HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 49
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 215/21, Beschluss v. 07.12.2021, HRRS 2022 Nr. 49
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. November 2020 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
1. Die Rüge, das von der Schwurgerichtsvorsitzenden angeordnete Selbstleseverfahren sei nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden, so dass die darin enthaltenen und im Urteil verwerteten Urkunden nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung geworden seien (§ 261 StPO), hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass es geboten ist, für die Feststellungen zum Abschluss eines Selbstleseverfahrens und deren Protokollierung die eindeutigen Formulierungen des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO zu verwenden (LR/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 84).
2. Auch die Beanstandung der Revision, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO die beantragte Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens als völlig ungeeignetes Beweismittel abgelehnt, erweist sich als unbegründet.
Zwar ist es entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts grundsätzlich richtig, dass ein Sachverständigengutachten nicht schon dann als ungeeignetes Beweismittel anzusehen ist, wenn darin zwar keine sicheren und eindeutigen Beweisergebnisse erzielt werden, die enthaltenen Ausführungen aber gleichwohl die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen können (vgl. dazu in freilich anderen Konstellationen BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 284/11, NStZ 2012, 345; Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 516/14, NStZ 2016, 116). Bringt das Tatgericht jedoch zum Ausdruck, dass es eine allenfalls geringgradige Wahrscheinlichkeitsaussage nicht für geeignet hält, seine Überzeugung zu beeinflussen, begegnet es keinen durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken, wenn es ein beantragtes Sachverständigengutachten mangels ausreichend aussagekräftiger und nicht weiter ermittelbarer Anknüpfungstatsachen als völlig ungeeignetes Beweismittel ansieht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 1999 - 3 StR 166/99; LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 239).
So verhält es sich hier: Dem Landgericht lag die zu untersuchende Unterschrift lediglich in Kopie vor, die zudem mit nur einer einzigen Originalschriftprobe der mittlerweile Verstorbenen verglichen werden sollte. Wegen des Fehlens des Originals bestanden nach den von eigener, hinreichend dargelegter Sachkunde der Strafkammer getragenen Ausführungen in dem den Beweisantrag ablehnenden Beschluss wesentliche Untersuchungsdefizite, weshalb die Schriftprobe „einer Erhebungs- und Bewertungsmöglichkeit […] nur eingeschränkt oder gar nicht zugänglich“ war. Die Verstorbene konnte auch keine weiteren Schriftproben mehr anfertigen, so dass weitere Anknüpfungstatsachen durch einen Sachverständigen nicht zu ermitteln waren.
Zudem könnte der Senat das Beruhen des Urteils auf einem etwaigen Rechtsfehler ausschließen, weil die vermeintlich gefälschte Urkunde in der Beweiswürdigung des Landgerichts lediglich ein untergeordneter Aspekt für die Annahme eines auf Pflegebetrügereien ausgerichteten Verhaltensmusters der Angeklagten war.
3. In sachlich-rechtlicher Hinsicht beschwert es die Angeklagte nicht, dass das Landgericht trotz des Tatbildes ein Tötungsdelikt durch aktives Tun mit nicht durchgehend nachvollziehbarer Begründung verneint und einen (versuchten) Mord durch Unterlassen nicht erörtert hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 49
Externe Fundstellen: NJW 2022, 1760; NStZ 2022, 247; StV 2022, 350
Bearbeiter: Christian Becker