HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 899
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 162/18, Urteil v. 16.08.2018, HRRS 2018 Nr. 899
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 13. Dezember 2017 wird
a) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung schuldig ist,
b) mit den Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen“ zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie bestimmt, dass ein Jahr der verhängten Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft - diese zu Ungunsten des Angeklagten - mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen erweisen sich dieses Rechtsmittel sowie die Revision des Angeklagten als unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trennte sich der Angeklagte von seiner Lebensgefährtin B., mit der er zwei damals 1¾ Jahre und sieben Monate alte Kinder hat. Er zog aus der bis dahin gemeinsam genutzten Wohnung im ersten Obergeschoss des zweigeschossigen, in Trockenbauweise mit Fachwerk ausgeführten sanierten Altbaus aus und wohnte fortan in der darüber liegenden Dachgeschosswohnung. Insgesamt beherbergte das Wohnhaus sechs Mietparteien. Innerhalb einer Woche nach der Trennung kam es bis zum 28. Mai 2017 dort zu acht Polizeieinsätzen, weil sich der Angeklagte gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin aggressiv verhielt, insbesondere wiederholt im alkoholisierten Zustand ihre Wohnungstür eintrat und sie zumindest einmal auch tätlich angriff. B. hatte Angst vor weiteren tätlichen Angriffen; sie verließ ihre Wohnung, die wegen der beschädigten Wohnungstür nicht sicher von außen zu verschließen war, nur selten. Am 22. Mai 2017 äußerte der Angeklagte gegenüber einem Zeugen, „er raste aus, wenn er die Kinder, die er über alles liebe, nicht haben könne; dann dürfe sie keiner haben und er bringe sie alle - B. und die gemeinsamen Kinder - um“ (UA 9). Nach einer bereits nach wenigen Tagen abgebrochenen Entgiftungsbehandlung äußerte der Angeklagte am 6. Juni 2017 zu einem Bekannten, er werde „Stress machen“, weil Frau B. ihm noch immer die Kinder vorenthalte. Auch bei der im Anschluss an die Trennung „rege“ geführten Kommunikation über WhatsApp kam es immer wieder zu Drohungen, aber auch zu zahlreichen, vom Angeklagten ausgehenden Versöhnungsversuchen.
Angesichts des ungeklärten Umgangs mit seinen Kindern war der Angeklagte verzweifelt. Am Morgen des 7. Juni 2017 trank er zunächst zwei Flaschen Bier in seiner Wohnung und anschließend ab 10.00 Uhr nochmals zwei Flaschen Bier sowie zwei kleine Fläschchen Pfefferminzlikör im benachbarten Kiosk. Sein Profilbild bei WhatsApp hatte er geändert. Dort war nunmehr eine schwarze Pistole in einer hellen Wolke vor schwarzem Hintergrund zu sehen sowie darunter der rote Schriftzug „BÖSE GEDANKEN“. Hiermit verlieh er seinen Überlegungen, B. und die beiden Kinder töten zu wollen, Ausdruck. Auch im Kiosk äußerte der Angeklagte seinen Unmut über Frau B. Beim Verlassen des Kiosks nahm der Angeklagte zwei Flaschen Bier und eine kleine Flasche Pfefferminzlikör mit. Er zeigte keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen und fühlte sich allenfalls angetrunken. Er begab sich auf direktem Weg zu seinem von außen nur mit einem entsprechenden Haustürschlüssel zugänglichen Wohnhaus. In der ehemals gemeinsamen Wohnung hatte B. die beiden Kinder noch vor 11.00 Uhr zum Mittagsschlaf in die Wohnstube gelegt. Gewöhnlich tat sie dies frühestens gegen 12.00 Uhr; sie selbst blieb wach. Zwischen 10.45 Uhr und 10.59 Uhr betrat der Angeklagte das Haus, wobei die mitgeführten Flaschen klirrten. Der mit maximal 2,38 Promille im Blut alkoholisierte Angeklagte trat wuchtig gegen die Wohnungstür der B. und lief die Treppen bis zu seiner Wohnung im Dachgeschoss hinauf und bis zu ihrer Wohnung im 1. Obergeschoss wieder hinunter. Dabei stellte der Angeklagte mehrere Kisten mit Kleidung vor deren Wohnungstür ab.
Dort legte der Angeklagte - möglicherweise unter Zuhilfenahme eines Brandbeschleunigers - einen Brand. Dabei nahm er aus Verzweiflung über seine Situation, vor allem im Hinblick auf den wiederholt verwehrten Umgang mit den beiden Kindern, die Tötung der drei in der Wohnung befindlichen Personen zumindest billigend in Kauf und rechnete mit der Ausbreitung des Feuers auf das Wohnhaus und angrenzende Häuser. Er hatte sich im Vorfeld der Tat nicht darum bemüht, in Erfahrung zu bringen, wo sich die anderen Bewohner des Hauses aufhielten. Dass jene sich zur Tatzeit sämtlich außer Haus befanden, wusste er nicht.
Nach der Brandlegung verließ der Angeklagte das Haus. B. hörte „nur Minuten nach Wahrnehmung der Aktivitäten des Angeklagten vor ihrer Wohnungstür“ den Feuermelder im Flur ihrer Wohnung. Daraufhin bemerkte sie dichten schwarzen Rauch, welcher durch die notdürftig verschlossene Wohnungstür in ihre Wohnung zog. Um 10.59 Uhr setzte sie den ersten Notruf ab. Um 11.00 Uhr drang bereits dicker Qualm aus dem Bereich des Hintereingangs des Hauses. Das Betreten des Wohnhauses war wegen des sich schnell ausbreitenden Feuers nicht mehr möglich. So stand die Holztreppe, auch im Bereich des Erdgeschosses, vollständig in Flammen. Innerhalb von höchstens sechs Minuten nach dem Bemerken des Brandes durch einen Nachbarn und noch vor 11.02 Uhr schlugen Flammen aus der Hauseingangstür. B. ließ zunächst ihre beiden Kinder aus einem der Wohnzimmerfenster hinab in eine von Helfern ausgebreitete Decke fallen, bevor sie selbst sprang. Über eine Feuerleiter oder einen weiteren Ausgang verfügte ihre Wohnung nicht; das war auch dem Angeklagten bekannt.
Die Feuerwehr traf umgehend ein; sie konnte das Gebäude wegen der bereits immensen Branderscheinungen aus Sicherheitsgründen nicht betreten. Das Feuer griff auch auf das Nebengebäude in der M. Straße über, in welchem sich weitere Wohnungen befanden. Dieses Wohnhaus, welches einen gemeinsamen Dachgiebel mit dem Haus in der M. Straße hatte, musste sofort gekühlt werden. B. und ihre beiden Kinder wurden mit Verdacht auf Rauchgasintoxikation in eine Klinik gebracht.
Der etwa eine Stunde andauernde Brand hinterließ die größten Schäden im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss des Hauses. Der Dachstuhl wurde ebenso wie die Treppe im oberen Bereich nahezu vollständig zerstört. Das Haus musste abgerissen werden. Alle Mietparteien verloren nahezu ihren gesamten Hausrat. Am Nachbargebäude entstanden Brandschäden und Schäden durch das eingesetzte Löschwasser. Insgesamt belief sich der Sachschaden auf „deutlich über 400.000 Euro“.
2. Das Landgericht hat den Angeklagten nach sachverständiger Beratung für voll schuldfähig gehalten und ihn wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung verurteilt. Hingegen habe der Angeklagte nicht aus niedrigen Beweggründen oder heimtückisch gehandelt. Auch sei der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt, weil noch keine konkrete Lebensgefahr für die Bewohner bestanden habe.
Revision der Staatsanwaltschaft
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat insoweit Erfolg, als das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB verurteilt hat.
a) Allerdings ist diese Straftat nicht vollendet. Nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB wird wegen besonders schwerer Brandstiftung bestraft, wer in den Fällen des § 306a StGB (schwere Brandstiftung) einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
aa) § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt die konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen voraus. Wann eine solche Gefahr gegeben ist, entzieht sich exakter wissenschaftlicher Umschreibung (BGH, Beschluss vom 15. Februar 1963 - 4 StR 404/62, BGHSt 18, 271, 272). Die Tathandlung muss aber jedenfalls über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut geführt haben; in dieser Situation muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 25. Oktober 1984 - 4 StR 567/84, NStZ 1985, 263 mit Anm. Geppert und vom 15. September 1998 - 1 StR 290/98, NStZ 1999, 32, 33; Wolff in LK-StGB, 12. Aufl., § 306a Rn. 29, § 306b Rn. 14 f.; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 5 f.). Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden, genügt noch nicht zur Annahme einer konkreten Gefahr (BGH, Urteil vom 11. Januar 2017 - 5 StR 409/16, NStZ 2017, 281, 282). Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete noch in Sicherheit bringen konnte. Erforderlich ist ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass „das noch einmal gut gegangen sei“ (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 4 StR 401/13, NStZ 2014, 85, 86).
bb) Eine solche „hochgradige Existenzkrise“ (vgl. zu § 315c StGB BGH, Urteil vom 30. März 1995 - 4 StR 725/94, NZV 1995, 325 mwN; OLG Koblenz, Beschluss vom 19. Dezember 2017 - 2 OLG 6 Ss 138/17, juris) lässt sich den auch insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend entnehmen. B. ist durch das Anschlagen des Feuermelders frühzeitig auf den Brand aufmerksam geworden. Sie und ihre Kinder konnten das Haus durch das Wohnzimmerfenster im 1. Obergeschoss verlassen. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass der durch die Wohnungstür eindringende „dichte schwarze Rauch“ bereits das Wohnzimmer erreicht hatte. Vielmehr war die Wohnstube im Zeitpunkt der Rettung „vom Brandgeschehen noch nicht unmittelbar betroffen“ (UA 32). Das Urteil belegt auch in seinem Gesamtzusammenhang keine hinreichend abgrenzbaren Gefahren durch den Sprung der drei Geschädigten in die von Helfern ausgebreitete Decke. Zwar lag der Brandherd vor der Außentür der Wohnung, so dass den Insassen bei einer Fortentwicklung der Flammen in der Wohnung der Fluchtweg abgeschnitten gewesen wäre. Doch kam es darauf wegen der von einem Zeugen organisierten Rettung nicht an.
b) Nach den Feststellungen liegt aber ein Versuch der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB vor. Der Angeklagte rechnete damit, dass Frau B. und die beiden gemeinsamen Kinder sich in der Wohnung im ersten Obergeschoss befinden und darin zu Tode kommen könnten. Den Eintritt der Todesgefahr nahm er billigend in Kauf; dies liegt - wie die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg zu Recht ausgeführt hat - angesichts des rechtsfehlerfrei festgestellten bedingten Tötungsvorsatzes auf der Hand. Ein Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB scheidet angesichts des offensichtlichen Fehlschlags von vornherein aus. Der Senat hat den Schuldspruch daher entsprechend ergänzt (§ 354 Abs. 1 StPO analog); weiter gehende Feststellungen, die eine konkrete Gefahr belegen könnten, sind auch in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Ein vollendetes Verbrechen nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB lag zudem bereits der Anklage zugrunde.
In Tateinheit mit dem Versuch der besonders schweren Brandstiftung steht die vollendete schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 4 StR 401/13, NStZ 2014, 85, 86); die insoweit gegebene gleichartige Tateinheit (Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306a Rn. 15) hat der Senat nicht in den Tenor aufgenommen (§ 260 Abs. 4 Satz 5 StPO). Hingegen hat er im Schuldspruch außerdem klarstellend zum Ausdruck gebracht, dass sich die vom Landgericht ausgesprochene gleichartige Tateinheit „in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen“ allein auf den versuchten Mord bezieht.
2. Die Schuldspruchänderung entzieht der verhängten Freiheitsstrafe die Grundlage; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer höheren Bestrafung des Angeklagten gelangt wäre, wenn es die Verwirklichung des versuchten Verbrechens nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB bei der Strafzumessung berücksichtigt hätte.
Der Maßregelausspruch ist von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; er kann bestehen bleiben. Jedoch entzieht die Aufhebung des Strafausspruchs der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe die Grundlage.
3. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird bei der erneuten Strafzumessung zu berücksichtigen haben, dass die Feststellungen zum Schuldspruch eine vom Tatplan des Angeklagten umfasste heimtückische Tötung (neben einer solchen mit gemeingefährlichen Mitteln) nahelegen.
Zwar kommt ein Heimtückemord mit Bezug auf die beiden gemeinsamen Kinder angesichts des Alters der Tatopfer nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2006 - 2 StR 561/05, NStZ 2006, 338, 339). Anders verhält es sich jedoch mit B.
Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke mit folgender Begründung verneint: „Es fehlt bereits am Merkmal der Arglosigkeit, denn nach den Geschehnissen innerhalb der Zeit nach der Trennung vom Angeklagten lebte die Zeugin B. in der ständigen Angst vor neuerlichen tätlichen Angriffen des Angeklagten nicht nur gegen ihre Wohnungstür, sondern auch gegen ihre Person. Es war auch zuvor zu Handgreiflichkeiten des Angeklagten ihr gegenüber gekommen. Weitere Tätlichkeiten dieser Art befürchtete die Zeugin B. insbesondere, solange ihre Wohnungstür nicht wieder so hergerichtet war, dass sie sicher von außen verschlossen werden konnte“ (UA 34).
Damit ist das Landgericht zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung bei Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist danach, dass der Täter das sich keines erheblichen Angriffs versehende, mithin arglose Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Bei einem offen feindseligen Angriff ist erforderlich, dass dem Opfer wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff keine Möglichkeit der Abwehr verblieben ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.; vom 4. Juni 1991 - 5 StR 122/91, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 15; vom 15. September 2011 - 3 StR 223/11, NStZ 2012, 35 und vom 25. November 2015 - 1 StR 349/15, NStZ-RR 2016, 43, 44 mwN). Die Verneinung bereits der Arglosigkeit von B. lässt jedoch eine erschöpfende Beurteilung des Sachverhalts durch das Schwurgericht vermissen, welches den Indizwert einer Reihe von zu Ungunsten des Angeklagten sprechender Umstände nicht in seine Erwägungen einbezogen hat:
Das Schwurgericht hat sich nicht näher damit auseinandergesetzt, dass B. die beiden gemeinsamen Kinder schlafen gelegt hatte. Sie ging also ersichtlich - auch als schutzbereite Person - nicht davon aus, dass ein Anschlag des Angeklagten auf das Leben der Kinder und auf ihr eigenes unmittelbar bevorstand. Zwar mag der Angeklagte der Annahme gewesen sein, dass die Kinder - dem ihm bekannten früher üblichen Tagesablauf entsprechend - erst gegen 12.00 Uhr/12.30 Uhr zu Bett gelegt werden. Er wusste jedoch, dass seine frühere Lebensgefährtin mit den beiden gemeinsamen Kindern sich in der durch die in die Zarge gestellte beschädigte Tür nur notdürftig geschützten Wohnung aufhielt.
Soweit das Landgericht auf die zuvor bereits eskalierend verlaufenen Auseinandersetzungen seit der Trennung abgestellt hat, ist dies nach dem für die Prüfung des Mordmerkmals der Heimtücke anzulegenden rechtlichen Maßstab kein entscheidender Gesichtspunkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atomsphäre beruhende latente Angst des Opfers der Annahme von Arglosigkeit nicht entgegen, da es darauf ankommt, ob das Opfer gerade im Tatzeitpunkt weder mit einem lebensbedrohlichen noch mit einem (nur) gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten (erheblichen) Angriff gerechnet hat (vgl. BGH, Urteile vom 9. Januar 1991 - 3 StR 205/90, NJW 1991, 1963; vom 20. Oktober 1993 - 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368 f.; vom 23. August 2000 - 3 StR 234/00, NStZ-RR 2001, 14; vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 f. [Ls]; vom 10. Februar 2010 - 2 StR 503/09, NStZ 2010, 450 f.; vom 30. August 2012 - 4 StR 84/12, NStZ 2013, 337, 338; vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; vom 11. November 2015 - 5 StR 259/15, NStZ-RR 2016, 72, 73; vom 15. November 2017 - 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97, 98; Beschluss vom 11. Januar 2011 - 1 StR 517/10, juris). Die Feststellungen ergeben keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Angeklagte sei bei der Brandlegung davon ausgegangen, B. rechne - gerade jetzt - mit einem Angriff auf ihr Leben. Dafür, dass die im Vorfeld der Tat gegenüber dritten Personen ausgesprochenen Drohungen Frau B. zur Kenntnis gelangt waren, fehlt jeder Anhalt. Das Landgericht wird daher die oben genannten weiteren Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke auf der Grundlage der bindenden Feststellungen zum Schuldspruch zu prüfen haben; ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen, sind zulässig.
Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung durch das Landgericht Magdeburg ist unbegründet; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Seine Revisionsangriffe erschöpfen sich vielmehr im Wesentlichen in einer eigenen Beweiswürdigung; hiermit kann er im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Insbesondere hat sich das Schwurgericht hinsichtlich des angenommenen „schlagartige(n) Übergang(s) des Schadfeuers hin zur Vollbrandphase“ (UA 18) keineswegs nur auf Vermutungen gestützt.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 899
Externe Fundstellen: NJW 2018, 3398; NStZ 2019, 32
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner