hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 112

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 203/21, Urteil v. 27.10.2021, HRRS 2022 Nr. 112


BGH 2 StR 203/21 - Urteil vom 27. Oktober 2021 (LG Bonn)

Brandstiftung (Beweiswürdigung); schwere Brandstiftung (Zerstörung einer der Wohnung von Menschen dienenden Räumlichkeit; taugliches Tatobjekt: Lagerraum, Anwesendsein von gewisser Dauer, Tatbegehung zum Zeitpunkt des üblichen Aufenthalts von Menschen; tatsächlicher Aufenthalte eines Menschen in der Räumlichkeit zum Tatzeitpunkt, „zufälliger“ Aufenthalt); unterlassene Hilfeleistung (Zumutbarkeit: Anwesenheit bei einem durch eine Straftat ausgelösten Unglücksfall); Kognitionspflicht; Hilfe zur Aufklärung von schweren Straftaten.

§ 306 StGB; § 306a StGB; § 323c Abs. 1 StGB; § 46b StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Lagerraum scheidet nicht grundsätzlich als taugliches Tatobjekt im Sinne von § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB aus. Maßgeblich ist zunächst, ob es sich bei ihm um eine Räumlichkeit handelt, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient. Dies setzt - auch um einen die Strafdrohung legitimierenden Rechtsgutsbezug herzustellen - ein Anwesendsein von einer gewissen Dauer voraus, dass noch als ein „Sichaufhalten“ angesehen werden kann. Bloßes flüchtiges oder gelegentliches Betreten zur Vornahme von kurzen Vorrichtungen reicht hierfür nicht aus.

2. Voraussetzung für die Annahme eines im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB tauglichen Tatobjekts ist weiter, dass die Brandstiftung zu einem Zeitpunkt begangen wird, zu dem sich üblicherweise Menschen in dem Objekt aufzuhalten pflegen. Der tatsächliche Aufenthalt eines Menschen in der Räumlichkeit zum Tatzeitpunkt genügt zur Erfüllung des Tatbestandes nicht, wenn keine entsprechende Regelhaftigkeit hinter dem insoweit nur „zufälligen“ Aufenthalt steht. Maßgeblich ist, dass sich im Zeitpunkt der Brandstiftung Menschen nach der konkreten Nutzung des fraglichen Objekts typischerweise in der Räumlichkeit aufhalten.

3. Anwesenheit bei einem durch eine Straftat ausgelösten Unglücksfall schließt die Zumutbarkeit einer Hilfeleistung nicht aus.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17. August 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, den Angeklagten B. hat es vom Vorwurf der schweren Brandstiftung und der unterlassenen Hilfeleistung freigesprochen.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten in Begleitung von zwei Freunden am frühen Morgen des 10. Juni 2019 von einem Strandfest in M. zurück in die B. Innenstadt. Sie hatten im Verlauf des Abends zuvor erhebliche Mengen an Alkohol getrunken. Nach dem Besuch einer Tankstelle, bei dem der Angeklagte B. (im Folgenden: B.) einen Lollipop entwendete, begaben sie sich in Richtung des nahe gelegenen Hotels“ “. Als sie dieses gegen 0:50 Uhr passierten, bemerkte der in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkte Mitangeklagte O., dass die Tür zum beleuchteten (und mit Video überwachten) Lagerraum des Hotels offenstand. Ihm kam die Idee nachzuschauen, ob es dort etwas Interessantes geben könnte. Er forderte B. auf mitzukommen, was dieser zunächst nicht tat. O. betrat allein den Lagerraum, in dem sich im vorderen Bereich Leergutkästen und im rechten hinteren Bereich sechs Müllcontainer für Papier und Glas befanden. Er stellte einen der Kästen vor der Tür auf einer Sackkarre ab. Zugleich forderte er B. erneut auf, mit in den Lagerraum zu kommen. Beide Angeklagten gingen dann um 0:53:05 Uhr gemeinsam hinein, O. in den hinteren Bereich, wo er weiter nach Stehlenswertem sowie nach Alkohol und Kaltgetränken suchte. Er fand aber nur Leergut, das er aus Unmut hierüber umwarf. B. fragte nach, was er da mache; schließlich hörte O. auf, Kisten umzuwerfen, fasste dann aber den Entschluss, einen der im Lagerraum befindlichen Container anzuzünden. Er ging zu einem der Container, packte zwei darin befindliche Plastikmülltüten in einer Hand zusammen und zündete mit einem in der anderen Hand gehaltenen Feuerzeug, das er bei sich führte, die Müllbeutel an. Das Plastik begann zu schmelzen, der Inhalt des Containers, bestehend aus Pappe oder Restmüll, geriet wie beabsichtigt in Brand. Dabei nahm es der Angeklagte O. billigend in Kauf, dass der gesamte Container Feuer fing, in Vollbrand geriet und dadurch auch schwere Beschädigungen an dem Raum entstehen würden. B. sah dies, nahm einen Lichtschein wahr und rannte um 0:53:38 Uhr aus dem Lagerraum in Richtung des Vordereingangs des Hotels. O., der das Weiterbrennen des gelegten Feuers billigend in Kauf nahm, folgte unmittelbar um 0:53:40 Uhr.

Rund 20 Sekunden später versuchte der Angeklagte O. den ebenfalls videoüberwachten Lobbybereich des“ “ durch den (geschlossenen) Vordereingang zu betreten. Dies gelang nicht, da die Türen durch einen Mitarbeiter des Hotels erst geöffnet werden mussten. O. stand zehn Sekunden vor der Tür, als B. hinzutrat. Nachdem O. den Eingangsbereich verlassen hatte und B. von einem Hotelmitarbeiter bemerkt worden war, öffnete letzterer die Eingangstür. B. und der herbeigerufene O. betraten nunmehr den Lobbybereich des Hotels. Während sich B. zum Empfangstresen begab, fragte O. im Barbereich nach dem Ausschank alkoholischer Getränke. Da dies - wie ihnen der Hotelmitarbeiter mitteilte - nur für Hotelgäste möglich war, verließen beide Angeklagte den Empfangsbereich in Richtung Ausgang. Gerade als sie die erste Glastüre passierten, ging der Feueralarm los. Zwei Mitarbeiter des Hotels begaben sich zum Lagerraum; dort stellten sie fest, dass Rauch aus dem Raum kam. Der Versuch, das Feuer unter Zuhilfenahme eines Feuerlöschers zu löschen, misslang.

Währenddessen betrat der Angeklagte O. erneut den Lobbybereich, wobei sich die Türen wegen des Feueralarms nunmehr automatisch öffneten. Er ging zielstrebig in Richtung Bar und griff nach einer hinter dem Bartresen befindlichen Flasche. Bevor er sie ergriff, drehte er sich unmittelbar um und ging in Richtung Ausgang zurück. Das Geschehen war von einem Gast beobachtet worden, es kam zu einem Disput auch mit einem hinzu gekommenen Hotelmitarbeiter. O. wurde dabei Richtung Ausgang geschoben, er verließ schließlich das Hotel und traf vor der Eingangstür auf den Mitangeklagten B. Mit ihm entfernte er sich anschließend in Richtung Innenstadt.

Die Feuerwehr traf um 1:05 Uhr am Hotel ein. Sie konnte das Feuer im Lagerraum, das sich zwischenzeitlich auf einen weiteren Container ausgebreitet hatte, löschen. An den Wänden befanden sich erhebliche Rußablagerungen, im Bereich der Decke kam es aufgrund der Hitzeentwicklung zu großflächigen Putz- und Betonabplatzungen. An der Decke verlaufende Metallrohre waren stark verfärbt und teilweise heruntergefallen, brannten aber nicht selbständig. Auch die Elektroinstallation im Raum wurde durch die Hitze zerstört, so dass Kupferlitzen von der Decke und den Wänden herabhingen. Durch den Lagerraum führende Lüftungsleitungen waren ebenfalls beschädigt. Die Lüftung der Tiefgarage und der Kellerräume war für zwei Wochen nicht nutzbar. In drei über dem Lagerraum befindlichen Hotelzimmern zog bei gekippten Fenstern Rauch, wobei keiner der Hotelgäste diesen Rauch einatmete. Zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit von Gästen oder Mitarbeitern kam es insoweit nicht. An dem Hotelzimmer, das sich unmittelbar über der Tür des Lagerraums befand, schmolz im unteren Bereich eines bodentiefen Fensters ein Teil der Sicherheitsglasfolie; das Fenster wurde ersetzt. Ansonsten waren Reparaturmaßnahmen an den Hotelzimmern nicht erforderlich. Soweit Rauch in diese eingedrungen war, wurden sie gelüftet und gereinigt und nach wenigen Tagen weitervermietet. Der Lagerraum selbst konnte von Mitte August bis Dezember 2019 wegen der notwendigen Sanierung nicht benutzt werden. Dafür musste das Hotel über 68.000 € netto aufwenden.

II. Zur Revision der Staatsanwaltschaft

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten B. ist begründet. Die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält auch eingedenk ihrer nur begrenzten Überprüfbarkeit auf Rechtsfehler (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Urteil vom 23. Juni 2021 - 2 StR 337/20) rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat sich zwar hinsichtlich des äußeren Geschehensablaufs ohne Rechtsfehler auf die Aussage des Angeklagten B. gestützt und insoweit die abweichenden Angaben des Mitangeklagten O., der den Angeklagten B. selbst der Täterschaft bezichtigt hatte, als nicht glaubhaft angesehen. Die Sachverhaltsdarstellung des Angeklagten B. steht - anders als das vom Mitangeklagten O. geschilderte Geschehen - in Einklang mit den Videoaufnahmen vom Eingangsbereich des Lagerraums und des Hoteleingangs.

Auch die Beweiswürdigung der Strafkammer, mit der sie sich die Überzeugung vom Tatablauf gebildet hat, weist keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Die Angaben des Angeklagten B. sind im Hinblick auf die Umstände, unter denen er dem Angeklagten O. in den Lagerraum gefolgt ist, nicht widersprüchlich. Während B. zunächst mitteilte, er sei O. erst gefolgt, nachdem er ihn habe schreien hören und mitbekommen habe, wie Flaschen zu Bruch gegangen seien, hat er später ausgesagt, er sei O. erst in den Lagerraum gefolgt, nachdem dieser mit leeren Kisten herausgekommen sei und ihn aufgefordert habe zu helfen. Diese Angaben weisen keine Widersprüche auf, weil in der ersten Aussage von B. von einem Kistenheraustragen durch O. nicht die Rede ist und deshalb die nachfolgenden Angaben, die die vorangegangenen lediglich ergänzen, mit diesen ohne Weiteres in Einklang zu bringen sind.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als es ausgeführt hat, O. habe die von dem Angeklagten B. geschilderte, der Brandlegung vorausgehende Aggressivität des Umschmeißens von Flaschen eingeräumt. Ersichtlich stellt die Strafkammer hierbei darauf ab, dass der Angeklagte O. das Umwerfen von Flaschen, das im Übrigen auch von den Zeugen R. und F. wahrgenommen worden ist, überhaupt eingeräumt hat. Dass das Landgericht davon ausgegangen ist, O. habe auch den Zeitpunkt der eingeräumten Aggression durch Flaschenumwerfen eingestanden, lässt sich den insoweit allerdings missverständlichen Urteilsgründen nicht entnehmen.

b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich aber als durchgreifend rechtsfehlerhaft, soweit es eine Beteiligung des Angeklagten an der von dem Angeklagten O. begangenen Tat ausgeschlossen hat. Die Ausführungen der Strafkammer, wonach Feststellungen dazu, dass der Angeklagte B. Tatherrschaft und Täterwillen gehabt habe, nicht hätten getroffen werden können, auch lasse das von Zeugen bestätigte „Lachen zweier junger Männer am Tatort“ einen entsprechenden Rückschluss auf eine mittäterschaftliche Begehungsweise nicht zu, greifen zu kurz. Sie lassen einige wesentliche Umstände unberücksichtigt, die das Landgericht in seiner Würdigung hätte berücksichtigen müssen.

So hätte die Strafkammer sich mit der Frage beschäftigen müssen, aus welchem Grund B. dem Angeklagten O. in den Lagerraum gefolgt ist, obwohl er nach seinen Angaben dessen Aufforderung, ihm beim Herausstellen von Leergut zu helfen, keine Folge leistete. Auch hätte das Landgericht den Rückzug beider Angeklagten aus dem Lagerraum, der zwar um zwei Sekunden zeitlich versetzt, anschließend aber äußerlich koordiniert erfolgte, in den Blick nehmen müssen. Schließlich hätte die Strafkammer auch näher erläutern müssen, warum das festgestellte Lachen zweier junger Männer am Tatort für die Frage einer Beteiligung des Angeklagten B. an der Tat aus ihrer Sicht ohne Bedeutung ist. Es versteht sich nicht von selbst, dass eine offenbar in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Tat erfolgte Lautäußerung von Personen keinerlei Rückschluss auf eine Beziehung dieser Personen zu der Tat zulässt. Das Landgericht hätte deshalb erörtern müssen, warum dies hier nicht der Fall ist, etwa weil es sich nicht habe überzeugen können, von wem das Lachen herrührte, weil es an der konkreten Feststellung eines Zeitpunkts und damit an dem erforderlichen Zusammenhang mit der Tatbegehung fehlte, an dem das Lachen von den Zeugen wahrgenommen worden ist, oder weil die Lautäußerung in dem festgestellten Zusammenhang keinen tragfähigen Rückschluss auf eine Tatbeteiligung zulässt.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich das Landgericht - hätte es die dargelegten Umstände in seine Beweiswürdigung in der gebotenen Form eingestellt - von einer Tatbeteiligung des Angeklagten B. überzeugt hätte. Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat - sollte sich das Landgericht erneut nicht von einer Tatbeteiligung des Angeklagten B. an der Brandstiftung überzeugen können - vorsorglich darauf hin, dass auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen gegebenenfalls eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung in Betracht kommt. Als Unglücksfall oder auch gemeine Gefahr im Sinne des § 323c Abs. 1 StGB kann grundsätzlich auch das Inbrandsetzen des Containers durch den Mitangeklagten O. in Betracht kommen (vgl. zu den Anforderungen an einen Unglücksfall BGH NJW 2012, 1237, 1239; zur gemeinen Gefahr s. Schönke/Schröder-Hecker, StGB, 30. Aufl., § 323c Rn. 9). Dies könnte Handlungspflichten des Angeklagten B. bereits in dem Zeitpunkt ausgelöst haben, als er - noch im Lagerraum - die Inbrandsetzung durch O. gesehen, einen „Lichtschein von den Flammen“ wahrgenommen und dabei womöglich die hiervon ausgehenden Gefahren erkannt hat. Eine Hilfeleistung durch frühes Eingreifen, das nach der Lebenserfahrung kurze Zeit nach der Inbrandsetzung auch weitergehenden Schaden verhindert hätte, wäre sodann nicht nur objektiv erforderlich gewesen, weil andere zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der durch den Brand ausgehenden Gefahr hatten und insoweit keine Gewähr für anderweitige sofortige Hilfe bestand; sie wäre dem Angeklagten auch zumutbar gewesen; die (bloße) Anwesenheit bei einem durch eine Straftat ausgelösten Unglücksfall schließt die Zumutbarkeit einer Hilfeleistung nicht aus (vgl. Senat, StraFo 2017, 253). Auf den vom Landgericht für die Beurteilung einer Strafbarkeit nach § 323c StGB angenommenen Zeitpunkt des Erscheinens im Lobbybereich des Hotels käme es danach nicht an.

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat auch hinsichtlich des Angeklagten O. Erfolg.

a) Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, dass das Landgericht gegen ihre Kognitionspflicht verstoßen und eine in Betracht kommende Strafbarkeit wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Bezug auf die Tatbestandsvariante der (teilweisen) Zerstörung einer der in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützten Tatobjekte nicht geprüft hat.

Die Strafkammer hat zwar mit rechtsfehlerfreier Begründung eine Strafbarkeit wegen versuchter schwerer Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB ausgeschlossen, weil es dem Angeklagten an einem Tatentschluss hinsichtlich des Inbrandsetzens einer Räumlichkeit, die dem Wohnen von Menschen gedient habe, gefehlt habe. Sie erörtert allerdings nicht, ob der Angeklagte hinsichtlich der Tatbestandsvariante einer (teilweisen) Zerstörung einer der Wohnung von Menschen dienenden Räumlichkeit, für die bereits die brandbedingte Aufhebung der tatbestandlich geschützten Zweckbestimmung für einen längeren Zeitraum, etwa durch Verrußung oder Hitzeschäden, genügen kann, mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Dies war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Landgericht das Fehlen eines Vorsatzes hinsichtlich des Inbrandsetzens eines in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützten Bereichs vor allem auch damit begründet hat, ein Übergreifen des Feuers vom Lagerraum auf ein dem Wohnen dienenden Teil des Hotels sei schon aufgrund der Brandschutzvorrichtungen ausgeschlossen gewesen. Denn dies besagt nichts darüber, welche Vorstellungen der Angeklagte insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit hatte, dass etwa mit Blick auf die im Abstellraum gelagerten, zum Teil gut brennbaren Gegenstände sowie die dort durch den Raum führenden Rohre und Leitungen die unmittelbar über dem Lagerraum befindlichen Gästezimmer des Hotels durch Hitze- und Rauchentwicklung Schaden nehmen könnten.

Die Sache bedarf deshalb auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

b) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass auch eine Strafbarkeit nach § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht zu ziehen ist. Ein Lagerraum scheidet nicht grundsätzlich als taugliches Tatobjekt im Sinne von § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB aus. Maßgeblich ist zunächst, ob es sich bei ihm um eine Räumlichkeit handelt, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient (im Sinne einer tatsächlichen Nutzung des Raumes: BGHSt 23, 60, 62). Dies setzt - auch um einen die Strafdrohung legitimierenden Rechtsgutsbezug herzustellen (vgl. dazu MK-Radtke, StGB, 3. Aufl., § 306a Rn. 28) - ein Anwesendsein von einer gewissen Dauer voraus, das noch als ein „Sichaufhalten“ angesehen werden kann (BayObLG NJW 1967, 2417). Bloßes flüchtiges oder gelegentliches Betreten zur Vornahme von kurzen Vorrichtungen reicht hierfür nicht aus (Senat, Urteil vom 3. Oktober 1973 - 2 StR 373/73; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 306a Rn. 7; LK-Wolff, 12. Aufl., § 306a Rn. 19; AnwK-Börner, StGB, 3. Aufl., § 306a Rn. 16; hiergegen MK-Radtke, aaO, Rn. 27; Schönke/Schröder/Heine/Bosch, StGB, 30. Aufl., Rn. 8). Der Bundesgerichtshof hat eine Lagerhalle, in der Waren nicht nur verpackt, sondern aufbewahrt und schließlich abtransportiert wurden, als geeignetes Tatobjekt angesehen, da im Rahmen eines normalen Produktions- und Betriebsablaufs mehrere Arbeitsvorgänge anfielen, die dazu führten, dass sich dort ein Mitarbeiter auch zur Tatzeit während der Nacht regelmäßig stündlich mehrere Minuten aufhielt (Senat, aaO). Mit dieser Sachverhaltskonstellation ist die vorliegende Fallgestaltung zwar nicht vergleichbar, weil das Aufsuchen der Lagerhalle im vom Senat entschiedenen Fall im Zuge eines fortlaufenden Produktionsprozesses erfolgte und einen regelmäßigen Aufenthalt von mehreren Minuten in einer Stunde erforderlich machte, wohingegen ein Lagerraum in einem Hotel unregelmäßig nur dann betreten wird, wenn gerade Abfall zur Lagerung angefallen ist oder Leergut aus dem Bar- oder Restaurantbereich dorthin geschafft werden muss. Zudem geht es beim Abstellen von Leergut und Entsorgen von Müll in bereitstehenden Containern nicht um „mehrere Arbeitsvorgänge“, sondern um ein überschaubares Verhalten, für das ein eher begrenzter zeitlicher Aufwand vonnöten ist. Gleichwohl ist letztlich nicht auszuschließen, dass sich im konkreten Fall Feststellungen treffen lassen, die dazu führen, dass in der Nutzung des Lagerraums im Hotel mehr als nur ein gelegentliches oder flüchtiges Verweilen liegt und er deshalb eine Räumlichkeit ist, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient.

Voraussetzung für die Annahme eines im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB tauglichen Tatobjekts ist weiter, dass die Brandstiftung zu einem Zeitpunkt begangen wird, zu dem sich üblicherweise Menschen in dem Objekt aufzuhalten pflegen. Über die Tatzeitformel wird der notwendige Rechtsgutsbezug der Tatbegehung an Tatobjekten, die anders als Wohnungen gerade nicht als ständige Aufenthaltsorte typisiert sind, hergestellt. Dementsprechend dürfen die Anforderungen insoweit nicht zu gering angesetzt werden, damit die hohe Strafdrohung des § 306a Abs. 1 StGB gerechtfertigt erscheint (vgl. MK-Radtke, aaO, Rn. 28). Der tatsächliche Aufenthalt eines Menschen in der Räumlichkeit zum Tatzeitpunkt genügt zur Erfüllung des Tatbestandes nicht, wenn keine entsprechende Regelhaftigkeit hinter dem insoweit nur „zufälligen“ Aufenthalt steht (vgl. BGHSt 10, 208, 214; Schönke/Schröder/Bosch/Heine, aaO, Rn. 8). Maßgeblich ist, dass sich im Zeitpunkt der Brandstiftung Menschen nach der konkreten Nutzung des fraglichen Objekts typischerweise in der Räumlichkeit aufhalten (vgl. MK-Radtke, aaO, Rn. 28). Dass im konkreten Fall die Türe des Lagerraums zur Nachtzeit offenstand und der Raum beleuchtet war, was für eine tatsächliche Nutzung auch in der Nacht und damit zur Tatzeit sprechen könnte, reicht deshalb allein für den objektiven Tatbestand nicht aus. Erforderlich sind ins Einzelne gehende Feststellungen, wie der Lagerraum im Allgemeinen genutzt wird. Von Bedeutung ist insoweit vor allem, zu welchen Zeiten er betreten wird und wie lange der jeweilige Aufenthalt gewöhnlicherweise dauert.

III. Zur Revision des Angeklagten O.

Die Revision des Angeklagten O. hat lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Der Schuldspruch wegen schwerer Brandstiftung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Er wird von den Feststellungen getragen; diese beruhen auf einer Beweiswürdigung, die durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht enthält. Die oben genannten Würdigungsfehler der den Angeklagten belastenden Aussage des Mitangeklagten B. betreffen lediglich die Wertung des Beweisergebnisses im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Tat des Angeklagten O. und zeigen Rechtsfehler hinsichtlich der Tatbegehung durch den Angeklagten O. nicht auf.

2. Hingegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Strafkammer hat die Anwendung des § 46b StGB ausgeschlossen, weil durch die Angaben des Angeklagten O. im Ermittlungsverfahren zwar das Strafverfahren gegen den Mitangeklagten B. in Gang gekommen ist, dies aber nicht zu dem von § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen Aufklärungserfolg geführt hat, da sich B. nicht strafbar gemacht habe. Mit Blick auf die der Aufhebung des Freispruchs gegen des Mitangeklagten B. zugrunde liegenden Erwägungen, die dessen Verurteilung wegen einer vom Katalog des § 100a Abs. 2 StPO erfassten Tat als möglich erscheinen lassen, kommt deshalb auch eine Anwendung von § 46b Abs. 1 StGB in Betracht.

Der Strafausspruch ist deshalb mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache auch insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 112

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 483; StV 2022, 443

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß