HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 846
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 690/20, Beschluss v. 17.06.2020, HRRS 2020 Nr. 846
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Der Beschwerdeführer, ein slowenischer Staatsangehöriger, begehrt die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Beschlüsse über die Fortdauer seiner mittlerweile aufgehobenen Auslieferungshaft. Die Vereinigten Staaten von Amerika, die um seine Auslieferung ersuchen, werfen dem Beschwerdeführer vor, sich im Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2013 mit weiteren Mittätern an der Entwicklung und dem Betrieb eines Internetforums beteiligt zu haben, welches Computersysteme zur Verteilung von Computermalware zum Zweck der illegalen Erlangung von Geldern entwickelt und verkauft haben soll.
2. Für entsprechende Taten wurde der Beschwerdeführer jedenfalls in einem Zeitraum bis 2011 bereits durch ein slowenisches Gericht zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er auch verbüßte.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet der Beschwerdeführer gegen die Auslieferungshaft insbesondere ein, der durch die Haft gesicherten Auslieferung in die Vereinigten Staaten von Amerika stehe mit dem ne bis in idem-Grundsatz ein Auslieferungshindernis entgegen. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG sowie Art. 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seien verletzt, da das Oberlandesgericht versäumt habe, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage der Auslegung und Anwendung des ne bis in idem-Grundsatzes im Falle einer vorherigen Verurteilung durch einen anderen als den ersuchten europäischen Mitgliedstaat zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Unterlassen der Vorlage sei willkürlich. Zudem sei die weitere Dauer des Auslieferungsverfahrens aufgrund der insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika getroffenen einschränkenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht absehbar. Aus diesen Gründen seien Anordnung und Fortdauer der Auslieferungshaft unverhältnismäßig.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an eine Begründung genügt (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; 129, 269 <278>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, der die angegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>).
Der Zweck der Auslieferungshaft, das Auslieferungsverfahren zu sichern und die Durchführung der Auslieferung zu ermöglichen, kann es nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zulassen, die Auslieferungshaft bereits dann anzuordnen und fortdauern zu lassen, wenn festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung gegeben sein können, auch wenn dies noch nicht abschließend geklärt ist und die abschließende Klärung erst im weiteren Auslieferungsverfahren erfolgen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. April 2015 - 2 BvR 221/15 -, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, Rn. 25). Hinsichtlich der Frage, ob die Auslieferung von vornherein unzulässig ist, genügt eine vertretbare summarische Prüfung durch das Oberlandesgericht; eine gründliche und abschließende Prüfung bleibt der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung vorbehalten (vgl. BVerfGE 75, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2007 - 2 BvQ 23/07 -, Rn. 5 f.).
Mit dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht auseinander. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, weshalb die Ausführungen des Oberlandesgerichts im Auslieferungshaftbefehl und in den folgenden angegriffenen Fortdauerbeschlüssen, in denen das Gericht insbesondere eine summarische Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung vorgenommen und sich dabei auch mit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rechtsauffassung hinsichtlich einer Vorlagepflicht auseinandergesetzt hat, den angeführten Maßstäben nicht genügen sollen.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargelegt, dass und inwiefern es bereits zu pandemiebedingten konkreten Verfahrensverzögerungen gekommen sein soll.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 846
Bearbeiter: Holger Mann