils die Idee auch ernsthaft verfolgt würde und kein Mitnahmeeffekt vorliege. Zudem sollte in Art einer Kontrollfunktion die Qualität der geförderten Beratung sichergestellt werden, denn der Eigenanteil würde mutmaßlich nur gezahlt, wenn die Beratungsleistung vollständig erbracht sei.

Die von der entsprechenden BMWi-Richtlinie (zuerst von 2010, dann von 2011) erfassten KMUs erhielten Gutscheine für externe Beratungen mit einer Förderung bis zu 50 %, wobei die Beratung nur von lizensierten Beratungsunternehmen (wie der G.) übernommen werden konnte. Gefördert werden sollten bestehende Projektideen, also bereits geplante Innovationsvorhaben. Die Zuwendung wurde als nicht rückzahlbarer Zuschuss gewährt. Gefördert wurden bis zu 20 Beratertage, bei Hinzuziehung eines sachverständigen Dritten bis zu 25 Tage mit einer Fördersumme bis maximal 800 Euro pro Beratertag (später 1.100 Euro). In der Richtlinie war bestimmt, dass insbesondere die Angaben über den Eigenanteil, über die Finanzierung des Eigenanteils und Tatsachen, die durch Scheingeschäfte und Scheinhandlungen verdeckt werden, subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB iVm § 2 SubvG sind. In den Formularen wurde jeweils ausdrücklich in Fettdruck auf die Eigenbeteiligung des KMU hingewiesen. Bei Anforderung der Fördersumme musste die G. ausdrücklich bestätigen, dass der Eigenanteil an sie gezahlt worden war. Nach Prüfung der Unterlagen wurde ein Zuwendungsbescheid erlassen, wonach 50 % der vorhabenbezogenen Ausgaben an das Beratungsunternehmen (also die G.) als nicht rückzahlbarer Zuschuss ausbezahlt werden. Die eingereichten Unterlagen (einschließlich einer Belegliste) wurden auf Vollständigkeit, inhaltlich jedoch lediglich kursorisch geprüft, wobei beim Projektträger etwa 5 % der Zuwendungsbescheide kontrolliert wurden.

2. Der Angeklagte S. sah das finanzielle Potential der „goinno-Förderung“, insbesondere weil damit - anders als bei einer erfolgsabhängigen Bezahlung - kein finanzielles Risiko für die G. verbunden war. Dafür war die Kundenakquise deutlich schwieriger, weil das KMU 50 % des Beraterhonorars selbst zahlen musste. Der Angeklagte S. entwickelte deshalb mehrere Methoden zur Umgehung des Eigenanteilerfordernisses. Zunächst wurde den Unternehmen von der G. ein direkter „Zuschuss“ in dieser Höhe gewährt, den diese als „Eigenanteil“ an die G. zurückzahlten. Nach weiterer Verschärfung der Förderbedingungen 2011 (Offenlegung von Geschäftsbeziehungen des Beratungsunternehmens zum KMU) und einem Hinweis des Steuerberaters auf die Unzulässigkeit dieses Vorgehens, änderte der Angeklagte S. sein Geschäftsgebaren. Er finanzierte den Eigenanteil nunmehr über Scheinauftragserteilungen, auf deren Grundlage das KMU der G. oder von dieser eingebundenen Drittunternehmen entsprechende (Schein-)Rechnungen in Höhe des Eigenanteils stellte, um diesen Betrag nach Eingang an die G. zu überweisen. Die Mitangeklagten waren in unterschiedlicher Weise in dieses Vorgehen eingebunden und profitierten davon finanziell, teils als hinzugezogene sachverständige Dritte.

3. Mit diesem für die Kunden völlig risikofreien Geschäftsmodell warb der Angeklagte S. bundesweit Kunden für die G. an. Teils wurde dabei auch ein Bonus von 1.000 bis 2.000 Euro über dem eigentlichen Eigenanteil versprochen. Soweit möglich sollte dann eine „ZIM-Förderung“ folgen, die aufgrund der Vorarbeiten deutlich größere Erfolgschancen hatte. Teils wurden mit der G. verbundene sachverständige Dritte hinzugezogen, um die maximale Fördersumme zu erreichen. Für etwa 340 auf diese Weise durchgeführte Beratungen erhielt die G. in den Jahren 2011 bis 2015 eine Fördersumme von etwa 3,9 Mio. Euro ausgezahlt. Die G. hatte durch ihr Vorgehen ganz erhebliche Wettbewerbsvorteile auf dem Markt. Sie war so erfolgreich mit ihrem Konzept, dass sie im Tatzeitraum zwischen 15 und 25 % aller „goinno-Beratungen“ bundesweit abwickelte. Das hatte letztlich auch Auswirkungen auf die „ZIM-Förderung“, weil mehr dieser Projekte erfolgreich umgesetzt werden konnten.

II.

Die Revisionen sind unbegründet. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Schuldsprüche. Auch die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung stand.

1. Mehrere Revisionen rügen insoweit, die Strafkammer habe nicht strafmildernd eingestellt, dass die Beratungsleistungen jeweils vollständig und fehlerfrei erbracht worden seien. Dass das Landgericht davon ausgegangen sei, belege jedenfalls - so einzelne Verfahrensrügen - der Umgang mit einem darauf gerichteten Hilfsbeweisantrag. Es liege angesichts mangelfreier Beratung keine Zweckverfehlung der Subvention vor, weshalb die Höhe der Fördersumme nicht den Schaden abbilde und deshalb nicht in voller Höhe in die Strafzumessung habe einfließen dürfen. Die Strafkammer habe vielmehr den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Beratungsleistung von der erlangten Subventionssumme in Abzug bringen müssen.

2. Mit diesen Ausführungen decken die Revisionen keinen Rechtsfehler auf. Wie sich aus dem Urteil in seiner Gesamtheit - und insbesondere auch aus der Behandlung des Hilfsbeweisantrags - ergibt, ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die einzelnen Beratungsleistungen vollständig und mangelfrei erbracht worden sind. Zu Recht hat das Landgericht dem aber keine ausschlaggebende Bedeutung im Rahmen der Strafzumessung beigemessen, sondern ihr die Gesamtsumme der jeweils zu Unrecht ausgezahlten Fördergelder zugrunde gelegt. Denn in Konstellationen wie der vorliegenden muss der gesamte ausgezahlte Förderbetrag als „Schaden“ angesehen werden.

a) Auch wenn bei § 264 StGB der Eintritt eines Schadens oder dessen Höhe für die Verwirklichung des Tatbestandes ohne Relevanz sind, hat die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung ohne Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten eingestellt, in welcher Höhe zu Unrecht Fördermittel erlangt wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2018 - 3 StR 357/17; vom 23. April 2020 - 1 StR 559/19).

b) Die strafschärfende Berücksichtigung der durch die jeweiligen Tatbeiträge erlangten gesamten Fördersumme widerspricht - anders als die Revisionen meinen - der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur strafzumessungsrechtlichen Relevanz von Leistungen zur Erfüllung des Subventionszwecks im Rahmen der Schadensbestimmung nicht.

aa) Diese betraf zunächst lediglich Konstellationen, in denen bei Täuschungen im Rahmen von Subventionszahlungen eine Strafbarkeit nach § 263 StGB angenommen wurde (vgl. zum Konkurrenzverhältnis von § 263 und § 264 StGB BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2023 - 2 StR 243/22, NJW 2024, 94 mwN). Zur Berechnung der Schadenshöhe nach § 263 StGB im Rahmen des Abrufs bereits bewilligter Fördermittel gegen Rechnungsnachweis hat der Bundesgerichtshof erkannt, dass es dabei nicht darauf ankomme, ob der eingereichte Beleg „formal“ korrekt, sondern ob die Leistung dem Subventionszweck entsprechend erbracht worden sei (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2008 - 5 StR 581/07, NStZ-RR 2008, 281; vom 25. April 2014 - 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205; enger noch BGH, Urteil vom 30. Juni 1982 - 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93; vgl. aus zivilrechtlicher Sicht zur Schadenberechnung auch BGH, Urteile vom 16. Juli 2013 - VI ZR 442/12, BGHZ 198, 50 [zu § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB], und vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, NJWRR 2015, 275 [zu § 826 BGB]). Diese Rechtsprechung hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs - allerdings nicht tragend - ohne nähere Begründung auf § 264 StGB ausgedehnt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 StR 559/19).

bb) Der Senat hat Bedenken, dem zu folgen.

(1) Dies gilt bereits für den Ausgangspunkt der Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624), wonach bei Vorlage von Scheinrechnungen die täuschungsbedingte Auszahlung von Fördermitteln dann keinen Schaden im Sinne von § 263 StGB darstellen soll, wenn zuvor nach Zusage der Förderung tatsächlich Leistungen im Sinne des Subventionszwecks erbracht wurden. Dies verkennt, dass die öffentliche Hand die Auszahlung von Fördermitteln zu Recht gerade auch deshalb von der Vorlage wahrheits- und ordnungsgemäßer Rechnungen abhängig macht, um Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Lohndumping, illegale Beschäftigung oder eine andere den öffentlichen Interessen zuwiderlaufende Mittelverwendung auszuschließen. Werden entgegen den Förderbedingungen Scheinrechnungen eingereicht und irrtümlich für ordnungsgemäß gehalten, zahlt der Subventionsgeber täuschungsbedingt eine Fördersumme aus, die er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht ausgezahlt hätte. Dass diese täuschungsbedingte Vermögensminderung nicht in Höhe des Auszahlungsbetrages zu einem Schaden führen soll, weil zuvor Gelder gemäß dem Förderzweck investiert wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624), widerspricht der Betrugsdogmatik.

Für die Schadensberechnung bei § 263 StGB gilt (vgl. hierzu näher BGH, Urteil vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19 Rn. 45, BGHSt 65, 110 mwN): Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswertes unmittelbar vor und nach der Verfügung. In den für die Schadensbetrachtung anzustellenden Vermögensvergleich muss eine Vermögensmehrung beim Verfügenden einbezogen werden, wenn der Vermögenszuwachs unmittelbar durch die Verfügung erfolgt ist. Unmittelbar bedeutet, dass die Vermögensverfügung selbst Vorteil und Nachteil zugleich hervorbringt. Hypothetische Erwägungen haben dabei außen vor zu bleiben.

Für das Vermögen der öffentlichen Hand gilt nichts anderes als für die Vermögen anderer Vermögensinhaber. Der Vermögensschaden ist hier nicht anders zu berechnen. Die Besonderheit besteht bei der Gewährung von Subventionen lediglich darin, dass die „Gegenleistung“ des Empfängers in der Erbringung bestimmter Leistungen zur Erfüllung des Subventionszwecks besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624 mwN). Wie in anderen Konstellationen gilt aber auch hier: Erbringt der Zahlungsempfänger eine Leistung vorab und täuscht anschließend im Rahmen der Abrechnung über das Vorliegen tatsächlicher Anspruchsvoraussetzungen, ist der gesamte ausgezahlte Betrag als Betrugsschaden anzusehen, wenn unter diesen Bedingungen kein Rechtsanspruch auf die Zahlung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19, BGHSt 65, 110; BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 2 BvR 2023/20, wistra 2021, 436). Für die wirtschaftliche Bewertung eines Zahlungsvorganges sind die rechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich. Dies spiegelt wider, dass erst die Anerkennung einer Forderung durch die Rechtsordnung dieser in einem Rechtsstaat wirtschaftlichen Wert verleiht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 2 BvR 2023/20, wistra 2021, 436).

Der vor der Auszahlung geleistete Einsatz von Mitteln zur Erfüllung des Subventionszwecks hat bei der Schadensberechnung grundsätzlich außen vor zu bleiben. Liegen nach grundsätzlicher Bewilligung der Subvention die Voraussetzungen für eine Auszahlung der Fördersumme nicht vor, hat der Subventionsnehmer keinen Rechtsanspruch darauf. Leistet die öffentliche Hand gleichwohl, leistet sie ohne Rechtsgrund. Dieser Vermögensabfluss wird nicht kompensiert. Denn bei der insoweit im Zeitpunkt der Vermögensverfügung gebotenen Gesamtsaldierung sind keine vermögenswerten Vorteile der öffentlichen Hand ersichtlich, die ihr gleichzeitig mit der Auszahlung der Fördersumme für bereits geleistete Investitionen zufließen würden. Ob der Subventionsempfänger zuvor Teile der zugesagten, aber noch nicht ausgezahlten Fördersumme im Sinne des Subventionszwecks verwendet hat oder nicht, kann schon in zeitlicher Hinsicht zu keiner schadensmindernden Kompensation führen (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19 Rn. 45 ff., BGHSt 65, 110). Dass der Subventionsempfänger in Ansatz gebrachte Leistungen auch ordnungsgemäß hätte abrechnen können (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624), muss als bloß hypothetische Erwägung außen vor bleiben (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1987 - 1 StR 456/86, BGHSt 34, 265; vom 19. August 2020 - 5 StR 558/19, BGHSt 65, 110). Beim Subventionsbetrug durch Täuschung über die Auszahlungsbedingungen einer zuvor zugesagten Förderung geht es demnach regelmäßig nicht um die Bestimmung des wirtschaftlichen Werts einer zuvor erbrachten „Gegenleistung“ (so aber wohl BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 5 StR 334/05, NStZ 2006, 624), sondern um die Frage, ob im Zeitpunkt der Auszahlung tatsächlich ein Anspruch darauf besteht.

(2) Ebenso wenig überzeugt es, die zur Schadensbestimmung im Rahmen von § 263 StGB entwickelte Rechtsprechung begründungslos auf § 264 StGB zu übertragen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 StR 559/19). Während § 263 StGB zur Tatbestandserfüllung den Eintritt eines Vermögensschadens voraussetzt, ist dies bei § 264 StGB nicht der Fall. Weshalb für ein bloßes Gefährdungsdelikt die gleichen Maßstäbe wie für ein Erfolgsdelikt gelten sollen, erschließt sich nicht ohne weiteres. Mit § 264 StGB sollte eine Strafvorschrift geschaffen werden, die bereits die Täuschungshandlung allein pönalisiert, bei der einzige Voraussetzung der Strafbarkeit die Täuschungshandlung ist und schon die bloße (im Rahmen eines Subventionsvergabeverfahrens vorgenommene) folgenlose Täuschungshandlung den Tatbestand erfüllt (BGH, Urteil vom 20. Januar 1987 - 1 StR 456/86, BGHSt 34, 265). Einen „Schaden“ der öffentlichen Hand setzt § 264 StGB nicht voraus, so dass auch Erwägungen zu einer etwaigen Schadenskompensation durch Erreichung des Förderzwecks nicht angebracht sind. Solche Elemente des § 263 StGB in die vom Gesetzgeber ganz anders konzipierte Vorschrift des § 264 StGB zu übernehmen, überzeugt nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Januar 1987 - 1 StR 456/86, BGHSt 34, 265). Im Rahmen der Strafzumessungsvorschrift des § 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB wird zwar darauf abgestellt, ob der Täter unter bestimmten Bedingungen eine „nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes“ erlangt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. November 1990 - 1 StR 548/90, wistra 1991, 106). Nicht gerechtfertigt ist eine Subvention aber schon dann, wenn die Vergabevoraussetzungen nicht erfüllt sind (MüKoStGB/Ceffinato, 4. Aufl., § 264 Rn. 137). Dies schließt wichtige formale Bedingungen ihrer Gewährung oder Auszahlung ein. Denn regelmäßig dienen diese öffentlichen Zwecken, von denen der Subventionsgeber die Auszahlung der Fördergelder im öffentlichen Interesse abhängig macht.

cc) Letztlich bedarf all dies keiner Entscheidung, da die in Rede stehenden Beratungen überhaupt nicht förderfähig waren. Der Subventionsgeber hat nach den Förderrichtlinien nur solche Beratungsleistungen fördern wollen, an denen sich das beratene Unternehmen mit 50 % der Kosten selbst beteiligt. Deshalb hat er die Erbringung eines solchen „Eigenanteils“ zur Voraussetzung der Förderung insgesamt gemacht. Diese Einschränkung diente ersichtlich vom Subventionsgeber bestimmten öffentlichen Zwecken, denen die Finanzierung des Eigenanteils durch das Beratungsunternehmen G. zuwiderlief.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass die durch den Eigenanteil eigentlich gewünschte Leistungs- und Qualitätskontrolle der Beratung durch die Umgehung des Eigenanteils erheblich gestört wurde, wodurch für den Subventionsgeber das unerwünschte Risiko einer wahllosen Förderung von Projektideen entstand. Damit wurde die eigentliche Idee des „goinno-Projekts“, den Gründergeist der KMUs zu unterstützen und ihnen bei der Entwicklung geeigneter Projekte zu helfen, an die sie selbst glauben, konterkariert. Der Subventionsgeber wollte also nicht irgendwelche Innovationsberatungen, sondern nur bestimmte fördern. Beratungen ohne Erbringung eines Eigenanteils, wie sie von der G. angeboten wurden, fielen nicht darunter.

Wer die Voraussetzungen für die Leistung einer Subvention nicht erfüllt, hat auf sie keinen Anspruch. Erhält er sie durch Täuschung über die Fördervoraussetzungen irrtumsbedingt doch, stellt die gesamte Fördersumme den Vermögensschaden der öffentlichen Hand dar (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275). Um lediglich formelle Voraussetzungen, die etwa der bloßen Erleichterung der Verwaltungstätigkeit oder der Beweissicherung dienen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14, NJWRR 2015, 275; vom 30. Juni 1982 - 1 StR 757/81, BGHSt 31, 93; vom 8. April 2003 - 5 StR 448/02, NJW 2003, 2179 jeweils mwN), ging es bei den Nachweisen zur Finanzierung des Eigenanteils offensichtlich nicht.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 631

Bearbeiter: Christian Becker