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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 918

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1368/20, Beschluss v. 17.08.2021, HRRS 2021 Nr. 918


BVerfG 2 BvR 1368/20 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 17. August 2021 (OLG Karlsruhe)

Verlegung eines Strafgefangenen in eine andere Justizvollzugsanstalt (Beeinträchtigung des Resozialisierungsanspruchs; Recht auf effektiven Rechtsschutz; Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses bei noch andauernder Beeinträchtigung von Resozialisierungsmöglichkeiten; Eignung für die Vollzugsform des nach innen offenen Vollzuges).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 115 Abs. 3 StVollzG; § 6 Abs. 1 Nr. 4 JVollzGB III BW

Leitsätze des Bearbeiters

1. Wird ein Strafgefangener gegen seinen Willen in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt, so greift dies - insbesondere wegen des Abbruchs sämtlicher in der Anstalt entwickelten sozialen Beziehungen - in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ein und kann auch seinen Resozialisierungsanspruch beeinträchtigen. Verlegungen, die nicht ihrerseits durch Resozialisierungsgründe bestimmt sind, bedürfen daher einer Rechtfertigung.

2. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es zwar vereinbar, die Rechtsschutzgewährung vom Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses abhängig zu machen. Die Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse dürfen jedoch nicht überspannt werden. Daher ist in Bezug auf Haftverlegungen ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Überprüfung wegen der fortwirkenden Beeinträchtigung der Resozialisierung schon dann anzunehmen, wenn ein Beschwerdeführer gegen seinen Willen in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Verlegung innerhalb des geschlossenen Vollzugs handelt.

3. Die Verlegung eines Gefangenen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Strafvollstreckungskammer tragfähig festgestellt hat, dass der Gefangene für die Vollzugsform des nach innen offenen Vollzuges nicht geeignet ist, weil er Mitgefangenen mehrfach in unzulässiger Weise Rechtsberatung angeboten hat, was die Gefahr einer Manipulation der zumeist älteren oder kognitiv beeinträchtigten Mitinhaftierten mit der möglichen Folge finanzieller Schäden birgt, und wenn die Kammer bei der Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung das Resozialisierungsgrundrecht hinreichend berücksichtigt hat.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Der inzwischen aus der Haft entlassene Beschwerdeführer begehrt die Feststellung, dass seine Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt rechtswidrig gewesen war.

I.

1. Der durch das Landgericht Stuttgart am 19. März 2015 wegen Insolvenzverschleppung zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Beschwerdeführer befand sich seit dem 25. März 2019 in der Justizvollzugsanstalt (…) (Baden-Württemberg) in Strafhaft, welche für Strafgefangene ab dem 63. Lebensjahr zuständig ist. In der Anstalt findet ein nach innen offener Vollzug statt. Aufgrund der Herausnahmeverfügung vom 24. Juli 2019 wurde er in die Justizvollzugsanstalt (…) verlegt. Mehrere Gefangene hätten darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschwerdeführer ihnen unter Hinweis darauf, dass er Jurist sei, während seiner Inhaftierung eine Rechtsberatung aufgedrängt habe. Daher sei der Beschwerdeführer für den nach innen offenen Vollzug ungeeignet und nicht bereit, zum harmonischen Umgang und Ablauf innerhalb der Justizvollzugsanstalt beizutragen. Er sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er seine juristischen Kenntnisse während der Inhaftierung nicht nach außen zu tragen habe.

2. Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 8. August 2019, ergänzt durch Schreiben vom 24. September 2019 und vom 7. Oktober 2019, wandte sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Verlegung, hilfsweise begehrte er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Er habe zu keinem Zeitpunkt verbotene Rechtsberatung angedient. Die Ausführungen der Justizvollzugsanstalt seien widersprüchlich. Zudem sei er vor der Verlegung nicht angehört worden. Die Verlegung bringe einige Einschränkungen mit sich, wie beispielsweise einen längeren Einschluss und die Unterbringung in einem Haftraum von achteinhalb Quadratmetern mit einem weiteren Gefangenen. Das Feststellungsinteresse liege in dem mit der Verlegung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er der Generalstaatsanwaltschaft einen Klageentwurf zur Kenntnisnahme übermittelt habe. Weiter teilte er am 1. Februar 2020 mit, dass er vor dem Amtsgericht (…) gegen den Dienstleiter Feststellungsklage erhoben habe. Ein Rechtsschutzinteresse liege vor, da die Rückverlegung in den normalen Strafvollzug die Möglichkeit zum Freigang, zu Verdienstmöglichkeiten und zur vorzeitigen Entlassung verhinderten. Nachdem der Beschwerdeführer in den offenen Vollzug verlegt worden war, beantragte er, die Rechtswidrigkeit der Herausnahmeverfügung vom 24. Juli 2019 festzustellen.

3. Die Justizvollzugsanstalt nahm mit Schreiben vom 2. September 2019, vom 26. November 2019 und vom 13. Januar 2020 Stellung. Aufgrund der Freiheiten des nach innen offenen Vollzugs sei jeder Gefangene auf seine Geeignetheit zu prüfen. Der Altersdurchschnitt liege in der Justizvollzugsanstalt bei über 70 Jahren; bei den Gefangenen über 80 Jahren entwickele sich der geistige Zustand zurück und die Gefangenen seien manipulierbarer beziehungsweise würden an Erkrankungen leiden, die ihre kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigten. Unter Wiederholung der Begründung der Herausnahmeverfügung führte die Justizvollzugsanstalt aus, der Beschwerdeführer sei für das dortige Vollzugskonzept nicht geeignet. Im Erstgespräch würden Gefangene aus bestimmten Tätigkeitsfeldern darauf hingewiesen, dass sie während ihres Aufenthalts gehalten seien, ihr Wissen nicht an andere Gefangene zu tragen. Dies habe den Hintergrund, dass die Mitgefangenen den unbedachten Äußerungen der Gefangenen aus bestimmten Tätigkeitsbereichen derart Glauben schenkten, dass diesen entgegen dem Vollzugskonzept besondere Aufmerksamkeit zukäme. Die Hinweise zum Verhalten des Beschwerdeführers seien von langjährigen Gefangenen gekommen, die durch ihre Arbeit eine Vertrauensstellung genössen. Danach habe der Beschwerdeführer angegeben, Jurist zu sein, und umfassende Rechtsberatung angeboten. Insbesondere in solchen Angelegenheiten, wie zum Beispiel der Ordnung der persönlichen Angelegenheiten der Gefangenen oder des Krankenkassenwesens, könnten nach den bisherigen Erfahrungen der Justizvollzugsanstalt bei älteren Gefangenen nicht wiedergutzumachende Schäden entstehen. Es seien in der Vergangenheit finanzielle und persönliche Einbußen, etwa durch den Verlust der Krankenversicherung, entstanden, welche nachträglich nicht mehr hätten behoben werden können. Der Beschwerdeführer sei zweimal verwarnt worden. Bei der letzten Verwarnung sei ihm angekündigt worden, dass bei weiteren Beschwerden eine Herausnahme aus dem Vollzug der Außenstelle (…) drohe. Ein Feststellungsinteresse sei mangels Wiederholungsgefahr nicht gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Februar 2020 verwarf das Landgericht den Antrag als unzulässig. Nach der Verlegung in den offenen Vollzug sei nur noch der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zu prüfen, dem das Feststellungsinteresse fehle. Bei der Herausnahmeverfügung handele es sich weder um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff noch ergäben sich für den Beschwerdeführer fortwirkende Nachteile. Zudem drohe keine Wiederholung. Der Beschwerdeführer sei auch nicht aus dem offenen Vollzug herausgenommen, sondern lediglich aus dem geschlossenen Seniorenvollzug in den normalen geschlossenen Strafvollzug verlegt worden. Auch aus Gründen der Rehabilitierung oder zur Geltendmachung von Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüchen liege kein Feststellungsinteresse vor.

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei im Übrigen auch unbegründet. Die Herausnahmeverfügung sei rechtmäßig gewesen. Der Beschwerdeführer sei für die in der Außenstelle (…) praktizierte Vollzugsform - wobei der Justizvollzugsanstalt für diese Einschätzung ein Beurteilungsspielraum zustehe - nicht geeignet. Er habe zwar bestritten, Rechtsberatung durchgeführt zu haben. Dies sei jedoch nicht glaubhaft. Die Justizvollzugsanstalt habe detailliert und ausführlich dargelegt, wie sie zu der Überzeugung von der verbotenen Rechtsberatung des Beschwerdeführers gelangt sei. Es hätten sich auch nicht nur ein, sondern mehrere Gefangene über ihn beschwert, darunter auch solche, die eine Vertrauensstellung innehätten. Es sei nicht davon auszugehen, dass andere Motive hinter den Beschwerden stehen könnten, insbesondere nicht, dass Mitgefangene den Beschwerdeführer bewusst und gezielt aus dem Vollzug der Außenstelle (…) hätten mobben wollen. Dass die Vollzugsbehörde dem Verbot der Rechtsberatung eine hohe Priorität im Gefangenenverhalten einräume, sei vor dem Hintergrund der Gefahr der Manipulation der älteren beziehungsweise kognitiv beeinträchtigten Mitinhaftierten mit der möglichen Folge von finanziellen Schäden nachvollziehbar. Durch die wiederholte Rechtsberatung und damit einhergehend die wiederholte Missachtung der aufgestellten Regeln habe der Beschwerdeführer die ihm in der Außenstelle zukommenden Freiheiten grob missbraucht. Mit seinem Verhalten habe er gezeigt, dass er offensichtlich charakterlich nicht in der Lage oder gewillt sei, Vorgaben der Justizvollzugsanstalt zu akzeptieren und sich in die Struktur des nach innen offenen Vollzugs einzufinden.

5. Am 18. März 2020 erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde. Er sei zu dem konkreten Vorwurf, den er bestreite, unter Nennung von Zeit, Ort und Personen nicht gehört worden. In einem Klageverfahren vor dem Amtsgericht (…) gegen den Dienstleiter habe dieser mitgeteilt, dass eine Anhörung vor der Verlegung entbehrlich gewesen sei. Damit sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Bei der Ablösung aus dem offenen Vollzug handele es sich um einen schwerwiegenden Eingriff, welcher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliege und nicht aufgrund bloßer Vermutungen regelwidrigen Verhaltens angeordnet werden dürfe. Das Landgericht habe keine Sachverhaltsaufklärung betrieben. Mit Schreiben vom 25. November 2019 habe er gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüche geltend gemacht. Dies sei dem Gericht auch mitgeteilt worden. Die Klageerhebung bleibe „anwaltlichem Rat vorbehalten“. Dem Landgericht sei auch die Erhebung der Feststellungsklage gegen den Dienstleiter wegen deliktischer Ansprüche mitgeteilt worden.

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 21. April 2020, zugestellt am 29. Mai 2020, verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Das Landgericht nehme zutreffend an, dass kein Feststellungsinteresse vorliege. In der Herausnahmeverfügung liege kein schwerwiegender Grundrechtseingriff mit über die Maßnahme fortdauernden diskriminierenden Folgen. Die Verlegung von einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt in eine andere - möge der Vollzug in ersterer aus Sicht des Beschwerdeführers auch vorteilhaft sein - greife nicht in vergleichbarer Intensität wie Fesselungen oder eine menschenrechtswidrige Unterbringung in die Grundrechte des Beschwerdeführers ein. Es liege auch keine Wiederholungsgefahr vor. Soweit das Landgericht davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer die Geltendmachung von Amtshaftungs- oder Schadensersatzansprüchen nicht vorgetragen, sondern lediglich vor dem Amtsgericht (…) eine Feststellungsklage erhoben habe und daher auch insoweit kein Feststellungsinteresse bejaht habe, sei dies nicht zu beanstanden. Es liege kein Feststellungsinteresse vor, wenn das Feststellungsbegehren in einem anderen Verfahren verfolgt werde. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs habe der Beschwerdeführer schon nicht gerügt. Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, dass lediglich vor dem Amtsgericht (…) eine Feststellungsklage erhoben worden sei und bisher keine Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden seien, liege auch keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Soweit der Beschwerdeführer die mangelnde Sachaufklärung rüge, sei die Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt nicht zuzulassen, weil die angegriffene Entscheidung hiervon nicht getragen werde.

7. Mit Schreiben vom 26. Juni 2020 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge. In der Justizvollzugsanstalt (…) gebe es gegenüber der Justizvollzugsanstalt (…) wesentliche Unterschiede bei Gerichtsterminen, Arztbesuchen und Besuchen durch Angehörige. Er werde bei Gerichtsterminen und Arztbesuchen nunmehr gefesselt. Zudem habe sich aus der Herausnahmeverfügung und den weiteren Schriftsätzen ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht für den offenen Vollzug geeignet sei, so dass er in der Justizvollzugsanstalt (…) vor einer Verlegung in den offenen Vollzug über einen längeren Zeitraum, in der Regel ein halbes Jahr, beobachtet worden sei. Ihm sei zudem ein materieller Schaden entstanden. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Herausnahmeverfügung sei in diesem Verfahren zu klären, er sehe sich in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Durch fehlende Auseinandersetzung mit seinem Einwand, dass er vor der Herausnahmeverfügung nicht angehört worden sei, sei ihm rechtliches Gehör versagt worden. Die fehlende Sachverhaltsaufklärung verletze sein Recht auf effektiven Rechtsschutz. Die Angaben der Justizvollzugsanstalt seien widersprüchlich und seinen Beweisanträgen hätte nachgegangen werden müssen. Die Entscheidungen verstießen gegen das Willkürverbot. Er sehe die Berufsgruppe der Juristen diskriminiert.

8. Mit Beschluss vom 30. Juni 2020 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge zurück. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht ersichtlich.

II.

1. Mit am 29. Juni 2020 eingereichter - und damit fristgemäßer - Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 GG sowie Art. 6 und Art. 14 EMRK.

Er wiederholt wörtlich seinen Vortrag aus der Anhörungsrüge zur mangelnden Sachverhaltsaufklärung und der Verletzung rechtlichen Gehörs.

2. Mit Schreiben vom 23. Juli 2020 hat der Beschwerdeführer den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. Juni 2020 übermittelt.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen Fragen auf und ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für den vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen bereits entschieden.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung von Grundrechten nicht angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt zwar Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, jedoch beruht der Beschluss nicht auf diesem Verfassungsverstoß.

a) Der - einzig - angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthaltene Rechtsschutzgarantie.

aa) Art. 19 Abs. 4 GG fordert keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>; 110, 77 <85>; 129, 1 <20>). Zwar ist es mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar, die Rechtsschutzgewährung vom Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 f.>; 104, 220 <232>; 110, 77 <85>; BVerfGK 7, 87 <104>; 20, 207 <213>). Dabei dürfen die Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse jedoch nicht in einer der Effektivität des Rechtsschutzes zuwiderlaufenden Weise überspannt werden (vgl. BVerfGE 110, 77 <85>; 120, 274 <300>; BVerfGK 20, 207 <212 f.>). So ist ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtslage unter anderem bei einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff anzunehmen (vgl. BVerfGE 104, 220 <233>; 110, 77 <85>; BVerfGK 4, 287 <292>; 7, 87 <104>; 20, 207 <213>).

bb) Wird ein Strafgefangener gegen seinen Willen in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt, greift dies in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ein (vgl. BVerfGK 6, 260 <264>; 8, 307 <309>). Die Verlegung kann für den Gefangenen mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen verbunden sein. Insoweit ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass sämtliche in der Justizvollzugsanstalt entwickelten sozialen Beziehungen praktisch abgebrochen werden und der schwierige Aufbau eines persönlichen Lebensumfelds in einer anderen Justizvollzugsanstalt von neuem begonnen werden muss. Darüber hinaus kann eine Verlegung - nicht nur aus den genannten Gründen - auch die Resozialisierung des Strafgefangenen beeinträchtigen und somit dessen durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittelten Anspruch auf einen Strafvollzug, der auf das Ziel der Resozialisierung ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 98, 169 <200>; 116, 69 <85 f.>; BVerfGK 19, 157 <162>; 19, 306 <315>; 20, 307 <312>), berühren (vgl. BVerfGK 6, 260 <264>; 8, 307 <309>). Verlegungen, die nicht ihrerseits durch Resozialisierungsgründe bestimmt sind, bedürfen daher einer Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1857/14 u.a. -, Rn. 28 m.w.N.).

In Bezug auf Haftverlegungen ist ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Überprüfung wegen der fortwirkenden Beeinträchtigung der Resozialisierung daher schon dann anzunehmen, wenn ein Beschwerdeführer gegen seinen Willen in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1857/14 u.a. -, Rn. 39 f.).

cc) Diese Anforderungen überspannt das Oberlandesgericht, indem es die berührten Grundrechte des Beschwerdeführers im Rahmen seiner eigenen Ausführungen und Wertungen zum fehlenden Feststellungsinteresse außer Acht lässt. Das Oberlandesgericht hat ein Feststellungsinteresse des Beschwerdeführers verneint, da weder Wiederholungsgefahr noch ein schwerer Grundrechtseingriff vorlägen. Dabei hat es die Auswirkungen der Verlegung auf die verfassungsrechtlich gebotene Resozialisierung des Beschwerdeführers nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Deshalb geht das Oberlandesgericht in der weiteren Folge zu Unrecht von einem fehlenden Feststellungsinteresse aus. Dadurch wird das Grundrecht des Beschwerdeführers auf möglichst lückenlose Rechtsschutzgewährung verletzt.

Es ist insofern unerheblich, dass es sich um eine Verlegung innerhalb des geschlossenen Vollzugs handelt, denn auch in diesem Fall werden sämtliche in der Justizvollzugsanstalt entwickelten sozialen Beziehungen praktisch abgebrochen und der schwierige Aufbau eines persönlichen Lebensumfelds in einer anderen Justizvollzugsanstalt muss von neuem begonnen werden. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer substantiiert dargelegt, dass die Unterbringung in der anderen Justizvollzugsanstalt mit weiteren Einschränkungen, wie vermehrtem Einschluss, der Unterbringung in einem Haftraum mit einer weiteren Person auf beengterem Raum, verbunden war. Zudem galten in der Justizvollzugsanstalt, in die er verlegt wurde, andere Sicherheitsvorkehrungen, welche seine Rechte intensiver beschränkten, wie beispielsweise Fesselungen bei Gerichtsterminen und Arztbesuchen. Überdies hatte die Verlegungsentscheidung Auswirkungen auf die Beurteilung seiner Eignung für den offenen Vollzug. Infolge der Herausnahmeverfügung hätte sich der Beschwerdeführer erneut für die Dauer von einem halben Jahr bewähren müssen. Die Tatsache, dass die Verlegung in den offenen Vollzug bereits nach vier Monaten erfolgte, ändert an den für ihn negativen Auswirkungen nichts.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil der Beschwerdeführer im Fall der Aufhebung der angegriffenen Entscheidung im Ergebnis keine ihm günstigere Entscheidung erreichen könnte (vgl. hierzu BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 119, 292 <301 f.>; BVerfGK 18, 360 <364>). Selbst unter Beachtung und Einhaltung der aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen hätte der Beschwerdeführer mit seiner Fortsetzungsfeststellungsklage keinen Erfolg gehabt, da die Begründung des - nicht angegriffenen - Beschlusses des Landgerichts zur Unbegründetheit seines Antrags ohne Verstoß gegen das Grundgesetz erfolgte. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg Buch 3 Strafvollzug (JVollzGB III BW) können Gefangene abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt werden, wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus sonstigen wichtigen Gründen erforderlich ist. In Betracht kommen vor allem Verlegungen aus Gründen der Vollzugsordnung, etwa die negative Beeinflussung von Mitgefangenen (BeckOK Strafvollzug BW/Böhm, 14. Ed. 1.10.2019, JVollzGB III § 6 Rn. 25). Das Landgericht hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hilfsweise festgestellt, dass der Beschwerdeführer für die nach innen offene Vollzugsform nicht geeignet ist. Er habe nach den Feststellungen unzulässigerweise mehrfach Rechtsberatung angeboten, was in der Vollzugsform des nach innen offenen Vollzugs die Gefahr der Manipulation der älteren beziehungsweise kognitiv beeinträchtigten Mitinhaftierten mit der möglichen Folge von finanziellen Schäden birgt. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Landgericht im Rahmen der Überprüfung der Ermessensentscheidung den Anspruch des Beschwerdeführers aus dem Resozialisierungsgrundrecht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise missachtet hat (vgl. BVerfGK 8, 36 <42>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 2017 - 2 BvR 345/17 -, Rn. 37; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 2020 - 2 BvR 1362/19 -, Rn. 2).

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 918

Bearbeiter: Holger Mann