HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 519
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 820/24, Beschluss v. 04.04.2024, HRRS 2024 Nr. 519
1. Das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 27. Juni 2023 - 32 Ds 103 Js 102285/23 jug - und das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2023 - J NBs 103 Js 102285/23 jug - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
45rt 2. Die Entscheidungen werden aufgehoben, soweit sie den Beschwerdeführer betreffen. Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Augsburg (Jugendrichter) zurückverwiesen.
3. Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
4. Das Land Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen übler Nachrede gegen Personen des politischen Lebens in Tateinheit mit Hausfriedensbruch.
1. Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen einer Protestaktion gegen die Rodung eines Bannwalds im Norden von (…D1…).
Nach den gerichtlichen Feststellungen erster und zweiter Instanz war der Beschwerdeführer am 26. Oktober 2022 im „Klimacamp“ in (…D1…) eingetroffen und hatte mit anderen Personen eine Protestaktion vereinbart, wobei verschiedene Arbeitsbereiche aufgeteilt wurden. Am 27. Oktober 2022 wurde auf der Internetseite www.(...).de eine Pressemitteilung des „Klimacamps“ (…D1…) veröffentlicht, in der die einem Stahlwerk durch die Regierung von (…D2…) erteilte artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung im Zusammenhang mit der Teilrodung des (…D3…)waldes bei Meitingen thematisiert und die „Besetzung“ der Regierung von (…D2…) angekündigt wurde, um hiergegen zu demonstrieren. In Bezug auf den damaligen Regierungspräsidenten von (…D2…) hieß es:
„Der gesamte Vorgang lässt nur einen Schluss zu: Regierungspräsident (…D4…) ließ nur deswegen die Ausnahmegenehmigung zur (…D3…)wald-Rodung erteilen, weil er aufgrund langjähriger Sponsoringgelder von Stahlwerksbesitzer (…D5…) mit diesem freundschaftlich verbandelt ist. Von Rechtsstaatlichkeit keine Spur. […] (…D4…) ist korrupt, auch wenn hier vermutlich nur 250 Euro flossen und Stahlwerkschef (…D5…) den Rest in Form freundschaftlicher Gefallen zahlen wird.“
Nach den gerichtlichen Feststellungen begab sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen Personen aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses zum Gebäude der Regierung von (…D2…), betrat das Regierungsgebäude, positionierte sich dort im Foyer vor dem Präsidialbüro und ließ ein Seil aus dem geöffneten Fenster herunter. Ausgestattet mit Kletterausrüstung sicherte der Beschwerdeführer zusammen mit einer anderen Person eine weitere Person ab, die an einem herunter gelassenen Seil hochkletterte und dann, auf einem Brett sitzend, an der Fassade des Regierungsgebäudes hing. Soweit die Mitarbeiter der Regierung von (…D2…) umgehend ein Hausverbot aussprachen, leisteten der Beschwerdeführer und seine Begleiter dem keine Folge. Nicht näher bekannte weitere Personen brachten in Umsetzung eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses zudem auf dem Asphalt vor dem Regierungsgebäude mit Straßenkreide den Schriftzug „Unerhört: (…D4…) erlaubt Waldrodung für 250 €. Alle Wälder bleiben! Korruption (…D6…)!“ an; auf anderen Pappschildern beziehungsweise Plakaten war zu lesen „Korruption für 250,- Euro Frech“, „(…D3…)wald-Rodung genehmigen trotz laufender Gerichtsverfahren? Frech!“ sowie „Den (…D3…)wald für 250 € verhökern? Frech!“.
2. Das Amtsgericht (Jugendrichter) verurteilte unter anderem den Beschwerdeführer wegen übler Nachrede gegen Personen des öffentlichen Lebens in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und verhängte einen Dauerarrest von drei Wochen.
3. Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers. In der Gesamtwürdigung sei die Kammer überzeugt, dass die Angeklagten die Tatbegehung einschließlich eines gemeinschaftlichen arbeitsteiligen Vorgehens verabredet hätten. Diesem Tatplan habe es auch entsprochen, dass mehrere Botschaften auf den Pappschildern und dem Boden angebracht seien. Die daher als Mittäter handelnden Angeklagten seien der üblen Nachrede gegen Personen des öffentlichen Lebens in Tateinheit mit Hausfriedensbruch schuldig. Durch das Verweilen im Gebäude liege Hausfriedensbruch vor, da die Angeklagten trotz Aufforderung durch eine zur Ausübung des Hausrechts berechtigte Zeugin das Gebäude nicht verlassen hätten. Zudem sei der Tatbestand der üblen Nachrede gegen Personen des öffentlichen Lebens erfüllt, indem die Angeklagten zum Nachteil des Geschädigten behauptet hätten, er sei korrupt. Dem stehe nicht entgegen, dass der eigentliche Vorwurf der Korruption nur durch die Kreideinschriften verbalisiert sei. Denn diese seien den Angeklagten zuzurechnen. Die Kammer habe auch geprüft und umfassend abgewogen, dass für die Angeklagten das Recht auf Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG streite. Dieses Recht finde jedoch seine Grenzen in Art. 5 Abs. 2 GG. Einen grundsätzlichen Vorrang des Rechts auf Meinungsäußerung vor dem Recht auf Ehrschutz des Geschädigten gebe es nicht. Beim Geschädigten habe die Kammer auch berücksichtigt, dass er als hochrangiger Beamter tätig geworden sei und nicht seine private, sondern die berufliche und politische Sphäre betroffen sei. Den Angeklagten hätten letztlich aber viele Möglichkeiten des Protests zur Verfügung gestanden, sodass keine spontane Äußerung vorgelegen habe. Der von ihnen gemachte Vorwurf sei erheblich und würde zu massiven Konsequenzen bei dem Geschädigten führen. Deshalb trete ihr Recht hinter dem des Geschädigten zurück.
4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts an und rügt - unter anderem - die Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Beschwerdeführer beantragt zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der er sich gegen die seit dem 21. März 2024 erfolgende Vollstreckung des dreiwöchigen Jugendarrestes wendet.
5. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt zunächst ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>). Der Schutz der Meinungsfreiheit ist gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert seine Bedeutung (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>). Davon unberührt bleibt, dass der Gesichtspunkt der Machtkritik im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit in die Abwägung eingebunden und nicht jede ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern erlaubt ist (vgl. BVerfGE 152, 152 <199>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2021 - 1 BvR 1073/20 -, Rn. 33 f.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2022 - 1 BvR 2588/20 -, Rn. 25 f.).
Die strafrechtliche Sanktion - wie hier - knüpft an Äußerungen an. Bei der Anwendung der Strafvorschriften der §§ 185 ff. StGB im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>).
b) Dabei ist die Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften grundsätzlich Sache der Strafgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die Klärung beschränkt, ob das Strafgericht die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts verkannt hat (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 93, 266 <292>; stRspr). Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <293>; stRspr). Wird von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sind die Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, aber nicht eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts tritt umso mehr zurück, je weniger es sich um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Bereich in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage (vgl. BVerfGE 61, 1 <11>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Januar 2018 - 1 BvR 2465/13 -, Rn. 18).
Bei Äußerungsdelikten kann eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts auch dadurch begründet sein, dass der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>). Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Deutung einer Äußerung gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor man die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt (vgl. BVerfGE 93, 266 <295 f.>; 82, 43 <52>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. Januar 2018 - 1 BvR 2465/13 -, Rn. 19). Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht der sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2021 - 1 BvR 1073/20 -, Rn. 28). Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren (BVerfGE 93, 266 <295>).
c) Mit Blick hierauf verkürzen beide Gerichte den Schutzgehalt des Grundrechts hinsichtlich der gegenständlichen Äußerungen bereits insofern, als sie in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Art und Weise annehmen, dass es sich um eine nicht erweislich wahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptung im Sinne von § 186 StGB handelt und nicht um ein durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägtes Werturteil und damit um eine Meinung im engeren Sinne (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <247 ff.>).
aa) Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext dieser Äußerung an. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>). Auch ist im Einzelfall eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (vgl. BVerfGE 61, 1 <9>; 90, 241 <248>). Denn anders als bei Meinungen, bei denen insbesondere im öffentlichen Meinungskampf im Rahmen der regelmäßig vorzunehmenden Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem Rechtsgut, in deren Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz wie den §§ 185 ff. StGB eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zugunsten der freien Rede gilt, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (vgl. BVerfGE 54, 208 <219>; 61, 1 <8 f.>, 90, 241 <248>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind deshalb auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2732/15 -, Rn. 12).
bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Gerichte gehen mit einer verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genügenden Begründung vom Vorliegen einer Tatsachenbehauptung aus und verkürzen damit den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit. Die Gerichte haben insoweit außer Acht gelassen, dass die Äußerung, jemand sei „korrupt”, abhängig vom Gesamtkontext durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sein und deshalb in vollem Umfang am Schutz des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG teilnehmen kann. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht benennen weder den Maßstab eines unvoreingenommenen Durchschnittspublikums zur Ermittlung des Aussagegehalts, noch wird überhaupt dargelegt, welchen genauen Aussagegehalt der Protestaktion zu entnehmen ist und inwieweit hieraus ein ehrenrühriger Korruptionsvorwurf hervorgeht. Das Landgericht beschränkt sich vielmehr auf die nicht näher begründete Feststellung, die „auf die oben bezeichnete Weise behaupteten Korruptionsvorwürfe“ seien geeignet gewesen, den Geschädigten herabzuwürdigen beziehungsweise die Angeklagten hätten behauptet, „dass der Geschädigte korrupt sei“. Weitergehende Ausführungen enthält auch die amtsgerichtliche Entscheidung nicht. Insbesondere erfolgt jeweils keinerlei Einordnung in den Kontext.
d) Bereits die nicht tragfähige Deutung der Äußerung als Tatsache führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen, da nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht beziehungsweise Landgericht, wenn sie bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen vom Vorliegen einer von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinung jeweils ausgehen, zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden.
e) Damit ist nicht entschieden, dass die Bezeichnung des damaligen Regierungspräsidenten als „korrupt“ im Ergebnis von der Meinungsfreiheit gedeckt war. Soweit es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil handeln sollte, läge hierin jedenfalls eine Herabsetzung des von der Äußerung Betroffenen und damit eine Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die nicht ohne weiteres zulässig ist. Inwieweit diese Äußerung durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigt sein kann, entscheidet sich grundsätzlich nach Maßgabe einer Abwägung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2022 - 1 BvR 2588/20 -, Rn. 22 ff m.w.N.), die allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, das sich bislang nur mit der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen (Üble Nachrede nach §§ 186, 188 Abs. 2 StGB), nicht aber mit dem Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB befasst.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung, mit dem sich der Beschwerdeführer gegen die Vollstreckung des dreiwöchigen Jugendarrestes wendet, wird damit gegenstandslos.
Einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers vom 26. März 2024 gegen den Richter des Bundesverfassungsgerichts Frank bedarf es nicht, da dieser nicht Mitglied der geschäftsplanmäßig zur Entscheidung berufenen Kammer ist (vgl. BVerfGE 131, 239 <252>; 133, 377 <405>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. März 2018 - 1 BvR 501/18 -, Rn. 1).
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 519
Bearbeiter: Holger Mann