HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 591
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 137/21, Beschluss v. 04.05.2021, HRRS 2021 Nr. 591
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 16. Dezember 2020 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Subventionsbetruges in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt; ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beantragte der Angeklagte im Zeitraum vom 29. März bis 1. Mai 2020 in vier Bundesländern in insgesamt sieben Fällen für seine tatsächlich nicht existierenden Kleingewerbe sogenannte Corona-Hilfen aus den Soforthilfeprogrammen des Bundes („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) und der Bundesländer. In drei Fällen nutzte er fremde Personendaten. Die beantragten Gelder kamen in vier Fällen zur Auszahlung; insgesamt erlangte der Angeklagte auf diese Weise 50.000 Euro.
2. Die Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen bereits unzulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
3. Auch der Sachrüge bleibt der Erfolg versagt. Die gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit sind ergänzend folgende Ausführungen veranlasst:
a) Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, dass es sich bei den beantragten Soforthilfen um Subventionen gemäß § 264 Abs. 8 Satz 1 StGB handelt, die als sogenannte verlorene Zuschüsse ohne eine marktmäßige Gegenleistung von den Ländern aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht (hier aufgrund der Haushaltsgesetze § 44 BHO i.V.m. § 23 BHO bzw. § 53 der HO der Länder) Betrieben und Unternehmen gewährt werden und jedenfalls auch der Förderung der Wirtschaft dienen.
b) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe in seinen Anträgen gemäß § 264 Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber den zuständigen Behörden oder eingeschalteten Stellen oder Personen (Subventionsgeber) für ihn vorteilhafte unrichtige Angaben über aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnete Tatsachen (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB) gemacht.
aa) Sinn und Zweck des Merkmals der Subventionserheblichkeit ist es, angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts sicherzustellen, dass sowohl die Vergabevoraussetzungen für den Subventionsempfänger als auch etwaige Täuschungshandlungen für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane möglichst klar erkennbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 - 3 StR 449/17, NStZ-RR 2019, 147 mwN). § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass die Tatsachen durch ein Gesetz oder durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet werden. Da die „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ und die zur Umsetzung erlassenen Richtlinien der Länder keine Gesetze im formellen oder materiellen Sinne sind und Haushaltsgesetze jedenfalls keine ausdrückliche Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen enthalten, kommt nur deren Bezeichnung durch den jeweiligen Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes - hier § 2 SubvG i.V.m. den Subventionsgesetzen der Länder (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 - 3 StR 449/17, NStZ-RR 2019, 147, 149) - in Betracht. Pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen reichen dabei nicht aus; vielmehr muss die Subventionserheblichkeit klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13, NJW 2014, 3114, 3115; Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238).
bb) Diesen Anforderungen genügen die vom Angeklagten ausgefüllten Antragsformulare.
Das bei der ersten Tat genutzte niedersächsische Antragsformular („Version 1“) bezeichnet unter Ziffer 4 die subventionserheblichen Tatsachen ausdrücklich, namentlich die Angaben zum Antragsteller, zum Unternehmen und zum Förderbedarf. Das für die letzte Tat verwendete sächsische Formular kennzeichnet dieselben jeweils durch einen erläuternden Zusatz.
Auch in dem in zwei Fällen verwendeten nordrhein-westfälischen und auch in dem bei einer Tat benutzten baden-württembergischen Antragsformularen werden die subventionserheblichen Tatsachen in der gebotenen Eindeutigkeit bezeichnet. Zwar werden sie nicht einzeln als solche benannt; der Antragsteller muss aber „durch ein zu setzendes Kreuz seine Kenntnis bestätigen, dass es sich ‚bei den Angaben unter Ziff. […] um subventionserhebliche Tatsachen handelt‘ “. Abgefragt werden unter den aufgezählten Ziffern auch hier Angaben zu seinen Personalien, Art und Beschäftigtenzahl des Unternehmens sowie dessen Förderbedarf. Die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen erfordert keine wörtliche Wiederholung, sondern kann sich auch aus einer präzisen Verweisung ergeben. Da nur einige und zudem fast ausschließlich erhebliche Tatsachen abgefragt werden, wird die umfangreiche Verweisung nicht zu einem grundsätzlich unzulässigen pauschalen oder lediglich formelhaften Hinweis, zumal sie sich nur auf im Antragsformular selbst enthaltene Angaben bezieht (so auch LG Hamburg, NJW 2021, 707, 710; Rau/Sleimann NZWiSt 2020, 373, 375; Burgert, StraFo 2020, 181, 185). Einer wirksamen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen durch den Subventionsgeber steht auch nicht entgegen, dass diese ausschließlich in einer vom Subventionsempfänger anzukreuzenden Wissenserklärung aufgeführt werden. Dies führt nicht dazu, dass der Subventionsnehmer selbst über die Subventionserheblichkeit der Tatsache entscheidet (aA Schmuck/Hecken/Tümmler NJOZ 2020, 673, 676 f.). Vielmehr handelt es sich um eine nach Sinn und Zweck zulässige Gestaltungsmöglichkeit, welche die Kenntnisnahme des Subventionsnehmers nachweist.
Auch das in zwei weiteren Fällen verwendete geänderte niedersächsische Formular („Version 2“), in dem es heißt, dass „alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärung) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB sind“, genügt in den hier zu entscheidenden Fallkonstellationen den Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB (aA LG Hamburg, NJW 2021, 707, 710; Schmuck/Hecken/Tümmler NJOZ 2020, 673, 675; Rau/Sleimann, NZWiSt 2020, 373, 375). Das Formular verlangt wie diejenigen anderer Bundesländer auf knapp vier Seiten die bereits genannten Angaben. Der Hinweis, dass „alle Angaben subventionserheblich“ sind, sorgt bei dem Subventionsnehmer für die nötige Klarheit über die subventionserheblichen Tatsachen. Sein Augenmerk wird hinreichend präzise auf die Bedeutung aller abgefragten Angaben gelenkt. Abweichend von den in der Rechtsprechung bisher entschiedenen Konstellationen unzulässiger pauschaler und lediglich formelhafter Verweisungen, bei denen in der Regel lediglich der Wortlaut von § 264 Abs. 9 StGB oder § 2 SubvG wiederholt (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238; OLG Jena, Beschluss vom 1. November 2006 - 1 Ws 290/06; LG Magdeburg, wistra 2005, 155, 156 f.; LG Düsseldorf, NStZ 1981, 223) oder auf den Antrag nebst umfangreichen Anlagen, Gesprächsprotokolle, Finanzierungspläne und Bewilligungsbescheide Bezug genommen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018 - 3 StR 449/17 Rn. 47, NStZ-RR 2019, 147, 149), bleibt es hier nicht dem Antragsteller bzw. Subventionsnehmer überlassen, sich Klarheit über die maßgebenden Tatsachen und Angaben zu verschaffen.
c) Schließlich begegnet die Annahme der Strafkammer, dass bei allen Taten ein unbenannter schwerer Fall nach § 264 Abs. 2 Satz 2 StGB vorliegt, keinen Bedenken. Sie hat insofern auf die besonderen Umstände der Taten abgestellt, namentlich auf das Ausnutzen eines Soforthilfeverfahrens in einer deutschlandweiten Notlage, die mehrfach und in verschiedenen Bundesländern gestellten Anträge und den Gesamtumfang der unberechtigt erlangten Unterstützungsleistungen von 50.000 Euro. Angesichts dessen bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Strafkammer die Tatbegehung bei wertender Betrachtung den benannten Regelbeispielen gleichgestellt hat, zumal die Gewerbsmäßigkeit des Handelns des Angeklagten auch beim Subventionsbetrug zumindest eine Indizwirkung für das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles entfaltet (vgl. MüKo-StGB/Ceffinato, 3. Aufl. 2019, § 264 Rn. 139; BeckOK/Momsen/Laudien, 49. Edition 1. Februar 2021 § 264 Rn. 51).
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 591
Externe Fundstellen: BGHSt 66, 115; NJW 2021, 2055; NStZ-RR 2021, 214; StV 2021, 725
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede