HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 404
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 194/20, Beschluss v. 17.03.2021, HRRS 2021 Nr. 404
Der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 10. Oktober 2019 - 2 NöStVK 725/18 - sowie der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. Januar 2020 - 203 StObWs 2770/19 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 5 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts verletzt den Beschwerdeführer zudem in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache wird an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der ehemals inhaftierte Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anhaltung eines Briefs.
1. Der Beschwerdeführer verbüßte ab dem Jahr 2015 eine Freiheitsstrafe und war zunächst in der Justizvollzugsanstalt K. inhaftiert. Nach mehreren zwischenzeitlichen Verlegungen in andere Haftanstalten ist er mittlerweile aus der Haft entlassen. Am 22. Oktober 2018 schrieb er aus der Justizvollzugsanstalt K. einen Brief an seine Großnichte und ehemalige Verlobte, die als seine Mittäterin in einer anderen Justizvollzugsanstalt inhaftiert war.
Der Brief enthielt zum einen Äußerungen in Bezug auf seine Vorgesetzten in der Kfz-Werkstatt („[…] ich kenne das echte „Arschloch“ noch nicht, über das echt jeder lästert, weil es echt ein Prolet sein soll!“) und den „[…] scheiß Nazi- und Bullenstaat Bayern“. Zum anderen beinhaltete er Schilderungen über geplante Versuche, bei einer Anstaltspsychologin im Rahmen eines hierfür von ihm beantragten psychologischen Fachgesprächs Informationen über eine ehemalige Anstaltsbedienstete einzuholen, für die der Beschwerdeführer offenbar ein (auch sexuelles) Interesse hegte.
2. Am 25. Oktober 2018 eröffnete die Justizvollzugsanstalt K. dem Beschwerdeführer die am 24. Oktober 2018 getroffene Anhalteverfügung wegen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nach Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG, da der Brief herabwürdigende Äußerungen und Schilderungen über seine Versuche enthalte, an Informationen über eine ehemalige Anstaltsbedienstete heranzukommen.
3. Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 28. Oktober 2018 begehrte der Beschwerdeführer, die Anhaltung des Briefs aufzuheben und die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, diesen zumindest nach dessen Ablichtung zu befördern, hilfsweise über die Anhaltung neu zu entscheiden. Bei der Anhaltung eines Briefs müsse die Bedeutung der Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. Ein Brief könne nicht wegen Beleidigungen angehalten werden, wenn er an die Familie oder Vertrauenspersonen gerichtet sei. Die Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt müsse ein gewisses Gewicht haben, um die Anhaltung zu rechtfertigen. Bei einer Briefüberwachung müssten Privatsphäre und Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. Die Empfängerin sei sowohl Familie, da sie seine Großnichte sei, als auch eine seiner Vertrauenspersonen. Die Äußerung „Nazi- und Bullenstaat“ sei von seiner Meinungsfreiheit gedeckt und habe aufgrund von aktuellen Entwicklungen einen Tatsachenbezug. Da die Person, für die er sich interessiere, aktuell nicht mehr in der Justizvollzugsanstalt arbeite, liege auch keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt vor. Jedenfalls sei eine Anhaltung des Briefs nicht geeignet, sein angeblich gefährdendes Vorhaben zu vereiteln. Seinem Antrag fügte er eine Anlage mit „Fundstellen zur Briefanhaltung“ bei, in der er aus verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hierzu zitierte.
4. Mit Schreiben vom 9. und 15. November 2018 stellte der Beschwerdeführer ergänzend einen Eilantrag und erweiterte sein Begehren dahingehend, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, seine Briefe an namentlich genannte Vertrauenspersonen nicht mehr anzuhalten, wenn diese konkret benannte Äußerungen enthielten. Er laufe Gefahr, dass die Justizvollzugsanstalt zahlreiche gleichgelagerte Briefanhaltungen durchführen werde, was diese auch bereits tue. Die Anstaltspsychologin habe ihm mitgeteilt, mit der betreffenden ehemaligen Anstaltsbediensteten gesprochen zu haben. All dies hätte verhindert werden können, wäre es der Justizvollzugsanstalt versagt, Briefe an seine Vertrauenspersonen anzuhalten, was zudem verfassungsrechtlich geboten sei.
5. Mit Beschluss vom 20. November 2018 wies das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Die Gefahr, dass die Verwirklichung der Rechte des Beschwerdeführers vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sei nicht ersichtlich. Schwerwiegende oder irreparable Nachteile, die ohne eine sofortige Entscheidung entstünden, seien weder dargetan noch sonst ersichtlich.
6. Am 23. November 2018 wurde der Beschwerdeführer in eine andere Haftanstalt verlegt, woraufhin er mit Schreiben vom 29. November 2018 verschiedene Teile seiner Anträge für erledigt erklärte und ein Feststellungsinteresse geltend machte.
7. Mit Stellungnahme vom 14. Januar 2019 legte die Justizvollzugsanstalt die Anträge dahingehend aus, dass der Beschwerdeführer die Aufhebung der Anhalteverfügung und die Weiterleitung des verfahrensgegenständlichen Briefs begehre sowie die Unterlassung, künftige Briefe an Vertrauenspersonen anzuhalten, soweit diese bestimmte Formulierungen enthielten. Die Anträge seien unbegründet. Die Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Sinne des Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG seien gefährdet, wenn der Eindruck entstehe, dass sich Gefangene bei einer Psychologin private Informationen über andere oder ehemalige Bedienstete beschaffen könnten. Den Gefangenen sei auferlegt, durch ihr Verhalten das geordnete Zusammenleben nicht zu stören. Es sei unerheblich, ob der Beschwerdeführer sich mündlich oder schriftlich über Bedienstete äußere. Solche herabwürdigenden Äußerungen und ein solcher Umgangston gefährdeten „die Ordnung und damit ein zivilisiertes sowie geordnetes Zusammenleben“ in der Justizvollzugsanstalt. Die Adressatin sei als Großnichte und ehemalige Verlobte weder Familienangehörige noch geschützte Vertrauensperson, da der Beschwerdeführer bereits mit seiner Mutter Brief- und Besuchskontakte pflege. Ein vorbeugender Unterlassungsantrag künftige Briefe betreffend sei nicht zulässig. Die Stellungnahme gab den angehaltenen Brief nur in kurzen Ausschnitten und nur in Bezug auf die konkret beanstandeten Passagen wieder.
8. Mit Schreiben vom 26. Januar 2019 wiederholte der Beschwerdeführer seinen Vortrag und führte aus, dass es sehr wohl darauf ankomme, ob er Äußerungen mündlich innerhalb der Justizvollzugsanstalt tätige oder dies schriftlich gegenüber außenstehenden Dritten tue. Die Adressatin sei jedenfalls als seine Vertrauensperson vom Schutz seiner Privatsphäre erfasst. Er habe sie schon „im Kinderwagen kutschiert“, sie sei von ihm schwanger gewesen, habe mit ihm mehrfach eine Lebenspartnerschaft geführt und sie hätten vor seiner Inhaftierung zusammengelebt. Der Brief hätte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch abgelichtet und dann weitergeleitet werden können. Es handele sich um Privates, eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt sei nicht erkennbar.
9. Mit angegriffenem Beschluss vom 10. Oktober 2019 wies die auswärtige Strafkammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen den Antrag als unbegründet zurück, soweit der Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt worden war. Das Gericht verwies zur Begründung auf die Ausführungen der Justizvollzugsanstalt, die tatsächlich und rechtlich zutreffend seien und durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in Frage gestellt würden. Es sei „offensichtlich“, dass das Schreiben sowohl Beleidigungen von Bediensteten als auch Formulierungen enthalte, welche die Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Sinne des Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG gefährdeten.
10. Mit Rechtsbeschwerde vom 11. November 2019 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache. Unter Bezugnahme auf zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG führte er aus, die Rechtsbeschwerde sei zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zulässig. Schon aus dem Inhalt des Briefs ergebe sich, dass die Adressatin eine Vertrauensperson und daher vom „Angehörigenprivileg“ erfasst sei. Der Gesamtkontext seiner Aussagen sei zu berücksichtigen. Sie seien von Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie seinem Recht auf Privatsphäre gedeckt, deren rechtliche Grenzen durch die Justizvollzugsanstalt und das Landgericht verkannt worden seien. Die Briefanhaltung sei als Rechtfertigung für den Widerruf von vollzugsöffnenden Maßnahmen verwendet worden, der separat angefochten werde. Die präjudizielle Wirkung für jenes Verfahren sei besonders zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2020 ergänzte der Beschwerdeführer, es könne nicht darauf abgestellt werden, dass die Empfängerin seines Briefs ebenfalls inhaftiert sei, da dies eine andere Justizvollzugsanstalt betreffe. Es habe entweder eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen ihm und der Adressatin bestanden, was eine Anwendung des Art. 34 Abs. 1 Nr. 4 BayStVollzG ausschließe, oder der Beschluss des Landgerichts sei lückenhaft, da er hierzu keine tragfähigen Feststellungen enthalte. Das Landgericht sei im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gehalten gewesen, die näheren Umstände aufzuklären, unter denen die Äußerungen getätigt worden seien. Es sei weder die Adressatin befragt noch das beanstandete Schreiben in Augenschein genommen und sein gesamter Inhalt einbezogen worden.
11. Mit angegriffenem Beschluss vom 29. Januar 2020, dem Beschwerdeführer am 3. Februar 2020 zugestellt, verwarf das Bayerische Oberste Landesgericht die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruhe auf einer vollständigen Tatsachengrundlage und entspreche der Rechtslage. Das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt sei von Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG gedeckt, ihre umfassende und zutreffende Stellungnahme habe sich das Landgericht zu eigen gemacht. Der besondere Schutz des Angehörigenprivilegs umfasse zwar auch Personen, zu denen der Verurteilte ein enges Vertrauensverhältnis unterhalte, greife jedoch dann nicht mehr ein, wenn Äußerungen - wie vorliegend - die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährdeten. Der Brief offenbare ein intrigant-manipulatives Verhalten des Beschwerdeführers, das die Justizvollzugsanstalt nicht habe dulden und sofort habe unterbinden müssen. Der Beschwerdeführer zeige eine absolute Missachtung von Autoritäten und eine grundsätzliche Ablehnung der staatlichen Ordnung, denen schon im Ansatz entgegengewirkt werden müsse. Da er die Äußerungen zudem pauschal allein zum Zwecke der Herabwürdigung getätigt habe, ohne in dem Brief selbst tatsächliche Anknüpfungspunkte mitgeteilt zu haben, die seiner jeweiligen Einschätzung zu Grunde gelegen hätten, handele es sich um Schmähkritik, die von vornherein nicht dem Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 GG unterfalle.
1. Mit am 6. Februar 2020 fristgemäß eingegangener Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die rubrizierten Beschlüsse und macht Verletzungen der Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG geltend.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzten Umfang und Tragweite der Grundrechte, der Rechtsweg sei erschöpft und der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts stelle einen willkürlichen Bruch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Anhaltung von Briefen dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze den Briefkontakt von Strafgefangenen mit Vertrauten. Ein Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot liege unter anderem vor, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr rechtlich vertretbar seien und sich daher der Schluss aufdränge, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhe. Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG unterliege die Annahme von Schmähkritik strengen Grenzen. Das Anhalten von Dritte beleidigenden Briefen Strafgefangener an Vertrauenspersonen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Regel unzulässig. Die Wechselwirkungslehre und auch das Recht auf Familie müssten beachtet werden. Art. 19 Abs. 4 GG gebiete zudem eine tatsächlich wirksame Kontrolle durch die Gerichte samt zureichender Sachverhaltsaufklärung. Art. 20 Abs. 3 GG enthalte sowohl das Verhältnismäßigkeitsprinzip als auch ein allgemeines Willkürverbot. Die Adressatin des Briefs sei nicht als Vertrauensperson gewürdigt und es sei nicht weiter aufgeklärt worden, aus welchem Anlass er die Äußerungen getätigt habe. Die Grenzen des Angehörigenprivilegs bei Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt gölten nicht bei der Briefanhaltung. Die Gerichte hätten im Hinblick auf seine Äußerungen rechtsfehlerhaft die Eingriffsgrundlage ausgewechselt, um die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu umgehen.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat mit am 13. November 2020 eingegangenem Schreiben Stellung genommen.
Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. Auslegung und Anwendung des zugrunde gelegten Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es sei dem Beschwerdeführer unter Ausnutzung der Schweigepflicht der Psychologin und unter dem Deckmantel eines Therapiegesprächs um die Erlangung privater Informationen über die ehemalige Bedienstete gegangen. Dies sei „intrigant-manipulatives Verhalten“. Eine professionelle Distanz zwischen Gefangenen und Bediensteten stelle einen zentralen Grundsatz der Vollzugsgestaltung dar. Vollzugsbedienstete seien verpflichtet, Beziehungen, die Zweifel an einer ordnungsgemäßen Dienstausübung begründen könnten, der Anstaltsleitung zur Kenntnis zu bringen. In der Unterschreitung der Distanz zum psychologischen Fachdienst liege stets eine Gefahr für die Anstaltssicherheit und -ordnung und diese gefährde den Behandlungserfolg. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer bei einer Weigerung der Anstaltspsychologin versucht hätte, sein Ziel auf andere, die Anstaltssicherheit und -ordnung beeinträchtigende Weise zu erreichen. Die Ergebnisse einer psychiatrischen Begutachtung im Jahr 2012 legten nahe, dass er zumindest die Dienstausübung der Psychologin gestört und möglicherweise gar deren körperliche Unversehrtheit gefährdet hätte, falls er mit seinem Plan gescheitert wäre.
Die Gefahrenprognose der Justizvollzugsanstalt habe sich bestätigt: In einem weiteren angehaltenen Brief an die ehemalige Verlobte vom 13. November 2018 habe der Beschwerdeführer die Anstaltspsychologin als „Psychotante“ und „total durchgeknallt“ bezeichnet und sie bezichtigt, unter Verstoß gegen ihre Schweigepflicht Anstaltsinterna an die ehemalige Bedienstete weitergegeben zu haben. Zuvor habe er in einem Schreiben vom 11. November 2018 an die Psychologin gedroht, dienstaufsichts-, standes- und zivilrechtliche Maßnahmen gegen sie zu veranlassen. Er habe außerdem versucht, Mitgefangene mit verleumdenden Äußerungen gegen die Psychologin aufzubringen. Letztlich habe er wegen der anhaltenden Beeinträchtigung der Anstaltssicherheit und -ordnung am 23. November 2018 in eine andere Haftanstalt verlegt werden müssen.
Auch in Bezug auf die Ausführungen hinsichtlich der leitenden Bediensteten der Kfz-Werkstatt sei die Anstaltssicherheit und -ordnung gefährdet gewesen. Über ihren zum Teil ehrverletzenden Charakter hinaus zeugten sie davon, dass der Beschwerdeführer nicht bereit gewesen sei, die Autorität dieser Bediensteten anzuerkennen und sich in Arbeitsabläufe des Betriebs einzuordnen. Deshalb hätte die Gefahr bestanden, dass er durch Auflehnung das Betriebs- und Anstaltsklima erheblich beeinträchtigt hätte.
Die Bezeichnung des Freistaats Bayern als „Nazi- und Bullenstaat“ lasse zudem auf eine grundsätzliche Ablehnung der staatlichen Grundordnung schließen. Im Falle einer Weiterleitung des Briefs hätte in erhöhtem Maß die Gefahr bestanden, dass der Beschwerdeführer versucht hätte, Mitgefangene von dieser staats- und autoritätsfeindlichen Haltung zu überzeugen.
Bei der Entscheidung, ob ein Brief angehalten werde, handele es sich nach Art. 34 Abs. 1 BayStVollzG um eine Ermessensentscheidung, die nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliege. Das Anhalten des Briefs erscheine ex ante betrachtet als geeignet und erforderlich, um dem Beschwerdeführer zu signalisieren, dass der Anstaltsleitung seine Pläne zur Fortsetzung seines intrigant-manipulativen Verhaltens gegenüber der Anstaltspsychologin, seine feindliche Haltung gegenüber den leitenden Bediensteten der Kfz-Werkstatt und seine staats- und autoritätsfeindliche Grundhaltung bekannt seien und hieraus resultierende Beeinträchtigungen der Anstaltssicherheit und -ordnung nicht geduldet würden. Mildere Mittel wie das Erstellen einer Ablichtung oder eine Ermahnung seien zwar denkbar gewesen, hätten jedoch nicht mit gleicher Wahrscheinlichkeit dazu beigetragen, die bestehende Gefahr für die Anstaltssicherheit und -ordnung abzuwenden.
Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG sei nicht tangiert, da es sich bei den Schilderungen in Bezug auf die Anstaltspsychologin und die ehemalige Bedienstete um bloße Tatsachenbehauptungen handele. Die beleidigenden Äußerungen zulasten leitender Bediensteter der Kfz-Werkstatt seien „Formalbeleidigungen bzw. reine Schmähungen“. Die Bezeichnung der Bediensteten als „Arschloch“ und „Prolet“ werde nicht einmal andeutungsweise mit einer sachlichen Bewertung der Personen oder ihres Verhaltens verknüpft. Es handele sich daher nicht um polemische, überspitzte Kritik. Vielmehr gehe es offenkundig um eine Diffamierung der betreffenden Personen.
Zutreffend sei, dass durch die Anhaltung des Briefs in die Privat- und Familiensphäre des Beschwerdeführers eingegriffen worden sei, es handele sich bei der Briefadressatin aber lediglich um eine entfernte Verwandte. Art. 6 Abs. 1 GG sei „allenfalls marginal“ betroffen. Die Intensität des Eingriffs werde zudem dadurch abgeschwächt, dass die Briefadressatin zum fraglichen Zeitpunkt nicht seine einzige Vertrauensperson gewesen sei. Er habe in regelmäßigem brieflichen Kontakt mit seiner Mutter gestanden.
Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die Aufrechterhaltung der Anstaltssicherheit und -ordnung von zentraler Bedeutung für einen geordneten Strafvollzug sei. Im Schrifttum werde eine „Privilegierung Angehöriger“ generell abgelehnt, soweit es um das Anhalten von Schreiben wegen drohender Gefährdung der Anstaltssicherheit und -ordnung gehe. Dieser komme ein weit größeres Gewicht zu als dem Schutz der persönlichen Ehre, der den jeweils betroffenen Grundrechten des Gefangenen beim Anhalten eines Briefs aufgrund grober Beleidigungen nach Art. 34 Abs. 1 Nr. 4 BayStVollzG gegenüberstehe. Zusätzlich habe der Brief auch befürchten lassen, dass die persönliche Ehre der mit Beleidigungen bedachten leitenden Bediensteten verletzt werde. Schließlich habe die Maßnahme dem Schutz der körperlichen Integrität sowie der sexuellen Selbstbestimmung der Bediensteten gedient, was im Rahmen der gebotenen Abwägung ebenfalls Berücksichtigung finden müsse. Angesichts der Bedeutung dieser Rechtsgüter dürften an die entsprechende Gefahrenprognose keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
3. Die Akte des fachgerichtlichen Verfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.
1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
a) Sie verkennen Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), indem sie dem daraus folgenden Vertraulichkeitsschutz nicht hinreichend Rechnung tragen.
aa) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266 <289 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 12; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2020 - 1 BvR 2249/19 -, Rn. 11; stRspr).
Die Meinungsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 14), zu denen auch Art. 34 BayStVollzG gehört (vgl. BVerfGK 15, 577 <580>). Die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung ist in erster Linie Aufgabe der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die fachgerichtliche Anwendung und Auslegung nur daraufhin, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Dies ist der Fall, wenn die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung der Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGK 15, 577 <580 m.w.N.>).
bb) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Zu den Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört es, dass der Einzelne einen Raum besitzt, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann. Aus der Bedeutung einer solchen Rückzugsmöglichkeit für die Persönlichkeitsentfaltung folgt, dass der Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG auch die Privatsphäre umfasst (BVerfGE 90, 255 <260 m.w.N.>). Am Schutz der Privatsphäre nimmt auch die vertrauliche Kommunikation teil. Gerade bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen steht häufig weniger der Aspekt der Meinungskundgabe und die damit angestrebte Einwirkung auf die Meinungsbildung Dritter als der Aspekt der Selbstentfaltung im Vordergrund. Nur unter den Bedingungen besonderer Vertraulichkeit ist dem Einzelnen ein rückhaltloser Ausdruck seiner Emotionen, die Offenbarung geheimer Wünsche oder Ängste, die freimütige Kundgabe des eigenen Urteils über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung möglich. Unter solchen Umständen kann es auch zu Äußerungsinhalten oder -formen kommen, die sich der Einzelne gegenüber Außenstehenden oder in der Öffentlichkeit nicht gestatten würde. Gleichwohl verdienen sie als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung den Schutz des Grundrechts (BVerfGE 90, 255 <260>).
Die strafrechtliche Judikatur und die Literatur tragen dem Rechnung, indem sie bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphäre zugestehen, wenn die Äußerung Ausdruck des besonderen Vertrauens ist und wenn keine begründete Möglichkeit ihrer Weitergabe besteht. Der Schutz der Vertrauenssphäre geht aber auch dann nicht verloren, wenn sich der Staat Kenntnis von vertraulich gemachten Äußerungen verschafft. Das gilt auch für die Briefkontrolle bei Strafgefangenen (vgl. BVerfGE 90, 255 <261>; BVerfGK 9, 442 <444 f.>). Aus den darin enthaltenen Äußerungen dürfen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der groben Beleidigung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 StVollzG keine für den Beschwerdeführer belastenden Folgerungen gezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. September 1994 - 2 BvR 291/94 -, Rn. 15; BVerfGK 15, 577 <581>; 16, 51 <54 f.>). Zwar ist die Überwachung zum Schutz anderer bedeutsamer Rechtsgüter verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie soll Gefahren für das Vollzugsziel und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt abwehren sowie die Vertuschung begangener und die Begehung neuer Straftaten verhindern. Es ist auch unvermeidlich, dass der Vollzugsbeamte bei Gelegenheit einer solchen Kontrolle Kenntnis vom gesamten Inhalt des überprüften Schriftstücks erlangt. Die Kenntnisnahme von der Äußerung ändert aber nichts an deren Zugehörigkeit zu der grundrechtlich geschützten Privatsphäre. Durch die Kontrollbefugnis kann diese zwar rechtmäßig durchbrochen, nicht aber in eine öffentliche Sphäre umdefiniert werden. Vielmehr wirkt sich der Grundrechtsschutz gerade darin aus, dass der vertrauliche Charakter der Mitteilung trotz der staatlichen Überwachung gewahrt bleibt. Er entfällt folglich nicht schon deswegen, weil der Verfasser von der Briefkontrolle weiß (vgl. BVerfGE 35, 35 <40>; 90, 255 <261 f.>; BVerfGK 16, 51 <54>).
Der Kreis möglicher Vertrauenspersonen ist dabei nicht auf Ehegatten oder Eltern beschränkt, sondern erstreckt sich auf ähnlich enge - auch rein freundschaftliche - Vertrauensverhältnisse (vgl. BVerfGE 90, 255 <262>; BVerfGK 9, 442 <445>; 16, 51 <55>). Entscheidend für den grundrechtlichen Schutz der Vertrauensbeziehung ist, dass ein Verhältnis besteht, welches für den betroffenen Gefangenen in seiner Funktion, ihm einen Raum zu bieten, in dem er ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann, dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu Ehegatten, Eltern oder auch anderen Familienangehörigen besteht (vgl. BVerfGK 16, 51 <55 f. m.w.N.>).
cc) Den Grundsatz, dass der besondere persönlichkeitsrechtliche Schutz dieser Sphäre vertraulicher Kommunikation nicht dadurch entfällt, dass der Staat sich im Rahmen der Überwachung des Schriftwechsels Gefangener Kenntnis von dessen Inhalt verschafft, hat das Bundesverfassungsgericht zwar anhand von Fällen abgeleitet und wiederholt bekräftigt, die die Sanktionierung beleidigender Äußerungen oder das Anhalten von Schreiben wegen solcher Äußerungen betrafen (vgl. BVerfGE 90, 255 <261>; BVerfGK 9, 442 <444 ff.>; BVerfGK 15, 577 <581 m.w.N.>). Der Grundsatz als solcher erfasst aber nicht nur diese Fallgestaltung. Grundlage seiner Geltung ist nicht eine Besonderheit des im Falle beleidigender Äußerungen betroffenen Rechtsguts der persönlichen Ehre, sondern der besondere persönlichkeitsrechtliche Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation. Dieser Schutz kann dem Gefangenen, dessen Schriftwechsel der Überwachung unterliegt, nur erhalten werden, indem an die im Zuge der Überwachung zwangsläufig gewonnenen Kenntnisse vom Inhalt seiner Kommunikation mit Personen seines besonderen Vertrauens nicht ohne weiteres in gleicher Weise, wie dies bei Äußerungen außerhalb besonderer Vertrauensbeziehungen zulässig wäre, Sanktionen oder sonstige Eingriffe geknüpft werden. Bei der notwendigen Abwägung zwischen den eingeschränkten Grundrechten des Gefangenen und dem Rechtsgut, dem das grundrechtsbeschränkende Gesetz dient, ist dies zu berücksichtigen; die in Bezug auf Einschränkungen der Meinungsfreiheit sonst geltenden Abwägungsregeln sind daher nicht ohne weiteres anwendbar (vgl. BVerfGE 90, 255 <259 f.>; BVerfGK 15, 577 <581 f.>). All dies gilt daher auch, wenn als im Verhältnis zu den Grundrechten des Gefangenen gegenläufiger Belang nicht die durch Normen des Strafrechts geschützte persönliche Ehre, sondern der Ruf der Vollzugspraxis, sei es in einer bestimmten Strafvollzugsanstalt oder darüber hinaus, und die davon abhängigen Gemeinschaftsinteressen in die Abwägung einzustellen sind (vgl. BVerfGK 15, 577 <582 m.w.N.>).
b) Die angegriffenen Entscheidungen tragen der Reichweite der genannten Grundrechte nicht ausreichend Rechnung, weil sie die Anhaltung des Briefs des Beschwerdeführers an seine ehemalige Verlobte nicht nach diesen Maßstäben bewertet haben.
aa) Das Landgericht übernimmt die Begründung der Justizvollzugsanstalt als rechtlich zutreffend. Diese Begründung lässt zwar im Ansatz die Berücksichtigung des Grundsatzes erkennen, dass es für die rechtliche Bewertung des Anhaltens eines Briefs auf ein Näheverhältnis des Gefangenen zum Briefadressaten ankommt. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet allerdings die Begründung, mit der es die Justizvollzugsanstalt und das Landgericht ablehnen, die Briefadressatin als geschützte Vertrauensperson in Betracht zu ziehen. Dies verneinen sie allein deswegen, weil der Beschwerdeführer mit seiner Mutter als Familienangehörige Brief- und Besuchskontakte pflege. Justizvollzugsanstalt und Landgericht verkennen dabei die Reichweite des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Schutzes der vertraulichen Kommunikation. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass zum geschützten Personenkreis durchaus mehrere Personen gehören können. Nicht die Anzahl der Personen, mit denen ein Gefangener in Kontakt ist, bestimmt, ob es sich bei dem Briefadressaten um eine Vertrauensperson handelt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Äußerung in der bereits dargestellten Sphäre getätigt wurde, die ähnlich einem Familienverhältnis eine Rückzugsmöglichkeit bietet, einschließlich rein freundschaftlicher Vertrauensverhältnisse (vgl. BVerfGE 90, 255 <260 f.>; BVerfGK 9, 442 <445 f.>; BVerfGK 16, 51 <55 f.>).
Die Feststellung, ob im Einzelfall zwischen den an der brieflichen Kommunikation Beteiligten ein derartiges Vertrauensverhältnis besteht, obliegt den Fachgerichten. Der Beschwerdeführer hat vor dem Landgericht geltend gemacht, dass er die Briefadressatin schon seit ihrer frühen Kindheit kenne. Sie hätten mehrfach eine Lebenspartnerschaft geführt, seien verlobt gewesen und hätten bis zu ihrer Inhaftierung zusammengewohnt.
Der Brief ist in einem vertrauten Ton gehalten und enthält sowohl Offenbarungen über das derzeitige Gefühlsleben des Beschwerdeführers als auch zahlreiche Referenzen zur gemeinsamen, intimen Vergangenheit sowie Vorstellungen für die Zeit nach der jeweiligen Haftentlassung. Auf diese Umstände geht das Landgericht nicht ein, weil es fehlerhaft davon ausgeht, nur die Kommunikation zu einem Angehörigen unterfalle dem besonderen Schutz der Vertraulichkeit.
Dementsprechend nimmt das Landgericht auch keine Abwägung vor zwischen den Interessen des Beschwerdeführers an einer vertraulichen Kommunikation und den öffentlichen Interessen die Sicherheit und Ordnung der Anstalt betreffend. Erwägungen hinsichtlich einer etwaigen vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz angesprochenen milderen Maßnahme wie dem Ablichten des Briefs mit daran anschließender Weiterleitung fehlen.
bb) Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts beruht auf einer eigenständigen Verkennung von Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Verbindung mit dem Recht auf Meinungsfreiheit. Das Gericht geht davon aus, dass der besondere Schutz der Privatsphäre dann nicht mehr greife, wenn eine Äußerung die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährde. Es handelt sich bei dieser Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber wie aufgezeigt um einen allgemein gültigen Grundsatz, der in dem besonderen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation wurzelt und daher bei allen Tatbestandsvarianten des § 31 Abs. 1 StVollzG beziehungsweise des hier anzuwendenden Art. 34 Abs. 1 BayStVollzG zu berücksichtigen ist (in diesem Sinne in Bezug auf § 31 Abs. 1 Nr. 3 StVollzG BVerfGK 15, 577 <581>). Ob der Beschwerdeführer die betreffenden Äußerungen im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses vorgenommen hat, hätte daher entgegen der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts auch im Rahmen von Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 BayStVollzG festgestellt und - im Zuge von Verhältnismäßigkeitserwägungen - gewürdigt werden müssen.
2. Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch unabhängig von der Berücksichtigung der sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergebenden Besonderheiten in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG.
a) Bei Eingriffen in die Meinungsfreiheit kann sich die verfassungsgerichtliche Überprüfung nicht auf die Frage beschränken, ob die angegriffenen Entscheidungen Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr auch im Einzelnen zu prüfen, ob jene Entscheidungen bei der Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit verletzt haben (vgl. BVerfGE 43, 130 <136>). Eine derart intensivierte Kontrolle der tatsächlichen Feststellungen ist etwa dann für nötig erachtet worden, wenn die Fachgerichte eine Äußerung als Schmähkritik einordnen (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>).
Schmähkritik fällt im Gegensatz zu Formalbeleidigungen nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus (vgl. BVerfGE 82, 43 <51 m.w.N.>). Bei der Abwägung zwischen dem Ehrenschutz und der Meinungsäußerungsfreiheit tritt in Fällen der Schmähkritik die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurück (vgl. BVerfGE 66, 116 <151>; 82, 43 <51>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2020 - 1 BvR 2249/19 -, Rn. 18).
b) Die Wertung einer Äußerung als Schmähkritik gebietet es, diese Einordnung klar kenntlich zu machen und sie in einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen, gehaltvollen und verfassungsrechtlich tragfähigen Weise zu begründen (vgl. BVerfGE 61, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2020 - 1 BvR 2249/19 -, Rn. 18 m.w.N.). Diese Begründung darf sich nicht in der bloßen Behauptung erschöpfen, für den Äußernden habe die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden. Vielmehr sind die für diese Beurteilung maßgebenden Gründe unter Auseinandersetzung mit objektiv feststellbaren Umständen des Falles nachvollziehbar darzulegen. Insbesondere muss das Gericht deutlich machen, warum aus seiner Sicht ein gegebenenfalls vorhandenes sachliches Anliegen des Äußernden in der konkreten Situation derart vollständig in den Hintergrund tritt, dass sich die Äußerung in einer persönlichen Kränkung erschöpft.
Maßgeblich bei der Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfGE 93, 266 <295>; vgl. auch BVerfGE 82, 43 <52>).
c) Diesen Maßstäben genügt der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht, weil das Gericht ohne Weiteres davon ausgeht, dass Schmähkritik von vornherein nicht dem Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfalle.
Das Gericht stellt fest, dass der Beschwerdeführer die Äußerungen, sein Chef sei ein „Arschloch“ und „Prolet“ und der Freistaat Bayern sei ein „scheiß Nazi- und Bullenstaat“, allein zum Zwecke der Herabwürdigung getätigt habe. Diese Feststellung wird den Anforderungen an die Sinnermittlung einer Aussage vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 GG nicht gerecht. Denn bei der Ermittlung des Sinns einer Aussage sind auch die Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt, zu würdigen; allein auf die in der Äußerung nicht mitgeteilten Anknüpfungspunkte abzustellen, genügt nicht. Hinsichtlich der Äußerung über den Leiter der Kfz-Werkstatt hätte insbesondere berücksichtigt werden müssen, dass diese die Wortwahl Dritter wiedergab. Denn der Beschwerdeführer setzte das Wort „Arschloch“ in dem verfahrensgegenständlichen Brief in Anführungszeichen und äußerte, dass dieser „echt ein Prolet sein soll“. Das Gericht hätte sich deshalb die Frage stellen müssen, ob der Beschwerdeführer die Äußerung nur wiedergegeben oder sich auch zu eigen gemacht hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2003 - 1 BvR 865/00 -, Rn. 13 f.). Zudem setzt es sich nicht damit auseinander, inwiefern in der Äußerung, der Freistaat Bayern sei ein „scheiß Nazi- und Bullenstaat“, die Diffamierung einer Person oder einer anhand konkreter Merkmale bestimmbaren Personengruppe gesehen und diese folglich als Schmähkritik qualifiziert werden kann.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die vom Gericht vorgenommene Interpretation und Bewertung der inkriminierten Äußerung als Schmähkritik mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG Bestand haben kann.
3. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer überdies in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>). Der Bürger hat einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; stRspr). Daraus folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen (BVerfGE 84, 34 <49>). Die fachgerichtliche Überprüfung kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht. Im Strafvollzugsverfahren hat das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von sich aus die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Maßnahmen zu treffen (vgl. allgemein BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <129>). Wird die Sachverhaltsdarstellung der Justizvollzugsanstalt vom Gefangenen bestritten, so darf das Gericht seiner Entscheidung nicht ohne Weiteres die Ausführungen der Justizvollzugsanstalt zugrunde legen. Zwar können auch in einem solchen Fall weitere tatsächliche Ermittlungen entbehrlich sein. Die Annahme, es könne ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von der Richtigkeit der behördlichen Darstellung ausgegangen werden, bedarf aber konkreter, auf die Umstände des Falles bezogener Gründe (vgl. BVerfGK 2, 318 <324 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. April 2020 - 2 BvR 1935/19 -, Rn. 30 m.w.N.).
b) Diesen Maßstäben wird die angegriffene Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht. Es stellt lediglich darauf ab, die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt sei rechtlich und tatsächlich zutreffend und werde durch den Vortrag des Beschwerdeführers nicht in Frage gestellt. Eine nähergehende Begründung für diese Wertung fehlt.
Für eine entsprechende Prüfung hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil der Beschwerdeführer seiner Darlegungslast nach § 109 Abs. 2 StVollzG mit substantiiertem Vortrag nachgekommen ist. Er legt in seinen Schriftsätzen unter Bezugnahme auf verfassungsgerichtliche Rechtsprechung dar, dass nicht nur Familienmitglieder, sondern auch sonstige Vertrauenspersonen von dem im Schriftverkehr von Strafgefangenen geltenden Schutz der vertraulichen Kommunikation erfasst sind. Zudem benennt er konkrete Gründe, warum die Briefadressatin als eine solche Vertrauensperson anzusehen sei.
Mit diesen Ausführungen setzt sich das Landgericht nicht auseinander. Es verkennt zudem, dass die Einordnung als Vertrauensperson eine rechtliche Wertung darstellt, für deren Würdigung die Umstände des Briefkontakts hätten aufgeklärt werden müssen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Gericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch naheliegende Beweiserhebungen wie eine Inaugenscheinnahme des gesamten Briefs oder eine zeugenschaftliche Vernehmung der Briefadressatin nicht für notwendig erachtete.
c) Auch der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts verletzt das Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz. Art. 19 Abs. 4 GG fordert zwar keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).
Aus der Begründung des Rechtsbeschwerdebeschlusses geht hervor, dass das Bayerische Oberste Landesgericht die verfassungsrechtliche Relevanz des Begehrs des Beschwerdeführers verkannt hat. Es stellt trotz seiner verfassungsrechtlichen Darlegungen fest, dass der angefochtene Beschluss auf einer vollständigen Tatsachengrundlage beruhe und die Entscheidung des Landgerichts der geltenden Rechtslage entspreche. Die gebotene Korrektur durch eine Zurückverweisung an das Landgericht unterbleibt mit einer Begründung, die auf der oben dargestellten Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Schutzes einer vertraulichen Kommunikation beruht. Dies lässt eine wirksame gerichtliche Kontrolle vermissen.
Die Entscheidungen der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 10. Oktober 2019 und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. Januar 2020 sind daher aufzuheben. Die Sache ist an das Landgericht Augsburg zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 404
Bearbeiter: Holger Mann