HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 217
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1719/21, Beschluss v. 19.01.2023, HRRS 2023 Nr. 217
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. August 2021 - III -1 Vollz (Ws) 313-315/21 - und der Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 27. Mai 2021 - IV-2 StVK 395/20 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes.
2. Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Arnsberg zurückverwiesen.
3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Der sicherungsverwahrte Beschwerdeführer wendet sich gegen eine mehrtägige Fesselung während eines Krankenhausaufenthalts, dem eine vollständige körperliche Durchsuchung voranging und sich anschloss.
1. Der Beschwerdeführer war zunächst in der Justizvollzugsanstalt Bochum untergebracht. Dort absolvierte er Ausführungen beanstandungsfrei. Seit dem 9. Februar 2020 befindet er sich in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Werl, wo vor den streitgegenständlichen Ereignissen eine gefesselte Ausführung stattgefunden hatte. Der Beschwerdeführer leidet unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die seine Arbeitsunfähigkeit im Vollzug bedingen und bereits in der Vergangenheit Behandlungen in Krankenhäusern außerhalb des Vollzugs erforderlich machten. Vom 13. bis zum 16. Oktober 2020 befand er sich in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum Dortmund. Vor und nach dem Transport in die Klinik wurde er auf Grundlage einer Hausverfügung der Justizvollzugsanstalt unter Entkleidung am gesamten Körper durchsucht, während er sich um die eigene Achse drehen musste.
Die Fahrten zwischen Justizvollzugsanstalt und Krankenhaus erfolgten mit armverschränkender Handfesselung in einem vollvergitterten Transporter, der in Boxen unterteilt war, in Begleitung zweier bewaffneter Bediensteter. Bei der Voruntersuchung war der Beschwerdeführer durchgängig mit überkreuzten Händen gefesselt. Am Morgen des 14. Oktober 2020 wurde er in Begleitung eines Bediensteten ohne Handfesselung, aber gefesselt am Fuß im eigenen Bett in den OP-Vorraum verbracht, wo ihm die Fußfessel abgenommen und durch eine über Kreuz angelegte Fesselung an den Händen ersetzt wurde. Auf dem OP-Tisch wurde ihm dann ein Venenzugang gelegt. Während der Vollnarkose wurde die Fesselung der Hände entfernt und nach dem Aufwachen erneut eine Handfessel angelegt. Nach zwei Stunden im Aufwachraum wurde die Handfessel durch eine am Bettrahmen befestigte Fußfessel ausgetauscht, die während der Nachsorge für weitere drei Tage angelegt blieb. Bei täglichen, durch zwei bewaffnete Bedienstete begleiteten Spaziergängen wurde der Beschwerdeführer an den Händen statt an den Füßen gefesselt.
2. Mit Schreiben vom 6. und 26. November 2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und Eilrechtsschutz hinsichtlich der Umstände seiner Ausführung ins Krankenhaus vom 13. bis zum 16. Oktober 2020. Er sei während des Transports nicht entsprechend der Straßenverkehrsordnung angeschnallt und insgesamt mehr als 96 Stunden ununterbrochen gefesselt gewesen, was Bewegungsfreiheit und Schlaf beeinträchtigt habe. Mit der am Bettrahmen befestigten Fußfessel sei ein Drehen oder Anwinkeln der Beine nicht möglich gewesen. Die Fesselung, insbesondere die sehr schwere Fußfessel, habe ihm angesichts seiner Vorerkrankungen Schmerzen bereitet. Bei den täglichen Spaziergängen außerhalb der Klinik sei er auf schmerzhafte Weise an den Händen gefesselt gewesen. Gleichzeitig sei er durch zwei Vollzugsbedienstete bewacht worden. Die Justizvollzugsanstalt habe die Fesselung nicht hinreichend begründet, sondern nur darauf abgestellt, ihn noch nicht hinreichend zu kennen; die Gefangenen würden bei Ausführungen zum Arzt generell gefesselt. Es sei menschenunwürdig, die in der Zukunft wegen Operationen und Untersuchungen anstehenden Ausführungen in Krankenhäuser durchgängig gefesselt absolvieren zu müssen, obwohl er sich kein Fehlverhalten habe zu Schulden kommen lassen. Ferner sei auch die entkleidete „Durchsuchung“ unangemessen gewesen, insbesondere da er im Vollzug nie Anlass zu Beanstandungen gegeben habe.
3. Mit Schreiben vom 8. und 22. Dezember 2020 bezog die Justizvollzugsanstalt Stellung. Die Anträge seien teilweise unzulässig, da eine Fesselung während künftiger Krankenhausaufenthalte gegenüber dem Beschwerdeführer bislang nicht angeordnet worden sei. Gemäß § 69 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen (StVollzG NRW) in Verbindung mit § 69 des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen (SVVollzG NRW) könnten gegen Untergebrachte besondere Sicherungsmaßnahmen, etwa die Fesselung, angeordnet werden, unter anderem wenn die Gefahr der Entweichung oder von Gewalttätigkeiten bestehe. Gemäß § 69 Abs. 8 StVollzG NRW dürften Fesseln in der Regel nur an Händen oder Füßen angelegt werden; der Gefangene sei möglichst weitgehend zu schonen. Gemäß § 69 Abs. 9 StVollzG NRW sei eine Fesselung bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport auch dann zulässig, wenn die Beaufsichtigung nicht ausreiche, um eine Entweichung zu verhindern. Eine konkrete Fluchtgefahr sei nicht erforderlich. Notwendig, aber auch ausreichend sei die auf konkreten Tatsachen beruhende Annahme der Gefahr des Entweichens bei der Ausführung, zu deren Beseitigung die Fesselung geeignet und erforderlich sei; allgemeine Befürchtungen oder Vermutungen reichten dafür nicht aus. Vor diesem Hintergrund sei die Fesselungsanordnung für den Zeitraum vom 13. bis zum 16. Oktober 2020 rechtmäßig gewesen. Für den Beschwerdeführer bestehe ein Fluchtanreiz schon wegen des noch unbekannten Vollzugsendes der Sicherungsverwahrung. Bei einem Transport ins Krankenhaus sei die Situation unübersichtlich. Über eine ungefesselte Ausführung werde nur entschieden, wenn der Untergebrachte zunächst einige Ausführungen gefesselt beanstandungsfrei absolviert habe. Dem Beschwerdeführer würden derzeit aber keine vollzugsöffnenden Maßnahmen gewährt. Während Krankenhausaufenthalten werde eine möglichst schonende Art der Fesselung gewählt, um die Beeinträchtigung möglichst gering zu halten.
4. Mit Schriftsätzen vom 25. und 26. Januar 2021 erwiderte der Beschwerdeführer, er habe sich während zehn Jahren in Haft nie ungebührlich verhalten. Dass er in der Justizvollzugsanstalt Werl bislang erst eine Ausführung absolviert habe, sei pandemiebedingten Schutzmaßnahmen geschuldet; der zuvor durchgeführte gefesselte Krankenhausaufenthalt sei beanstandungsfrei verlaufen. Bei den Maßnahmen werde das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht eingehalten; es bedürfe einer „konkreten Gefahr der Sicherheit und Ordnung“.
5. Nachdem er mit Schriftsatz vom 4. März 2021 eine Entscheidung über seinen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz beantragt hatte, teilte der Beschwerdeführer am 9. März 2021 mit, unter den von der Justizvollzugsanstalt angekündigten Umständen (Untersuchung im entkleideten Zustand, Fesselung während der Arztvorführung für zweieinhalb bis drei Stunden, Überführung in einem „käfigähnlichen Fahrzeug ohne vorschriftsmäßige Anschnallmöglichkeiten“) sei ihm das Wahrnehmen einer für denselben Tag angesetzten Voruntersuchung nicht möglich. Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag teilte er mit, die für den 15. März 2021 geplante Operation müsse angesichts der ausgefallenen Voruntersuchung voraussichtlich verschoben werden.
6. Am 10. März 2021 erwiderte die Justizvollzugsanstalt, dass bei dem Beschwerdeführer derzeit keine Gründe erkennbar seien, von der Hausverfügung abzusehen. Diese sehe bei Ausführungen grundsätzlich eine Fesselung und eine Begleitung von mindestens zwei Bediensteten vor, die eine Schusswaffe sowie ein Reizstoffsprühgerät auch dann mitführten, wenn eine Fesselung angeordnet worden sei.
7. Auf Anfrage des Landgerichts ergänzte der Beschwerdeführer am 16. März 2021 den Vortrag zu seinem Krankenhausaufenthalt im Oktober 2020. Es stünden weitere Operationen und Voruntersuchungen an, die in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt werden müssten. Eine weitere, für den 19. März 2021 geplante Untersuchung außerhalb des Vollzugs nahm der Beschwerdeführer angesichts der Umstände der vorherigen Ausführung nicht wahr. Am 22. März 2021 und 1. April 2021 bezog die Justizvollzugsanstalt erneut Stellung. Die Art der Fesselung sei angepasst an die vorgenommenen medizinischen Maßnahmen erfolgt; eine Beeinträchtigung des Beschwerdeführers sei möglichst gering gehalten worden. Von den Regelungen der Hausverfügung habe nicht abgesehen werden müssen. Der Beschwerdeführer erwiderte am 7. April 2021, die Justizvollzugsanstalt habe die notwendige Einzelfallbetrachtung unterlassen. Auf Anfrage des Landgerichts an den Anstaltsarzt, ob die dem Beschwerdeführer attestierten Erkrankungen einer mehrtägigen Fesselung an Händen und Füßen entgegenstünden, übersandte die Justizvollzugsanstalt eine Stellungnahme des Anstaltsarztes vom 21. April 2021. Darin führte dieser aus, die im Attest vom 18. November 2021 (gemeint ist 2020) aufgeführten Erkrankungen schränkten die Fluchtmöglichkeiten ein, machten sie aber keinesfalls unmöglich. Eine Fesselung am Krankenbett über mehrere Tage erscheine aus ärztlicher Sicht durchführbar, solle sich aber nach Möglichkeit auf die Fesselung entweder einer Hand oder eines Beins beschränken und im Wechsel erfolgen. Die Fesselung beider Hände während des Transportes sei unbedenklich.
8. Mit angegriffenem Beschluss vom 27. Mai 2021 wies das Landgericht die Anträge zurück. § 69 Abs. 9 StVollzG NRW (i.V.m. § 69 SVVollzG NRW) lasse die Fesselungsanordnung als besondere Sicherungsmaßnahme grundsätzlich zu, ohne dass - in Abweichung von Absatz 1 - bei den Untergebrachten zusätzlich konkrete Anzeichen im Sinne einer erhöhten Gefahr vorliegen müssten. Ausreichend sei die auf konkreten Tatsachen beruhende Annahme der Entweichungsgefahr bei der Ausführung, zu deren Beseitigung die Fesselung neben der Beaufsichtigung erforderlich sei. Die Beaufsichtigung reiche regelmäßig nicht aus, wenn bei kurzfristiger Ausführung, insbesondere in Fällen medizinischer Versorgung, eine Bewertung der Gesamtumstände nicht möglich sei oder die Ausführung an einen Ort erfolge, an dem sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestimmen ließen.
Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Dem Beschwerdeführer als Untergebrachtem in der Sicherungsverwahrung mit noch unbestimmter Dauer könne eine gewisse Fluchtmotivation zugesprochen werden. Die Situation im Straßenverkehr sei grundsätzlich unvorhersehbar und die Justizvollzugsanstalt habe noch keine ausreichenden Erfahrungswerte darüber, wie sich der Beschwerdeführer bei Transporten verhalte. Die Situation im Krankenhaus sei hinsichtlich Räumlichkeiten und Publikumsverkehr unvorhersehbar; insbesondere könnten hier mangels vergitterter Fenster und technischer Sperren keine mit den Räumlichkeiten einer Justizvollzugsanstalt vergleichbaren Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Die permanente Bewachung auf der Fahrt und im Krankenhaus sei keine geeignete Alternative zur Fesselung; vielmehr seien mehrstufige, sich ergänzende Sicherungsmaßnahmen notwendig, um zum Schutze der Allgemeinheit ein Entweichen des Gefangenen effektiv zu verhindern.
Die Erkrankungen des Beschwerdeführers würden ausweislich der Auskunft des Anstaltsarztes vom 21. April 2021 eine Flucht erschweren, aber nicht unmöglich machen. Die Prognoseentscheidung der Justizvollzugsanstalt, dass eine Fesselung erforderlich sei, sei nicht zu beanstanden. Der Sachverhalt sei zutreffend und vollständig ermittelt worden. Die Justizvollzugsanstalt habe „die Grenzen des [ihr] zustehenden Beurteilungsspielraumes nicht überschritten und insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit eingehalten“, wobei zu berücksichtigen sei, dass je nach Situation eine unterschiedliche Fesselung vorgelegen habe und jeweils die mildeste Art der Fesselung gewählt worden sei. Die Fesselung auf den Fahrten über Kreuz an den Händen sei nach Auskunft des Anstaltsarztes auch angesichts der Erkrankungen des Beschwerdeführers medizinisch unbedenklich. Es sei nicht zu erkennen, dass ein ordnungsgemäßes Anschnallen nicht möglich gewesen sei. Im Krankenhaus sei der Beschwerdeführer entweder an den Händen oder am Fuß gefesselt gewesen, wobei nicht nur berücksichtigt worden sei, dass die Art der Fesselung nach Auskunft des Anstaltsarztes abgewechselt werden sollte, sondern auch, dass eine Fesselung der Hände statt der Füße beim Gehen wegen der mit einer Fußfesselung verbundenen erheblichen Bewegungseinschränkung deutlich weniger belastend und diskriminierend sei.
Die körperliche Durchsuchung sei nicht zu beanstanden. Unbekleidete Durchsuchungen stellten einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Die Justizvollzugsanstalt habe die Hausverfügung gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SVVollzG NRW erlassen können. Die Durchsuchung unterbleibe zwingend im Einzelfall, wenn dadurch Sicherheit und Ordnung der Einrichtung nicht gefährdet würden. Es sei nicht zu beanstanden, dass sich die Justizvollzugsanstalt auf die erlassene allgemeine Anordnung bezogen und hierzu ausgeführt habe, dass ein Abweichen im vorliegenden Fall nicht angezeigt gewesen sei. Sie sei konkludent davon ausgegangen, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalles die Gefahr eines Einschmuggelns nicht ferngelegen habe. Es sei nicht erkennbar und vom Beschwerdeführer nicht vorgetragen, dass besondere Umstände des Einzelfalles nicht ermittelt oder verkannt worden seien. Der Beschwerdeführer habe lediglich ausgeführt, dass er eine körperliche Durchsuchung generell als menschenunwürdig empfinde.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nicht begründet. Die bisherigen Fesselungen und körperlichen Durchsuchungen seien rechtmäßig gewesen. Es sei insofern nicht zu beanstanden, wenn die Justizvollzugsanstalt diese Praxis vorerst beibehalte. Sie müsse die Möglichkeit haben, sich erst eine hinreichende Erfahrungsgrundlage zum Verhalten des Beschwerdeführers unter extramuralen Bedingungen zu bilden, bevor von Fesselungen oder Durchsuchungen während beziehungsweise vor Ausführungen abgesehen werde.
9. Am 22. Juni 2021 erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde. Der Beschluss des Landgerichts leide unter Aufklärungsmängeln. Die Justizvollzugsanstalt habe eine „Allgemeinverfügung“ als Grundlage für Durchsuchung und Fesselung herangezogen, eine „gesetzmäßige Einzelfallentscheidung“ fehle und es liege ein Verstoß gegen § 56 und § 64 in Verbindung mit § 74 SVVollzG NRW vor. Die Justizvollzugsanstalt habe die Maßnahmen nicht begründet; das Landgericht habe die Mängel rechtsfehlerhaft nicht hinreichend aufgeklärt. Insbesondere sei der Entscheidung nicht der neuere, vom Beschwerdeführer mittels Fax am 25. Mai 2021 übersandte orthopädische Befund, aus dem erhebliche Einschränkungen des gesamten Bewegungsapparates hervorgingen, sondern die Stellungnahme des Anstaltsarztes vom 21. April 2021 zugrunde gelegt worden, die diesen Befund noch nicht berücksichtige. Angesichts der diagnostizierten Erkrankungen seien Beweglichkeit und Biegungsfähigkeit seiner Gelenke stark eingeschränkt. Die Symptomatik und Schmerzen würden bei unnatürlichen Körperhaltungen wie bei Fesselungen verschärft. Die jeweiligen Fesselungen seien kein „schonendes Mittel der Fesselung“ gewesen. Die Missbrauchs- und Fluchtgefahr sei nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt worden; die Entkleidung verstoße gegen die Menschenwürde.
10. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2021 beantragte das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Es sei nicht geboten, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Ferner sei eine Verletzung elementarer Verfahrensprinzipien oder Grundrechte durch die angefochtene Entscheidung nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer erwiderte mit Schriftsatz vom 5. August 2021 und wiederholte seinen bisherigen Vortrag. Das Landgericht habe die notwendige Sachverhaltsaufklärung nicht vorgenommen, indem es seinem Antrag auf Hinzuziehung eines orthopädischen Sachverständigen nicht nachgekommen sei und nicht aufgeklärt habe, ob er sich in gefesseltem Zustand ordnungsgemäß habe anschnallen können.
11. Mit angegriffenem Beschluss vom 23. August 2021, dem Beschwerdeführer zugestellt am 9. September 2021, verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Das Landgericht habe zutreffend ausgeführt, dass die Justizvollzugsanstalt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über Fesselung und Untersuchung getroffen habe. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unanfechtbar.
1. Mit seiner am 24. September 2021 fristgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, Art. 19, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG.
Bei der Ermessensentscheidung über eine Fesselungsanordnung müssten die Einzelfallumstände und insbesondere der Umstand Berücksichtigung finden, ob eine ausreichende Sicherheit durch andere, weniger eingriffsintensive Maßnahmen wie die Begleitung durch Bedienstete erreicht werden könne. Die Justizvollzugsanstalt habe eine Flucht- und Missbrauchsgefahr nicht näher begründet, sondern sich nur auf die „Allgemeinverfügung“ des Anstaltsleiters gestützt, was einen Verstoß gegen das Willkürverbot darstelle. Die §§ 69, 74 SVVollzG NRW seien missachtet worden, worin ein Verstoß gegen Art. 2, Art. 3, Art. 19 und Art. 103 GG liege. Es sei nicht fachärztlich eruiert worden, inwieweit die verschiedenen Fesselungsvarianten ihm Schmerzen verursacht hätten. Dass die Gerichte kein Fachgutachten durch einen Orthopäden eingeholt und seine Angaben nicht durch Inaugenscheinnahme insbesondere des Transportfahrzeugs überprüft hätten, begründe einen Aufklärungsmangel und verletze Art. 103 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und Art. 19 GG. Die Justizvollzugsanstalt hätte eine eingehende Dokumentation der Fesselungen vorlegen müssen. Die allgemeine Fesselungsanordnung sei ein gewichtiger Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht; er empfinde die Situation als beängstigend. In gefesseltem Zustand bei Anlegen der 3-Punktgurte sei kein korrektes Anschnallen möglich, woraus eine Verletzungsgefahr resultiere. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK sei nicht auszuschließen.
Zu der im fachgerichtlichen Verfahren gerügten körperlichen Durchsuchung führt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht aus.
2. Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 von einer Stellungnahme abgesehen.
3. Die Akte des fachgerichtlichen Verfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die insoweit für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
a) Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts sind grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, unterliegen aber der verfassungsgerichtlichen Prüfung daraufhin, ob sie die Grenze zur Willkür überschreiten oder die Bedeutung eines Grundrechts grundsätzlich verkennen (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 30, 173 <196 f.>; 57, 250 <272>; 74, 102 <127>; stRspr). Der fachgerichtliche Spielraum ist insbesondere dann überschritten, wenn das Gericht bei der Gesetzesauslegung und -anwendung in offensichtlich nicht zu rechtfertigender Weise den vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetzestext ausgedrückten Sinn des Gesetzes verfehlt (vgl. BVerfGE 89, 48 <64>) oder das zu berücksichtigende Grundrecht völlig unbeachtet gelassen hat (vgl. BVerfGE 59, 231 <268 f.>; 77, 240 <255 f.>).
b) Grundrechte dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes und nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden; dies gilt auch für Grundrechte von Gefangenen (vgl. BVerfGE 33, 1 <11>; 89, 315 <322 f.>). Bei einer Fesselungsanordnung handelt es sich um einen gewichtigen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 2007 - 2 BvR 2395/06 -, Rn. 17; BVerfGK 19, 25 <29 f.>). Bei der Bestimmung des Gewichts des Eingriffs im konkreten Einzelfall spielen neben der mit einer sichtbaren Fesselung einhergehenden stigmatisierenden Wirkung und der Dauer und konkreten Durchführungsart der Fesselung auch etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen des Gefangenen, sein Alter sowie der Umstand eine Rolle, ob er durch sein Verhalten Veranlassung zu der Fesselung gegeben hat.
c) Diese Wertungen liegen auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zugrunde, der Fesselungen regelmäßig an Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) misst. Seine Rechtsprechung ist bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 120, 180 <200 f.>; 128, 326 <370 f.>). Der EGMR bezieht bei der Beurteilung der Frage, ob eine Fesselung gegen Art. 3 EMRK verstößt, die individuelle Vorgeschichte und den Gesundheitszustand des betroffenen Gefangenen, etwaiges gefährliches Vorverhalten in Haft, ergänzend angewandte Sicherungsmaßnahmen sowie die Dauer und öffentliche Wahrnehmbarkeit der Fesselung ein (vgl. EGMR, Shlykov and others v. Russia, Urteil vom 19. Januar 2021, Nr. 78638/11, §§ 72 ff.). Die mit der Fesselung verbundene Zwangsanwendung ist auf das unausweichliche Maß zu beschränken (vgl. EGMR, Shlykov and others v. Russia, Urteil vom 19. Januar 2021, Nr. 78638/11, § 72). So stellt die eintägige Fesselung eines Gefangenen an sein Krankenbett eine unmenschliche Behandlung dar, wenn in Anbetracht von Alter, Gesundheitszustand und dem Fehlen konkreter Anhaltspunkte für ein von dem Gefangenen ausgehendes Sicherheitsrisiko die Fesselung auch in Anbetracht von zwei anwesenden Sicherheitskräften als unverhältnismäßig erscheint (vgl. EGMR, Hénaf v. France, Urteil vom 27. November 2003, Nr. 65436/01, §§ 56 ff.). Maßgeblich zu berücksichtigen ist, ob die Fesselung angeordnet wurde, obwohl der Gefangene durch sein Verhalten während der Haft in der Vergangenheit keinen Grund zu Beanstandungen gegeben hat (vgl. EGMR, Shlykov and others v. Russia, Urteil vom 19. Januar 2021, Nr. 78638/11, §§ 72 ff.; Kashavelov v. Bulgaria, Urteil vom 20. Januar 2011, Nr. 891/05, §§ 38 ff.; Salakhov and Islyamova v. Ukraine, Urteil vom 14. März 2013, Nr. 28005/08, § 154). Das routinemäßige Fesseln eines Gefangenen, der sich in einer gesicherten Umgebung befindet, kann nicht gerechtfertigt werden (vgl. EGMR, Kashavelov v. Bulgaria, Urteil vom 20. Januar 2011, Nr. 891/05, § 39 f.). Das Wohlergehen der gefesselten Person ist regelmäßig zu überprüfen (vgl. EGMR, Wiktorko v. Poland, Urteil vom 31. März 2009, Nr. 14612/02, § 55) und der Einsatz der Fesseln ist von der anordnenden Instanz vollständig zu dokumentieren (vgl. EGMR, Bureš v. The Czech Republic, Urteil vom 18. Oktober 2012, Nr. 37679/08, § 103). In Übereinstimmung mit Part.IV.68.3. der European Prison Rules, die bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Haftbedingungen indiziell zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfGE 116, 69 <90>; BVerfGK 12, 422 <424>; 20, 93 <101>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. März 2015 - 2 BvR 1111/13 -, Rn. 31), ist die Dauer der Fesselung auf das unerlässliche Maß zu beschränken. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat in seinem Bericht an die deutsche Bundesregierung über seinen Länderbesuch in Deutschland im Dezember 2020 - allerdings in Bezug auf das Festhalten von Menschen in Polizeieinrichtungen - empfohlen, von der Fesselung von Personen an feste Gegenstände abzusehen (CPT/Inf <2022> 18, Nr. 4).
d) aa) Die Fesselung ist als besondere Sicherungsmaßnahme in § 69 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6, § 70 StVollzG NRW verankert, die über § 69 SVVollzG NRW auch für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zur Anwendung kommen. § 69 Abs. 2 Nr. 6 StVollzG NRW differenziert zwischen Fesselung und Fixierung, wobei der nordrhein-westfälische Gesetzgeber unter letzterer gemäß § 70 Abs. 5 Satz 1 StVollzG NRW eine Maßnahme versteht, durch die die Fortbewegungsfreiheit der Gefangenen absehbar nicht nur kurzfristig aufgehoben wird. § 69 Abs. 7, § 70 Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 7 StVollzG NRW knüpfen die so verstandene Fixierung an besondere, auch verfahrensrechtliche Voraussetzungen. Angesichts des damit regelmäßig verbundenen Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG bedarf es insbesondere einer richterlichen Anordnung (vgl. § 70 Abs. 5 Satz 1 StVollzG NRW; zu 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierungen vgl. BVerfGE 149, 293).
bb) Der Erheblichkeit des Eingriffs entsprechend statuiert § 69 Abs. 8 StVollzG NRW Anforderungen an die Durchführung der Fesselung, die grundsätzlich nur entweder an Händen oder Füßen zu erfolgen und den Gefangenen zu schonen hat. Die Fesselung ist nach § 69 Abs. 8 Satz 3, § 70 Abs. 3 StVollzG NRW auf das (zeitlich) unbedingt erforderliche Minimum zu beschränken. Die Regelungen werden von Verfahrensvorschriften flankiert, insbesondere der Pflicht zur Dokumentation der Maßnahmen (vgl. § 70 Abs. 4 Satz 4 StVollzG NRW), und zur Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde, wenn die Maßnahme mehr als drei Tage aufrecht erhalten wird (vgl. § 70 Abs. 6 StVollzG NRW).
cc) Der Anwendungsbereich für Fesselungen während Ausführungen, Vorführungen und beim Transport ist gemäß § 69 Abs. 9 StVollzG NRW gegenüber den rechtlichen Voraussetzungen, die gemäß § 69 Abs. 1 StVollzG NRW für die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen allgemein gelten, erweitert. Unabhängig von konkreten, in der Person des Gefangenen liegenden Gründen ist die Fesselung in diesen Konstellationen nach der gesetzlichen Konzeption auch dann zulässig, wenn die Beaufsichtigung nicht ausreicht, um eine Entweichung zu verhindern. Mit Blick auf das nachvollziehbare Interesse der Anstalt an der Gewahrsamsicherung ausreichend, in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Vorgaben aber auch notwendig ist, dass bei der Feststellung, eine Beaufsichtigung allein reiche nicht aus, um die Entweichung zu verhindern, die jeweiligen Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden. Dies gilt auch für die im Rahmen der nach § 69 Abs. 1, Abs. 9 StVollzG NRW zu treffende Ermessensentscheidung über die Anordnung der Fesselung (vgl. Goerdeler, in: Feest/Lesting/Lindemann [Hrsg.], Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl. 2022, S. 689 Rn. 45).
e) Vor diesem Hintergrund begegnet eine vollzugsbehördliche Praxis, die ohne Prüfung der individuellen Flucht- beziehungsweise Missbrauchsgefahr durch Justizbedienstete beaufsichtigte Ausführungen nur erlaubt, wenn der Gefangene gefesselt ist, mit Blick auf die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Erfordernis einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung verfassungsrechtlichen Bedenken. § 69 Abs. 9 StVollzG NRW darf nicht als eine Vermutungsregel (miss-)verstanden werden, welche die Fesselung bei Ausführungen ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als Regelfall ohne Weiteres zulässt. Wenn nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich dem Vorverhalten des Gefangenen in Haft, seinem Gesundheitszustand, seinem Alter und dem Ablauf vorangegangener Ausführungen die Gefahr der Entweichung bei einer Ausführung auch in Anbetracht der gleichzeitig angeordneten Beaufsichtigung durch (bewaffnete) Justizbedienstete fernliegend ist, verdient das durch eine Fesselung empfindlich berührte allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Gefangenen im Regelfall Vorrang vor den Sicherheitsinteressen der Anstalt und der Allgemeinheit. Das gilt insbesondere, wenn die Fesselung über einen längeren Zeitraum andauert.
f) Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nicht gerecht.
aa) Das Landgericht hat bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ermessensentscheidung der Justizvollzugsanstalt Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht hinreichend beachtet, indem es die über vier Tage andauernde Fesselung des gesundheitlich beeinträchtigten Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen hat.
Das Landgericht geht nicht auf die Dauer der Fesselungsanordnung ein. Es ist daher nicht ersichtlich, ob es sich des Umstands gewahr war, dass besondere Sicherungsmaßnahmen, die über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten bleiben, verschärften Prüfungsanforderungen begegnen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2008 - 2 BvR 1661/06 -, Rn. 45 m.w.N.). Die sich über 96 Stunden erstreckende Dauer der Fesselungsmaßnahme überschreitet jedenfalls in der vorliegenden Konstellation das verfassungsrechtlich zulässige Maß. Justizvollzugsanstalt und Landgericht hätten sich insoweit an der einfachrechtlichen Wertung des § 70 Abs. 6 Satz 1 StVollzG NRW orientieren können, der eine Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde für den Fall einer über mehr als drei Tage andauernden (Fesselungs-)Maßnahme vorsieht und diese Zeitspanne als jedenfalls im Rahmen der Verfahrensgestaltung zu berücksichtigende Zäsur einordnet.
Zwar hat das Landgericht ausgeführt, der Beschwerdeführer sei je nach Situation unterschiedlich und jeweils auf möglichst schonende Weise gefesselt gewesen. Es hat sich aber nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob alle anderen Maßnahmen, welche die Fesselungsanordnung nach Art und Dauer hätten beschränken können, ausgeschöpft wurden. Ein Gefangener kann zwar nicht verlangen, dass unbegrenzt personelle und sonstige Mittel aufgewendet werden, um Beschränkungen seiner grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden (vgl. BVerfGE 34, 369 <380 f.>; 34, 384 <402>; 35, 307 <310>; 42, 95 <100 f.>; BVerfGK 13, 163 <166>; 13, 487 <492>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Mai 2013 - 2 BvR 2129/11 -, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Juli 2013 - 2 BvR 2815/11 -, Rn. 17). Hier hätte es angesichts der mehrtägigen Verweildauer im Krankenhaus aber nahegelegen, die Fesselungsanordnung jedenfalls phasenweise auszusetzen und - eine Gefahr des Entweichens unterstellt - in diesen Zeiträumen gegebenenfalls die Zahl der beaufsichtigenden Vollzugsbeamten zu erhöhen.
Nur unzureichend berücksichtigt hat es ferner die individuelle Situation des Beschwerdeführers, sowohl mit Blick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen als auch auf die Wahrscheinlichkeit seiner Entweichung. Wenn das Landgericht ausführt, die Fesselung über Kreuz an den Händen sei „sicherlich nicht angenehm“, aber „medizinisch unbedenklich“ gewesen, geht es zwar auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers ein, scheint aber das - vom Gericht offenbar angenommene - Fehlen eines zusätzlichen Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG als Argument für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht heranziehen zu wollen. Damit verkennt es das erhebliche Gewicht des letztgenannten Eingriffs, den der Beschwerdeführer als von seinem Verhalten in Haft unabhängig und daher als von ihm nicht zu beeinflussen erlebt. Dass eine angesichts der gesundheitlichen Belastungen des Beschwerdeführers gebotene besondere Rücksichtnahme und eine periodische Überprüfung seines Zustands erfolgt wäre, ist nicht ersichtlich. Zudem hätten sein beanstandungsfreies Vollzugsverhalten und die ihm attestierten Erkrankungen, die ausweislich der Auskunft des Anstaltsarztes ein Entweichen jedenfalls erschwerten, im Rahmen der Ermessensausübung in gewichtigem Maße berücksichtigt werden müssen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Ausführung eine körperliche Durchsuchung voranging, bei der etwaige für eine Flucht nutzbar zu machende Gegenstände hätten auffallen müssen, und sich der Beschwerdeführer beim Transport in einem in Boxen unterteilten vergitterten Transporter befand. Die Argumentation des Landgerichts, angesichts der unübersichtlichen Situation im Straßenverkehr und im Krankenhaus sei die Mehrstufigkeit sich ergänzender Sicherungsmaßnahmen - Fesselung und Beaufsichtigung - nicht zu beanstanden, lässt außerdem die als einfachrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verstehende Konzeption in § 69 Abs. 9 StVollzG NRW außer Acht, wonach eine Fesselung bei Ausführung, Vorführung und Transport gerade nur dann in Betracht kommt, wenn die Beaufsichtigung allein nicht ausreicht; denn insbesondere Ausführungen und Transporte finden typischerweise im öffentlichen Raum beziehungsweise im Straßenverkehr statt.
Das Landgericht ist überdies nicht auf das Unterbleiben der in Übereinstimmung mit den konventionsrechtlichen Vorgaben in § 70 Abs. 4 Satz 4 StVollzG NRW vorgesehenen Dokumentation der Maßnahme durch die Vollzugsbehörde eingegangen, der insbesondere in einem nachgelagerten gerichtlichen Verfahren eine beweissichernde Funktion zukommen kann. Dem verfahrensrechtlichen Gehalt der betroffenen Grundrechte (vgl. hierzu BVerfGE 52, 214 <219 ff.>; 70, 297 <308 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 2008 - 2 BvR 1661/06 -, Rn. 39; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. März 2015 - 2 BvR 1111/13 -, Rn. 42) wird insoweit nur unzureichend Rechnung getragen.
bb) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 23. August 2021 verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Indem das Oberlandesgericht ausführt, dass das Landgericht zutreffend dargelegt habe, die Justizvollzugsanstalt habe das ihr zustehende Ermessen bei der Entscheidung über die Fesselung des Beschwerdeführers rechtlich beanstandungsfrei ausgeübt, hat es sich die landgerichtliche Entscheidung mit den verfassungsrechtlich zu beanstandenden Erwägungen zu eigen gemacht. Darin liegt eine eigenständige Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
3. Auf die Frage, ob angesichts der durch den Beschwerdeführer behaupteten Aufklärungsmängel insbesondere hinsichtlich der Anschnallmöglichkeiten während des Transports auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vorliegt, weil Landgericht und Oberlandesgericht die grundrechtseingreifende Maßnahme der Fesselung bestätigt haben, ohne den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt zu haben (vgl. BVerfGK 9, 390 <395 f.>), kommt es nach alledem nicht mehr an.
4. Über die Frage, ob der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen auch insoweit in seinen Grundrechten verletzt ist, als diese seine körperliche Durchsuchung mit Entkleidung für rechtmäßig befunden haben, ist nicht zu entscheiden, weil er seine Verfassungsbeschwerde darauf nicht erstreckt hat.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. August 2021 - III - 1 Vollz (Ws) 313-315/21 - und der Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 27. Mai 2021 - IV-2 StVK 395/20 - werden aufgehoben; die Sache wird an das Landgericht Arnsberg zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 217
Bearbeiter: Holger Mann