HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1017
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 507/22, Urteil v. 29.05.2024, HRRS 2024 Nr. 1017
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. September 2022 aufgehoben.
2. Der Angeklagte wird freigesprochen.
3. Die gegen die Einziehungsbeteiligte gerichtete Einziehungsanordnung entfällt.
4. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen.
5. Der Angeklagte ist für die am 29. Mai 2018 erfolgte Durchsuchung und Sicherstellung zu entschädigen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Ordnungswidrigkeit des „fahrlässigen Unterlassens einer Aufsichtsmaßnahme, die erforderlich ist, um in einem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern“ (§ 130 Abs. 1 OWiG) zu einer Geldbuße von 10.000 € verurteilt. Gegen die Nebenbeteiligte hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 777.638,71 € angeordnet. Mit ihren jeweils auf die ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen beanstanden der Angeklagte seine Verurteilung und die Einziehungsbeteiligte die gegen sie gerichtete Einziehungsentscheidung. Der Angeklagte macht darüber hinaus - nicht ausgeführt - die Verletzung formellen Rechts geltend. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zu seiner Freisprechung aus Rechtsgründen. Infolge dieser Entscheidung hat - in entsprechender Anwendung des § 357 Satz 1 StPO - die Einziehungsentscheidung zu entfallen.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte, ein promovierter Chemiker, war von 2013 bis 2021 alleiniger Geschäftsführer der Einziehungsbeteiligten, der V. GmbH. Die in der Produktion von Tierarzneimitteln tätige Gesellschaft, bei der es sich um ein Tochterunternehmen eines global agierenden Pharmakonzerns handelt, stellte im Tatzeitraum - 2017 und 2018 - in F. Injektionslösungen her, die zum Betäuben beziehungsweise Einschläfern von Tieren bestimmt waren und verwendet wurden. Die Produkte mit den Bezeichnungen „B.“ und „S. “, die den Wirkstoff Pentobarbital(-natrium) enthielten, wurden von der V. GmbH unter anderem in die USA und nach Japan exportiert. Das in die USA exportierte Medikament „B.“ diente dort zur Tötung von Hunden. Das nach Japan ausgeführte Produkt „S.“ wurde als Anästhetikum für Säugetiere genutzt.
Die mit der Abwicklung der Exporte betraute Mitarbeiterin des Unternehmens holte zwar jeweils die für Ausfuhren in die USA und nach Japan erforderliche betäubungsmittelrechtliche Genehmigung der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ein. Sie unterließ es aber in Unkenntnis der Rechtslage, auch eine zweite (ausfuhrrechtliche) Genehmigung der Exporte beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu erwirken. Diese war wegen des Wirkstoffs Pentobarbital(-natrium), der in einigen Staaten zur Vollstreckung von Todesstrafen verwendet wird, seinerzeit aufgrund Art. 7b Abs. 1 der EU-Verordnung 1236/2005 „betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden können“ (EU-Anti-Folter-Verordnung 2005) in Verbindung mit Anlage IIIa zu dieser Verordnung erforderlich.
Es kam daher im Zeitraum von 10. November 2017 bis zum 12. Januar 2018 zu fünf urteilsgegenständlichen Exporten mit nur einer Genehmigung der Bundesopiumstelle, aber ohne eine des BAFA, und zwar zu drei Lieferungen von „B.“ in die USA und zwei von „S.“ nach Japan. Den Abnehmern in den USA und Japan stellte die Einziehungsbeteiligte wegen dieser fünf durchgeführten Verkäufe einen Kaufpreis in Höhe von insgesamt 777.638,71 € in Rechnung.
Am 21. Februar 2018 wurden zwei weitere Lieferungen in die USA und nach Japan, die auf dem Luftweg erfolgen sollten, im Rahmen einer Zollkontrolle am Flughafen Br. angehalten, weil einer dort tätigen Zollbeamtin das Fehlen der erforderlichen BAFA-Ausfuhrgenehmigung nach der EU-Anti-Folter-Verordnung aufgefallen war. Die vorherigen Lieferungen waren vom Zoll aufgrund unzutreffender Angaben in den Ausfuhrbegleitdokumenten nicht beanstandet worden. Erst durch das Einschreiten des Zolls im Februar 2018 wurde man bei der V. GmbH auf das Genehmigungserfordernis nach der EU-Anti-Folter-Verordnung aufmerksam.
Die für die Abwicklung der Exporte zuständige Mitarbeiterin der Einziehungsbeteiligten hätte bei Anwendung der ihr gebotenen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass die Ausfuhren pentobarbitalhaltiger Medizinprodukte nach Japan und in die USA der Genehmigung durch das BAFA gemäß der EU-Anti-Folter-Verordnung bedurften.
Der Angeklagte richtete als verantwortlicher Geschäftsführer der V. GmbH kein wirksames Export-Kontrollsystem in dem Unternehmen ein. Insbesondere unterließ er es, organisatorische Vorkehrungen dahin zu treffen, dass in Bezug auf den Export pentobarbitalhaltiger Medizinprodukte alle gesetzlichen Bestimmungen beachtet und alle erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen eingeholt wurden. Dieses Versäumnis führte dazu, dass die mit den Exporten konkret befassten Personen keine Kenntnis von dem Genehmigungserfordernis nach der EU-Anti-Folter-Verordnung hatten, daher beim BAFA keine Ausfuhrgenehmigungen beantragten und die Exporte ohne eine solche veranlassten. Der Angeklagte hätte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt als Geschäftsführer erkennen können und müssen, dass er keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hatte, um die Beachtung aller ausfuhrrechtlichen Vorschriften in dem von ihm geführten Unternehmen sicherzustellen und Exporte von pentobarbitalhaltigen Tierarzneimitteln ohne die erforderliche Ausfuhrgenehmigung durch das BAFA zu verhindern. Hätte der Angeklagte die erforderlichen Maßnahmen zur Errichtung eines wirksamen Export-Kontrollsystems ergriffen, wäre die Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung nach der EU-Anti-Folter-Verordnung erkannt worden und es nicht zu den urteilsgegenständlichen Ausfuhren ohne BAFA-Genehmigung gekommen.
2. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten rechtlich als Ordnungswidrigkeit der fahrlässigen Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG gewertet. Der Angeklagte habe als verantwortlicher Geschäftsführer der V. GmbH fahrlässig Aufsichtsmaßnahmen unterlassen, die erforderlich waren, um Zuwiderhandlungen gegen unternehmensbezogene Pflichten zu verhindern, deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Solche Zuwiderhandlungen seien in Gestalt der urteilsgegenständlichen Exporte ohne ausfuhrrechtliche Genehmigung des BAFA erfolgt; diese wären bei Ergreifen der gebotenen Aufsichtsmaßnahmen verhindert worden.
Die Zuwiderhandlungen seien zur Tatzeit mit Strafe beziehungsweise Geldbuße bedroht gewesen. Denn Art. 7b Abs. 1 Satz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 (EU-Verordnung 1236/2005) habe in Verbindung mit Anlage IIIa der Verordnung die Ausfuhr von Medikamenten mit dem Wirkstoff Pentobarbital(-natrium) einem Genehmigungserfordernis unterworfen. § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 AWG in der Tatzeitfassung habe die vorsätzliche Ausfuhr von Gütern ohne Vorliegen einer nach Art. 7b Abs. 1 Satz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 erforderlichen Genehmigung unter Strafe gestellt. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 AWG sei die fahrlässige Ausfuhr ohne erforderliche Genehmigung als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt gewesen.
Die Strafkammer hat erörtert, dass die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 mit Wirkung vom 20. Februar 2019 ersetzt wurde durch eine neue EU-Anti-Folter-Verordnung (EU-Verordnung 2019/125), die zwar ebenfalls das hier relevante Genehmigungserfordernis enthält, es indes in einem anderen Artikel und unter Verweis auf eine anders bezeichnete Anlage zur neuen EU-Verordnung normiert. Die Blankettstrafvorschrift des § 18 Abs. 4 AWG, die Verstöße gegen die EU-Anti-Folter-Verordnung unter Strafe stellt (und damit die auf diese verweisende Bußgeldvorschrift § 19 Abs. 1 Nr. 1 AWG), wurde jedoch erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zum 17. Juli 2020 angepasst; bis dahin nahm sie explizit Bezug auf die seit dem 20. Februar 2019 nicht mehr geltende EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 und die dortigen Regelungen. Das Landgericht hat indes unter Verweis auf die im vorliegenden Verfahren in einem Zwischenrechtsstreit über die Eröffnung des Hauptverfahrens ergangene Eröffnungsentscheidung des OLG Oldenburg (Beschluss vom 16. April 2021 - 1 Ws 71/21, juris) eine temporäre Strafbarkeitsbeziehungsweise Ahndbarkeitslücke in der Zeit vom 20. Februar 2019 bis zum 17. Juli 2020 durch die späte Anpassung der deutschen Blankettstrafvorschrift an das neue EU-Recht verneint. Das Verhalten des Angeklagten sei auch nach der Tat weiter durchgängig bußgeldbewehrt gewesen; es habe keine Phase der fehlenden Strafbarkeit beziehungsweise Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen Genehmigungserfordernisse nach der EU-Anti-Folter-Verordnung gegeben, die gemäß dem lex-mitior-Grundsatz des § 2 Abs. 3 StGB beziehungsweise § 4 Abs. 3 OWiG einer Strafbarkeit oder Verhängung einer Geldbuße wegen einer zuvor begangenen Tat - auch einer solchen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG - entgegenstünde.
Die Strafkammer hat deshalb gegen den Angeklagten wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG die genannte Geldbuße festgesetzt.
3. Die gegen die Nebenbeteiligte gerichtete Einziehung des Wertes von Taterträgen hat die Strafkammer auf § 29a Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG gestützt. Hierbei ist sie davon ausgegangen, dass die V. GmbH durch die fünf urteilsgegenständlichen Ausfuhren als Drittbegünstigte Kaufpreisforderungen in Höhe von insgesamt 777.638,71 € erlangte. Einen Abzug der Produktionskosten, also der Aufwendungen der Einziehungsbeteiligten für die Herstellung der ausgeführten Güter, hat das Landgericht unter Hinweis auf das in § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG normierte „Bruttoprinzip“ abgelehnt.
Die Revisionen haben Erfolg.
1. Die insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten nicht. Dieser hat zwar nach dem zur Tatzeit geltenden Recht eine Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG begangen; insofern ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden (hierzu unten a)). Allerdings ist er aus Rechtsgründen unter Aufhebung des Urteils freizusprechen, weil das betreffende Verhalten nach der Tat wegen einer längere Zeit unterbliebenen Anpassung des Blankettstraftatbestandes § 18 Abs. 4 AWG an eine Neufassung der in Bezug genommenen EU-Verordnung zeitweilig nicht bußgeldbewehrt war (hierzu unten b) und c)). Diese temporäre Ahndbarkeitslücke führt in Anwendung des lex-mitior-Grundsatzes des § 4 Abs. 3 OWiG dazu, dass das Unterlassen des Angeklagten nicht (mehr) sanktioniert werden kann (hierzu unten d)).
a) Der Angeklagte beging nach dem zur Tatzeit geltenden Recht eine Ordnungswidrigkeit der fahrlässigen Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG. Danach handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.
Der Angeklagte war gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG als alleiniger Geschäftsführer der V. GmbH - des Inhabers im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG (vgl. KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl., § 130 Rn. 25) - verantwortliche Person und Normadressat der Bußgeldbewehrung des § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG (vgl. KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl., § 130 Rn. 26, 33 f.). Das Unternehmen war zur Zeit der urteilsgegenständlichen Exporte der Tiermedizinprodukte „B.“ in die USA und „S.“ nach Japan gemäß Art. 7b Abs. 1 Satz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 (EU-Verordnung 1236/2005) in Verbindung mit Anlage IIIa der Verordnung verpflichtet, für die Ausfuhr dieser Medikamente wegen ihres Wirkstoffs Pentobarbital(-natrium) eine ausfuhrrechtliche Genehmigung des BAFA einzuholen. Dieser Pflicht wurde zuwidergehandelt. Der Angeklagte hätte das Genehmigungserfordernis erkennen können und müssen und organisatorische Vorkehrungen dahin treffen müssen, dass in Bezug auf den Export pentobarbitalhaltiger Medizinprodukte alle gesetzlichen Bestimmungen beachtet und alle erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen eingeholt wurden, etwa durch Einrichtung eines effektiven Export-Kontrollsystems und Schulungen der mit der Exportabwicklung befassten Mitarbeiter. Hierzu kam es erst nach dem Anhalten weiterer Lieferungen durch den Zoll im Februar 2018. Hätte der Angeklagte diese gebotenen Aufsichtsmaßnahmen rechtzeitig ergriffen, wäre es nicht zu dem Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis nach Art. 7b Abs. 1 Satz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 gekommen.
Die hier inmitten stehenden Zuwiderhandlungen waren zur Tatzeit mit Strafe beziehungsweise Geldbuße bedroht. Denn nach § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 AWG in der Tatzeitfassung machte sich strafbar, „wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten (ABl. L 200 vom 30. Juli 2005, S. 1; L 79 vom 16. März 2006, S. 32), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2016/2134 (ABl. L 338 vom 13. Dezember 2016, S. 1) geändert worden ist,“ verstieß, „indem er (…) 8. ohne Genehmigung nach (…) Art. 7b Abs. 1 Satz 1 dort genannte Güter ausführt[e]“. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 AWG war die fahrlässige Ausfuhr ohne erforderliche Genehmigung - um solche Handlungen ging es vorliegend - als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt.
b) Die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 (EU-Verordnung 1236/2005) wurde mit Wirkung zum 20. Februar 2019 aufgehoben. An ihre Stelle trat die am selben Tag in Kraft getretene „Verordnung EU 2019/125 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Januar 2019 über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten“ (ABl. L 30 vom 31. Januar 2019, S. 1). Diese EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 unterwirft die Ausfuhr von Medizinprodukten mit dem Wirkstoff Pentobarbital(-natrium) ebenfalls einem Genehmigungserfordernis. Dieses ist nunmehr allerdings in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Anhang IV der EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 geregelt. Insofern hat sich auf der Ebene des EU-Rechts an dem (durchgängigen) Genehmigungserfordernis in der Sache nichts geändert.
Die Blankettstrafvorschrift des § 18 Abs. 4 AWG blieb indes über einen Zeitraum von nahezu eineinhalb Jahren unverändert. Sie wurde erst mit Wirkung zum 17. Juli 2020 dahin an die Neuregelung des EU-Rechts angepasst, dass seither nach § 18 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 AWG strafbar ist, wer „gegen die Verordnung (EU) 2019/125 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Januar 2019 über den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten (ABl. L 30 vom 31. Januar 2019, S. 1) (…) verstößt, indem er (…) 8. ohne Genehmigung nach (…) Art. 16 Abs. 1 Satz 1 dort genannte Güter ausführt“ (Erstes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2020, BGBl. 2020 I, S. 1637). Damit wurde mittelbar auch § 19 Abs. 1 Nr. 1 AWG an die neue EU-Anti-Folter-Verordnung angepasst. Denn diese Vorschrift geht, soweit hier von Interesse, unverändert dahin, dass ordnungswidrig handelt, wer eine in § 18 Abs. 4 bezeichnete Handlung fahrlässig begeht.
c) Indem die Blankettstrafvorschrift des § 18 Abs. 4 AWG im Zeitraum vom 20. Februar 2019 bis 17. Juli 2020 auf außer Kraft getretenes EU-Recht als blankettausfüllende Norm verwies, ging sie „ins Leere“ und vermochte sie in dieser Zeit keine Strafbarkeit zu begründen (vgl. zu entsprechenden Fallkonstellationen BVerfG, Beschluss vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769 Rn. 14; BGH, Urteil vom 23. Juli 1992 - 4 StR 194/92, NStZ 1992, 535, 536; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 Ss OWi 1265/07, DAR 2008, 99, 100; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - IV-2 Ss (OWi) 83/07 - (OWi) 64/07 III, NJW 2008, 930, 931; OLG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2007 - 1-11/07 (RB) - 3 Ss 34/07, NZV 2007, 372; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2008 - 2 Ss Bs 6/08, NZV 2008, 311, 312; s. ferner Schönke/Schröder/ Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 27; Morweiser in Wolffgang/Rogmann/Pietsch, WAR-Kommentar, 82. EL, § 18 AWG Rn. 79; SSW-StGB/Satzger, 6. Aufl., § 2 Rn. 24; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 1 Rn. 68; BeckOK Außen-WirtschaftsR/Schwendinger, 12. Ed., § 18 AWG Rn. 54; MüKoStGB/Wagner, 4. Aufl., § 18 AWG Rn. 122; GJW/Bock, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl., § 2 StGB Rn. 36; Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, 3. Aufl., § 18 AWG Rn. 62; Harms/ Heine, FS Amelung, S. 393, 397; Hoffmann, AWPrax 2022, 247, 250; Möllers/ Herz, JZ 2017, 445 ff.; Stein/Louca, AWPrax 2019, 450, 452).
aa) Diese temporäre Straflosigkeit wäre zwar nicht gegeben, wenn die Bezugnahme auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 in der bis zum 17. Juli 2020 geltenden Fassung des § 18 Abs. 4 AWG als statischer Verweis auf die Regelungen dieser EU-Verordnung nebst ihren Anlagen unabhängig von deren Geltung zu verstehen wäre. Ein solcher (absolut-)statischer Verweis ist statthaft; es ist dem Gesetzgeber möglich, Blankettstraftatbestände so zu gestalten, dass die blankettausfüllenden Normen unabhängig von ihrer Rechtsgeltung in Bezug genommen und damit deren Regelungen in den Blankettstraftatbestand inkorporiert werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2018 - 2 BvR 375/17, 2 BvR 1785/17, juris Rn. 14; vom 3. Mai 2018 - 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091, Rn. 24; vom 19. Dezember 1991 - 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521, 522; BGH, Beschlüsse vom 21. April 2021 - 3 StR 225/20, NStZ-RR 2021, 283, 284; vom 8. August 2018 - 2 StR 210/16, NStZ-RR 2019, 49, 50; vom 10. Januar 2017 - 5 StR 532/16, BGHSt 62, 13 Rn. 10). Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG wäre damit nicht verbunden; die Verhaltensvorschrift, auf die ein Blankettstraftatbestand verweist, braucht ihrerseits nicht unbedingt (noch oder bereits) in Geltung zu sein (BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2018 - 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091, Rn. 24; BGH, Beschlüsse vom 21. April 2021 - 3 StR 225/20, NStZ-RR 2021, 283, 284; vom 8. August 2018 - 2 StR 210/16, NStZ-RR 2019, 49, 50; vom 10. Januar 2017 - 5 StR 532/16, BGHSt 62, 13 Rn. 10; aA SSW-StGB/Satzger, 6. Aufl., § 2 Rn. 24; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 1 Rn. 69; Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, 3. Aufl., § 18 AWG Rn. 62; BeckOK Außen-WirtschaftsR/Schwendinger, 12. Ed., § 18 AWG Rn. 54; Gaede, wistra 2017, 41, 43; Harms/Heine, FS Amelung, S. 393, 397; Möllers/Herz, JZ 2017, 445, 449; Stein/Louca, AWPrax 2019, 450, 452).
Ob aber die konkret in Frage stehende Blankettstrafnorm die Bezugsvorschrift unabhängig von ihrer Geltung erfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2018 - 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091, Rn. 25; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - 5 StR 532/16, BGHSt 62, 13 Rn. 10; Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, 2689, 2691).
Eine Gesamtbetrachtung des Wortlauts von § 18 Abs. 4 AWG, des Regelungszwecks und des Kontextes dieser Strafnorm zeigt indes, dass der deutsche Gesetzgeber die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 nicht losgelöst von ihrer europarechtlichen Geltung, sondern als geltendes EU-Recht und in Abhängigkeit von ihrer Rechtsgeltung in Bezug nehmen wollte.
Der Verweis auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 in § 18 Abs. 4 Satz 1 AWG war mit dem Zusatz versehen „die zuletzt durch die Verordnung (…) geändert worden ist“. Der Zusatz wurde regelmäßig aktualisiert. Dies verdeutlicht, dass der Gesetzgeber zwar mit der Blankettstrafvorschrift des § 18 Abs. 4 Satz 1 AWG nicht dynamisch auf die jeweils geltende (Fassung der) EU-Anti-Folter-Verordnung Bezug nahm, wohl aber auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 in ihrer konkret genannten Fassung. Es kam dem Gesetzgeber mithin darauf an, soweit möglich auf die jeweils aktuell geltende Fassung der Verordnung Bezug zu nehmen und diese zu inkorporieren. Dem lässt sich letztlich entnehmen, dass es das Ziel des Gesetzgebers war, Verstöße gegen eine - möglichst: die aktuell - geltende Fassung der EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 zu pönalisieren.
Insbesondere aber aus der bis zum 17. Juli 2020 in Kraft befindlichen Fassung des § 18 Abs. 4 Satz 2 AWG lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber den Verweis auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 in § 18 Abs. 1 Satz 1 AWG als Inbezugnahme geltenden EU-Rechts verstanden wissen wollte. Denn § 18 Abs. 4 Satz 2 AWG lautete bis zum 17. Juli 2020: „Soweit die in Satz 1 genannten Vorschriften auf die Anhänge II, III oder IIIa zur Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 verweisen, finden diese Anhänge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.“ Hinsichtlich der Anhänge wählte der Gesetzgeber mithin den Weg der dynamischen Verweisung auf die aktuell geltende Fassung. Die Geltung der Anhänge II, III und IIIa zur Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 aber war - wie ihre Ablösung durch neu benannte Anhänge zur EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 mit deren Inkrafttreten zeigt - abhängig von dem In-Kraft-Sein der EU-Anti-Folter-Verordnung 2005. Aus § 18 Abs. 4 Satz 2 AWG in der bis zum 17. Juli 2020 geltenden Fassung folgt daher, dass die durch die Blankettstrafnorm des § 18 Abs. 4 Satz 1 AWG begründete Strafbarkeit abhängig war von der (Fort-)Geltung der EU-Anti-Folter-Verordnung 2005, so dass mit deren Außerkrafttreten am 20. Februar 2019 die Blankettstrafnorm bis zu ihrer Neufassung obsolet war. Dies zeigt auch folgende Überlegung: Nach Art. 7b Abs. 1 Satz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 war die Ausfuhr der in Anhang IIIa dieser Verordnung aufgeführten Güter genehmigungsbedürftig. Dieser Anhang aber trat zum 20. Februar 2019 außer Kraft. Mithin gab es ab diesem Zeitpunkt keine „geltende Fassung“ des Anhangs IIIa mehr, auf den § 18 Abs. 4 Satz 2 AWG fortan bis zum 17. Juli 2020 Bezug hätte nehmen können.
Hinzu kommt, dass es dem Gesetzgeber mit der Blankettstrafvorschrift des § 18 Abs. 4 AWG ersichtlich darauf ankam und darauf ankommt, Verstöße gegen in Kraft befindliches EU-Recht unter Strafe zu stellen beziehungsweise einer Bußgeldbewehrung zu unterstellen, nicht aber eine autonome Pönalisierung unabhängig von geltenden EU-Vorschriften vorzunehmen. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 18 Abs. 4 AWG aF (vgl. BT-Drucks. 17/11127, S. 28) und zudem aus der Gesetzesbegründung zur am 17. Juli 2020 in Kraft getretenen Neufassung des § 18 Abs. 4 AWG, denn dort wird die Novellierung für erforderlich erachtet, um die Strafbewehrung von Verstößen gegen die EU-Anti-Folter-Verordnung zu gewährleisten, die Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 und Art. 33 Abs. 1 EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 ausdrücklich einforderte beziehungsweise einfordert (vgl. BT-Drucks. 19/18700, S. 2). Ferner folgt dies aus der dynamischen Verweisung des § 18 Abs. 4 Satz 2 AWG auf die Anhänge in der jeweils geltenden Fassung.
Relevant im vorliegenden Zusammenhang ist zudem der durch das „Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 2. Juni 2021“ (BGBl. 2021 I, S. 1275) neu geschaffene und am 9. Juni 2021 in Kraft getretene § 30 Abs. 1 AWG. Dieser bestimmt, dass dann, wenn eine in einer Vorschrift des AWG genannte Vorschrift eines unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union aufgehoben oder für nicht mehr anwendbar erklärt wird, für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 18 und 19 AWG, die bis zum Zeitpunkt der Aufhebung oder der Nichtanwendung begangen worden sind, die bis dahin geltende innerstaatliche Vorschrift abweichend von § 2 Abs. 3 StGB und § 4 Abs. 3 OWiG weiter anwendbar bleibt. Die Regelung macht deutlich, dass der Gesetzgeber die Verweise auf EU-Rechtsakte in § 18 AWG nicht als statische Verweise in dem Sinne verstanden wissen wollte und will, dass sie die Bestimmungen der in Bezug genommenen EU-Regelungen unabhängig von ihrer (Fort-)Geltung in die deutsche Blankettstrafnorm inkorporieren, sondern als (teilstatische) Verweise, die nur wirksam waren und sind, sofern und solange der in Bezug genommene EU-Rechtsakt als solcher (nicht aber unbedingt die konkret angeführte Fassung) europarechtlich galt beziehungsweise gilt. Denn anderenfalls hätte es des § 30 Abs. 1 AWG nicht bedurft. Diese Neuregelung soll gerade - wie auch die Gesetzesmaterialien zeigen (vgl. BT-Drucks. 19/27451, S. 1 f., 13) - temporäre Strafbarkeitslücken aufgrund einer verzögerten Anpassung des § 18 AWG an neues EU-Recht wie die hier zu verzeichnende verhindern (vgl. BeckOK AußenWirtschaftsR/Niestedt, 11. Ed., § 30 AWG Rn. 1).
Die Rechtslage ist insofern vergleichbar mit derjenigen, die sich ergab, als mit Wirkung zum 11. April 2007 eine EWG-Verordnung zu Sozialvorschriften im Straßenverkehr, die unter anderem Höchstlenkzeiten für LKW-Fahrer bestimmte (EWG-Verordnung Nr. 3820/85), durch eine neue Verordnung (EG-Verordnung Nr. 561/2006) ersetzt wurde. Der deutsche Gesetzgeber passte damals erst mit zeitlicher Verzögerung die betreffende Blankettnorm (Verweisungsnorm) der deutschen Fahrpersonalverordnung, die auf die alte EWG-Verordnung Bezug nahm und in Verbindung mit dem Fahrpersonalgesetz (FPersG) eine Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen diese begründete, an die neue EG-Verordnung als Bezugsnorm an. Auch hier wurde eine temporäre Ahndbarkeitslücke bejaht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769 Rn. 14; OLG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2007 - 1-11/07 (RB) - 3 Ss 34/07, NZV 2007, 372; OLG Koblenz, Beschlüsse vom 10. März 2008 - 2 Ss Bs 6/08, NZV 2008, 311, 312; vom 11. Mai 2007 - 1 Ss 113/07, NJW 2007, 2344; s. zudem BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 - 2 BvR 1491/87, BVerfGE 81, 132, 136 f.).
bb) § 18 Abs. 4 AWG in der bis zum 17. Juli 2020 geltenden Fassung war auch - und das Gleiche gilt für die aktuelle Regelung des § 18 Abs. 4 AWG - kein Zeitgesetz (im weiten Sinne) gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StGB mit der Folge, dass aus diesem Grund die aufgezeigte temporäre Strafbarkeitsbeziehungsweise Ahndbarkeitslücke ohne Relevanz wäre (vgl. Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 35; BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed., § 18 AWG Rn. 55; aA Morweiser in Wolffgang/Rogmann/Pietsch, WAR-Kommentar, 80. EL, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 161; Harms/Heine, FS Amelung, S. 393, 401 ff.). Denn die Vorschrift dient - anders als etwa die Pönalisierung von Verstößen gegen Embargoregeln (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 - AK 52/21, juris Rn. 41, 56; vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 167/14, wistra 2015, 148 Rn. 31; Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, 3. Aufl., Vorb §§ 17 ff. AWG Rn. 25; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 2 Rn. 70) - nicht dazu, die Missachtung von EU-Recht unter Strafe zu stellen, mit dem auf bestimmte politische Situationen reagiert und deren Überwindung erstrebt wird, das also der Sache nach zeitgebunden ist, so dass die Strafwürdigkeit von Zuwiderhandlungen nicht mit der Aufhebung der betreffenden EU-Vorschrift entfällt. Vielmehr lag und liegt dem hier inmitten stehenden Genehmigungserfordernis der EU-Anti-Folter-Verordnung und der Strafbarkeit beziehungsweise Bußgeldbewehrung von Zuwiderhandlungen die zeitlose Entscheidung zu Grunde, den Export von Medikamenten mit Wirkstoffen, die der Vollstreckung von Todesstrafen dienen können, einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen.
cc) Der Verweis in der bis zum 17. Juli 2020 geltenden Fassung des § 18 Abs. 4 Satz 1 AWG auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 kann auch nicht als dynamischer Verweis auf die jeweils geltende EU-Anti-Folter-Verordnung verstanden werden. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, die konkret auf „die Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten (ABl. L 200 vom 30. Juli 2005, S. 1; L 79 vom 16. März 2006, S. 32), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2016/2134 (ABl. L 338 vom 13. Dezember 2016, S. 1) geändert worden ist,“ Bezug nahm. Es verstieße gegen das strafrechtliche Analogieverbot, entgegen dem klaren Wortlaut des Art. 18 Abs. 4 Satz 1 AWG aF anzunehmen, dass die Vorschrift mit Inkrafttreten der EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 nunmehr diese als blankettausfüllende Norm in Bezug nahm (vgl. insofern BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 Rn. 42 ff.; OLG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2007 - 1-11/07 (RB) - 3 Ss 34/07, NZV 2007, 372, 373; s. zudem in Bezug auf eine Blankettstrafnorm des Weingesetzes BGH, Urteil vom 13. Mai 1977 - 2 StR 602/76, BGHSt 27, 181, 182 f.; OLG Koblenz, Urteil vom 26. Januar 1989 - 1 Ss 567/88, NStZ 1989, 188).
dd) Ohne Bedeutung im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 35 Abs. 2 EU-Anti-Folter-Verordnung 2019, der bestimmt, dass Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung 1236/2005 - die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 - zukünftig als Bezugnahmen auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 nach Maßgabe einer Entsprechungstabelle (Anhang XI dieser Verordnung) zu lesen sind. Diese Regelung bezieht sich nur auf andere EU-Rechtsakte, die ihrerseits auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 verweisen. Sie kann nicht dahin verstanden werden, dass mit Inkrafttreten der EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 am 20. Februar 2019 der Verweis in § 18 Abs. 4 AWG auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2005 fortan bis zum 17. Juli 2020 als ein solcher auf die EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 nach Maßgabe der Entsprechungstabelle zu lesen war. Denn zum einen konnte durch diese Bestimmung des EU-Rechts mangels entsprechender Regelungskompetenz des EU-Normgebers nicht unmittelbar nationales deutsches Strafrecht geändert werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 30. September 1987 - 3 Ob OWi 107/87, BayObLGSt 1987, 94, 97; LK/Dannecker/Schuhr, StGB, 13. Aufl., § 1 Rn. 157; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 27; Morweiser in Wolffgang/Rogmann/Pietsch, WAR-Kommentar, 80. EL, Vor §§ 17, 18 AWG Rn. 159; BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 11. Ed., § 18 AWG Rn. 54; Hoffmann, AWPrax 2022, 247, 250). Zum anderen verstieße eine solche „versteckte“ Anpassung einer deutschen Blankettstrafvorschrift gegen den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. insofern BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15, BVerfGE 143, 38 Rn. 42 ff.; Stein/Louca, AWPrax 2019, 450, 452).
d) Die aufgezeigte temporäre Strafbarkeits- beziehungsweise Ahndbarkeitslücke durch die verspätete Anpassung des § 18 Abs. 4 AWG an die neue EU-Anti-Folter-Verordnung 2019 hat zur Konsequenz, dass in der Zeit zwischen dem 20. Februar 2019 und dem 17. Juli 2020 das Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG in der hiesigen Konstellation keine Ordnungswidrigkeit darstellte, weil in dieser Zeit Zuwiderhandlungen gegen das hier relevante Genehmigungserfordernis nicht straf- oder bußgeldbewehrt waren. Dies führt wegen des lex-mitior-Grundsatzes des § 4 Abs. 3 OWiG dazu, dass das Unterlassen des Angeklagten nicht (mehr) sanktioniert werden kann. Denn mildestes und damit anwendbares Recht ist dasjenige, welches keine Ordnungswidrigkeit begründet (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2007 - 1-11/07 (RB) - 3 Ss 34/07, NZV 2007, 372; KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl., § 4 Rn. 30 sowie in Bezug auf die Parallelregelung des § 2 Abs. 3 StGB BGH, Urteil vom 23. Juli 1992 - 4 StR 194/92, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 8; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 4, 10; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 2 Rn. 22 f.).
Zwar hat das Meistbegünstigungsprinzip des § 2 Abs. 3 StGB, § 4 Abs. 3 OWiG keinen Verfassungsrang. Es kann, auch konkret bezogen auf bestimmte Fallkonstellationen, vom Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß ausgeschlossen werden. Dieser ist nach dem Grundgesetz befugt, die alleinige Maßgeblichkeit des Tatzeitrechts (§ 2 Abs. 1 StGB, § 4 Abs. 1 OWiG) anzuordnen, und zwar auch mit Rückwirkung. Dem Gesetzgeber ist es mithin von Verfassungs wegen gestattet, eine (temporäre) Strafbeziehungsweise Ahndbarkeitslücke, wie sie hier vorliegt, durch einen rückwirkenden Ausschluss des Meistbegünstigungsprinzips des § 2 Abs. 3 StGB, § 4 Abs. 3 OWiG für zuvor begangene Taten für irrelevant zu erklären (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769 Rn. 11 ff.; vom 29. November 1989 - 2 BvR 1491/87, BVerfGE 81, 132, 136 f.; BGH, Beschluss vom 8. August 2018 - 2 StR 210/16, NStZ-RR 2019, 49, 51 f.; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 Ss OWi 1265/07, DAR 2008, 99, 100 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - IV-2 Ss (OWi) 83/07 - (OWi) 64/07 III, NJW 2008, 930, 931; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2008 - 2 Ss Bs 6/08, NZV 2008, 311, 312; OLG Stuttgart, Urteil vom 6. November 1998 - 1 Ss 437/98, NStZ-RR 1999, 379, 380; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 12a; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 14, 27; aA LK/Dannecker/Schuhr, StGB, 13. Aufl., § 2 Rn. 69, 80 ff.; NKStGB/Kargl, 6. Aufl., § 2 Rn. 21a; SSW-StGB/Satzger, 6. Aufl., § 2 Rn. 17, 24; Harms/Heine, FS Amelung, S. 393, 401). Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit verschiedentlich solche Regelungen getroffen, um eine nachträgliche Straflosigkeit von Verstößen gegen EU-Vorschriften aufgrund verspäteter Anpassungen nationaler Blankettstraftatbestände an geändertes EURecht rückwirkend zu beseitigen. Hinzuweisen ist insofern beispielhaft auf § 137 WpHG (s. hierzu BGH, Beschluss vom 8. August 2018 - 2 StR 210/16, NStZ-RR 2019, 49, 51 f.) und § 8 Abs. 3 FPersG (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - IV-2 Ss (OWi) 83/07 - (OWi) 64/07 III, NJW 2008, 930, 931).
Zu einer solchen rückwirkenden Derogation des lex-mitior-Grundsatzes ist es jedoch in Bezug auf die hier in Frage stehende temporäre Straf- und Ahndbarkeitslücke nicht gekommen.
Der bereits in anderem Zusammenhang erwähnte § 30 Abs. 1 AWG schließt zwar - wie dargetan - eine Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips des § 2 Abs. 3 StGB, § 4 Abs. 3 OWiG bei einer Aufhebung von EU-Recht, auf das eine Blankettstrafnorm des AWG verweist, aus. Dieser Regelung kommt jedoch keine Rückwirkung zu; sie erfasst nur Fälle der Aufhebung blankettausfüllenden EU-Rechts, zu denen es nach ihrem Inkrafttreten, also seit dem 9. Juni 2021, gekommen ist oder kommt. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 30 Abs. 1 AWG, der keine rückwirkende Geltung der Vorschrift anordnet. Auch den Gesetzesmaterialien ist nichts zu entnehmen, was auf eine retroaktive Wirkung und den Willen des Gesetzgebers hindeuten würde, mit der neuen Vorschrift „Altfälle“ zu erfassen. Ganz im Gegenteil: Bei der Schaffung des § 30 Abs. 1 AWG ist betont worden, es gehe darum „zu verhindern, dass die aufgrund der geltenden Rechtslage (…) eingeleiteten oder ausstehenden Ermittlungs- und Strafverfahren (…) zukünftig bei Außerkrafttreten oder Ersetzung von anderen Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union (im Folgenden: EG-/EU-Rechtsakte) einzustellen sind oder unzulässig werden.“ (BT-Drucks. 19/27451, S. 1 f.). Zudem hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit, soweit es ihm darum ging, aufgrund verspäteter Anpassung nationaler Blankettstrafvorschriften an neues EU-Recht eingetretene Straflosigkeiten durch eine Derogation des lex-mitior-Grundsatzes rückwirkend zu beseitigen, die Rückwirkung ausdrücklich angeordnet. Hinzuweisen ist insofern erneut beispielhaft auf § 137 WpHG (s. hierzu BGH, Beschluss vom 8. August 2018 - 2 StR 210/16, NStZ-RR 2019, 49, 51 f.) und § 8 Abs. 3 FPersG (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08, NJW 2008, 3769). Weil dies im Zusammenhang mit der Schaffung des § 30 Abs. 1 AWG unterblieben ist, zeigt auch dieser Vergleich, dass § 30 Abs. 1 AWG vor seinem Inkrafttreten vorgenommene Aufhebungen von EU-Recht nicht erfasst.
Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob in der hier vorliegenden Fallkonstellation Art. 49 Abs. 1 Satz 3 EU-Grundrechtecharta einer rückwirkenden Derogation des Meistbegünstigungsprinzips entgegenstünde (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 8. August 2018 - 2 StR 210/16, juris Rn. 28 ff.; Gaede, wistra 2017, 41, 46 ff.; Möllers/Herz, JZ 2017, 445, 449 f.; Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, 2689, 2694; Sturm, NStZ 2017, 553, 556 f.).
e) Der Angeklagte ist daher gemäß § 354 Abs. 1 StPO mit der Kostenfolge des § 467 Abs. 1 StPO freizusprechen.
2. Hinsichtlich der Einziehungsentscheidung und damit der Revision der Nebenbeteiligten gilt Folgendes:
a) Da die Tat aus den vorgenannten Gründen gemäß § 4 Abs. 3 OWiG nicht (mehr) geahndet werden kann, fehlt es an einer Grundlage für die gegen die Nebenbeteiligte als Drittbegünstigte gemäß § 29a Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG gerichtete Einziehungsentscheidung. Mithin ist das Urteil gemäß § 357 Satz 1 analog StPO auch insoweit aufzuheben und hat die gegen die Einziehungsbeteiligte gerichtete Einziehungsentscheidung zu entfallen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2021 - 4 StR 366/20, NZV 2021, 471 Rn. 20; vom 12. Februar 2020 - 1 StR 518/19, BGHR StPO § 357 Erstreckung 14 Rn. 6 f.; vom 26. Juni 2019 - 1 StR 551/18, wistra 2020, 257 Rn. 31; vom 23. Januar 2019 - 1 StR 450/18, wistra 2019, 243 Rn. 23 mwN; KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl., § 431 Rn. 8). Die gemäß § 431 Abs. 1 Satz 1 StPO fehlende Befugnis der in der Hauptverhandlung vertretenen Nebenbeteiligten, Einwendungen gegen den Schuldspruch betreffend den Angeklagten zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 33 ff.; Beschluss vom 10. Juli 2018 - 1 StR 628/17, juris Rn. 11; KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl., § 431 Rn. 2), ist vorliegend ohne Relevanz (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - 1 StR 518/19, BGHR StPO § 357 Erstreckung 14 Rn. 7).
b) Da die Einziehungsentscheidung bereits wegen des Freispruchs des Angeklagten in entsprechender Anwendung des § 357 Satz 1 StPO zu entfallen hat, kommt es nicht darauf an, dass sie - worauf die Revision der Einziehungsbeteiligten und der Generalbundesanwalt zutreffend hinweisen - für sich genommen zum Nachteil der Einziehungsbeteiligten rechtsfehlerhaft ist und daher auch auf die Revision der Einziehungsbeteiligten hin keinen Bestand haben kann. Insofern ist zu bemerken:
aa) Zum einen tragen die Urteilsgründe nicht die Annahme der Strafkammer, die Nebenbeteiligte habe Taterträge in Gestalt von Kaufpreisforderungen in Höhe von 777.638,71 € erlangt. Denn die Rechtsgeschäfte waren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 AWG wegen des Fehlens der erforderlichen Genehmigung unwirksam (vgl. BeckOK AußenWirtschaftsR/Niestedt, 12. Ed., § 15 AWG Rn. 7 ff.; BeckOK AußenWirtschaftsR/Schwendinger, 12. Ed., § 17 AWG Rn. 125), so dass keine Entgeltforderungen entstanden (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, NJW 2002, 3339, 3342; BeckOK AußenWirtschaftsR/Niestedt, 12. Ed., § 15 AWG Rn. 11). Feststellungen dahin, dass die V. GmbH das vereinbarte Entgelt tatsächlich vereinnahmte oder die Forderungen faktisch wegen konkreter Aussicht auf Bezahlung einen wirtschaftlichen Wert hatten (vgl. insofern BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, NJW 2002, 3339, 3342), hat die Strafkammer nicht getroffen.
bb) Zum anderen erweist sich die Bemessung der Höhe des Einziehungsbetrages als rechtsfehlerhaft. Zwar hat die Strafkammer ihrer Berechnung im Ausgangspunkt zutreffend unabhängig von einer etwaigen Genehmigungsfähigkeit der tatgegenständlichen Ausfuhren als Tatertrag den Verkaufserlös und nicht lediglich die durch eine Nichteinholung einer Genehmigung ersparten Aufwendungen zu Grunde gelegt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 97 ff.; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 13; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73 Rn. 39; BeckOK OWiG/Meyberg, Ed. 42, § 29a OWiG Rn. 42.3). Sie hat aber rechtsfehlerhaft die der Nebenbeteiligten tatsächlich entstandenen Aufwendungen - die Produktions- und Vertriebskosten - nicht in Abzug gebracht. Denn das Abzugsverbot („Bruttopinzip“) des § 29a Abs. 3 Satz 2 OWiG gilt - ebenso wie das des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB - nur bei vorsätzlichem Handeln, also dem bewussten und willentlichen Einsatz der Mittel für die Begehung oder Vorbereitung der Tat, nicht aber bei - wie vorliegend - fahrlässigen Rechtsverstößen; bei letzteren werden Aufwendungen nicht „für“ eine Tat getätigt (vgl. BGH, Urteile vom 1. Juli 2021 - 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 64 ff., 103; vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83 Rn. 66; BayObLG, Beschluss vom 13. Dezember 2021 - 201 ObOWi 1453/21, juris Rn. 19; OLG Celle, Beschluss vom 11. Juni 2019 - 2 Ss (OWi) 154/19, wistra 2020, 479 Rn. 23; BT-Drucks. 18/9525 S. 69; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73d Rn. 6; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 73d Rn. 5, 6; Krenberger/Krumm, OWiG, 7. Aufl., § 29a Rn. 4; BeckOK OWiG/Meyberg, Ed. 42, § 29a OWiG Rn. 44 ff.).
3. Die Entscheidung über die Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen beruht auf § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 4, § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG. Für sie ist der Senat zuständig, weil er die das Verfahren abschließende Entscheidung getroffen hat und weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2022 - 2 StR 229/21, NStZ-RR 2023, 56, 57; vom 13. April 2021 - 5 StR 14/21, NStZ-RR 2021, 217; vom 21. Dezember 2016 - 3 StR 453/16, juris Rn. 19; MüKoStPO/Kunz, § 8 StrEG Rn. 33). Dem Angeklagten steht dem Grunde nach eine Entschädigung für die am 29. Mai 2018 vorgenommene Durchsuchung und Sicherstellung zu; die Maßnahmen sind auch gegen ihn gerichtet gewesen. Über einen etwaigen Entschädigungsanspruch der Einziehungsbeteiligten ist nicht zu befinden, denn auf Einziehungsbeteiligte finden die Regelungen des StrEG keine Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - III ZR 46/96, juris Rn. 8; Beschluss vom 23. August 1989 - StB 29/89, BGHSt 36, 236, 237 f.; MüKoStPO/Kunz, StrEG, Einl. Rn. 39; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., Vorb § 1 StrEG Rn. 2).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1017
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede