HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1125
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, StB 12/11, Beschluss v. 13.09.2011, HRRS 2011 Nr. 1125
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. April 2011 (2 BGs 195/11) und dessen die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnenden Beschluss vom 19. Mai 2011 (2 BGs 246/11) wird verworfen.
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Damit erledigt sich der Antrag des Beschuldigten, gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen auszusetzen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Beschuldigte wurde am 29. April 2011 festgenommen und befindet sich seit dem 30. April 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 195/11) in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich in Bochum, Düsseldorf und an anderen Orten von Juni 2010 bis zu seiner Festnahme als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - Al Qaida - beteiligt, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen.
Nach mündlicher Haftprüfung auf Antrag des Beschuldigten hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 19. Mai 2011 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet (2 BGs 246/11).
Die gegen die Entscheidungen des Ermittlungsrichters gerichtete Beschwerde des Beschuldigten bleibt ohne Erfolg.
1. Der Beschuldigte ist des ihm im Haftbefehl vorgeworfenen Tatgeschehens dringend verdächtig.
a) Nach bisherigem Ermittlungsstand ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die 1988 von Usama bin Laden und weiteren Islamisten gegründete Al Qaida verfolgt das Ziel, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt sie einen "Heiligen Krieg" ("Jihad") gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden Feinde des Islam, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als "Apostaten" angesehenen prowestlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Den "Jihad" versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf; sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslims. Für ein legitimes Mittel des "Jihad" hält sie insbesondere die Verunsicherung des "Feindes" durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Al Qaida ab 1996 zu einer hierarchisch aufgebauten, auf eine zentrale Führung ausgerichteten Organisation, die vor allem in Afghanistan zahlreiche Lager zur Ausbildung von ihr rekrutierter "Jihadisten" unterhielt. Die von Al Qaida in der Folgezeit verübten Anschläge - wie die vom 11. September 2001 und zuvor am 7. August 1998 auf die US-amerikanischen Botschaften in Ostafrika - waren mit großer Sorgfalt und in jahrelanger Vorarbeit geplant.
Im Zuge der Militärintervention in Afghanistan nach dem 11. September 2001 wurde die Organisation teilweise zerschlagen. Umstrukturiert in ein Netzwerk aus einem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet operierenden Kern und aus Mitgliedern, die in einer Vielzahl anderer Staaten agieren, besteht Al Qaida indes bis heute fort und führt nach entsprechender Anpassung ihrer Steuerungs-, Koordinations- und Mobilisierungsmechanismen auch den gewaltsamen "Jihad" weiter. An der Spitze stand zunächst weiterhin Usama bin Laden; nach dessen Tod im Mai 2011 übernahm Ayman Al-Zawahiri die Führung. Dieser Führungsebene unmittelbar nachgeordnet sind die Verantwortlichen für die Bereiche Militär, Außenbeziehungen, Finanzen und Medien/Propaganda, ebenso der für die Al Qaida in Afghanistan verantwortliche Scheich Atiyatallah Al-Libi (Jamal Ibrahim Al-Masrati), dem seinerseits unter anderem der - wohl Anfang September 2011 in Pakistan festgenommene - "Außenminister" und Europaverantwortliche Scheich Younis al Mauretani unterstand. In den afghanisch-pakistanischen Grenzregionen unterhält die Kernorganisation auch weiterhin Ausbildungslager, in denen insbesondere neu geworbene Mitglieder aus anderen Staaten auf den Einsatz in ihren Herkunftsländern vorbereitet werden.
Spätestens Anfang 2010 entschloss sich die Führungsebene von Al Qaida, auch die Bundesrepublik Deutschland mit terroristischen Anschlägen zu überziehen, was sie mit deren militärischem Engagement in Afghanistan zu rechtfertigen versucht. Maßgeblich befasst mit der Planung und Vorbereitung solcher Anschläge in Deutschland ist Scheich Atiyatallah.
bb) Der Mitbeschuldigte K. schloss sich Al Qaida während eines Aufenthalts in einem ihrer Ausbildungslager in Afghanistan von Januar bis Mai 2010 an. Er leistete einen Treueeid gegenüber Scheich Atiyatallah, der ihn beauftragte, nach Deutschland zurückzukehren, dort in eigener Verantwortung zunächst neue Mitglieder für die Vereinigung zu gewinnen und mit diesen zusammen sodann Terroranschläge zu verüben. In Ausführung dieses Auftrags und in weiterem Kontakt zur Führungsebene von Al Qaida bemühte sich K. nach seiner Ankunft in Deutschland um die Rekrutierung von Mittätern und begann mit den erforderlichen Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag. Auf seine Veranlassung erklärten sich zunächst der Mitbeschuldigte S. und im Sommer 2010 auch der Beschuldigte C. ihm gegenüber bereit, sich den Zielen von Al Qaida unterzuordnen, sich in deren Organisation einzugliedern und deren Zwecke durch eigene Tätigkeit zu fördern. In der Folge beteiligten sich beide an der logistischen Vorbereitung des vorgesehenen Anschlags und an der Schaffung hierfür dienlicher organisatorischer Strukturen. So stellte der Beschuldigte dem Mitbeschuldigten K. zur Sicherung geheim zu haltender Dokumente und zur Erleichterung der vertraulichen Kommunikation mit der Führungsebene von AI Qaida im afghanischpakistanischen Grenzgebiet am 26. März 2011 einen verschlüsselten USB-Stick und am 16. April 2011 einen USB-Stick mit der von ihm unmittelbar zuvor aus dem Internet heruntergeladenen Verschlüsselungssoftware X zur Verfügung, in deren Gebrauch er die Mitbeschuldigten auch einwies.
b) Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergibt sich aus der gebotenen Gesamtschau der in den bisherigen Ermittlungen festgestellten Beweisanzeichen. Diese widersprechen der Einlassung des Beschuldigten, er habe sich mit den Mitbeschuldigten nur allgemein über das Phänomen von Terroranschlägen ausgetauscht und sei ihnen, jedenfalls aus seiner Sicht, lediglich aus Gefälligkeit bei der Verschlüsselung ihrer Korrespondenz mit frei zugänglicher Software behilflich gewesen. Sie deuten auf eine enge willentliche Einbindung sowohl in die Organisation von Al Qaida als auch in die Planung eines Anschlags in Deutschland hin. Im Einzelnen:
aa) Der Mitbeschuldigte K. war von Scheich Atiyatallah beauftragt, zur Durchführung von Anschlägen in Deutschland in eigener Verantwortung für Al Qaida weitere Personen als Mitglieder anzuwerben.
Scheich Atiyatallah ist nach vorliegenden Erkenntnissen ein hochrangiges Mitglied der Kern-Al Qaida. Er war die einzige Person, die Zugang zu Usama Bin Laden und dessen Stellvertreter Ayman Al-Zawahiri hatte, und dürfte nunmehr Stellvertreter von Ayman Al-Zawahiri sein. In einer Videobotschaft ("Der Westen und der dunkle Tunnel"), gesichert am 22. September 2009, bezeichnete Scheich Atiyatallah unter Bezugnahme auf andere Verlautbarungen der Organisation die deutsche Bevölkerung als legitimes Anschlagsziel, sollte die bevorstehende Bundestagswahl zu einer Regierung führen, die das deutsche Engagement in Afghanistan bestätigt (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 22. Juli 2011 - Erkenntnisse zu Scheich Atiyatallah).
Bei der Durchsuchung der auch vom Mitbeschuldigten K. genutzten Wohnung des Mitbeschuldigten S. am 29. April 2011 wurde neben der Schlafcouch des K. ein Laptop mit zwei USB-Sticks sowie einer micro-SD-Karte sichergestellt. Auf einem der USB-Sticks befand sich eine am 14. April 2011 erstellte Textdatei mit einem arabischsprachigen Schreiben in lateinischer Schrift an "unseren Shaikh und unseren lieben 3ateyeto lahe [Transskript analog Atiyatallah], möge Allah ihn beschützen" (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 4. Juli 2011 - Vorläufiger Auswertebericht zu den Asservaten 1.3.3.1.5.1-4 -, S. 20). Darin heißt es unter anderem (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 27. Juni 2011):
"O unser Shaikh, wir halten noch unser Versprechen, entweder Sieg oder Märtyrertum.
O unser Shaikh, ich trainiere einige Jugendliche aus Europa, die bislang in Sachen Sicherheit sauber sind. Nach dem Ende des Trainings werde ich mit Hilfe Allahs mit dem Schlachten der Hunde der Söhne des Gelben anfangen.
... Mein lieber Shaikh, hier ist meine EMail: ... Und hier ist meine neue Nummer in ... [verschlüsselte Informationen].
... Grüße mir alle Lieben, insbesondere Shaikh Jounes, und gib ihm meine Angaben, damit er mich mit diesen kontaktieren kann.
Unser Shaikh, führe uns auf den rechten Weg durch eure Ratschläge und schicke mir, wenn es möglich ist, den Lehrgang über Gifte. Und bete für deinen Bruder im Land der Versuchungen, dass er standhaft bleibt und ein gutes Ende bekommt. ..." Über den vom Mitbeschuldigten K. genutzten Account X auf dem von Indonesien aus betriebenen passwortgesicherten jihadistischen Internet-Forum X wurde sodann am 14. April 2011 um 20.53 Uhr (MESZ) unter dem Betreff "Nachricht an Scheich Atiyatullah" eine Mitteilung an den Account X versandt, die einen mit der Software X verschlüsselten Text enthielt. Unter den Betreffs "von A. an Scheich Atiyatullah", "Dies ist der Schlüssel für Scheich Atiyatullah" und "Die Nachricht ist mit dem Schlüssel vom Scheich Atiyatullah, möge Allah ihn bewahren, verschlüsselt" folgten auf diesem Wege am 23. und am 26. April weitere Mitteilungen. Der Mitbeschuldigte K. hielt sich zu den jeweiligen Zeitpunkten in Callshops auf; in den beiden letzten Fällen konnte seine Anmeldung in dem genannten Forum festgestellt werden (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 14. Juli 2011 - Sicherung des Accounts X).
bb) Die Mitbeschuldigten waren mit konkreten Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag in Deutschland befasst. Dies ergibt sich zunächst aus deren Gesprächen, die aufgrund der vom Amtsgericht Wiesbaden (71 Gs 29/11) gemäß § 20h BKAG angeordneten Überwachung der Wohnung des Mitbeschuldigten S., aufgezeichnet wurden.
Am 5. April 2011 sprachen sie über Grillanzünder ("weiße Kohle").
Am 7. April 2011 um 22.48 Uhr bzw. um 23.14 Uhr äußerte der Mitbeschuldigte K. : " ... Die Deutschen sind Dachil [Eindringling]." ... "Wir sind Helden. ... Wir werden Vorbilder für andere." Am 8. April 2011 um 13.48 Uhr unterhielten sich die Mitbeschuldigten über Bezugsmöglichkeiten und Preise von Aceton und (90-prozentigem) Wasserstoffperoxid. Am 16. April 2011 um 18.35 Uhr äußerte der Mitbeschuldigte K. : "Hab ich Aceton." Am 11. April 2011 um 21.31 Uhr erklärte der Mitbeschuldigte K. : "Und dann müssen wir kaufen äh einen Koffer. ... Beim Baumarkt kannst du kaufen diese Plaketten, Eisenplaketten und so. Kannst du die machen weg in Koffer und dann machst du die Sachen zu, damit das äh Druck. Macht Druck auf und macht mehr." Am 26. April 2011 ab 17.49 Uhr wurde folgender Dialog aufgezeichnet:
S. : " ... musst du diesen Scheiß kochen?" K. : "... Es gibt Retamin. ... Kerzenwachs, ja. Mischen mit Wachs und ... Diesel. ... Das ist Diesel. ... Du musst weg, das ist gefährlich. ..." S. : "Ich mach Fenster auf." ... -K. : " ... Jetzt gut vermischen. ... Guck mal, die erste Pulver. ... Die Arschlöcher schreiben nicht hin äh citric. ... Sogar bei Deutschen sind die zuhause gekommen ... hatte dieses äh ... Hexal ... ." ... S. : "Was musst du jetzt machen?" K. : "Jetzt muss ich das alles äh mixen ... mit warmem Wasser und danach ... trocknen lassen ... sieben ... und diese Rest ... lass ich ihn kochen bis äh Wasser weggeht ... Bleibt eine, eine weiße Pulver. ... Dann misch ich das mit äh Zitronensäure und Hydro... dann hast du den Zünder für eine Bombe. ... Zünder ist die wichtigste, Bombe ist einfach. ... Bombe ist nicht so schwer. Aber Zünder, weil Zünder ist mehr gefährlicher als als Bombe. Der Zünder kannst du nicht davon eine Bombe machen ... Zu hoch gefährlich. ... Diese Zünder, wenn der explodiert gibt's ein Feuerkopf." ... Am 27. April 2011 um 19.01 Uhr unterhielten sich die Mitbeschuldigten wie folgt:
K. : " ... Los, gib mir Wasser ..." S. : " ... Das muss trocknen." K. : "Ist getrocknet."
Weiter hatte der Mitbeschuldigte K.
- am 29. Dezember 2010 im Internetcafé X in Y das Handbuch der Al Qaida zur Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen X von Scheich AlM. heruntergeladen (Vermerke des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 33 und vom 6. Januar 2011; Auswertung im Vermerk des Bundeskriminalamts vom 19. August 2011, S. 14),
- am 7. April 2011 im CallShop X in Y im Internet nach Bezugsmöglichkeiten für Isopropanol, Zitronensäure ("citric"), Aceton, Wachsspänen, Wasserstoffperoxid und Aluminiumpulver recherchiert (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 13. April 2011),
- am 21. April 2011 im Internetcafé X in Y eine Internet-Recherche nach elektronischen Bauteilen, Funk-Fernbedienungen, Zeitschaltern, Chlorwasserstoff und Düngemitteln durchgeführt (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 23. April 2011)
- sowie am 26. April 2011 in Düsseldorf Grillanzünder erworben.
Wie im Vermerk des Bundeskriminalamts - Auswertung von Ermittlungserkenntnissen zum Komplex Tatmittel - vom 28. April 2011 beschrieben, deutet dies auf Versuche hin, die Initialsprengstoffe Hexamethylentriperoxiddiamin (HMTD) oder Triacetontriperoxid (TATP) herzustellen. Grundstoff von HMTD ist Hexamethylenteramin, dessen Gewinnung aus Grillkohleanzündern in der Schrift X beschrieben wird; Grundstoff von TATP ist Aceton. Für die Herstellung beider Explosivstoffe benötigt man Wasserstoffperoxid und eine Säure. Wachse und Öle dienen der Phlegmatisierung der hochreaktiven pulverisierten Substanzen. Entsprechende Selbstlaborate sind ähnlich leistungsfähig wie gewerblich hergestelltes TNT.
Eine Datei mit umfangreichen Informationen zur Herstellung und Handhabung von Sprengstoffen fand sich auch auf der am 29. April 2011 sichergestellten microSDKarte (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 4. Juli 2011 - Vorläufiger Auswertebericht zu den Asservaten 1.3.3.1.5.1-4 -, S. 18).
cc) Anlässlich der Überwachung der Wohnung des Mitbeschuldigten S. aufgezeichnete Gespräche belegen auch, dass der Beschuldigte von der Mitgliedschaft des Mitbeschuldigten K. in der Al Qaida Kenntnis hatte.
Der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte K. sind seit mehreren Jahren miteinander bekannt. Am 16. April 2011 wurde folgendes Gespräch aufgezeichnet:
K. : "Der meinte, den Bruder Sam meint, ... politische, äh diese militärische ... er meinte diese sind gefährlich. ... Der meinte O. ..." C. : "Ist schon lange her, dass wir darüber reden ..." -K. : "Aber ist lange her, nicht?" C. : "... Drei Jahre?" -K. : "Drei Jahre ja. Weil es ist ... passiert. Ich wollt dass nie dieser Bruder ...".
Am 8. April 2011 sprachen beide über die Erlebnisse des Mitbeschuldigten K. im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet:
C. : "Dieser äh Abu Askar" [am 4. Oktober 2010 in Waziristan getötet; Vermerk des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 45]. ... K. : " ... Der Ali ist neben mir als Shahid [Märtyrer], mit, äh, mit dieser Arschlöcher mit ...Weil die Dro äh die Drohne kann nicht richtig ... Wir können überhaupt nicht arbeiten. ... die hier ... sind von Al Qaida ... Ich habe, Bruder, Afghanen getroffen da ... der trainiert ... Weißt du wo hat Shaikh äh Attiyatallah? Shaikh Usama hat ihm geschickt nach Mauretanien ... Wir brauchen unsere Ulama [Gelehrte] ... er hat ihn geschickt nach Mauretanien, weil ...".
Auf ein enges und vertrauensvolles Verhältnis der beiden ist insbesondere auch daraus zu schließen, dass K. den Beschuldigten als seinen Sohn bezeichnete. Aus Überwachungsmaßnahmen ergibt sich, dass dieser dem Mitbeschuldigten S. am 14. April 2011 den Besuch seines "Sohnes" und eines Freundes ankündigte; wenig später erschien C. mit einer unbekannten Person (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 18).
dd) Dass sich der Beschuldigte willentlich in die Organisation eingegliedert und deren Zielen unterworfen hat, wird ebenfalls aus seinen mit dem Mitbeschuldigten K. geführten und aufgezeichneten Gesprächen erkennbar.
Am 26. März um 10.32 Uhr besprachen beide die Anmietung einer Wohnung:
K. : "Wenn Wohnung auf Name von jeden und wir bezahlen das, zum Beispiel." C. : "Jeder eine." -K. : "Nicht jeder eine Wohnung, eine Wohnung zum Beispiel auf dein Namen, oder auf Name von Michael, oder ... und dann wohn ich da und dann fangen wir wieder an. ..."
Um 11.20 Uhr entwickelte sich folgender Dialog:
K. : "Willst Du nicht kämpfen?" C. : "Ich hab, ich hab ihm gesagt, wenn du gibst ... Granaten." ... -K. :" ... Wir führen Krieg zusammen, und du willst nur ..." C. : "Soll ich, Akhi [mein Bruder], dieses heiraten, Nikah [Heirat], nur so dass ich es weiß und die anderen denken Freundin oder sollen meine Eltern wissen dass ich Dings, dass ich äh" K. : "Nein, lass alle denken das ist Freundin". ...
Um 11.26 Uhr unterhielten sich beide über die Studienpläne des Beschuldigten:
C. : "Du hast gefragt, was ich studieren will, bin immer noch bei dieselbe Sache." -K. : "Wo ist das?" C. : "Aalen, ne?" K. : "Hä?" C. : "Aalen. Ist das zu weit für euch? Oder ist das OK, wenn ich nach Aalen gehe? Ist bei Stuttgart." ... K. : "Egal. Und ist das nicht, bist du nicht für ..." C. : "Pharmazie?" K. : "Ja, Pharmazie." C. : "Wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich. Ich kann mich bewerben dafür, aber mal gucken ob ich ankomme." -K. : "Weißt du warum? ... Du kannst all die Sachen besorgen." C. : "Das ist übertrieben. Weißt du warum? ... du gehst auf die wann haben die das, wann haben die das. ... Alle denken, du kannst die Überwachungskameras ..." K. : " ... Und bewerbe dich auch in Bochum. ...Damit du nicht nur ein Tür hast." Ferner wurde bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 29. April 2011 ein Zettel mit handschriftlich aufgelisteten Stichworten gefunden, u.a. "Sicherheitsvorkehgn", "Lockpickg" [Öffnen von Schließzylindern], "Pässe falsch", "Tarnugsmöglichktn", "Maskn", "Geld beschaffn", "Ausrüstug", "Technick", "Infiltrationsmöglicktn" (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 14. Mai 2011 - Vorläufige Auswertung Asservat 2.2.1.3.3.1.1).
Zum Zeitpunkt der Versendung der "Nachricht an Shaikh Atiyatullah" am 14. April 2011 um 20.53 Uhr befand sich der Mitbeschuldigte K. in Begleitung des Beschuldigten im X Callshop in Y. Der Beschuldigte saß schräg hinter K. an einem Bildschirmarbeitsplatz, beide betrachteten vertieft den Bildschirm (Observationsprotokoll des Bundeskriminalamts vom 14. April 2011). Schon aus Gründen der Absicherung der in hohem Maße konspirativ arbeitenden Organisation ist es wenig wahrscheinlich, dass der Mitbeschuldigte K. dem Beschuldigten Kenntnis von den Möglichkeiten der Verbindungsaufnahme mit einem hochrangigen Funktionär verschafft haben könnte, ohne sich davon zu überzeugen, dass der Beschuldigte die Ziele von Al Qaida für sich bejaht und sich deren Verband zugehörig fühlt.
ee) Schließlich ist der Beschuldigte auch dringend verdächtig, konkrete Tätigkeiten zur Förderung der Ziele von Al Qaida entfaltet zu haben, indem er Software zur Sicherung geheim zu haltender Dokumente und zur Erleichterung der vertraulichen Kommunikation mit der Führungsebene von AI Qaida besorgte und die Mitbeschuldigten in deren Gebrauch einwies. Am 26. März 2011 kam es in der Wohnung des Mitbeschuldigten S. zu folgender Unterredung des Beschuldigten mit dem Mitbeschuldigten K.:
K. : "Ich hab die Bücher gegeben, ein Buch über äh ... Hast du ihn dabei?" C. : "Doch. USBStick. ... Aber es ist verschlüsselt, ne." K. : "Was denn?" C. : "USB-Stick. Die Speicherkarte ist verschlüsselt, von mir. ... Das Programm ... hast du ..." K. : "Welches Programm?" C. : ". ... ist beste. Das ist das beste Verschlüsselungsprogramm überhaupt. ... Einmal ein kolumbianischer Banker, sie haben seine Festplatte genommen, ein Jahr lang hat FBI versucht ...".
Am 8. April 2011 äußert der Beschuldigte gegenüber dem Mitbeschuldigten K.:
" ... diese was ich dir gesagt hab ... du kannst das so verschlüsseln, dass du jedesmal, wenn du anmachst, kommt jetzt Passwortabfrage, das heißt egal wenn." Am 16. April 2011 ab 12.58 Uhr wurde über einen unter der Anschrift des Beschuldigten für dessen Mutter registrierten Festnetzanschluss das Programm X aus dem Internet heruntergeladen (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 9, 35). Im Anschluss daran erklärt der Beschuldigte den Mitbeschuldigten die Installation vom USB-Stick aus. Es kommt in der Wohnung des Mitbeschuldigten S. zu folgendem Gespräch:
C. : "Guck, das sieht so aus. Wenn du dein USB-Stick, öffnet sich nur das hier, dieses hier, ja?" ...Gehst du rauf. und jetzt Passwort eingeben." S. : "Öffnen und installieren ... die Karte auch? ... C. : "Ja. ... Das installiert sich nicht von. ... Siehst du, ich mach dir nen neuen Pfad auf. ... Machst du ab, er installiert es dann auf dem USB-Stick. ... Du willst das Programm haben, ne?"
c) Danach ist der Beschuldigte dringend verdächtig, sich als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt zu haben, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Insbesondere begründen die vorliegenden Erkenntnisse eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Tathandlungen des Beschuldigten nicht lediglich als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland im Sinne von § 129a Abs. 5 StGB zu bewerten sind.
Allerdings bedarf die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter - wie beim Beschuldigten anzunehmen - nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und ihn nur der Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied mit der Organisation - hier mit dem Mitbeschuldigten K. - verbindet. Allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, reicht hierfür nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Vielmehr setzt die Mitgliedschaft ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 112 f.).
Indes sieht der Senat im hier zu beurteilenden Falle konkrete und deutliche Beweisanzeichen dafür, dass der Beschuldigte die Vereinigung nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, von innen her gefördert und damit eine Stellung innerhalb der Vereinigung eingenommen hat, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (BGH aaO).
Wie im Schreiben des Mitbeschuldigten K. vom 14. April 2011 zum Ausdruck kommt, hat er den Beschuldigten in Ausführung eines ihm von Scheich Atiyatallah ausdrücklich erteilten Auftrags für den gemeinsamen "Kampf" gewonnen. In weiterer Abstimmung mit Scheich Atiyatallah hat er ihn einem "Training" unterzogen und ihn schließlich an den in Verfolgung der Ziele der Al Qaida entfalteten Aktivitäten teilhaben lassen. Diese unmittelbare Beteiligung der oberen Führungsebene von Al Qaida lässt darauf schließen, dass die vom Mitbeschuldigten K. betriebene Rekrutierung von Personen mit dem Ziel ihrer Beteiligung an Anschlägen und ihre dauerhafte Einbindung in die Organisation nicht nur dessen eigenem Willen, sondern auch dem im Kreis der Kern-Al Qaida entwickelten Verbandswillen entsprach. Andererseits hat sich der Beschuldigte dem ihm vom Mitbeschuldigten K. vermittelten Willen der Organisation unterworfen. Er hat den Mitbeschuldigten K. als Autorität anerkannt und Bereitschaft gezeigt, selbst seine persönliche Lebensplanung an die von diesem geäußerten Vorstellungen anzupassen, soweit dadurch Handlungsspielräume eröffnet werden, die den Verbandszweck fördern können.
d) Das Bundesministerium der Justiz hat am 18. September 2002 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern und Unterstützern der Al Qaida erteilt und am 6. März 2009 auf alle bereits begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit dieser Vereinigung ausgeweitet (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).
2. Es besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Tat gefährdet wäre (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN).
Der Beschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit nicht unerheblichem Freiheitsentzug zu rechnen. Die begründete Erwartung, die Vollstreckung einer verwirkten Strafe werde ohnehin zur Bewährung ausgesetzt werden, kann er beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht haben. Jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des eröffneten Strafrahmens bleibt es für diese Einschätzung entgegen der Auffassung der Beschwerde auch ohne Belang, ob auf den zur Tatzeit 19 Jahre alten Beschuldigten noch Jugendstrafrecht Anwendung findet, denn an die Stelle eines Höchstmaßes von zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 129a Abs. 1 StGB) träte bei einem Heranwachsenden ein solches von zehn Jahren Jugendstrafe (§ 105 Abs. 3 JGG).
Die bestehenden sozialen Bindungen des Beschuldigten an die Bundesrepublik Deutschland erscheinen nicht tragfähig genug, um dem hiervon ausgehenden Fluchtanreiz verlässlich entgegenwirken zu können. Zwar hat der Beschuldigte ein enges Verhältnis zu seinen hier lebenden Eltern und Geschwistern, unterhält in der elterlichen Wohnung einen festen Wohnsitz und beabsichtigt, sich zum Wintersemester 2011/2012 für das Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Bonn einzuschreiben. Indes besteht Anlass zu Zweifeln, ob ihn diese Umstände davon abhalten werden, Fluchtgedanken auch in die Tat umzusetzen. So ist er bereits am 23. November 2009 - unter unentschuldigtem Fehlen in der von ihm besuchten Schule - über Istanbul in die Stadt Meshhed im Iran gereist, erfahrungsgemäß ein Sammelpunkt "Jihadwilliger" auf dem Weg nach Afghanistan und Pakistan. Persönliche Beziehungen des Beschuldigten zu dieser Region werden nicht ersichtlich; seine Familie in Deutschland unterrichtete er erst nach vermutlichem Scheitern der Weiterreise (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 3. August 2011 und die darin aufgeführten Erkenntnisse).
Vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte gerade der Einbindung in ein weitreichendes konspiratives Netzwerk einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig ist, das ihm ein Untertauchen wesentlich erleichtern könnte, kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
Allerdings weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass allein etwaige weitere zeitaufwändige Versuche ungewissen Ausgangs, die auf dem Rechner des Beschuldigten gesicherten verschlüsselten Dateien zu öffnen, ein Hinausschieben der Abschlussverfügung nicht rechtfertigen werden.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1125
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2011, 372
Bearbeiter: Ulf Buermeyer