HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 528
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 53/21, Beschluss v. 23.03.2021, HRRS 2021 Nr. 528
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 17. November 2020
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in acht Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, sowie der Bedrohung schuldig ist;
b) im Ausspruch über die in den Fällen II. 6., 7., 8., 10., 11., 12., 13. und 14. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in acht Fällen (Fälle II. 1., 3. bis 6., 9., 12. und 13. der Urteilsgründe), vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen (Fälle II. 7., 8., 10., 11. und 14. der Urteilsgründe) und Bedrohung (Fall II. 2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Schuldspruch des Landgerichts hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nur teilweise stand. Er bedarf in konkurrenzrechtlicher Hinsicht der Korrektur. Dies bedingt auch die Aufhebung einzelner Strafaussprüche, soweit sie davon betroffen sind, sowie des Gesamtstrafenausspruchs.
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer in den Fällen II. 6. bis 8., 10. bis 12. sowie 13. und 14. der Urteilsgründe als jeweils rechtlich selbständige Taten hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Urteilsfeststellungen entwendete der Angeklagte, der bei Begehung der Taten nicht über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügte, am 12. April 2020 in B. von dem Betriebsgelände eines Autohauses zwei Kfz-Diagnosegeräte, ein Tablet und sieben Sätze eingelagerter Kompletträder (Fall II. 6. der Urteilsgründe); die Räder transportierte er mit seinem Pkw in zwei Fuhren ab (Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe). Am 2. Mai 2020 fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw von S. nach B., wo er sein Fahrzeug um 3.05 Uhr kurz abstellte (Fall II. 10. der Urteilsgründe). Bereits um 3.10 Uhr setzte er die Fahrt fort und fuhr zum späteren Tatort in B. O. (Fall II. 11. der Urteilsgründe). Dort stahl er aus einem Baucontainer Elektrowerkzeuge und andere Wertgegenstände (Fall II. 12. der Urteilsgründe). Schließlich entwendete der Angeklagte in der Nacht auf den 13. Mai 2020 in G. aus einem Carport einen Satz Kompletträder (Fall II. 13. der Urteilsgründe), die er ebenfalls mit seinem Pkw abtransportierte (Fall II. 14. der Urteilsgründe).
b) Die Annahme des Landgerichts, zwischen den Diebstählen und dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis bestehe Tatmehrheit, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Bei allen Fahrten ohne Fahrerlaubnis handelte es sich nach den Feststellungen des Landgerichts um „Diebesfahrten“, bei denen der Angeklagte das Fahrzeug entweder zur Anfahrt (Fall II. 11. der Urteilsgründe) oder zur Abfahrt sowie zum Abtransport der Beute (Fälle II. 7. und 8. sowie Fall II. 14. der Urteilsgründe) führte. In diesen Fällen stehen die Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit der Tat des Diebstahls in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 1996 - 4 StR 264/96 Rn. 6; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 1989 - 1 StR 563/89 Rn. 1 und vom 27. Oktober 1987 - 1 StR 529/87 Rn. 2).
c) Auch die Tatsache, dass der Angeklagte zum Abtransport der im Fall II. 6. der Urteilsgründe entwendeten Räder zwei Fuhren benötigte (Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe), führt entgegen der Wertung des Landgerichts nicht zu einer tatmehrheitlichen Begehungsweise. Insoweit liegt eine Tat im Rechtssinne vor, weil sich das Tätigwerden des Angeklagten bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellte und auf einer einzigen Willensentschließung beruhte (sog. natürliche Handlungseinheit; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 17).
d) Anders als vom Landgericht ausgeurteilt steht auch die Fahrt im Fall II. 10. der Urteilsgründe konkurrenzrechtlich in Tateinheit zu der anschließenden Weiterfahrt im Fall II. 11 der Urteilsgründe. Die kurze Fahrtunterbrechung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 7. November 2003 - 4 StR 438/03 Rn. 2 und vom 12. August 2015 - 4 StR 14/15 Rn. 4). So verhält es sich hier. Etwas anderes kann nach einer Fahrtunterbrechung zwar gelten, wenn die Fortsetzung der Tat auf einem neu gefassten Willensentschluss beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. August 2019 - 4 StR 21/19 Rn. 3 und vom 17. Oktober 2018 - 4 StR 149/18 Rn. 6 mwN). Dass der Angeklagte beim Abstellen seines Fahrzeuges um 3.05 Uhr ursprünglich vorhatte, die Fahrt zu beenden, und die Fahrt zur Begehung der Diebstahlstat wenige Minuten später - wie von der Strafkammer angenommen - aufgrund eines neu gefassten Tatentschlusses fortsetzte, ist jedoch weder nachvollziehbar festgestellt noch beweiswürdigend belegt, zumal diese Annahme im Widerspruch zu der von der Strafkammer getroffenen Feststellung steht, der Angeklagte habe, um den anschließenden Diebstahl zu begehen, das Vorhängeschloss des Baucontainers „mit einer von ihm zu diesem Zweck mitgebrachten Akku-Flex“ (UA S. 12) durchtrennt.
2. Der Senat kann die Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Auf Grund der bisherigen Feststellungen des Landgerichts kann ausgeschlossen werden, dass noch weitergehende Feststellungen zu erwarten sind, die einen anderen Schuldspruch rechtfertigen würden. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da der - geständige - Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der in den Fällen II. 6., 7., 8., 10., 11., 12., 13. und 14. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht, weil diese von den vorliegenden Wertungsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 528
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 222
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede