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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 806

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 28/18, Beschluss v. 12.07.2018, HRRS 2018 Nr. 806


BGH AK 28/18 - Beschluss vom 12. Juli 2018

Dringender Tatverdacht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (objektive Nützlichkeit für die Organisation; Nachweis anhand belegter Fakten); Sichbereiterklären zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung; Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate.

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 30 Abs. 2 StGB; § 112 StPO; § 121 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1, § 129b Abs. 1 S. 1 StGB ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt.

2. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder ob nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitgeprägt wird, ist dagegen ohne Belang. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistungen und deren Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein.

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwaig erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.

Der Beschuldigte wurde am 20. Dezember 2017 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2017 (2 BGs 1057/17) festgenommen und befindet sich seit dem 21. Dezember 2017 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in sechs Fällen eine terroristische Vereinigung im Ausland, nämlich den Islamischen Staat (IS), unterstützt, dessen Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1, 2, § 53 StGB), danach spätestens seit Juli 2016 sich als Mitglied an dieser terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1, 2 StGB) und darüber hinaus in einem Fall tateinheitlich (§ 52 StGB) 1 eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er sich im Mai 2017 im Irak im Umgang mit Schusswaffen habe unterweisen lassen (§ 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB).

II.

Die Voraussetzungen für den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Beschuldigte ist jedenfalls bezüglich vier der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im Juni 2014 von ISIG in IS umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al Baghdadi inne. Al Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Hinweise darauf, dass al Baghdadi zwischenzeitlich getötet wurde, konnten bisher nicht bestätigt werden. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al Furqan" produziert und über die Medienstelle "al l’tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen Geheimdienstapparat eingerichtet; diese Maßnahmen zielen auf das Schaffen totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellen, sehen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom ISIG bzw. IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Vereinigung immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.

bb) Der Beschuldigte beging im Zeitraum von April und Mai 2015 in Karlsruhe mindestens zwei Unterstützungshandlungen zugunsten des IS. Im Juni und Juli 2015 bot sich der Beschuldigte an, sich am IS zu beteiligen. Seit spätestens Juli 2016 beteiligte er sich dann tatsächlich als Mitglied am IS.

(1) Spätestens ab Ende April 2015 erhielt der Beschuldigte von einem bislang nicht näher identifizierten IS-Mitglied unter dem Skype-Profilnamen "a." über einen Skype-Chat Audiodateien mit von diesem gesprochenen propagandistischen Reden; der Beschuldigte sollte diese Reden zu Videodateien verarbeiten sowie mit entsprechendem Bildmaterial und islamistischen Propaganda- und Kriegsliedern (sogenannten "Nasheeds") unterlegen. Der Beschuldigte kam diesen Aufträgen nach und erstellte mindestens vier dieser Videos bis zum 9. Mai 2015; er veröffentlichte die Videos auf mehreren Internetplattformen. Der Beschuldigte wollte damit den Zusammenhalt innerhalb des IS stärken, was er am 29. April 2015 mit folgenden Worten zum Ausdruck brachte: "Wenn man diesem Chatroom dient, hat man dem islamischen Staat gedient, hat dem Islam gedient!"

(2) Am 7. Mai 2015 tauschten sich der Beschuldigte und "a." in einem Skype-Chat darüber aus, dass es mehrere Personen gebe, die sich für die Nutzung des Online-Dienstes "Pal-Talk" interessierten; über den Online-Dienst ließen sich etwa in einem Videochat Videos mit islamistischem Inhalt anschauen. Der Beschuldigte erklärte sich bereit, ein Video zu erstellen, in welchem er erklärte, wie die Interessierten das entsprechende Pal-Talk-Programm installierten und nutzten. Tatsächlich legte der Beschuldigte einen Mitschnitt 8 9 10 von Computerbildschirmfotografien an, auf dem man erkannte, wie man sich bei Pal-Talk anmeldete und einer bestimmten Gruppe beitrat. Am 21. Mai 2015 erklärte der Beschuldigte dem "a." das Installieren und Nutzen noch einmal gesondert, damit dieser eine Alternative zum Skype-Chatroom hatte. Damit wollte der Beschuldigte erreichen, dass sich "a." weiterhin an den IS band.

(3) Am 16. Juni 2015 schrieb der Beschuldigte über einen Skype-Chat an eine bislang nicht weiter identifizierte Person mit dem Skype-Profilnamen "s. ": "So Gott will, ich habe mich schon lange für den Jihad gegen die Ungläubigen entschieden, zuerst will ich etwas machen, was ich geplant hatte." Damit wollte der Beschuldigte sich der Organisation anerbieten, sich als Märtyrer einsetzen zu lassen. Davon setzte "s." bislang unbekannte IS-Mitglieder in Kenntnis. Der Beschuldigte bekräftigte sein Bestreben am 30. Juli 2015 über einen Skype-Chat gegenüber dem bislang nicht weiter identifizierten IS-Mitglied mit dem Skype-Profilnamen "m. ", das sich in Erbil (Kurdistan) aufhielt, mit den Worten: "So Gott es will werde ich für Gott als Märtyrer sterben".

(4) Am 26. Juli 2016 reiste der Beschuldigte erneut in den Irak. Dort unterstellte er sich der Befehlsgewalt eines bislang unbekannt gebliebenen Generals des IS und ließ sich derart in den IS eingliedern. Im Auftrag dieses Generals fotografierte er mit seinem Mobilfunktelefon in Erbil Gebäude, die mutmaßlich das Ziel von Anschlägen werden sollten, darunter die Burg, das Haus des Regierungspräsidenten und das Premierministergebäude. Bei diesem Ausspionieren entdeckten kurdische Sicherheitskräfte (sogenannte "Peschmerga") den Beschuldigten, der daraufhin für rund zwei Monate vom 13. August 2016 bis 10. Oktober 2016 inhaftiert wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Haftbefehl vom 19. Dezember 2017 verwiesen.

b) Der dringende Tatverdacht beruht auf Folgendem:

aa) Der Chatinhalt, der die beiden Unterstützungshandlungen aus April und Mai 2015 sowie das Sichanerbieten aus Juni und Juli 2015 betrifft, war auf dem Notebook der Marke Acer gespeichert, welches dem Beschuldigten gehört und am 10. Oktober 2016 in der Wohnung des Onkels des Beschuldigten sichergestellt wurde. Seine Urheberschaft an den Nachrichten lässt der Beschuldigte zudem nicht in Abrede nehmen.

bb) Der dringende Tatverdacht bezüglich der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS ergibt sich vornehmlich aus den Umständen der Inhaftierung des Beschuldigten.

(1) Der Beschuldigte unterschrieb unter dem 18. August 2016 ein dreiseitiges und unter dem 10. Oktober 2016 ein zweiseitiges richterliches Vernehmungsprotokoll in kurdischer Sprache (Sorani). Nach dem Inhalt des zweiten Vernehmungsprotokolls war der Vater des Beschuldigten, der Anwalt I., zugegen, der seinerseits am 14. September 2016 das Jobcenter der Stadt Karlsruhe davon in Kenntnis setzte, dass sein Sohn "auf unbestimmte Zeit inhaftiert" sei. Sofern der Beschuldigte vortragen lässt, er habe die Protokolle mangels Kenntnis der kurdischen Sprache nicht verstanden und die Fotos zur Erinnerung gemacht, vermag dies den belastenden Beweiswert der Protokolle derzeit nicht zu entkräften. Denn der Beschuldigte hat eingangs des ersten Protokolls angegeben, sich über das soziale Netzwerk Pal-Talk radikalisiert und dort unter anderem den" K." kennengelernt zu haben. Dies passt, wie ausgeführt, zu den weiteren Ermittlungsergebnissen; auch ein Chat mit "mu." ist belegt. Diese zutreffenden Details kann nach derzeitigem Ermittlungsstand der kurdische Ermittlungsrichter nur vom Beschuldigten erfahren haben. Angesichts der eingeräumten Radikalisierung liegt es nahe, dass die Fotos dem Ausspähen von Anschlagszielen dienten. Dieses Ausspähen lässt den Rückschluss zu, dass der Beschuldigte zu dieser mitgliedschaftlichen Betätigungshandlung vom IS beauftragt war und nicht etwa eigenmächtig vorging.

(2) Dass es unverständlich erscheint, dass der Beschuldigte trotz dieses Tatverdachts aus der kurdischen Haft entlassen wurde, vermag den vorstehenden Gesichtspunkt nicht zu entkräften. Die genauen Umstände der Haftentlassung, etwa ob hierfür die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung bestimmend war, werden gegebenenfalls noch zu klären sein.

c) Ob der Beschuldigte darüber hinaus der weiteren vier Tatvorwürfe dringend verdächtig ist, lässt der Senat für das Haftprüfungsverfahren offen. Bereits die vorgenannten vier Tatvorwürfe tragen die Anordnung der Untersuchungshaft.

2. Danach hat sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wie folgt strafbar gemacht:

a) In den ersten beiden Fällen unterstützte der Beschuldigte die terroristische Vereinigung des IS im Ausland (§ 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).

aa) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 624/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, aaO S. 117 f.; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.).

Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder ob nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitgeprägt wird, ist dagegen ohne Belang. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistungen und deren Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (siehe nur BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 208 mwN). Fördert der Außenstehende die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds der Vereinigung, so bedarf es für die Tathandlung des Unterstützens in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlung des Nichtmitglieds für die Organisation. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, grundsätzlich bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Organisation zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder er dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (BGH aaO mwN).

bb) An diesen Grundsätzen gemessen hat der Beschuldigte dem "a." dabei geholfen, propagandistische Reden zu verbreiten und damit bei mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen unterstützt. Ähnlich verhält es sich bei der Einweisung in die Pal-Talk-Nutzung, die generell von Nutzen war.

b) Die Erklärungen des Beschuldigten vom 16. Juni und 30. Juli 2015, sich als Selbstmordattentäter einsetzen zu lassen, erfüllen zumindest die Voraussetzungen der versuchten Beteiligung an einem Verbrechen in Form des Sichbereiterklärens zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB). Es kann deshalb offenbleiben, ob - wovon der Generalbundesanwalt und ihm folgend der Ermittlungsrichter ausgegangen sind - dieses Anerbieten bereits als Unterstützen des IS zu werten ist.

aa) § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB ist auf die Vorschriften der §§ 129 ff. StGB anwendbar (siehe nur BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, BGHR StGB § 30 Abs. 2 SichBereiterklären 2).

bb) Der Beschuldigte unterbreitete sein Angebot ernsthaft; er rechnete damit, dass der IS ihn eingliedern und seinem Selbstmordanschlag zustimmen werde. Er sah den "s." zumindest als Boten an, der seine Erklärung wie geschehen an einen Repräsentanten des IS weiterleitete (zum Ganzen nur BGH aaO).

cc) Allerdings wird zu beachten sein, dass der Versuch der Beteiligung grundsätzlich hinter allen Formen der Beteiligung an der vollendeten oder aber auch nur versuchten Haupttat zurücktritt (siehe nur Fischer, StGB, 65. Aufl., § 30 Rn. 17 mwN; siehe aber auch BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 StR 635/96, BGHSt 44, 91, 93 ff.; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 30 Rn. 73: gegebenenfalls Tatmehrheit, wenn die später tatsächlich begangene Tat auf einem neuen Tatentschluss beruht). Grundsätzlich hat demnach das Sichbereiterklären zur mitgliedschaftlichen Beteiligung nur dann selbständige Bedeutung, wenn dem Beschuldigten die Haupttat einer nachfolgenden Mitgliedschaft im IS (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) nicht nachzuweisen sein sollte.

c) Der Beschuldigte hat sich zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Juli 2016 am IS beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB). Die Übernahme der ihm zugewiesenen Aufgabe, geeignete Anschlagsobjekte auszuspähen, lässt einen einvernehmlichen Willen zur fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, mithin seine ausreichende formale Eingliederung in die Organisation erkennen (dazu nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 113 mwN; Beschluss vom 13. September 2011 - StB 12/11, NStZ-RR 2011, 372 f.).

d) Deutsches Strafrecht ist anwendbar.

aa) Der Beschuldigte ist deutscher Staatsangehöriger (§ 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB; zum Strafanwendungsrecht siehe BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).

bb) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung liegt vor.

3. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO).

a) Es ist derzeit wahrscheinlicher, dass der Beschuldigte sich - sollte er in Freiheit gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird. Er hat mit der Verurteilung zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine ausreichend gewichtigen fluchthindernden Umstände entgegen. Seine Eltern leben zwar in Deutschland. Dies hat ihn jedoch bislang nicht davon abgehalten, sich für mehrere Monate in den Irak zu begeben. Er verfügt über geeignete Kontakte, um erneut dorthin zu gelangen. Soziale Bindungen hat er in Deutschland ebenso wenig wie eine Arbeitsstelle.

b) Der Beschuldigte ist der Begehung von Straftaten nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Daher liegen zusätzlich die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift (dazu nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) vor. Wie ausgeführt besteht die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden kann.

c) Aus den genannten Gründen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).

4. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor (§ 121 Abs. 1 StPO). Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Dauer der Untersuchungshaft.

Seit der Verhaftung des Beschuldigten sind die Ermittlungen mit der gebotenen Eile fortgeführt worden. 122 Datenträger (darunter drei Notebooks, sieben Mobiltelefone und 112 sonstige Datenträger wie CDs und DVDs) waren auszulesen. Dies bedeutete die Auswertung von 10.000 Chatnachrichten, 4.550 Videodateien, 270.000 Bilddateien, 11.200 Audiodateien und 65.000 Dokumenten. Dabei mussten die Audiodateien aus der kurdischen oder der arabischen Sprache in die deutsche Sprache übersetzt werden. Daneben wurden mehr als 40 Zeugen vernommen, davon zwei in Frankreich. Es ist zu erwarten, dass vor dem nächsten Haftprüfungstermin Anklage erhoben sein wird, sollte sich am dringenden Tatverdacht nichts ändern.

5. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

III.

Dem Antrag des Beschuldigten auf Entscheidung über die Haftprüfung nach mündlicher Verhandlung (§ 118 Abs. 1, 3, § 117 Abs. 1 StPO) war hier im durch die Vorschriften der §§ 121, 122 StPO angeordneten Haftprüfungsverfahren nicht nachzukommen. Eine solche war vor dem Hintergrund der dargelegten Beweislage nach Ansicht des Senats entbehrlich (§ 122 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1, Abs. 7, § 121 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 806

Bearbeiter: Christian Becker