HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 368
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 482/21, Beschluss v. 25.01.2022, HRRS 2022 Nr. 368
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 20. Juli 2021 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die ausländerrechtliche Konsequenz der Verurteilung für den Angeklagten bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt.
1. Ausländerrechtliche Folgen einer Verurteilung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine bestimmenden Strafmilderungsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Dies war bereits zur früheren ausländerrechtlichen Rechtslage auch für die damals vorgesehene zwingende Ausweisung anerkannt und gilt nunmehr vor dem Hintergrund der seit 17. März 2016 geltenden Regelung des § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG, nach der bei einer Ausweisungsentscheidung generell eine Abwägung zwischen Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) vorzunehmen ist, umso mehr. Eine andere strafzumessungsrechtliche Bewertung ist nur gerechtfertigt, wenn im Einzelfall zusätzliche Umstände hinzutreten, welche die Beendigung des Aufenthalts im Inland als besondere Härte erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2021 - 4 StR 457/20 Rn. 8 und vom 26. Oktober 2017 - 4 StR 259/17 Rn. 11 mwN).
Von diesen Maßgaben ausgehend stellt die ausländerrechtliche Konsequenz der Verurteilung für den Angeklagten, einen kosovarischen Staatsangehörigen, eine besondere Härte dar. Dies ergibt sich daraus, dass mit der rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten die gegen ihn mit Bescheid des Landratsamts Deggendorf vom 13. Januar 2020 ergangene Ausweisungsverfügung in Verbindung mit dem vor dem Verwaltungsgericht Regensburg geschlossenen Vergleich bestandskräftig wird (UA S. 10 f.), die Ausweisung mithin zwingend ist. Der Vollzug der Ausweisung beinhaltet für den in Deutschland geborenen Angeklagten als sogenannten faktischen Inländer einen Grundrechtseingriff von besonderem Gewicht und bedeutet daher für ihn eine besondere Härte (vgl. BVerfG NVwZ 2017, 229, 230 Rn. 19, 23; BVerwG NVwZ 2021, 1842, 1844 Rn. 21 mwN). Diese - ausländerrechtliche - Folge hat das Landgericht rechtsfehlerhaft im Rahmen der Strafzumessung nicht zu Gunsten des Angeklagten eingestellt.
2. Die Feststellungen können bestehen bleiben, da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO).
3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 2 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 - 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 354 Rn. 37).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 368
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede