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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 929

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 143/20, Beschluss v. 18.06.2020, HRRS 2020 Nr. 929


BGH 1 StR 143/20 - Beschluss vom 18. Juni 2020 (LG Tübingen)

Adhäsionsverfahren (Anwendbarkeit des Grundsatzes „ne ultra petita“).

§ 403 StPO; § 308 Abs. 1 ZPO

Leitsatz des Bearbeiters

Das Verbot des § 308 Abs. 1 ZPO, einer Partei zuzusprechen, was nicht beantragt ist, gilt auch im Adhäsionsverfahren.

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 17. Dezember 2019 wird als unbegründet verworfen, jedoch im Adhäsionsausspruch mit der Maßgabe, dass die der Adhäsionsklägerin auf das ausgeurteilte Schmerzensgeld zuerkannten Zinsen entfallen und der Feststellungausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz für sämtliche weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden, die der Adhäsionsklägerin aufgrund der Tat vom 22. April 2019 entstanden sind, entfällt.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Adhäsions- und Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen.

Die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Adhäsionsentscheidungen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu das Folgende ausgeführt:

„Der Angeklagte wurde im Adhäsionsausspruch zur Zahlung von Prozesszinsen verurteilt. Weiterhin wurde festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden, die ihr aufgrund der Tat vom 22.04.2019 entstanden sind, zu ersetzen (UA S. 2).

Insoweit geht der Adhäsionsausspruch über den Antrag der Adhäsionsklägerin hinaus. Diese hat lediglich die Zahlung von Schmerzensgeld, die sie auf mindestens 20.000 Euro bezifferte, sowie die Feststellung der Schadenersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden beantragt, nicht für bereits entstandene (vgl. Adhäsionsantrag, Verfahrensakten Bd. 2, Bl. 972 f.). Das Verbot des § 308 Abs. 1 ZPO, einer Partei zuzusprechen, was nicht beantragt ist, gilt auch im Adhäsionsverfahren. Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 2 StR 168/09, Rn. 3). Dass das Gericht die Adhäsionsanträge in den Urteilsgründen abweichend vom Adhäsionsantrag wie ausgeurteilt (UA S. 2) festgestellt hat (UA S. 21) ist daher unbeachtlich. Im Revisionsverfahren kann weiterhin die Beschränkung des Urteilsausspruchs unter Beseitigung dessen, was nicht beantragt war, erfolgen (BGH, a.a.O.).“

Im Hinblick auf den nur geringfügigen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 929

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede