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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 874

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvL 3/20, Beschluss v. 14.06.2023, HRRS 2023 Nr. 874


BVerfG 2 BvL 3/20, 2 BvL 14/20, 2 BvL 5/21, 2 BvL 7/21, 2 BvL 3/22, 2 BvL 4/22, 2 BvL 5/22, 2 BvL 12/22, 2 BvL 13/22, 2 BvL 14/22, 2 BvL 1/23, 2 BvL 2/23, 2 BvL 8/23 (3. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 14. Juni 2023 (AG Bernau bei Berlin, AG Münster, AG Pasewalk)

Unzulässige Richtervorlagen zum strafbewehrten Cannabisverbot (konkrete Normenkontrolle betreffend die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zum unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten; erhöhte Begründungsanforderungen bei erneuter Vorlage nach früherer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts; Bindungswirkung der Vorentscheidung; Rechts- und Gesetzeskraft; Erfordernis der Darlegung einer rechtserheblichen Änderung der Sach- oder Rechtslage; Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit; Kernbereich privater Lebensgestaltung; kein unbeschränkbares „Recht auf Rausch“; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Gesundheitsschutz als legitimer Zweck auch angesichts eher geringer Gefahren eines mäßigen Konsums; Verhinderung der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln vor allem bei Jugendlichen; Schutz des sozialen Zusammenlebens; Erforderlichkeit einer Strafbarkeit; Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers; Übermaßverbot; „prozessuale Lösung“ bei Gelegenheitskonsumenten; allgemeiner Gleichheitssatz; sachliche Gründe für unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol bzw. Nikotin; uneinheitliche Rechtsanwendungspraxis; Bestimmtheitsgebot; Schwellenwerte für geringe Menge; gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung); Begründungsanforderungen an eine Richtervorlage.

Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG; Art. 103 Abs. 2 GG; § 31 Abs. 1 BVerfGG; § 80 Abs. 1 BVerfGG; § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; § 1 BtMG; § 29 BtMG; § 29a BtMG; § 30 BtMG; § 30a BtMG; § 31 BtMG; § 31a BtMG; Anlage I zum BtMG; Anlage II zum BtMG; Anlage III zum BtMG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Richtervorlage betreffend die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zum unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten genügt den Darlegungsanforderungen nicht, soweit das Gericht die grundsätzliche Einordnung von Cannabis als dem BtMG unterfallendes Betäubungsmittel beanstandet, ohne einen Bezug zu den im Ausgangsverfahren anzuwendenden Strafnormen herzustellen.

2. Ein entsprechender Vorlagebeschluss erfüllt außerdem nicht die mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145) für eine erneute Richtevorlage geltenden erhöhten Begründungsanforderungen, wenn er den Rechtsstandpunkten des Bundesverfassungsgerichts lediglich eigene, davon abweichende rechtliche Bewertungen gegenüberstellt, welche die grundsätzliche Bindungswirkung der mit Rechts- und Gesetzeskraft ausgestatteten Vorentscheidung nicht in Frage zu stellen vermögen. Im Einzelnen:

a) Die Einnahme von Rauschmitteln unterfällt nach der früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zwar dem Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, unterliegt allerdings deren grundgesetzlichen Schranken und kann wegen ihrer vielfältigen sozialen Aus- und Wechselwirkungen nicht zu dem keinen Beschränkungen unterworfenen Kernbereich privater Lebensgestaltung gerechnet werden.

b) Es ist keine Änderung der Sach- oder Rechtslage dargetan, nach welcher der Bewertung des Bundesverfassungsgerichts die Grundlage entzogen wäre, wonach der mit der Strafdrohung verbundene Eingriff in die Freiheitsgrundrechte der Konsumenten gerechtfertigt ist und insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Die Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel dient dem Schutz der Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen. Es soll vor allem Jugendliche vor der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln bewahren und das soziale Zusammenleben vor den schädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen, auch mit der sogenannten weichen Droge Cannabis, schützen. Eine fehlende Eignung der Strafnormen zur Erreichung dieser Ziele wird nicht aufgezeigt. Bereits die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigte insoweit, dass über die Bewertung der Gefahren des Cannabiskonsums keine Einigkeit besteht, die unmittelbaren gesundheitlichen Schäden bei mäßigem Genuss jedoch eher als gering eingeschätzt werden.

c) Hinsichtlich der kriminalpolitischen Frage, ob die generalpräventive Wirkung des Strafrechts erforderlich ist, eine Verminderung des Cannabiskonsums herbeizuführen, oder ob eine solche eher durch die Freigabe von Cannabis und eine davon erhoffte Trennung der Drogenmärkte erreicht werden könnte, fehlt es nach wie vor an gesicherten kriminologischen Erkenntnissen, aufgrund derer die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers im Sinne einer Pflicht zur Freigabe eingeschränkt sein könnte. d) Die Strafandrohung für den unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabisprodukten verletzt auch mit Blick auf Gelegenheitskonsumenten nicht das Übermaßverbot. Die durch das Bundesverfassungsgericht insoweit aufgezeigte „prozessuale Lösung“ wird durch Liberalisierungstendenzen in anderen Staaten oder die rechtspolitische Diskussion über eine Entkriminalisierung in der Bundesrepublik nicht in Frage gestellt.

e) Einen Verstoß des Cannabisverbots gegen den allgemeinen Gleichheitssatz hat das Bundesverfassungsgericht verneint, weil für die unterschiedliche Regelung des Umgangs mit Cannabisprodukten einerseits und mit Alkohol und Nikotin andererseits Gründe vorhanden sind, die die unterschiedlichen Rechtsfolgen rechtfertigen. Dabei ist jenseits eines bloßen Gefährlichkeits- und Schädlichkeitsvergleichs unter anderem darauf abzustellen, dass der Gesetzgeber den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden kann. Mögliche Unterschiede in der Rechtsanwendungspraxis bei der Handhabung des § 31a BtMG begründen die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung nicht, soweit sie nicht - wofür hier allerdings keine Anhaltspunkte bestehen - auf einen strukturellen Mangel der Vorschrift selbst zurückzuführen sind.

f) Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ist ebenfalls nicht dargetan; insbesondere ist der Gesetzgeber nicht zur Festlegung von Schwellenwerten für den Begriff der geringen Menge in § 31a Abs. 1 Satz 1 BtMG verpflichtet, weil die Mengenbegriffe des Betäubungsmittelstrafrechts durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend konturiert sind.

3. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nur zulässig, wenn das Fachgericht sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungswidrigkeit eingehend erörtert.

4. Das vorlegende Gericht muss hinreichend deutlich machen, dass und weshalb es bei Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als bei ihrer Ungültigkeit. Es muss dabei den Sachverhalt darstellen, sich mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, seine einschlägige Rechtsprechung darlegen und die in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind. Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist.

5. Richten sich die Bedenken gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die mit ihr im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm erforderlich ist. Es kann auch erforderlich sein, auf die Gründe einzugehen, die im Gesetzgebungsverfahren für eine bestimmte gesetzliche Regelung maßgeblich waren.

6. Das vorlegende Gericht muss ferner von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen. Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und sich mit der Rechtslage, insbesondere der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der darin zur Vorlagefrage gegebenenfalls bereits aufgestellten Maßstäbe, auseinandersetzen. Soweit die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung naheliegt, muss das vorlegende Gericht diese Möglichkeit prüfen und vertretbar begründen, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung ausgeschlossen ist.

7. Eine erneute Vorlage ist regelmäßig nur zulässig, wenn das vorlegende Gericht die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausgangspunkt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung nimmt und auf dieser Grundlage darlegt, welche inzwischen eingetretenen rechtserheblichen Veränderungen der Sach- und Rechtslage nach seiner Auffassung die erneute verfassungsgerichtliche Prüfung einer bereits entschiedenen Vorlagefrage veranlassen. 8. Stellt ein Gericht zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung, ob eine Strafnorm generell mit verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang steht, ist eine Vorlage schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens zulässig, weil das Gericht sich bereits bei der Eröffnungsentscheidung über die Gültigkeit der in Betracht kommenden Strafnorm schlüssig werden muss.

Entscheidungstenor

1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Vorlagen sind unzulässig.

Gründe

A.

Die 13 konkreten Normenkontrollverfahren haben das strafbewehrte Cannabisverbot zum Gegenstand. Die vorlegenden Gerichte (Amtsgericht Bernau bei Berlin, Amtsgericht Münster, Amtsgericht Pasewalk) erachten Strafnormen des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) für verfassungswidrig, soweit diese den Umgang mit den in der Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz aufgeführten Cannabisprodukten betreffen. Sie führen an, das strafbewehrte Cannabisverbot lasse sich mit Gewährleistungen der Art. 2 Abs. 1 - auch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 -, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 2 und Art. 103 Abs. 2 GG nicht in Einklang bringen.

I.

1. § 1 BtMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl I S. 358), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. September 2021 (BGBl I S. 4530) mit Wirkung vom 28. Januar 2022, lautet:

§ 1 Betäubungsmittel

(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.

(2) 1 Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies

1. nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit,

2. wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder

3. zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit

erforderlich ist. 2 In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können einzelne Stoffe oder Zubereitungen ganz oder teilweise von der Anwendung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ausgenommen werden, soweit die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet bleiben.

(3) 1 Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. 2 Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) in ihrer jeweils für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Fassung oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.

2. Anlage I (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel) enthält folgende Bestimmung zu Cannabisprodukten (Hervorhebungen im Original):

INN

andere nicht geschützte oder Trivialnamen

chemische Namen (IUPAC)

Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)

- ausgenommen

a)

deren Samen, sofern er nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt ist,

b)

wenn sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut von Sorten stammen, die am 15. März des Anbaujahres in dem in Artikel 9 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung (ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung genannten gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgeführt sind, oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen,

c)

wenn sie als Schutzstreifen bei der Rübenzüchtung gepflanzt und vor der Blüte vernichtet werden,

d)

wenn sie von Unternehmen der Landwirtschaft angebaut werden, die die Voraussetzungen des § 1 Absatz 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte erfüllen, mit Ausnahme von Unternehmen der Forstwirtschaft, des Garten- und Weinbaus, der Fischzucht, der Teichwirtschaft, der Imkerei, der Binnenfischerei und der Wanderschäferei, oder die für eine Beihilfegewährung nach der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608) in der jeweils geltenden Fassung in Betracht kommen und der Anbau ausschließlich aus zertifiziertem Saatgut von Sorten erfolgt, die am 15. März des Anbaujahres in dem in Artikel 9 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 genannten gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten aufgeführt sind (Nutzhanf) oder

e)

zu den in Anlage III bezeichneten Zwecken -

(Haschisch, das abgesonderte Harz der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)

3. Anlage II (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) enthält folgende Bestimmung zu Cannabisprodukten (Hervorhebungen im Original):

INN

andere nicht geschützte oder Trivialnamen

chemische Namen (IUPAC)

Δ 9-Tetrahydrocannabinol

(Δ 9-THC)

6,6,9-Trimethyl-3-pentyl-6a,7,8,10a-tetrahydro-6H-benzo[c]chromen-1-ol

4. Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) enthält folgende Bestimmung zu Cannabisprodukten (Hervorhebungen im Original):

INN

andere nicht geschützte oder Trivialnamen

chemische Namen (IUPAC)

(Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)

- nur aus einem Anbau, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe erfolgt, sowie in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind -

5. § 29 - § 31a BtMG in der aktuellen Fassung lauten:

§ 29 Straftaten

(1) 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,

2. eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,

3. Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,

4. (weggefallen)

5. entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,

6. entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel

a) verschreibt,

b) verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,

6a. entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,

7. entgegen § 13 Absatz 2

a) Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,

b) Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer abgibt,

8. entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,

9. unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,

10. einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,

11. ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,

12. öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,

13. Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,

14. einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.

2 Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) 1 In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. 2 Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,

2. durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nr. 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

§ 29a Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1. als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder

2. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

§ 30 Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1. Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,

2. im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,

3. Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder

4. Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

§ 30a Straftaten

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1. als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder

2. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

§ 30b Straftaten

§ 129 des Strafgesetzbuches gilt auch dann, wenn eine Vereinigung, deren Zwecke oder deren Tätigkeit auf den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln im Sinne des § 6 Nr. 5 des Strafgesetzbuches gerichtet sind, nicht oder nicht nur im Inland besteht.

§ 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe

1 Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.

2 War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. 3 § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

§ 31a Absehen von der Verfolgung

(1) 1 Hat das Verfahren ein Vergehen nach § 29 Abs. 1, 2 oder 4 zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. 2 Von der Verfolgung soll abgesehen werden, wenn der Täter in einem Drogenkonsumraum Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch, der nach § 10a geduldet werden kann, in geringer Menge besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.

(2) 1 Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. 2 Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 der Strafprozeßordnung angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 der Strafprozeßordnung und der §§ 232 und 233 der Strafprozeßordnung in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. 3 Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. 4 Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

6. Das Bundesverfassungsgericht stellte mit Beschluss vom 9. März 1994 unter anderem fest, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, soweit er das Handeltreiben sowie die Einfuhr, die Abgabe und den Erwerb von Cannabisprodukten ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, soweit er den Besitz von Cannabisprodukten mit Strafe bedroht, mit dem Grundgesetz vereinbar sind (vgl. BVerfGE 90, 145 ff.).

a) Danach existiert kein „Recht auf Rausch“, das den Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG entzogen wäre, weil der Umgang mit Drogen wegen seiner vielfältigen Aus- und Wechselwirkungen nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gerechnet werden kann (vgl. BVerfGE 90, 145 <171 f.>). Die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, die den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten mit Strafe bedrohen, maß das Bundesverfassungsgericht im strafbewehrten Verbot am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG, in der angedrohten Freiheitsentziehung an Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 90, 145 <171>). Bei der vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geforderten Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung des erstrebten Zwecks sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren erkannte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen vom Gericht nur in begrenztem Umfang überprüfbaren Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 90, 145 <173>). Zugleich hob es hervor, dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für die Adressaten des Verbots gewahrt werden müsse (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) (vgl. BVerfGE 90, 145 <173>). Nach diesen Maßstäben war es verfassungsrechtlich hinzunehmen, dass der Gesetzgeber auf den Einsatz strafrechtlicher Mittel setzt und dabei an der Auffassung festhält, das generelle strafbewehrte Cannabisverbot schrecke eine größere Anzahl potentieller Konsumenten ab als die Aufhebung der Strafdrohung und sei daher zum Rechtsgüterschutz besser geeignet (vgl. BVerfGE 90, 145 <183>).

b) Das Bundesverfassungsgericht erachtete auch die Strafdrohung in Fällen für verhältnismäßig, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, weil der Gesetzgeber es den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, durch das Absehen von Strafe (vgl. § 29 Abs. 5 BtMG) oder Strafverfolgung (vgl. §§ 153 ff. StPO, § 31a BtMG) einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 90, 145 <188 f.>). In diesen Fällen haben die Strafverfolgungsorgane im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach dem Übermaßverbot von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten grundsätzlich abzusehen (vgl. BVerfGE 90, 145 <189 f.>). Das Bundesverfassungsgericht hielt allerdings die unterschiedliche Einstellungspraxis der Strafverfolgung bei geringer Schuld in den verschiedenen Bundesländern nach Inkrafttreten des § 31a BtMG für bedenklich und sah die Länder in der Pflicht, für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis bei den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften Sorge zu tragen (vgl. BVerfGE 90, 145 <190>). Weiter gab der Beschluss vom 9. März 1994 dem Gesetzgeber auf, die Auswirkungen des geltenden Rechts unter Beobachtung der Erfahrungen des Auslandes zu überprüfen und insbesondere einzuschätzen, ob und inwieweit die Freigabe von Cannabis zu einer Trennung der Drogenmärkte führen und zur Eindämmung des Drogenkonsums insgesamt beitragen kann oder ob umgekehrt nur die strafbewehrte Gegenwehr hinreichenden Erfolg verspricht (vgl. BVerfGE 90, 145 <194>).

c) Schließlich sah das Bundesverfassungsgericht auch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es der Gleichheitssatz nicht gebiete, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen, weshalb der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol oder Nikotin andererseits unterschiedlich regeln konnte (vgl. BVerfGE 90, 145 <196>). Für die unterschiedliche Behandlung von Cannabisprodukten einerseits und Nikotin und Alkohol andererseits sah das Bundesverfassungsgericht gewichtige Gründe, unter anderem, dass es sich bei Nikotin um kein Betäubungsmittel handele und der Gesetzgeber den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden könne (vgl. BVerfGE 90, 145 <197>).

II.

Sechs der Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse stammen vom Amtsgericht Bernau bei Berlin (1.), sechs vom Amtsgericht Münster (2.) und ein Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom Amtsgericht Pasewalk (3.). Den Verfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

1. a) Vorlageverfahren 2 BvL 3/20

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) beantragte beim Amtsgericht Bernau bei Berlin gegen den Angeklagten den Erlass eines Strafbefehls über 20 Tagessätze zu je 30 Euro wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Sie legte ihm den Besitz von 2,6 Gramm Marihuana zur Last. Eine Verfahrenseinstellung gemäß § 31a BtMG kam für die Staatsanwaltschaft nicht in Betracht, weil gegen den Angeklagten bereits ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäß § 31a BtMG eingestellt worden war. Der zuständige Strafrichter erließ den Strafbefehl nicht, sondern bestimmte nach § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO Termin zur Hauptverhandlung und bestellte dem Angeklagten eine Pflichtverteidigerin. Im Hauptverhandlungstermin am 18. September 2019 hat der Strafrichter nach Abschluss der Beweisaufnahme und den Plädoyers folgenden Aussetzungs- und Vorlagebeschluss verkündet:

Das Amtsgericht Bernau hält alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, für verfassungswidrig.

Hilfsweise hält das Amtsgericht Bernau die Strafvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in der Alternative des Erwerbens von Cannabis i. V. m. Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG für verfassungswidrig.

Das Verfahren wird ausgesetzt und gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

b) Vorlageverfahren 2 BvL 7/21

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erhob gegen einen zur Tatzeit Jugendlichen Anklage zum Amtsgericht Bernau bei Berlin - Jugendschöffengericht. Sie legte ihm drei Fälle des Handeltreibens mit und einen Fall des Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB zur Last. Der Angeklagte habe an drei nicht mehr genau feststellbaren Tagen zwischen Anfang 2016 und dem 28. März 2017 einmal 20 Gramm, einmal 40 Gramm und einmal 50 Gramm Marihuana für deutlich weniger als 10 Euro pro Gramm angekauft und in Mengen von 5 bis 10 Gramm zu mindestens 10 Euro pro Gramm an unbekannte Abnehmer weiterverkauft. Außerdem habe er im Mai 2017 „Marihuana“ angebaut und 40 Gramm Blüten geerntet. Der zuständige Jugendrichter bestellte dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu, eröffnete das Hauptverfahren allerdings nicht vor dem Jugendschöffengericht, sondern vor dem Jugendrichter. Am 13. August 2020 plädierten nach Abschluss der Beweisaufnahme Staatsanwaltschaft und Verteidigung, wobei die Staatsanwaltschaft neben einer Verwarnung eine Vermögensabschöpfung von 58.000 Euro gemäß §§ 73, 73a StGB beantragte, weil sie es auf Basis der polizeilichen Aussage des Angeklagten als erwiesen ansah, dass dieser - über die angeklagten Taten hinaus - durch den Handel mit Cannabis einen Betrag in dieser Höhe verdient hatte. Anschließend hat der Jugendrichter einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verkündet, der sich im Wesentlichen mit jenem im Verfahren 2 BvL 3/20 deckt, mit der Abweichung, dass hilfsweise nicht allein § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG in der Alternative des Erwerbens von Cannabis, sondern insgesamt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt wird. Zudem geht der Vorlagegegenstand wie folgt über jenen im Verfahren 2 BvL 3/20 hinaus:

Weiter hilfsweise hält das Amtsgericht Bernau bei Berlin die Strafvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit der Vermögensabschöpfung nach §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB bei Jugendlichen und Heranwachsenden für verfassungswidrig.

c) Vorlageverfahren 2 BvL 3/22

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erhob gegen den Angeklagten Anklage zum Amtsgericht Bernau bei Berlin - Strafrichter wegen Anbaus von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG. Sie legte ihm den Anbau von 21 Cannabis-Jungpflanzen mit einem Nettogewicht von 717,34 Gramm und einer Wirkstoffmenge von insgesamt 4,59 Gramm Tetrahydrocannabinol zur Last. Die zuständige Strafrichterin eröffnete das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu. In der Hauptverhandlung am 20. August 2021 gab der Angeklagte an, er habe das Cannabis nur für den Eigenkonsum angebaut, weil es gegen die Krankheitsschübe seiner Lupus-Erkrankung helfe. Von der Möglichkeit, medizinisches Cannabis verschrieben zu bekommen, habe er nichts gewusst. Eine Einstellung gegen Geldauflage gemäß § 153a StPO lehnte der Angeklagte - wie bereits im Ermittlungsverfahren - ab. Nach Abschluss der Beweisaufnahme und den Plädoyers hat die Strafrichterin einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verkündet, der sich im Wesentlichen mit jenem im Verfahren 2 BvL 3/20 deckt, mit der Abweichung, dass hilfsweise § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht in der Alternative des Erwerbens, sondern des Anbaus von Cannabis zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt wird.

d) Vorlageverfahren 2 BvL 4/22

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erhob gegen den Angeklagten Anklage zum Amtsgericht Bernau bei Berlin - Strafrichter wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Sie legte ihm den Besitz von 4,8 Gramm Marihuana zur Last. Nachdem die Staatsanwaltschaft eine Verfahrenseinstellung nach Opportunitätsvorschriften wegen einer einschlägigen Vorverurteilung des Angeklagten abgelehnt hatte, eröffnete die zuständige Strafrichterin das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu. In der Hauptverhandlung am 20. August 2021 hat die Strafrichterin nach Abschluss der Beweisaufnahme und den Plädoyers einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verkündet, der sich im Wesentlichen mit jenem im Verfahren 2 BvL 3/20 deckt, mit der Abweichung, dass hilfsweise § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, der den Besitz von Cannabis unter Strafe stellt, zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt wird.

e) Vorlageverfahren 2 BvL 5/22

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erhob gegen den Angeklagten Anklage zum Amtsgericht Bernau bei Berlin - Strafrichter wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Sie legte ihm den Besitz von 73 Gramm Cannabis und 9,3 Gramm Haschisch zur Last. Die zuständige Strafrichterin eröffnete das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu. Am 11. August 2021 fand die Hauptverhandlung statt; den Vorsitz führte nach einem Zuständigkeitswechsel wieder der Richter am Amtsgericht, von dem die Vorlagen 2 BvL 3/20 und 2 BvL 7/21 stammen. In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte an, er leide am Asperger-Syndrom und an Migräne. Er habe das Cannabis zu medizinischen Zwecken eingenommen, um die Migräne in den Griff zu bekommen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, eine Einstellung nach Opportunitätsvorschriften komme nicht in Betracht. Der Angeklagte ergänzte, sein Arzt habe ihm kein Medizinalcannabis verschreiben wollen. Der Strafrichter hat anschließend auf Anregung des Verteidigers einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verkündet, der sich im Wesentlichen mit jenem im Verfahren 2 BvL 3/20 deckt, mit der Abweichung, dass hilfsweise § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, der den Besitz von Cannabis unter Strafe stellt, Gegenstand der Normenkontrolle ist.

f) Vorlageverfahren 2 BvL 12/22

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erhob gegen den zur Tatzeit heranwachsenden Angeschuldigten Anklage zum Amtsgericht Bernau bei Berlin - Jugendrichter wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Sie legte ihm zur Last, am 17. September 2019 12,7 Gramm Marihuana und am 27. Januar 2020 15,7 Gramm Marihuana besessen zu haben. Der Jugendrichter bestellte dem Angeschuldigten eine Pflichtverteidigerin. Am 1. August 2022 erließ der Jugendrichter einen Beschluss, der den Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) auf Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 Abs. 1 StPO aus rechtlichen Gründen zurückwies. Mit demselben Beschluss hat der Jugendrichter das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, wobei sich der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss im Wesentlichen mit jenem im Verfahren 2 BvL 3/20 deckt, mit der Abweichung, dass wiederum hilfsweise § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, der den Besitz von Cannabis unter Strafe stellt, zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt wird.

2. a) Vorlageverfahren 2 BvL 14/20

Die Staatsanwaltschaft Münster beantragte beim Amtsgericht Münster gegen den Angeschuldigten den Erlass eines Strafbefehls über 20 Tagessätze zu je 10 Euro wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Sie legte ihm den Besitz von 0,4 Gramm Marihuana zur Last. Der zuständige Strafrichter erließ den Strafbefehl nicht. Stattdessen ist am 12. November 2020 folgender Aussetzungs- und Vorlagebeschluss ergangen:

Das Amtsgericht Münster hält die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Besitz dieser Stoffe den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, für verfassungswidrig.

Das Verfahren wird ausgesetzt und gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

b) Vorlageverfahren 2 BvL 13/22

Die Staatsanwaltschaft Münster erhob gegen die Angeschuldigte Anklage zum Amtsgericht Münster - Strafrichter wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen sowie Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei weiteren Fällen gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 53 StGB. Neben drei - hier nicht relevanten - Fällen des Handeltreibens mit Amphetamin legte sie der Angeschuldigten zur Last, am 28. Oktober 2021 Marihuana für 115 Euro, am 10. Dezember 2021 Marihuana im Wert von 145 Euro und am 15. Dezember 2021 Marihuana im Wert von 110 Euro jeweils von demselben Verkäufer erworben zu haben. Eine Einstellung hinsichtlich der Tatvorwürfe, die den Erwerb von Marihuana betrafen, lehnte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage des zuständigen Strafrichters ab. Daraufhin trennte der Strafrichter das Verfahren hinsichtlich dieser Tatvorwürfe ab und hat im abgetrennten Verfahren am 20. Oktober 2022 einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erlassen, der sich mit jenem im Verfahren 2 BvL 14/20 deckt, mit der Abweichung, dass nicht der Besitz, sondern der Erwerb von Marihuana in Bezug genommen wird.

c) Vorlageverfahren 2 BvL 14/22

Die Staatsanwaltschaft Münster erhob gegen den Angeschuldigten Anklage zum Amtsgericht Münster - Strafrichter wegen Besitzes von Betäubungsmitteln. Sie legte ihm den Besitz von 0,88 Gramm Haschisch zur Last. Einer Einstellung nach § 31a BtMG auf Anfrage des zuständigen Strafrichters stimmte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf die einschlägigen Vorstrafen und die offene Bewährung des Angeschuldigten nicht zu. Daraufhin hat der Strafrichter am 20. Oktober 2022 einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erlassen, der dem im Verfahren 2 BvL 14/20 entspricht.

d) Vorlageverfahren 2 BvL 1/23

Die Staatsanwaltschaft Münster beantragte beim Amtsgericht Münster gegen den Angeschuldigten den Erlass eines Strafbefehls über 30 Tagessätze zu je 10 Euro wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (0,77 Gramm Marihuana) gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Einer Einstellung nach § 31a BtMG auf Anfrage des zuständigen Strafrichters stimmte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf die einschlägigen Vorstrafen und die offene Bewährung des Angeschuldigten nicht zu. Daraufhin hat der Strafrichter am 13. Januar 2023 einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erlassen, der ebenfalls jenem im Verfahren 2 BvL 14/20 entspricht.

e) Vorlageverfahren 2 BvL 2/23

Die Staatsanwaltschaft Münster beantragte beim Amtsgericht Münster gegen den Angeschuldigten den Erlass eines Strafbefehls über 20 Tagessätze zu je 15 Euro wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (eines „Joint[s] mit Tabak-Marihuana-Gemisch“) gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls trotz geringer Menge des Betäubungsmittels begründete die Staatsanwaltschaft in der Begleitverfügung mit den massiven Vorstrafen des Angeschuldigten und dem Konsum des Betäubungsmittels in der Öffentlichkeit. Der zuständige Strafrichter teilte der Staatsanwaltschaft unter Verweis auf seinen Vorlagebeschluss im Verfahren 2 BvL 14/20 mit, das Gericht hege Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Betäubungsmittelgesetzes, soweit diese den unerlaubten Besitz von Cannabisprodukten unter Strafe stelle. Unabhängig davon bestünden erhebliche Bedenken an der Nachweisbarkeit, weil keine Beweissicherung von unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Substanzen stattgefunden habe. Die Staatsanwaltschaft hielt an ihrem Strafbefehlsantrag fest. Daraufhin hat der Strafrichter am 18. Januar 2023 einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erlassen, der im Wesentlichen mit jenem im Verfahren 2 BvL 14/20 übereinstimmt, mit der Abweichung, dass ausschließlich der Besitz geringer Mengen in Bezug genommen wird.

f) Vorlageverfahren 2 BvL 8/23

Die Staatsanwaltschaft Münster erhob gegen den Angeschuldigten Anklage zum Amtsgericht Münster - Strafrichter wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (0,41 Gramm Haschisch). Einer Einstellung nach § 31a BtMG auf Anfrage des zuständigen Strafrichters stimmte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf eine zuvor erfolgte Einstellung gemäß § 31a BtMG in einem gleichgelagerten Verfahren gegen den Angeschuldigten nicht zu. Daraufhin hat der Strafrichter am 23. März 2023 einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erlassen, der im Wesentlichen jenem im Verfahren 2 BvL 14/20 entspricht, mit der Abweichung, dass auch hier - wie im Verfahren 2 BvL 2/23 - ausschließlich der Besitz geringer Mengen genannt wird.

3. Vorlageverfahren 2 BvL 5/21

Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg erhob gegen den Angeschuldigten Anklage zum Amtsgericht Pasewalk - Strafrichter wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Sie legte ihm den Besitz von zwei Kunststoffdosen mit 19,0 Gramm und 17,9 Gramm Marihuana, zwei Gefrierbeuteln mit 8,2 Gramm und 11,5 Gramm Marihuana sowie einer Kugel Haschisch mit einem Gewicht von 14,2 Gramm zur Last. Die zuständige Strafrichterin bestellte dem Angeschuldigten eine Pflichtverteidigerin. Am 29. Juni 2021 hat das Amtsgericht Pasewalk folgenden Aussetzungs- und Vorlagebeschluss erlassen (Hervorhebungen im Original):

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Die Sache wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 (hier Handlungsalternative: Besitz von Marihuanablüten sowie Haschisch), § 29 a und § 31a i.V.m. Anlage I zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 2. Juli 2018 (BGBl. I S. 1078), mit Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sind.

III.

Die verfahrensgegenständlichen Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse orientieren sich in weiten Teilen an einer im Internet veröffentlichten Mustervorlage des Deutschen Hanfverbandes. Vom Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin im Verfahren 2 BvL 3/20 (1.) weichen die übrigen Vorlagebeschlüsse des Amtsgerichts Bernau bei Berlin (2.), des Amtsgerichts Münster (3.) sowie der Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Pasewalk (4.) nur geringfügig ab.

1. Das Amtsgericht Bernau bei Berlin begründet im Verfahren 2 BvL 3/20 seine Vorlage wie folgt:

a) Sie sei zulässig, weil es seit der Senatsentscheidung vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145 ff.) neue entscheidungserhebliche Tatsachen gebe. Diese beträfen zunächst die Gefährlichkeit des Cannabiskonsums, wobei sich die Vorlage im Wesentlichen auf eine Studie aus dem Jahr 1997 (Kleiber/Kovar, Auswirkungen des Cannabiskonsums, Eine Expertise zu pharmakologischen und psychosozialen Konsequenzen, Berlin/Tübingen 1997) und die Neueinstufung von Cannabis durch den Sachverständigenausschuss für Drogenabhängigkeit der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2018 stützt (vgl. WHO Expert Commitees on Drug Dependence - Fortieth report). Danach gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gefährlichkeit von Cannabis mit der anderer - im Anhang I und IV des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Suchtstoffübereinkommen 1988, BGBl II 1993, S. 1137) - gelisteter Substanzen vergleichbar sei. Der langfristige Cannabiskonsum habe sich als weit weniger gefährlich erwiesen als vom Gesetzgeber angenommen. Es lasse sich nicht eindeutig nachweisen, dass Cannabis schädliche Auswirkungen auf körperliche Funktionen habe, eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach sich ziehe und einen unabhängigen Risikofaktor für die Ausbildung einer Schizophrenie darstelle. Weiter führe Cannabiskonsum nicht automatisch zur (psychischen) Abhängigkeit, auch wenn unbestritten sei, dass ein Cannabis-Abhängigkeitssyndrom existiere. Das Suchtpotenzial von Cannabis sei jedenfalls wesentlich geringer als das von Nikotin, Alkohol oder Heroin. Nach neuen Erkenntnissen stünden die Gefahren, die von Cannabis ausgingen, erheblich hinter denen von Alkohol zurück. Das Gesundheitsministerium sei seiner Prüfpflicht, die ihm das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 9. März 1994 aufgetragen habe, insbesondere hinsichtlich der Gefährlichkeit von Cannabis nicht nachgekommen und habe die internationalen Entwicklungen außer Acht gelassen. Den von Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren seien außerdem als neue Tatsachen die weitgehenden Einsatzmöglichkeiten von Medizinalcannabis und deren Nutzen entgegenzustellen.

Die Liberalisierungstendenzen in anderen Staaten zeigten außerdem, dass andere Modelle als das vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 gebilligte strafbewehrte „Totalverbot“ des Umgangs mit Cannabisprodukten zum Schutz der Volksgesundheit und zum Jugendschutz gleich geeignet seien. Insoweit könne nicht mehr von einer unsicheren Erkenntnislage ausgegangen werden. Neue Tatsachen stellten weiter die Ansichten der (nichtstaatlichen) Weltkommission für Drogenpolitik, die seit dem Jahr 2011 eine „rationalere und liberalere“ Drogenpolitik anmahne, sowie eine neue Studie zu den ökonomischen Folgen der Prohibitionspolitik (Haucap/Kehder/Feist/Slowik, Die Kosten der Cannabisprohibition in Deutschland, 2018) dar, wonach eine Prohibition nicht notwendigerweise eine Verringerung des Konsums zur Folge habe, sondern dazu führe, dass der Drogenhandel professionalisierter und gewinnträchtiger betrieben werde und ein wirksamer Verbraucher- und Jugendschutz nicht gewährleistet werden könne. Letztlich seien die in Deutschland erhobenen Forderungen der Cannabislegalisierung ebenfalls neue entscheidungserhebliche Tatsachen.

b) Es liege ein Verstoß der in erster Linie zur Überprüfung gestellten Vorschriften gegen Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vor.

aa) Das strafbewehrte Cannabisverbot greife in Art. 2 Abs. 1 GG und dabei in sensible Bereiche der privaten Lebensgestaltung ein. Auch unter der Prämisse nachgewiesener Gefährlichkeit dürfe eine Pönalisierung nicht als Überreaktion erscheinen. Der Gesetzgeber müsse dabei durch das Strafrecht selbst bewirkte Sekundärschäden mit dem Nutzen [einer Kriminalisierung] abwägen und eventuell auf sie verzichten. Daneben müsse er prüfen, ob sich sein Unwerturteil mit den wandelbaren Werteüberzeugungen der Bevölkerung so weit decke, dass mit deren Folgebereitschaft zu rechnen sei. Außerdem sei ein wesentlicher Grundsatz des Strafrechts, nur Fremdverletzungen zu erfassen. Das strafbewehrte Cannabisverbot stehe mit diesen Maßstäben nicht in Einklang.

Es fehle bereits an einem legitimen Zweck, weil ein moderater Cannabiskonsum für einen „Normalkonsumenten“ keine besondere Gefährlichkeit berge. Dies sei insbesondere für den Erwerb und Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum zu berücksichtigen, denn in den konsumnahen Tatbeständen verwirkliche sich allenfalls eine straflose Selbstgefährdung. Soweit das Bundesverfassungsgericht entschieden habe, dass bereits der unerlaubte Erwerb und Besitz fremde Rechtsgüter gefährdeten, weil diese Tatbestandsvarianten die Möglichkeit einer unkontrollierten Weitergabe an Dritte eröffneten und sich im Erwerb zum Zweck des Eigengebrauchs die Nachfrage verwirkliche, die den Drogenmarkt am Leben erhalte, bleibe es auch danach bei einer lediglich abstrakten Gefahr eines für den Normalverbraucher verhältnismäßig ungefährlichen Stoffs. Das Ziel, durch das Cannabisverbot das soziale Zusammenleben in Freiheit von Abhängigkeit und Drogengefahr zu schützen, sei ebenfalls kein legitimes Ziel eines Straftatbestandes, sondern diene lediglich dem Schutz einer bestimmten Moralvorstellung.

Selbst wenn man einen legitimen Zweck bejahe, fehle es an der Geeignetheit. Das Cannabisverbot habe negative Effekte, weil es einen unkontrollierten Schwarzmarkt ermögliche und zur Kriminalisierung eines erheblichen Teils der Bevölkerung führe. Die strafrechtliche Verfolgung des Umgangs mit Cannabis binde erhebliche Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden. Letztlich werde die Normentreue der Bürger unterminiert, wenn sich der Rechtsstaat mit der Durchsetzung nicht akzeptabler Verbote gegen sie richte.

Weiter sei das strafbewehrte Cannabisverbot nicht erforderlich. Verwaltungs- und privatrechtliche Regelungen seien besser geeignet, die Zwecke des Cannabisverbots umzusetzen. Sachgerechter Jugendschutz sei durch eine verstärkte Präventionsarbeit besser zu erreichen. Im Jugendschutzrecht stünde dem Gesetzgeber offen, die Abgabe von Cannabis an Jugendliche weiterhin unter Strafe zu stellen. Zudem könnte er vom milderen Mittel des Ordnungswidrigkeitenrechts Gebrauch machen. Er wäre überdies in der Lage, den Konsum durch eine hohe Besteuerung einzudämmen. Im Straßenverkehr böten sich Regelungen analog zu dem Problemkreis „Alkohol am Steuer“ an. Die Teillegalisierungen im Ausland zeigten ebenfalls, dass ein alternativer Umgang mit Cannabis möglich sei, der nicht zur Ausweitung des Drogenkonsums führe.

Letztlich verletze das geltende Betäubungsmittelstrafrecht - soweit es auf Cannabisprodukte bezogen sei - das Übermaßverbot, weil es bereits den Besitz geringer Mengen an Cannabis unter die Androhung einer erheblichen Freiheitsstrafe stelle, obwohl die relative Ungefährlichkeit eines moderaten Cannabiskonsums als wissenschaftlich gesichert angesehen werden müsse. Bei einem Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum sei schon umstritten, ob überhaupt von fremdschädigendem Verhalten ausgegangen werden könne. Jedenfalls handele es sich um die Sanktionierung eines abstrakt gefährlichen Verhaltens, bei welchem die Gefährdung allenfalls im untersten Bereich liege.

Die Möglichkeit, im Rahmen von Opportunitätsentscheidungen und Strafzumessungserwägungen auf den individuellen Unrechts- und Schuldgehalt einzugehen, gebiete keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Bei Verbrechenstatbeständen sei den Gerichten eine Einstellung nach § 153a StPO verwehrt. Zudem führe der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1994 vorgeschlagene Weg zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit und Ungleichbehandlung der betroffenen Personen.

Übermäßig sei jedenfalls die Bestrafung der Konsumenten, die unter einem Abhängigkeitssyndrom litten. Offenkundig unverhältnismäßig sei es überdies, den Besitz von Cannabis in Fällen unter Strafe zu stellen, in denen es der Täter zu medizinischen Zwecken konsumiere, auch wenn keine ärztliche Verschreibung vorliege. In diesem Zusammenhang sei für die Abwägung zu berücksichtigen, dass der Cannabiskonsum Teil des absolut geschützten Kernbereichs persönlicher Lebensgestaltung sein könne.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei geboten, weil die neueren internationalen Entwicklungen, den Umgang mit Cannabis zu entkriminalisieren, die neue Standortbestimmung für Cannabis durch die Weltgesundheitsorganisation und die Kritik der Weltkommission für Drogenpolitik insoweit den gesetzgeberischen Beurteilungsspielraum reduzierten.

bb) Unter Berücksichtigung des Wertewandels sei außerdem mittlerweile von einem Recht auf Rausch auszugehen, das den Kernbereich privater Lebensführung betreffe und daher nicht mittels eines Prohibitionsgesetzes eingeschränkt werden dürfe. Zumindest die Handlungsalternativen des Sichverschaffens, des Erwerbs und des Besitzes seien als Teil des Kernbereichs privater Lebensgestaltung zu sehen, weil sie die Umsetzung des absolut geschützten „Rechts auf Rausch“ erst ermöglichten. Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Straflosigkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 26. Februar 2020 (BVerfGE 153, 182 ff.) führt die Vorlage aus, es sei widersinnig, einen Menschen, der seinen eigenen Tod vorbereite, straflos zu stellen und auch nicht zu bestrafen, wenn sein Suizid erfolglos bleibe, ihn aber für das „Besorgen illegaler Drogen“ zu bestrafen, wenn er sich zur Vorbereitung seines Suizids Cannabis oder ein anderes Rauschmittel beschaffe.

cc) Die Regelungen zum strafbewehrten Cannabisverbot stünden ferner mit den Gewährleistungen des Grundrechts auf die Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht in Einklang. Auch insoweit seien die zur Überprüfung gestellten Strafvorschriften angesichts des Standes der Wissenschaft sowie der neuen kriminologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr verhältnismäßig.

dd) Mit der Gewährleistung des Art. 3 Abs. 1 GG sei unvereinbar, dass Cannabis als Betäubungsmittel eingeordnet sei, Alkohol und Nikotin dagegen nicht. Das Bundesverfassungsgericht habe in der Entscheidung vom 9. März 1994 betont, Alkohol und Cannabis unterschieden sich dadurch, dass Alkohol in einer Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten genutzt und konsumiert werde, während beim Konsum von Cannabisprodukten die Erzielung einer berauschenden Wirkung typischerweise im Vordergrund stehe. Die unterschiedliche Behandlung von Alkohol und Cannabis sei schließlich gerechtfertigt, weil es sich bei Alkohol - so das Bundesverfassungsgericht sinngemäß - um eine europäische Kulturdroge handele, die sich insoweit vom Rauschmittel Cannabis unterscheide. Weiter sei das Bundesverfassungsgericht unter Berücksichtigung des damaligen Erkenntnisstandes davon ausgegangen, dass es sich bei den von ihm im Rahmen der Prüfung des Gleichheitssatzes verglichenen Cannabissubstanzen und Alkohol um potentiell gleich schädliche Drogen handele. Dieser Standpunkt sei im Hinblick auf die neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen des Alkoholkonsums einerseits und des Cannabiskonsums andererseits nicht mehr vertretbar.

Für eine Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis gebe es keinen Grund. Ebenso wie Alkohol könne Cannabis in verschiedenen Dosierungen und Darreichungsformen konsumiert und zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden. Soweit das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 noch damit argumentiert habe, dass die Konsumgewohnheiten in Deutschland und dem gesamten europäischen Kulturkreis eine effektive Unterbindung von Alkohol im Gegensatz zu Cannabis unmöglich machten, könne diese Argumentation heute nicht mehr verfangen. Die Zahl der Gelegenheitskonsumenten von Cannabis werde in der Bundesrepublik mit bis zu vier Millionen angegeben. Die Zahl der Bürger, die Cannabis bisher probiert hätten, liege vermutlich noch wesentlich höher. Von einer kulturfremden Droge könne nicht mehr gesprochen werden.

ee) Die Regelungen zum strafbewehrten Cannabisverbot verstießen außerdem gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie Streit in den Familien bereiteten, ohne dass wirklich problembehaftete Fälle frühzeitig erkannt würden. Auch gegen Art. 6 Abs. 2 GG verstoße die Cannabiskriminalisierung, weil sie aufgeklärten Eltern die Möglichkeit nehme, ihre Kinder insoweit selbst und ohne den Einfluss von Jugendgerichten zu erziehen.

ff) Abschließend äußert die Vorlage hinsichtlich der Glaubens- und der Kunstfreiheit rechtliche Bedenken, ohne diese weiter darzulegen.

c) Jedenfalls hinsichtlich ihres hilfsweisen Gegenstandes sei die Vorlage zulässig, weil insoweit ebenfalls neue entscheidungserhebliche Tatsachen vorlägen. Das Bundesverfassungsgericht habe im Jahr 1994 festgestellt, dass die Strafvorschriften, soweit sie die Vorbereitung des gelegentlichen Eigengebrauchs geringer Mengen von Cannabis beträfen, nicht gegen das Übermaßverbot verstießen, weil der Gesetzgeber es den Verfolgungsorganen ermögliche, durch Absehen von Strafe oder Strafverfolgung einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt Rechnung zu tragen. Es habe dabei die unterschiedliche Einstellungspraxis in den verschiedenen Ländern als bedenklich angesehen, soweit sie die Bemessung der geringen Menge und den Umgang mit Wiederholungstätern betroffen habe. Insoweit habe das Gericht die Länder angemahnt, für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis zu sorgen. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts seien bei geringen Mengen von Cannabis die Einstellungsrichtlinien der Länder noch immer uneinheitlich. Hinzu kämen unterschiedliche Strafverfolgungskulturen der Staatsanwaltschaften. Weil die Polizei ermittle, bis die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen ausübe, wüssten Besitzer von Cannabis in geringen Mengen zum Eigenbedarf außerdem nicht, ob das sie betreffende Ermittlungsverfahren eingestellt werde. Die Angst der Beschuldigten vor straf-, berufs- und/oder aufenthaltsrechtlichen Folgen werde durch die vom Bundesverfassungsgericht propagierte prozessuale Lösung nicht vermieden.

d) Hinsichtlich des hilfsweise zur Überprüfung gestellten Verbots, Cannabisprodukte zu erwerben oder zu besitzen, sei ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, ferner gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem „Recht auf Rausch“, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 103 Abs. 2 GG gegeben.

aa) Das strafbewehrte Verbot, Cannabisprodukte zu erwerben oder zu besitzen, verstoße in der Sache gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem „Recht auf Rausch“ und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Bereits die Strafverfolgung als solche bewirke einen verfassungswidrigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, der durch eine spätere Einstellung nicht beseitigt werden könne. § 29 Abs. 5 BtMG sei insoweit unbehelflich, als den Bürger gleichwohl die Kostenfolge des § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO treffe und er mit einer Eintragung in das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister rechnen müsse. Eine Verfassungswidrigkeit sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine Fremdgefährdung allein als abstrakte Gefahr vorliege.

bb) Die unterschiedliche Rechtsanwendungspraxis des § 31a BtMG, der ein Absehen von der Verfolgung ermögliche, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar sei grundsätzlich eine Ungleichbehandlung durch staatliche Stellen verfassungsrechtlich nur relevant, wenn sie durch die gleiche Rechtssetzungsgewalt erfolge. Allerdings finde dieses Recht zur Differenzierung in dem in Art. 72 Abs. 2 GG anklingenden Gebot zur Wahrung und Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse seine Grenzen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1994 deutlich gemacht, dass bei der Anwendung des § 31a BtMG eine einheitliche Rechtsanwendungspraxis geboten sei. Diesen Vorgaben genüge die Praxis der Länder weiterhin nicht.

cc) Außerdem liege ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor. Schon die unterschiedlichen Richtlinien in den Ländern zur Anwendungspraxis des § 31a BtMG seien für den Bürger derart unübersichtlich, dass kaum einer wisse, wo er sich mit welcher Cannabismenge der Gefahr einer Bestrafung aussetze. Jedenfalls verstoße die prozessuale Lösung gegen das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG, denn die Grenzen der Strafbarkeit würden auf diese Weise nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch Richtlinien der Länder und deren Staatsanwaltschaften als Teil der Exekutive bestimmt. Dabei entschieden die Staatsanwaltschaften nicht nur von Bundesland zu Bundesland äußerst unterschiedlich, sondern seien auch in der Lage, ihre behördeninternen Vorschriften jederzeit zu ändern.

e) Eine verfassungskonforme Auslegung des Betäubungsmittelstrafrechts sei im vorliegenden Fall nicht möglich. Für eine Entscheidung nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2 StPO oder § 31a Abs. 2 BtMG fehle es an der erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass bei geringen Mengen freizusprechen sei, scheitere an der fehlenden Auslegungsfähigkeit des § 29 BtMG. Die Möglichkeit des Gerichts, gemäß § 29 Abs. 5 BtMG von Strafe abzusehen, führe wegen des Schuldspruchs und der Kostenfolge nicht zu einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung der vorgelegten Norm.

2. Die übrigen Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin sind in ihrer Begründung weitgehend gleichlautend mit der des Verfahrens 2 BvL 3/20, deren Ausführungen sie jeweils pauschal in Bezug nehmen. Unterschiede bestehen darin, dass sich die Vorlagen in den Verfahren 2 BvL 7/21, 2 BvL 3/22 und 2 BvL 5/22 nicht gesondert zum hilfsweisen Vorlagegegenstand verhalten. Außerdem stellt der Vorlagebeschluss im Verfahren 2 BvL 7/21 in Form eines „weiteren Hilfsantrags“ die Vorschriften der Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1, §§ 73c, 73d StGB in Cannabisfällen bei Jugendlichen und Heranwachsenden zur verfassungsrechtlichen Prüfung. Die hilfsweise gestellte Vorlagefrage sei entscheidungserheblich, weil bei einer Verurteilung die Vermögensabschöpfung zwingend sei. § 73c Satz 1 StGB verstoße gegen das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, soweit diese Norm bei Jugendlichen und Heranwachsenden angewandt werden müsse und keine Fremdschädigung vorliege. Mit dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts sei es nicht in Einklang zu bringen, die Anordnung von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung nicht ins Ermessen des Tatrichters zu stellen. Darin liege außerdem eine Verletzung der aus Art. 6 GG folgenden Pflicht des Staates zu besonderem Schutz der Jugend. Weiter sei die Vermögensabschöpfung bei Jugendlichen und Heranwachsenden unverhältnismäßig. Bei Taten wie im vorliegenden Fall, in denen andere Personen nicht geschädigt würden, fehle es bereits an der Geeignetheit und Erforderlichkeit, jedenfalls aber an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Außerdem liege ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor, weil der Gesetzgeber die Frage, ob Maßnahmen der Vermögensabschöpfung zwingend bei jugendlichen und heranwachsenden Tätern anzuordnen seien oder ob die Anordnung im Jugendstrafverfahren im Ermessen des Tatrichters stehe, nicht selbst entschieden, sondern die Antwort der Rechtsprechung überlassen habe.

3. In den sechs Vorlagen des Amtsgerichts Münster zitiert das Gericht zur Begründung im Wesentlichen wörtlich aus der Vorlage des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 18. September 2019 (2 BvL 3/20). Es übernimmt deren Vorwort sowie deren Ausführungen zum „Hilfsantrag“ und zur behaupteten Unmöglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung und schließt sich den dortigen Ausführungen jeweils an, insbesondere im Hinblick auf die uneinheitlichen Richtlinien der Länder und die uneinheitliche Rechtsanwendungspraxis der örtlichen Staatsanwaltschaften in Bezug auf § 31a BtMG.

4. Das Amtsgericht Pasewalk übernimmt weitgehend die Ausführungen aus der Mustervorlage des Deutschen Hanfverbandes. Weil sich die Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin inhaltlich ebenfalls an dieser Mustervorlage ausrichten und weite Teile daraus wörtlich übernehmen, weicht die Vorlage des Amtsgerichts Pasewalk in ihrer Begründung von den Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin nur geringfügig ab. Sie enthält allerdings keine Ausführungen zu einem unbeschränkten Recht auf Rausch und äußert keine Bedenken hinsichtlich der Glaubens- oder Kunstfreiheit. Einen möglichen Verstoß gegen Art. 6 GG erwähnt das Amtsgericht Pasewalk nur beiläufig. Dafür macht es eigenständige Ausführungen, soweit es den übernommenen Textpassagen ein „Vorwort“ voranstellt. Darin legt es dar, es sei generell verfassungswidrig, den Umgang mit Cannabisprodukten unter Strafe zu stellen. Außerdem erweitert die Vorlage die Argumentation zur mangelnden Bestimmtheit der Mengenbegriffe. Das Gericht hebt hervor, dass es in Mecklenburg-Vorpommern im Gegensatz zu anderen Ländern keine abstrakt-generelle Leitlinie zur Bestimmung der geringen Menge des § 31a Abs. 1 BtMG gebe. Weil die Rechtsanwendungspraxis für den Begriff der geringen Menge des § 31a Abs. 1 BtMG auf das Nettogewicht abstelle und für den der nicht geringen Menge in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auf den Wirkstoffgehalt, lägen zudem die geringe und die nicht geringe Menge nahe beieinander. Für den Cannabisbesitzer sei nicht vorhersehbar, ob er sich der Gefahr einer Bestrafung aussetze und sich dabei bereits im Bereich der nicht geringen Menge bewege. Daneben vertieft das Gericht die Ausführungen zur Zulässigkeit des konkreten Normenkontrollverfahrens und verweist bezüglich der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen auf den Inhalt der Vorlage des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 18. September 2019 (2 BvL 3/20).

B.

Die Vorlagen sind unzulässig.

I.

1. Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein nachkonstitutionelles Parlamentsgesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Prüfungsgegenstand kann somit von vornherein nur ein Rechtssatz sein, dessen Gültigkeit bei der Entscheidung des Ausgangsverfahrens relevant ist (vgl. BVerfGE 38, 121 <127>; 46, 66 <71>; 107, 218 <232>; 153, 310 <330 Rn. 47>). Weil der verfassungsrechtliche Justizgewährleistungsanspruch von dem Richter fordert, den Rechtsstreit nach Möglichkeit so zu behandeln, dass eine Verzögerung durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts vermieden wird, ist bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage ein strenger Maßstab anzusetzen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 ff., 178>; 86, 71 <76 f.>).

Entscheidungserheblich ist eine Norm nur, wenn das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei deren Gültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <174>; 11, 294 <296 ff.>; 25, 129 <136>; 46, 268 <283>; 84, 233 <236 f.>; 90, 145 <166>; 91, 118 <121>). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist damit grundsätzlich der Tenor der Entscheidung in der jeweiligen Instanz maßgeblich (vgl. BVerfGE 16, 286 <293>; 18, 257 <263>; 24, 119 <133 f.>; 104, 74 <82>; 125, 175 <220>). Grundsätzlich ist eine Vorlage daher nur zulässig, wenn sämtliche dafür erforderlichen Beweiserhebungen durchgeführt sind (vgl. BVerfGE 11, 330 <334 f.>; 50, 108 <113>; 125, 175 <220>). Der Grundgedanke der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Verfahren, deren abschließende Beilegung in die Gerichtsbarkeit der Fachgerichte gehört, greift auch ein, wenn die Durchführung einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis führen kann, dass es keiner Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung bedarf (vgl. BVerfGE 79, 256 <265>). Dabei hat der Richter zunächst von der Gültigkeit der seiner Ansicht nach verfassungswidrigen Norm auszugehen und die verfassungsrechtliche Frage erst vorzulegen, wenn es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit der Bestimmung ankommt (vgl. BVerfGE 47, 146 <154 ff.>; 79, 256 <265>). Unzulässig ist eine Vorlage, wenn das Gericht auf diesem Wege eine Beweisaufnahme vermeiden will (vgl. BVerfGE 11, 330 <335>; 34, 118 <127>; 50, 108 <113>; 79, 256 <265>).

Ausnahmsweise kann eine Vorlage zulässig sein, wenn zwar nicht sämtliche für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen festgestellt sind, sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer zur Überprüfung gestellten Norm aber unabhängig vom Ausgang der Beweisaufnahme in jedem Fall stellt (vgl. BVerfGE 47, 146 <167>; 125, 175 <220 f.>). Steht etwa schon vor einer mündlichen Verhandlung die Entscheidungserheblichkeit der Norm mit Sicherheit fest, steht es der Zulässigkeit einer Vorlage nicht entgegen, wenn das vorlegende Gericht von einer mündlichen Verhandlung absieht (vgl. BVerfGE 17, 148 <152>; 79, 256 <264 f.>).

Stellt ein Gericht die Frage zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung, ob eine Strafnorm generell mit verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang steht, ist nach diesen Grundsätzen eine Vorlage schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung einer Anklage zur Hauptverhandlung nach § 203, § 207 Abs. 1 StPO zulässig, denn das Gericht muss sich bereits bei der Eröffnungsentscheidung über die Gültigkeit der in Betracht kommenden Strafnorm schlüssig werden (vgl. BVerfGE 4, 352 <355>; 22, 39 <41>; 32, 346 <358>; 47, 109 <114>; 54, 47 <50>; 160, 284 <315 f. Rn. 85>).

2. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG hat das vorlegende Gericht zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist, wobei es diesem Begründungserfordernis nur genügt, wenn seine Ausführungen erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 <355 f.>; 136, 127 <141 Rn. 43>; 159, 149 <170 Rn. 57>). Die Begründung, die das Bundesverfassungsgericht entlasten soll (vgl. BVerfGE 37, 328 <333 f.>; 65, 265 <277>; 141, 1 <10 Rn. 22>; 153, 310 <333 Rn. 55>; 159, 149 <170 Rn. 58>), muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass und weshalb das vorlegende Gericht bei Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als bei ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 79, 240 <243>; 105, 61 <67>; 121, 108 <117>; 133, 1 <11 Rn. 35>; 135, 1 <10 f. Rn. 28>; 136, 127 <142 Rn. 44>; 141, 1 <10 Rn. 22>; 153, 310 <333 Rn. 55>; 159, 149 <170 Rn. 58>). Es muss dabei den Sachverhalt darstellen (vgl. BVerfGE 22, 175 <177>; 159, 149 <170 Rn. 58>), sich mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, seine insoweit einschlägige Rechtsprechung darlegen und die in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <323>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237 f.>; 136, 127 <142 Rn. 44>; 141, 1 <11 Rn. 22>; 159, 149 <170 Rn. 58>). Richten sich die Bedenken gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die weiteren mit ihr im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm erforderlich ist (vgl. BVerfGE 89, 329 <337>; 105, 48 <56>; 124, 251 <260>; 131, 1 <15>; 159, 149 <170 Rn. 58>). Es kann auch erforderlich sein, auf die Gründe einzugehen, die im Gesetzgebungsverfahren für eine bestimmte gesetzliche Regelung maßgeblich waren (vgl. BVerfGE 77, 259 <262>; 78, 201 <204>; 81, 275 <277>; 86, 71 <78>; 92, 277 <312>). § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verpflichtet das vorlegende Gericht jedoch nicht, auf jede denkbare Rechtsauffassung einzugehen (vgl. BVerfGE 141, 1 <11 Rn. 22>; 145, 106 <141 Rn. 96>; 152, 274 <310 Rn. 90>; 159, 149 <170 f. Rn. 58>). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f., 193>; 88, 187 <194>; 105, 61 <67>; 129, 186 <203>; 133, 1 <11 Rn. 35>; 138, 1 <15 Rn. 41>; 141, 1 <11 Rn. 22>; 143, 38 <51 Rn. 28>; 149, 1 <11 Rn. 21>; 159, 149 <171 Rn. 58>).

Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; 136, 127 <142 Rn. 45>; 138, 1 <13 f. Rn. 37>; 159, 149 <171 Rn. 59>). Der Vorlagebeschluss muss hierzu den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und sich mit der Rechtslage, insbesondere der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 136, 127 <142 Rn. 45, 145 ff. Rn. 53 ff.>; 141, 1 <11 Rn. 23>; 159, 149 <171 Rn. 59>). Die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm ist anhand der vom Bundesverfassungsgericht zur aufgeworfenen Verfassungsfrage bereits aufgestellten Maßstäbe näher darzulegen (vgl. BVerfGE 65, 265 <282>; 66, 265 <269 f.>). Soweit die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung naheliegt, muss das vorlegende Gericht diese Möglichkeit prüfen und vertretbar begründen, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 85, 329 <333 f.>; 96, 315 <324 f.>; 121, 108 <117>; 131, 88 <118>; 159, 149 <171 Rn. 60>). Eine solche Erörterung ist insbesondere dann geboten, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen und mindestens eine von ihnen nicht in gleicher Weise den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts ausgesetzt ist (vgl. BVerfGE 138, 64 <89 Rn. 75>; 149, 1 <13 Rn. 27>; 159, 149 <171 Rn. 60>). Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (vgl. BVerfGE 69, 1 <55>; 83, 201 <214 f.>; 122, 39 <60 f.>; 148, 69 <130 Rn. 150>; 159, 149 <171 f. Rn. 60>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde, denn der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es, im Wege der Auslegung einem nach Sinn und Wortlaut eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn beizulegen oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (vgl. BVerfGE 130, 372 <398>; 138, 296 <350 Rn. 132>; 148, 69 <130 f. Rn. 150>; 159, 149 <172 Rn. 60>).

3. Das vorlegende Gericht ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an eine frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden; dieser Entscheidung kommt nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft und Rechtskraftwirkung zu (vgl. BVerfGE 33, 199 <203>; 39, 169 <181>; 65, 179 <181>; 78, 38 <48>; 87, 341 <346>; 94, 315 <323>; 120, 1 <23>). Soweit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft hat, ist grundsätzlich eine erneute Vorlage zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der bereits geprüften Norm ausgeschlossen, denn sowohl die stattgebenden als auch die abweisenden Entscheidungen stellen die Nichtigkeit oder Gültigkeit eines Gesetzes mit Wirkung für und gegen alle fest (vgl. BVerfGE 69, 92 <103>). Insofern kann die Rechtskraft einer Vereinbarkeitserklärung im Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf eine erneute Normenkontrolle ein Prozesshindernis darstellen (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 128, 326 <364>). Das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft entfällt nur, wenn später rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage eintreten (vgl. BVerfGE 33, 199 <203 f.>; 39, 169 <181 f.>; 78, 38 <48>; 87, 341 <346>; 94, 315 <322 f.>; 128, 326 <365>).

Vorlagen, die unter Berufung auf eine rechtserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage einen Spruch begehren, der im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht, unterliegen demnach erhöhten Anforderungen (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 87, 341 <346>; 94, 315 <323>; 120, 1 <23>). Eine erneute Vorlage ist regelmäßig unzulässig, wenn das vorlegende Gericht die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Ausgangspunkt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung nimmt und nicht auf dieser Grundlage darlegt, welche inzwischen eingetretenen Veränderungen nach seiner Auffassung die erneute verfassungsgerichtliche Prüfung einer bereits entschiedenen Vorlagefrage veranlassen (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 78, 38 <48>; 87, 341 <346>; BVerfGK 3, 285 <293>). Stützt sich das Gericht auf Veränderungen der einfachrechtlichen Lage oder auf offenkundige und allgemein bekannte Tatsachen, so genügt es, wenn deren Bedeutung im Zusammenhang mit dem Gedankengang der früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewürdigt wird; soll sich hingegen die Veränderung der verfassungsrechtlichen Lage aus dem Eintritt neuer Umstände ergeben, die nicht als allgemein bekannt gelten können, so muss die Vorlage zumindest erkennen lassen, auf welche Weise das vorlegende Gericht die Feststellungen getroffen hat, auf die es seine verfassungsrechtlichen Bedenken gründet (vgl. BVerfGE 87, 341 <346> mit Bezug auf BVerfGE 39, 169 <181 f.>; 78, 38 <48>). Ungenügend ist es, dem Rechtsstandpunkt des Bundesverfassungsgerichts unter nur scheinbarem Verweis auf tatsächliche oder rechtliche Veränderungen einen abweichenden Rechtsstandpunkt gegenüberzustellen (vgl. BVerfGK 3, 285 <294>).

II.

Gemessen an diesen Maßstäben genügen die Vorlagen nicht den Anforderungen an einen zulässigen Normenkontrollantrag.

1. Soweit die Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin pauschal „alle Normen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt“, zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung stellen, fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften. Dies gilt auch für die Vorlage des Amtsgerichts Pasewalk, wenn es seinem Vorlagebeschluss eine entsprechende, allgemein gehaltene Formulierung voranstellt. Das Amtsgericht Münster verdeutlicht ebenfalls, dass es schon die Aufnahme von Cannabis in die Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG für verfassungswidrig hält. Die vorlegenden Gerichte beanstanden mithin die grundsätzliche Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel, ohne einen Bezug zu den im jeweiligen Ausgangsverfahren anzuwendenden Strafnormen herzustellen. Eine konkrete Normenkontrolle ist jedoch kein Mittel der allgemeinen Aufsicht über den Gesetzgeber. Ihr Gegenstand können nur Vorschriften sein, deren Gültigkeit für die von dem vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung von Bedeutung ist (vgl. BVerfGE 38, 121 <127>; 46, 66 <71>; 107, 218 <232>; 153, 310 <330 Rn. 47>; BVerfGK 3, 285 <293>). Dass dies alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes sind, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.

2. Im Übrigen genügen sämtliche zu beurteilenden Vorlagen nicht den erhöhten Begründungsanforderungen, die an eine erneute Vorlage zu stellen sind. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung rechtserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche geeignet sind, eine erneute verfassungsgerichtliche Prüfung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 (BVerfGE 90, 145 ff.) entschiedenen Vorlagefragen zu veranlassen. Letztlich beschränken die Vorlagegerichte sich darauf, dem Rechtsstandpunkt des Bundesverfassungsgerichts eigene, davon abweichende rechtliche Bewertungen gegenüberzustellen. Dies gilt im Hinblick auf Inhalt und Reichweite eines „Rechts auf Rausch“ (a), die Rechtfertigung des durch das strafbewehrte Cannabisverbot bewirkten Eingriffs in die Freiheitsgrundrechte der Konsumenten (b), den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (c) und gegen das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG (d) sowie im Hinblick auf die von der Vorlage 2 BvL 7/21 beanstandeten zwingenden Regelungen zur Vermögensabschöpfung (e). Auf diese Weise können die Vorlagen das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG nicht in Frage stellen.

a) Dass die Einnahme von Rauschmitteln grundsätzlich der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit unterfallen kann, wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 nicht in Zweifel gezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Handlung allerdings den Schranken des 2. Halbsatzes von Art. 2 Abs. 1 GG unterworfen (vgl. BVerfGE 90, 145 <171> mit Verweis auf BVerfGE 80, 137 <153>) und ausgeführt, dass der Umgang mit Drogen, insbesondere das Sichberauschen, nicht zum unbeschränkbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört (vgl. BVerfGE 90, 145 <171> mit Verweis auf BVerfGE 6, 32 <41>; 54, 143 <146>; 80, 137 <153>). Daher ist die Aussage in den Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin verkürzt, das Bundesverfassungsgericht habe ein „Recht auf Rausch“ verneint, denn dieses hat nur entschieden, dass es kein „Recht auf Rausch“ gibt, das den Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG entzogen wäre. Soweit sich das Amtsgericht gegen diese verfassungsgerichtliche Auffassung stellt, genügt seine Argumentation den erhöhten Anforderungen an die Begründung einer erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG daher schon deshalb nicht, weil es von einem falschen verfassungsrechtlichen Maßstab ausgeht (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 78, 38 <48>; 87, 341 <346>; BVerfGK 3, 285 <293>). Aber auch inhaltlich vermag es die Grundaussage des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 9. März 1994, der Umgang mit Drogen, insbesondere das Sichberauschen, könne wegen seiner vielfältigen Aus- und Wechselwirkungen nicht zu dem keinen Beschränkungen unterworfenen Kernbereich privater Lebensgestaltung gerechnet werden (vgl. BVerfGE 90, 145 <171>), nicht zu erschüttern. Es verfehlt damit seine Aufgabe, den Beschluss vom 9. März 1994 mit seinen tragenden Erwägungen zum Ausgangspunkt zu nehmen und die Notwendigkeit aufzuzeigen, sich trotz grundsätzlicher Bindungswirkung dieser Entscheidung mit der Vorlagefrage auf verfassungsrechtlicher Ebene erneut zu befassen.

Dem Beschluss vom 9. März 1994 steht in seinen Aussagen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (vgl. BVerfGE 153, 182 ff.) nicht entgegen. Im Ansatz zutreffend erkennt das Amtsgericht Bernau bei Berlin, dass nach diesem Urteil das Recht des zur freien Selbstbestimmung und Eigenverantwortung fähigen Menschen, sich das Leben zu nehmen, vom Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs.1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst ist (vgl. BVerfGE 153, 182 <260 Rn. 204>). Das Bundesverfassungsgericht hat in der betreffenden Entscheidung indes betont, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Einwirkung der öffentlichen Gewalt nicht vollständig entzogen ist und der Einzelne staatliche Maßnahmen hinnehmen muss, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit ergriffen werden (vgl. BVerfGE 153, 182 <267 Rn. 221> mit Verweis auf BVerfGE 120, 224 <239>). Dabei hat der Zweite Senat hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die organisierte Suizidhilfe zum Schutz der Selbstbestimmung über das eigene Leben - auch mit den Mitteln des Strafrechts - zu regulieren (vgl. BVerfGE 153, 182 <309 Rn. 339>). Angebote geschäftsmäßiger Suizidhilfe bleiben nicht auf die engste Privatsphäre beschränkt und berühren nicht ausschließlich das Verhältnis des Suizidwilligen und seines Suizidhelfers. Von ihnen gehen Folge- und Vorwirkungen aus, die erhebliche Missbrauchsgefahren und Gefährdungen für die autonome Selbstbestimmung Dritter umfassen (vgl. BVerfGE 153, 182 <267 Rn. 222>). Diese Argumentation steht in keinem Widerspruch zur Cannabisentscheidung vom 9. März 1994, in der darauf abgestellt wird, dass das Sichberauschen schon wegen seiner vielfältigen sozialen Aus- und Wechselwirkungen nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung gerechnet werden kann, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen wäre (vgl. BVerfGE 90, 145 <171>).

b) Die Vorlagen zeigen weiter keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage auf, auf deren Grundlage die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994, wonach der mit dem strafbewehrten Cannabisverbot verbundene Eingriff in die Freiheitsrechte der Konsumenten gerechtfertigt ist, nicht mehr tragfähig sein könnte. Soweit die Vorlagen des Amtsgerichts Bernau bei Berlin die geltenden Vorschriften des Betäubungsmittelstrafrechts als unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und - ohne nähere Erörterung - hinsichtlich der Glaubensfreiheit und der Kunstfreiheit als verfassungsrechtlich bedenklich ansehen, genügen sie den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bereits deshalb nicht, weil sich die darauf bezogenen Ausführungen nicht mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäben zu diesen Verfassungsnormen sowie mit der einfachrechtlichen Lage auseinandersetzen. Soweit die Vorlagen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG annehmen, werden sie in ihrer Darlegung den verfassungsrechtlichen Maßstäben für die angestrebte (erneute) Überprüfung eines Strafgesetzes nicht gerecht.

aa) Aus dem Wesen der Strafe folgt, dass dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesteigerte Bedeutung bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Strafvorschrift zukommt (vgl. BVerfGE 110, 226 <262>; 120, 224 <239>; 153, 182 <268 Rn. 223>; 160, 284 <333 Rn. 125>). Dem Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit genügt ein grundrechtseinschränkendes Gesetz nur, wenn es geeignet und erforderlich ist, um die von ihm verfolgten legitimen Zwecke zu erreichen, und die Einschränkungen des jeweiligen grundrechtlichen Freiraums hierzu in angemessenem Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 67, 157 <173>; 76, 1 <51>; 153, 182 <268 Rn. 223>). Absolut geschützt, und damit der Einwirkung der öffentlichen Gewalt, mithin auch der Strafgesetzgebung, entzogen, ist ein Kernbereich privater Lebensgestaltung (vgl. BVerfGE 80, 367 <373>; 90, 145 <171>; 109, 279 <313>; 120, 224 <239>).

(1) Weil Strafgesetze Freiheitsstrafe androhen, ermöglichen sie - gegebenenfalls auch bei einer Geldstrafe durch die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 Satz 1 StGB, § 459e StPO - einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Grundrecht auf Freiheit der Person. Einschränkungen der Freiheit der Person kommen zwar unter engen Voraussetzungen auch zum Schutz des Betroffenen in Betracht, wenn der Betroffene daran gehindert werden soll, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 58, 208 <224 ff.>; 59, 275 <278>; 60, 123 <132>; 90, 145 <172>; 149, 293 <322 f. Rn. 74>). Im Allgemeinen sind Eingriffe in die persönliche Freiheit jedoch nur zulässig, wenn sie dem Schutz anderer oder der Allgemeinheit dienen (vgl. BVerfGE 90, 145 <172, 184>; 109, 133 <157>; 120, 224 <239>; 149, 293 <322 Rn. 73>; 160, 284 <333 Rn. 125>).

Der Erhalt eines tatsächlich bestehenden oder mutmaßlichen Konsenses über Wert- oder Moralvorstellungen kann nicht unmittelbares Ziel strafgesetzgeberischer Tätigkeiten sein (vgl. BVerfGE 153, 182 <271 Rn. 234> mit Verweis auf BVerfGE 120, 224 <264>, abw. Meinung Hassemer). Allerdings unterliegen Strafnormen von Verfassungs wegen keinen darüber hinausgehenden, strengeren Anforderungen hinsichtlich der mit ihnen verfolgten Zwecke (vgl. BVerfGE 120, 224 <241>). Die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten ist in besonderem Maß dem demokratischen Entscheidungsprozess überantwortet (vgl. BVerfGE 123, 267 <360>). Es ist eine grundlegende, dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber übertragene Entscheidung, in welchem Umfang und in welchen Bereichen ein politisches Gemeinwesen gerade das Mittel des Strafrechts als Instrument sozialer Kontrolle einsetzt (vgl. BVerfGE 123, 267 <408>).

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung grundsätzlich zu respektieren. Es kann sie nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat; es hat lediglich darüber zu wachen, dass die Strafvorschrift materiell in Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung steht und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie Grundentscheidungen des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 27, 18 <30>; 80, 244 <255>; 90, 145 <173>; 96, 10 <25 f.>; 120, 224 <241>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2020 - 2 BvR 1985/19 -, Rn. 37).

(2) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert, dass ein grundrechtseinschränkendes Gesetz geeignet und erforderlich ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 63, 88 <115>; 67, 157 <173>; 90, 145 <172>; 120, 224 <240>; 160, 284 <334 Rn. 126>). Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfGE 96, 10 <23>; 120, 224 <240>; 153, 182 <281 Rn. 260>; 160, 284 <334 Rn. 126>). Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 63, 88 <115>; 67, 157 <176>; 90, 145 <172 f.>; 120, 224 <240>; 160, 284 <334 Rn. 126>).

Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser kann vom Bundesverfassungsgericht je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, nur in begrenztem Umfang überprüft werden (vgl. BVerfGE 47, 109 <117>; 90, 145 <173>; 110, 226 <262>; 120, 224 <240>; 153, 182 <268 Rn. 224>; 160, 284 <334 Rn. 126>). Die verfassungsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich darauf, ob der Gesetzgeber die im Einzelfall maßgeblichen Beurteilungskriterien ausreichend berücksichtigt und seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat (vgl. BVerfGE 153, 182 <268 Rn. 225>). Es genügt, wenn er sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiert (vgl. BVerfGE 153, 182 <272 f. Rn. 238>; 159, 223 <299 Rn. 171>).

(3) Schließlich muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für die Adressaten des Verbots gewahrt sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 67, 157 <178>; 90, 145 <173>; 160, 284 <334 Rn. 126>). Die Maßnahme darf sie nicht übermäßig belasten (vgl. BVerfGE 48, 396 <402>; 83, 1 <19>; 90, 145 <173>; 120, 224 <241>; 160, 284 <334 Rn. 126>).

Bei der Prüfung des Übermaßverbots ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig (vgl. BVerfGE 92, 277 <327>; 153, 182 <283 Rn. 265>; 160, 284 <334 Rn. 126>). Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 36, 47 <59>; 40, 196 <227>; 153, 182 <283 Rn. 265>; 160, 284 <334 Rn. 126>). Andererseits wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können (vgl. BVerfGE 7, 377 <404 f.>; 153, 182 <283 Rn. 265>; 160, 284 <334 Rn. 126>).

bb) Die Vorlagen gehen von einem unzutreffenden Verständnis dieser Maßstäbe für eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Strafnormen aus, sodass ihre Erwägungen weder die Argumentation aus der Entscheidung vom 9. März 1994 in richtiger Weise aufnehmen noch rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage aufzeigen, die geeignet wären, die Tragfähigkeit der dortigen Begründung für eine Verfassungskonformität der vorgelegten Strafnormen in Frage zu stellen. Damit genügen sie nicht den erhöhten Zulässigkeitsanforderungen, denen Vorlagen unterliegen, die unter Berufung auf eine rechtserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage einen Spruch begehren, der im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 87, 341 <346>; 94, 315 <323>; 120, 1 <23>).

(1) Dies gilt zunächst für die Argumentation der Vorlagen zum angeblichen Fehlen eines legitimen Zwecks.

(a) Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 9. März 1994 dem Betäubungsmittelstrafrecht und der Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel mehrere Zwecke zuerkannt. Die Regelungen sollen die Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Bevölkerung im Ganzen vor den von Cannabisprodukten ausgehenden Gefahren schützen und vor allem Jugendliche vor der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln bewahren (vgl. BVerfGE 90, 145 <174>). Außerdem soll das Betäubungsmittelstrafrecht das soziale Zusammenleben vor den Gefahren schützen, die von sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen, auch des Umgangs mit der sogenannten weichen Droge Cannabis, ausgehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Cannabis nichts daran änderten, dass der mit der Einordnung als Betäubungsmittel verbundene Zweck vor der Verfassung Bestand habe. Zwar habe sich der Cannabiskonsum als weit weniger gefährlich erwiesen, als es der Gesetzgeber noch bei Erlass des Betäubungsmittelgesetzes angenommen habe. Die Annahme gänzlich fehlender Gefährlichkeit von Cannabis sei aber weiterhin ungesichert (vgl. BVerfGE 90, 145 <177 ff.>).

(b) Die Vorlagen zeigen nicht substantiiert auf, weshalb die damals gebilligte Zielsetzung des Betäubungsmittelstrafrechts auf verfassungsrechtlicher Ebene keinen Bestand mehr haben sollte. Sie gehen selbst nicht davon aus, dass Cannabis vollkommen ungefährlich ist, sondern beschränken sich weitgehend darauf, bekannte Gesichtspunkte einer neuen, eigenen Bewertung zu unterziehen und auf Unsicherheiten in der medizinischen Forschung zu verweisen.

(aa) Die Argumentation der Vorlagen, das strafbewehrte Cannabisverbot lasse sich schon deshalb nicht rechtfertigen, weil es an einem im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung legitimen Zweck dafür fehle, nimmt nicht die Erwägungen der Senatsentscheidung vom 9. März 1994 zum Ausgangspunkt. Die Vorlagen stützen sich im Wesentlichen darauf, dass für einen erwachsenen Gelegenheitskonsumenten keine erheblichen Gefahren vom Cannabiskonsum ausgingen. Dabei setzen sie sich nicht damit auseinander, dass das Bundesverfassungsgericht bereits berücksichtigt hat, dass über die Bewertung der Gefahren des Cannabiskonsums keine Einigkeit besteht, die unmittelbaren gesundheitlichen Schäden bei mäßigem Genuss jedoch eher als gering eingeschätzt werden (vgl. BVerfGE 90, 145 <179 f.>). Die Vorlagen bringen somit keine neuen Erkenntnisse vor, welche diese Ausführungen als nicht mehr verfassungsrechtlich tragfähig erscheinen ließen. Sie stellen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lediglich eine andere Bewertung der Sachlage gegenüber.

(bb) Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts werden auch nicht dadurch tragfähig in Zweifel gezogen, dass die Vorlagen dem Gefährdungspotential von Cannabis dessen medizinischen Nutzen entgegenhalten. Denn die vorlegenden Gerichte bringen dieses Argument nicht in einen Zusammenhang mit den bestehenden Regelungen zur medizinischen Nutzung von Cannabis, deren Möglichkeit durch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017 (BGBl I S. 403) erweitert wurde. Damit genügen die Vorlagen ihrer Aufgabe nicht, die weiteren mit den zur Überprüfung gestellten Normen im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in ihre rechtlichen Erwägungen einzubeziehen (vgl. BVerfGE 89, 329 <337>; 105, 48 <56>; 124, 251 <260>; 131, 1 <15>; 159, 149 <170 Rn. 58>).

(2) Die Vorlagen erschüttern ferner nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 9. März 1994 zur Geeignetheit des strafbewehrten Cannabisverbots.

(a) Ausgangspunkt der dortigen Geeignetheitsprüfung des Bundesverfassungsgerichts waren die von ihm angenommenen Gefahren und Risiken des Cannabiskonsums, wobei es auch in diesem Zusammenhang berücksichtigt hat, dass sich die von Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren schon damals als geringer darstellten, als es der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes angenommen hatte (vgl. BVerfGE 90, 145 <181>). Weiterer Ausgangspunkt der Prüfung war die gesetzliche Konzeption, den gesamten Umgang mit Cannabisprodukten mit Ausnahme des Konsums selbst wegen der von der Droge und dem Handel mit ihr ausgehenden Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit einer umfassenden staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und zur Durchsetzung dieser Kontrolle den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten lückenlos mit Strafe zu bedrohen (vgl. BVerfGE 90, 145 <182>).

(b) Die Vorlagen ziehen in ihrer Darlegung diese Aussagen nicht verfassungsrechtlich tragfähig in Zweifel. Sie berücksichtigen die vom Gesetzgeber verfolgten - und in der Entscheidung vom 9. März 1994 gebilligten - Zielsetzungen nur unvollständig.

(aa) Die Tatsache, dass im rechtlichen Zusammenleben gegen Strafgesetze verstoßen wird, spricht für sich allein nicht gegen deren generelle Eignung zur Erreichung des mit ihnen verbundenen Zwecks.

(bb) Das Betäubungsmittelstrafrecht ist - insbesondere auf Handelsebene - darauf ausgerichtet, den sozialen Unwert, den der Gesetzgeber Betäubungsmittelhandelsgeschäften zuspricht, zu kennzeichnen und diese Geschäfte - in Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts - zu sanktionieren. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Zielsetzungen des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S. 3186), das Universalrechtsgut des Jugendschutzes zu stärken und weiteren Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität zu begegnen. Auf die Sucht bezogene und damit spezialpräventive Elemente des Betäubungsmittelrechts hatte ausdrücklich das (erste) Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom 9. September 1992 (BGBl I S. 1593) zum Gegenstand, durch das die Einstellungsvorschrift des § 31a BtMG eingeführt, die Einrichtung von Drogenkonsumräumen für Süchtige als Rückzugsorte ermöglicht sowie die Substitutionsbehandlung schwer drogenabhängiger Personen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurden (vgl. zusammenfassend Bohnen, in: Bohnen/Schmidt, BtMG, 2020, Einführung Rn. 63 f.; Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl. 2021, Einleitung Rn. 15; Oğlakcıoğlu, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, BtMG Vor § 1 Rn. 89 f.).

Von den Vorlagen wird nicht dargetan, dass das Betäubungsmittelstrafrecht aufgrund einer rechtserheblichen Änderung der Sach- und Rechtslage nunmehr generell ungeeignet wäre, diese weiteren Gesetzeszwecke zu fördern. Sie setzen sich mit diesen Zielsetzungen des Betäubungsmittelstrafrechts nicht auseinander und genügen damit den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht, denn ein vorlegendes Gericht hat sich mit der einfachrechtlichen Rechtslage zu befassen, seine insoweit einschlägige Rechtsprechung darzulegen und die in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen zu berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <323>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237 f.>; 136, 127 <142 Rn. 44>; 141, 1 <11 Rn. 22>; 159, 149 <170 Rn. 58>). Zudem blenden sie die Gründe aus, die im Gesetzgebungsverfahren für die Ausgestaltung des Betäubungsmittelstrafrechts - insbesondere mit Blick auf die suchtpräventiven Aspekte - maßgeblich waren.

(3) Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeit eines strafbewehrten Cannabisverbots und der dieses Verbot ausfüllenden Strafnormen werden durch die Vorlagen ebenfalls nicht in Frage gestellt.

(a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. März 1994 die aus Anlass der mehrfachen Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes und der Zustimmung zum Suchtstoffübereinkommen 1988 wiederholt überprüfte und festgehaltene Einschätzung des Gesetzgebers, die strafbewehrten Verbote gegen den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten seien erforderlich, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen, von Verfassungs wegen nicht beanstandet (vgl. BVerfGE 90, 145 <182>). Den Einwand, die bisherige Cannabis-Prohibition habe die Gesetzesziele nicht vollständig erreichen können und eine Freigabe von Cannabis würde als milderes Mittel diese Zwecke eher erfüllen, hat es nicht als durchgreifend angesehen, weil die kriminalpolitische Diskussion darüber, ob eine Verminderung des Cannabiskonsums eher durch die generalpräventive Wirkung des Strafrechts oder durch die Freigabe von Cannabis und eine davon erhoffte Trennung der Drogenmärkte erreicht werden könne, noch nicht abgeschlossen sei (vgl. BVerfGE 90, 145 <182>).

(b) Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers für die Wahl zwischen mehreren potentiell geeigneten Wegen zur Erreichung eines Gesetzesziels herausgestellt (vgl. BVerfGE 90, 145 <183> mit Verweis auf BVerfGE 77, 84 <106>). Es hat darauf verwiesen, dass nur unter besonderen Voraussetzungen Fälle denkbar seien, in denen gesicherte kriminologische Erkenntnisse im Rahmen der Normenkontrolle Beachtung erforderten, weil sie den Gesetzgeber zu einer bestimmten Behandlung einer von Verfassungs wegen gesetzlich zu regelnden Frage zwängen oder ihm geböten, die getroffene Regelung als mögliche Lösung auszuschließen (vgl. BVerfGE 90, 145 <183> mit Verweis auf BVerfGE 50, 205 <212 f.>).

(c) Vor dem Hintergrund dieses eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstabs fehlt den Vorlagen die erforderliche Substanz.

Es ist Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, Strafnormen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen (vgl. BVerfGE 120, 224 <242>). Rechtspolitische Forderungen nach einer „besseren Cannabispolitik“ sind daher generell nicht geeignet, die Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf ihre Erforderlichkeit zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks verfassungsrechtlich tragfähig in Zweifel zu ziehen. Gesicherte kriminologische Erkenntnisse, die geeignet wären, den Gesetzgeber zu einer bestimmten Behandlung einer von Verfassungs wegen gesetzlich zu regelnden Frage zu zwingen oder doch die getroffene Regelung als mögliche Lösung auszuschließen (vgl. BVerfGE 90, 145 <183> mit Verweis auf BVerfGE 50, 205 <212 f.>), zeigen die Vorlagen nicht auf. Damit genügen sie nicht den erhöhten Anforderungen an eine erneute Richtervorlage (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 87, 341 <346>; 94, 315 <323>; 120, 1 <23>).

(4) Die Vorlagen machen ferner nicht deutlich, weshalb die tragenden Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Angemessenheit des strafbewehrten Cannabisverbots und der dieses Verbot ausfüllenden Strafnormen von Verfassungs wegen keinen Bestand mehr haben können.

(a) Das allgemeine Konzept des Gesetzgebers, den Umgang mit Cannabisprodukten - abgesehen von sehr engen Ausnahmen - umfassend zu verbieten, verstößt nach der Entscheidung vom 9. März 1994 nicht gegen das Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 90, 145 <184 f.>). Es ist durch die Zwecke gerechtfertigt, die Bevölkerung, insbesondere die Jugend, vor den von der Droge ausgehenden Gesundheitsgefahren sowie vor der Gefahr einer psychischen Abhängigkeit zu schützen und deshalb vor allem kriminellen Organisationen, die den Drogenmarkt beherrschen, und ihrem gemeinschädlichen Wirken entgegenzutreten. Diesen wichtigen Gemeinschaftsbelangen gegenüberstehende gleichwertige Interessen an einer Freigabe des Umgangs mit Cannabis hat das Bundesverfassungsgericht nicht gesehen. Der Zweite Senat hat außerdem die Entscheidung des Gesetzgebers gebilligt, zur Durchsetzung des Verbots das Mittel der Kriminalstrafe einzusetzen (vgl. BVerfGE 90, 145 <184>). Aus generalpräventiven Erwägungen hat er es verfassungsrechtlich nicht beanstandet, den Gemeinschaftsgüterschutz von einer konkreten Gefährdung oder gar Verletzung in den Bereich abstrakter Gefährdungen vorzuverlagern, indem die Tatbestände eines unerlaubten Umgangs mit Cannabisprodukten den Schutz umfassend auf alle Verhaltensweisen erstrecken, die generell geeignet sind, die beschriebenen Gefahren herbeizuführen (vgl. BVerfGE 90, 145 <184>).

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht auch die in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG enthaltene Strafdrohung für den unerlaubten Erwerb von Cannabisprodukten sowie die in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG normierte Strafdrohung für den unerlaubten Besitz dieser Droge nicht für unverhältnismäßig gehalten (vgl. BVerfGE 90, 145 <187>). Einschränkend hat der Senat jedoch betont, dass gerade in diesen Fällen das Maß der von der einzelnen Tat ausgehenden Rechtsgütergefährdung und der individuellen Schuld gering sei (vgl. BVerfGE 90, 145 <187 f.>) und die Verhängung von Kriminalstrafe gegen Probierer und Gelegenheitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabisprodukten in ihren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu spezialpräventiv eher nachteiligen Ergebnissen führen könne (vgl. BVerfGE 90, 145 <188>). Dennoch hat er auch unter Berücksichtigung solcher Fallgestaltungen keinen Verstoß der generellen - generalpräventiv begründeten - Strafandrohung für den unerlaubten Erwerb und den unerlaubten Besitz von Cannabisprodukten gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot angenommen (vgl. BVerfGE 90, 145 <189>). Er hat insoweit auf die Möglichkeiten verwiesen, von der Verfolgung solcher Taten gemäß § 31a BtMG oder von einer Bestrafung des Täters gemäß § 29 Abs. 5 BtMG abzusehen (vgl. BVerfGE 90, 145 <189 f.>).

(b) Die Vorlagen bringen keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage vor, die die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts erschüttern. Sie beschränken sich weitgehend darauf, ihre Auffassung von der Angemessenheit des Cannabisverbots im Allgemeinen oder von den in den jeweiligen Ausgangsverfahren zugrundeliegenden Strafnormen im Speziellen der Auffassung des Senats gegenüberzustellen. Dies genügt den erhöhten Anforderungen an eine erneute Richtervorlage nicht (vgl. BVerfGE 65, 179 <181>; 87, 341 <346>; 94, 315 <323>; 120, 1 <23>).

(aa) Den von den Vorlagen vorgebrachten Gesichtspunkt, dass die Konzeption des umfassenden Cannabisverbots gegen das Übermaßverbot verstoße, weil sie auch konsumnahe Delikte, die auf geringe Mengen bezogen sind, unter Strafe stelle, hat das Bundesverfassungsgericht ebenso bedacht wie den Umstand einer Kriminalisierung von „Millionen von Konsumenten“. Auch dass für einen erwachsenen Gelegenheitskonsumenten keine erheblichen Gefahren vom Cannabiskonsum ausgehen sollen, ist Grundlage der Entscheidung vom 9. März 1994 gewesen. Letztlich zeigen die vorlegenden Gerichte mit diesem Vorbringen nur auf, dass sie die prozessuale Lösung des Bundesverfassungsgerichts für verfehlt halten. Rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage, die geeignet wären, das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft entfallen zu lassen (vgl. BVerfGE 33, 199 <203 f.>; 39, 169 <181 f.>; 78, 38 <48>; 87, 341 <346>; 94, 315 <322 f.>; 128, 326 <365>), bringen sie damit nicht vor.

(bb) Liberalisierungstendenzen in anderen Staaten oder die rechtspolitische Diskussion der Entkriminalisierung in der Bundesrepublik stellen ebenfalls keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage dar, die geeignet wären, die tragenden Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur prozessualen Lösung verfassungsrechtlich durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Der Zweite Senat hat betont, dass es Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ist, zu entscheiden, ob er bei der Ausgestaltung von Strafgesetzen das Übermaßverbot durch eine Einschränkung des Verfolgungszwangs oder die Einführung von Privilegierungstatbeständen berücksichtigt (vgl. BVerfGE 90, 145 <191> mit Verweis auf BVerfGE 50, 205 <213 ff.>). Die aktuellen Bestrebungen, die Cannabisregulierung insgesamt neu zu ordnen, zeigen nur, dass - auch mit Blick auf die Regelungen in anderen Staaten (vgl. BVerfGE 90, 145 <194> mit Verweis auf BVerfGE 50, 290 <335>; 56, 54 <78>; 65, 1 <55 f.>; 88, 203 <309 f.>) - die Diskussion über den rechtspolitisch sinnvollsten Weg geführt wird, ohne dass die Vorlagen daraus einen verfassungsrechtlich relevanten Ertrag ziehen können. Denn auch insoweit ist zunächst dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber die Entscheidung überantwortet, ob und auf welche Weise er Strafnormen möglichen gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen will.

c) Die Vorlagen zeigen auch unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 in ihrer Begründung keinen Bestand mehr haben kann, weder im Hinblick auf die angeführte Ungleichbehandlung zwischen Cannabis und Alkohol (aa) noch im Hinblick auf die unterschiedliche Praxis der Länder bei der Anwendung des § 31a BtMG (bb).

aa) Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit einer Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol bringen die Vorlagen keine rechtserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage vor, die die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen es diese Ungleichbehandlung als gerechtfertigt angesehen hat, erschüttern und das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft entfallen lassen könnten (vgl. BVerfGE 33, 199 <203 f.>; 39, 169 <181 f.>; 78, 38 <48>; 87, 341 <346>; 94, 315 <322 f.>; 128, 326 <365>).

(1) Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 9. März 1994 die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zu Art. 3 Abs. 1 GG entfaltet, wonach der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 90, 145 <195 f.>). Dabei ist es grundsätzlich Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will, solange er die Auswahl sachgerecht trifft (vgl. BVerfGE 90, 145 <196> mit Verweis auf BVerfGE 53, 313 <329>). Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich - auch das hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 9. März 1994 betont - nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur stets in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt werden soll (vgl. BVerfGE 90, 145 <196> mit Verweis auf BVerfGE 17, 122 <130>; 75, 108 <157>). Ausgehend von diesen Maßstäben hat es das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich zulässig erachtet, im Sachbereich des Betäubungsmittelstrafrechts anzunehmen, dass für die unterschiedliche Regelung des Umgangs mit Cannabisprodukten einerseits und mit Alkohol und Nikotin andererseits Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorhanden sind, die die unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Betroffenen rechtfertigen. Unter anderem hat der Senat darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber den Genuss von Alkohol wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland und im europäischen Kulturkreis nicht effektiv unterbinden könne (vgl. BVerfGE 90, 145 <197>).

(2) Die Argumentation der Vorlagen, Alkoholkonsum sei weit gefährlicher und schädlicher als Cannabiskonsum und daher seien Cannabis und Alkohol keine „potentiell gleich gefährlichen Drogen“, genügt den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht. Soweit die Vorlagen einen Gefährlichkeits- und Schädlichkeitsvergleich bemühen, verkennen sie, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Maß der Gesundheitsgefährdung nicht das einzig maßgebliche Kriterium für die Aufnahme eines Stoffs in die Positivliste bildet (vgl. BVerfGE 90, 145 <196>). Der Zweite Senat ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Missbrauch von Alkohol Gefahren sowohl für den Einzelnen wie auch die Allgemeinheit mit sich bringt, die denen des Konsums von Cannabisprodukten gleichkommen oder sie sogar übertreffen (vgl. BVerfGE 90, 145 <197>). Gleichwohl hat er es nicht als durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten angesehen, auf das Verbot des Rauschmittels Cannabis zu verzichten, weil der Genuss von Alkohol nicht effektiv unterbunden werden könne (vgl. BVerfGE 90, 145 <197>). Damit setzen die Vorlagen sich nicht hinreichend auseinander; insbesondere genügt der bloße Hinweis auf angeblich geänderte kulturelle Gewohnheiten in Bezug auf Cannabis hierfür nicht.

bb) Der Vortrag der Vorlagen zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Rechtsanwendungspraxis bei der Anwendung des § 31a BtMG genügt ebenfalls nicht den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. März 1994 angemahnt, dass es bedenklich wäre, wenn es nach Inkrafttreten des § 31a BtMG bei einer so stark unterschiedlichen Einstellungspraxis in den verschiedenen Ländern bliebe, wie sie für die Jahre 1985 bis 1987 festgestellt worden sei, und hat die Länder in die Pflicht genommen, insbesondere hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der geringen Menge und bei der Behandlung von Wiederholungstätern für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen (vgl. BVerfGE 90, 145 <190> mit Verweis auf BVerfGE 11, 6 <18>; 76, 1 <77>). Soweit die Vorlagen in der unterschiedlichen Rechtsanwendungspraxis neue entscheidungserhebliche Tatsachen sehen, die zur Zulässigkeit der hilfsweise vorgelegten Frage der Verfassungswidrigkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG in der Alternative des Erwerbens von Cannabis und des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, jeweils in Verbindung mit Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG, führen, trifft dies zwar im Ausgangspunkt zu. Jedoch setzen sich die Vorlagen insoweit nicht mit den Erwägungen des Senats zu einer Verletzung des Übermaßverbots durch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG a.F. und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG a.F. auseinander (vgl. BVerfGE 90, 145 <187 ff.>). Vielmehr machen sie einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG geltend und verkennen dabei, dass - ihrer Argumentation folgend - dieser Verstoß nicht in der Rechtssetzung, sondern in der Rechtsanwendung liegt. Die vorlegenden Gerichte lassen außer Betracht, dass eine - an sich nicht zu beanstandende - gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, grundsätzlich nur dann selbst das Grundgesetz verletzt, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen ist, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist (vgl. BVerfGE 133, 168 <233 Rn. 118>; 140, 1 <25 Rn. 68>; 145, 20 <79 Rn. 151>; 149, 346 <372 f. Rn. 61>; 150, 1 <153 Rn. 329>). Eine solche Konstellation zeigen die Vorlagen nicht auf.

d) Eine Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips aus Art. 103 Abs. 2 GG, insbesondere in der Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, zeigen die Vorlagen ebenfalls nicht in einer den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise auf, denn sie gehen von einem fehlerhaften Verständnis von dessen Inhalt und Reichweite aus.

aa) Die Vorlagen sehen den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG darin, dass der Gesetzgeber keine Schwellenwerte für den Begriff der geringen Menge in § 31a Abs. 1 Satz 1 BtMG festgelegt hat. Das Amtsgericht Pasewalk bezieht zusätzlich den Begriff der nicht geringen Menge in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in die Argumentation ein. Weil die Rechtsanwendungspraxis bei der Abgrenzung der Mengenbegriffe von unterschiedlichen Parametern ausgehe (Nettogewicht einerseits, Wirkstoffgehalt andererseits), sei nicht vorhersehbar, wann die Gefahr einer Bestrafung nach welcher Vorschrift bestehe.

bb) Dies genügt den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erneut nicht, weil sich die Vorlagen nicht in der gebotenen Weise mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab und der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetzlichkeitsprinzip und dessen Ausprägung als Bestimmtheitsgebot auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 136, 127 <142 Rn. 45, 145 ff. Rn. 53 ff.>; 141, 1 <11 Rn. 23>; 159, 149 <171 Rn. 59>). Die vorlegenden Gerichte verkennen, dass gegen die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln im Strafrecht jedenfalls dann keine Bedenken bestehen, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerfGE 126, 170 <196 f.>; 143, 38 <55 Rn. 41>; 153, 310 <341 Rn. 77>; 160, 284 <319 Rn. 95>). Dies ist bei den Mengenbegriffen des Betäubungsmittelstrafrechts der Fall. Sie haben durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung Konturierung erfahren, womit die Rechtsprechung ihrer besonderen Verpflichtung, an der Erkennbarkeit der Voraussetzungen der Strafbarkeit mitzuwirken (vgl. BVerfGE 160, 284 <321 f. Rn. 98>), nachgekommen ist. Soweit sich die Vorlagen inhaltlich gegen die Rechtsanwendungspraxis zur Ausfüllung der Mengenbegriffe wenden, verkennen sie, dass es auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, seine Auffassung von der zutreffenden oder überzeugenderen Auslegung des einfachen Rechts an die Stelle derjenigen der Fachgerichte zu setzen (vgl. BVerfGK 2, 174 <175>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Dezember 2000 - 2 BvR 1290/99 -, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2021 - 2 BvR 972/21 -, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2022 - 2 BvR 1404/20 -, Rn. 44).

e) Die Vorlage 2 BvL 7/21 des Amtsgerichts Bernau bei Berlin ist auch insoweit unzulässig, als das vorlegende Gericht die „Strafvorschrift[en] des § 29 Abs. 1 [Satz 1] Nr. 1, Abs. 3 [Satz 2] Nr. 1 BtMG in Verbindung mit der Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1, [§§] 73c, 73d StGB bei Jugendlichen und Heranwachsenden“ zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung stellt, weil sie den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG in diesem Punkt ebenfalls nicht genügt.

aa) Soweit die Vorlage die zwingende - das heißt nicht im Ermessen des Richters stehende - Anwendbarkeit des hier maßgeblichen § 73c Satz 1 StGB im Jugendstrafverfahren zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung stellt, unterscheidet sie argumentativ nicht zwischen einem noch bereicherten und einem entreicherten Täter. Außerdem ist der Blick des vorlegenden Gerichts auf die Anordnung der Maßnahme verengt, weil es sich nicht damit auseinandersetzt, dass es der Gesetzgeber der Vollstreckungsbehörde durch § 459g Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 StPO aufgegeben hat, im Vollstreckungsverfahren die Verhältnismäßigkeit der Einziehung im Blick zu behalten.

bb) Der Vortrag des Amtsgerichts, § 73c Satz 1 StGB verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 GG, genügt den Darlegungsanforderungen zudem deshalb nicht, weil das Gericht die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Ausgangspunkt seiner Argumentation macht, wonach die Einziehung von Taterträgen oder deren Wert nicht als Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern als eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter einzuordnen ist (vgl. BVerfGE 156, 354 <389 ff. Rn. 106 ff.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 874

Bearbeiter: Holger Mann