HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 989
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 708/18, Beschluss v. 20.09.2018, HRRS 2018 Nr. 989
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Sicherstellung und Auswertung von bei ihm im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen technischen Geräten und Datenträgern.
1. Im November 2017 erhielt die Polizei von einem Mitarbeiter der Betreibergesellschaft des Internetportals „www.poppen.de“ den Hinweis, dass ein Mitglied des Portals sich unter dem Pseudonym „O.“ mit anderen Mitgliedern in Chats über Sex vor und mit den eigenen minderjährigen Kindern unterhalte. Die entsprechenden Chat-Verläufe stellte der Hinweisgeber der Polizei zur Verfügung.
Danach kommunizierte unter dem genannten Pseudonym eine sich als „Paula“ vorstellende Person im November 2017 mit drei weiteren Mitgliedern des Internetportals „www.poppen.de“ und behauptete in drastischer Sprache zahlreiche sexuelle Handlungen vor und mit ihren minderjährigen Kindern und ein damit verbundenes besonderes Maß an sexueller Erregung. Bereits das Anschauen ihrer Kinder auf dem Wickeltisch habe sie als sexuell erregend empfunden. Gleiches gelte für Ihren Mann, wenn sie ihrer Tochter als kleines Mädchen Röckchen und weiße Kniestrümpfe angezogen habe.
2. Die Ermittlungen der Polizei ergaben, dass zu einer der von „O.“ genutzten dynamischen IP-Adressen bei dem Internetanbieter noch Daten gespeichert waren. Dieser ordnete sie dem Anschluss des Beschwerdeführers zu. Außerdem waren für die von „O.“ bei dem Portal „www.poppen.de“ angegebene E-Mail-Adresse bei dem E-Mail-Anbieter die Daten des Beschwerdeführers als Inhaberdaten hinterlegt. Über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers brachte die Polizei in Erfahrung, dass er und seine Ehefrau Eltern einer im Jahr 1986 geborenen Tochter sind, die Mutter von zwei Söhnen ist und mit ihrer Familie in derselben Stadt wohnt wie ihre Eltern.
3. Mit Beschluss vom 18. Januar 2018 ordnete das Amtsgericht auf der Grundlage von § 102 StPO die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Auffindung von PCs, sonstigen Kommunikationsmitteln und Datenträgern an, „welche den Chatverlauf und den Zugang zur Internetplattform ‚poppen.de‘ sowie Hinweise auf kinderpornographische bzw. sexuelle Handlungen zum Schaden Minderjähriger enthalten“. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der polizeilichen Ermittlungen verdächtig, Geschlechtsverkehr vor und mit Minderjährigen durchgeführt zu haben, was gemäß § 176a StGB mit Strafe bedroht sei.
4. Die Durchsuchungsanordnung wurde am 9. Februar 2018 im Wohnhaus des Beschwerdeführers vollzogen. Dabei wurden insgesamt 17 technische Geräte sichergestellt, unter anderem zwei Laptops, zwei Videokameras, zwei Smartphones sowie mehrere Datenträger wie externe Festplatten und USB-Sticks. Der Beschwerdeführer widersprach der Sicherstellung, woraufhin das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme der im Sicherstellungsprotokoll aufgeführten Gegenstände mit Beschluss vom 13. Februar 2018 bestätigte. Zur Begründung führte es aus, dass der Beschwerdeführer verdächtig sei, zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt in seiner Wohnung Geschlechtsverkehr vor beziehungsweise mit seiner damals elfjährigen Tochter ausgeübt zu haben.
5. Der Beschwerdeführer legte am 16. Februar 2018 Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung vom 18. Januar 2018 ein. Mit Schriftsatz vom 5. März 2018 begründete er die Beschwerde und erstreckte sie auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 13. Februar 2018. Er machte insbesondere geltend, dass es an einem Anfangsverdacht für die ihm vorgeworfene Tat fehle, und verwies insoweit auf eidesstattliche Versicherungen seiner Tochter, seiner Ehefrau und seines Schwiegersohns, die er bereits zuvor vorgelegt hatte. Seine Tochter hatte darin unter anderem angegeben, dass sie von ihrem Vater weder im Alter von elf Jahren an dessen Geburtstag im Jahr 1997 noch jemals davor oder danach sexuell belästigt, genötigt oder in unangemessener Weise angefasst oder gar vergewaltigt worden sei. Niemals habe es sexuelle Kontakte zwischen ihr und ihrem Vater gegeben. Der Beschwerdeführer machte weiter geltend, dass die angegriffenen Beschlüsse jedenfalls unverhältnismäßig seien. Vor einer Wohnungsdurchsuchung hätten die Ermittlungsbehörden unschwer zunächst seine Tochter zu den angeblichen Übergriffen befragen können. Zudem sei er als freier Journalist Berufsgeheimnisträger und auf den sichergestellten Datenträgern befänden sich Berichte über seine Tätigkeit für einen Landtagsabgeordneten, weswegen ein besonderer Schutz gelte.
6. Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 9. März 2018 nicht ab. Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, und führte unter anderem aus, dass angesichts des „extrem sexualisierten und pervertierten“ Wortlauts der Chats aufgrund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht bestehe, dass sich auf den beschlagnahmten Datenträgern verbotene Inhalte im Sinne von Kinderpornographie befänden.
7. Mit angegriffenem Beschluss vom 3. April 2018 stellte das Landgericht fest, dass die Durchsuchungsanordnung rechtswidrig sei, verwarf aber die Beschwerde gegen den die Sicherstellung bestätigenden Beschluss vom 13. Februar 2018.
Das Landgericht bejahte aufgrund der Chat-Korrespondenz einen Anfangsverdacht wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB in der im Jahr 1997 gültigen Fassung. Weiter ging das Landgericht von einem Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften aus. Zwar sei im Rahmen der bisher ausgewerteten Korrespondenz über das Portal „www.poppen.de“ nicht explizit über derartige Schriften kommuniziert worden; insbesondere seien dort solche Schriften weder angeboten noch sei über ihren Empfang gesprochen worden. Gleichwohl ergebe sich aufgrund kriminalistischer Erfahrung eine auf Tatsachen gründende Wahrscheinlichkeit, dass derartige Schriften vorhanden seien und bei einer Durchsuchung aufgefunden werden könnten.
Das Landgericht kam zu dem Schluss, dass die Durchsuchungsanordnung nur bezüglich des Tatvorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern den formalen Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss genüge, während der Tatvorwurf des Besitzes kinderpornographischer Schriften weder benannt noch hinreichend konkret umschrieben werde. Im Hinblick auf den deshalb allein maßgeblichen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern sei der mit der Durchsuchung verbundene Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 13 GG allerdings unverhältnismäßig. Denn die in Rede stehende Tat liege gut 20 Jahre zurück, so dass heute keine Nachweise mehr aufzufinden sein dürften. Es komme hinzu, dass als milderes Mittel eine Vernehmung der Tochter des Beschwerdeführers in Betracht gekommen wäre.
Die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme lägen hingegen vor. Den bei dem Beschwerdeführer aufgefundenen Gegenständen komme angesichts des bestehenden Tatverdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften potenzielle Beweisbedeutung zu. Die rechtswidrige Durchsuchungsanordnung führe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, da der Richtervorbehalt beachtet worden sei und der Anordnung keine schwerwiegende Rechtsverletzung zugrunde liege. Es könne darauf abgestellt werden, dass die beschlagnahmten Beweismittel auch bei einem hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlauf gewonnen worden wären. Die journalistische Tätigkeit des Beschwerdeführers begründe kein Beschlagnahmeverbot, da er selbst Tatverdächtiger sei. Eine mögliche Beschlagnahmefreiheit aufgrund seiner Tätigkeit als Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten erstrecke sich allenfalls auf einzelne Inhalte, was bei der Auswertung der Datenträger zu berücksichtigen sei.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer den Beschluss des Landgerichts vom 3. April 2018 an und wendet sich konkret gegen die Bestätigung der Sicherstellung der bei ihm aufgefundenen Datenträger als Grundlage für deren Auswertung. Die Sicherstellung und Auswertung verletze ihn in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Wie bereits im fachgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer insbesondere geltend, dass es an ausreichenden Verdachtsmomenten gegen ihn fehle, die die Auswertung der aufgefundenen technischen Geräte und Datenträger rechtfertigen könnten. Die Polizei habe nicht festgestellt, wer die Chats geführt habe, sondern selbst die Möglichkeit erwogen, dass auch seine Ehefrau den Internetzugang genutzt oder ein Fremder sich in das Computersystem eingehackt haben könnte. Der Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern könne angesichts der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung seiner Tochter ohnehin längst als ausgeräumt gelten. Dementsprechend sei seine Tochter bis zum heutigen Tag nicht vernommen worden. Ein konkreter Anfangsverdacht für den Besitz von kinderpornographischen Schriften existiere nicht und erscheine an den Haaren herbeigezogen. Tatsächliche Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht benenne das Landgericht nicht. Soweit es sich auf kriminalistische Erfahrung stütze, erläutere es den vermeintlichen Erfahrungssatz nicht weiter. Letztlich solle die Auswertung erst dazu dienen, Belege für den zunächst nicht erhobenen Vorwurf des Besitzes kinderpornographischer Schriften aufzufinden.
Weiter trägt der Beschwerdeführer vor, dass sich auf den sichergestellten Datenträgern Daten aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit als freier Journalist und aus der Pressearbeit für einen Landtagsabgeordneten sowie wichtige private Daten befänden, auch solche seiner Ehefrau. Das Erstellen einer Datenkopie sei ihm jedoch von der Polizei verweigert worden.
Auf Antrag des Beschwerdeführers hat die Kammer am 25. April 2018 eine einstweilige Anordnung gemäß § 32 BVerfGG erlassen und der Staatsanwaltschaft bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, untersagt, die im Rahmen der Durchsuchung des Wohnhauses des Beschwerdeführers am 9. Februar 2018 sichergestellten Gegenstände und Daten auszuwerten oder sonst zu verwerten.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Stellung genommen. Er hält die Verfassungsbeschwerde für nicht Erfolg versprechend. Sie sei bereits unzulässig, weil sie nicht den Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genüge, jedenfalls aber unbegründet. Bei der Prüfung der Beschlagnahmevoraussetzungen habe das Landgericht seinen fachgerichtlichen Wertungsrahmen nicht überschritten. Insbesondere habe es von einem Anfangsverdacht des Besitzes kinderpornographischer Schriften ausgehen dürfen. Die Angriffe des Beschwerdeführers gegen die Annahme eines entsprechenden Tatverdachts erschöpften sich im Ergebnis in dem Bemühen, die fachgerichtliche Würdigung durch seine eigene zu ersetzen. Damit könne er im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde nicht gehört werden, weil das Bundesverfassungsgericht nur die Verletzung von Verfassungsrecht beanstande. Für den Beschwerdeführer sei zudem hinreichend deutlich erkennbar gewesen, dass sich die Durchsuchung auch auf den Tatvorwurf des Besitzes kinderpornographischer Schriften bezogen habe. Denn aus der Durchsuchungsanordnung gehe hervor, dass sie unter anderem auf die Erlangung von Hinweisen auf kinderpornographische beziehungsweise sexuelle Handlungen zum Schaden Minderjähriger gerichtet gewesen sei.
Der Beschwerdeführer hat auf die Stellungnahme erwidert und dabei sein bisheriges Vorbringen vertieft. Ergänzend hat er geltend gemacht, dass ihm durch die Wegnahme nahezu aller technischen Geräte die Arbeitsgrundlage als freier Journalist entzogen worden sei.
Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft haben der Kammer vorgelegen.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil sie unbegründet ist.
Der Beschwerdeführer wendet sich im vorliegenden Fall gegen die vorläufige Sicherstellung von technischen Geräten und Daten zum Zwecke der Durchsicht nach § 110 StPO und deren Bestätigung (1.). Diese Maßnahme greift in den Schutzbereich seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein (2.). Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (3.). Auch im Übrigen sind Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt (4.).
1. Der mit dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 3. April 2018 für rechtmäßig befundene Bestätigungsbeschluss vom 13. Februar 2018 trifft keine endgültige Beschlagnahmeanordnung im Sinne von § 98 Abs. 1 StPO. Vielmehr handelt es sich um eine Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BVerfGK 1, 126 <134 m.w.N.>; 15, 225 <236 f.>), da im Wege der Durchsicht nach § 110 StPO erst ermittelt werden soll, ob auf den sichergestellten Geräten und Datenträgern Daten gespeichert sind, die als Beweismittel von Bedeutung sein können (vgl. § 94 Abs. 1, 2 StGB). Dem steht nicht entgegen, dass bereits mit dem Durchsuchungsbeschluss vom 18. Januar 2018 die Beschlagnahme von beispielhaft beschriebenen Beweismitteln angeordnet wurde. Eine solche vorab mit dem Durchsuchungsbeschluss verbundene „Beschlagnahmeanordnung“, die noch keine genaue Konkretisierung der erfassten Gegenstände, sondern nur eine gattungsmäßige Umschreibung enthält, stellt noch keine Beschlagnahmeanordnung im Sinne von § 98 Abs. 1 StPO dar, sondern lediglich eine Richtlinie für die Durchsuchung mit dem Ziel der Begrenzung des Durchsuchungsbeschlusses (vgl. BVerfGK 1, 126 <133>; 15, 225 <236>).
2. Die Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung greift in das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung ein. Das Sichtungsverfahren gemäß § 110 StPO wird zwar noch der Durchsuchung zugerechnet, ist jedoch angesichts der fortdauernden Besitzentziehung in seiner Wirkung für den Betroffenen der Beschlagnahme angenähert. Deshalb ist die mit einer Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht verbundene Belastung durch die Entziehung des Besitzes an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen und, sofern Daten betroffen sind, am Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, während Art. 13 Abs. 1 GG nicht mehr tangiert wird (vgl. BVerfGE 113, 29 <45 f.>; 124, 43 <57>; BVerfGK 1, 126 <133>). Die Sichtung der bei dem Beschwerdeführer aufgefundenen Datenträger und der darauf befindlichen Daten greift in das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung ein, weil dieses Recht die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 142, 234 <251 Rn. 30 m.w.N.>; stRspr).
3. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Rechtsgrundlage für die vorläufige Sicherstellung der technischen Geräte des Beschwerdeführers und der darauf gespeicherten Daten zum Zwecke der Durchsicht ist § 110 StPO. Da das Verfahren im Stadium der Durchsicht noch einen Teil der Durchsuchung nach § 102 StPO oder § 103 StPO bildet, kommt es für die Rechtmäßigkeit der richterlichen Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchung im Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Sind diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Durchsicht dagegen nicht mehr gegeben, dann ist auch die Durchsicht als Teil der Durchsuchung nicht mehr zulässig (vgl. BVerfGK 15, 225 <237 m.w.N.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 2008 - 2 BvR 1111/08 -, juris, Rn. 5). Es muss also weiterhin ein Anfangsverdacht bestehen und die Durchsicht zur Auffindung von Beweismitteln geeignet und verhältnismäßig sein. Ungeeignet ist die Durchsicht insbesondere, wenn Beweismittel aufgespürt werden sollen, die einem Beschlagnahmeverbot oder einem sonstigen Verwertungsverbot unterliegen.
Die Anwendung des § 110 StPO durch das Landgericht verstößt im vorliegenden Fall nicht gegen Verfassungsrecht. Im Ergebnis begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Landgericht einen Anfangsverdacht des Besitzes kinderpornographischer Schriften gegen den Beschwerdeführer bejaht (a), ein Beweisverwertungsverbot trotz der rechtswidrigen Durchsuchungsanordnung verneint (b) und die Durchsicht nicht aufgrund von Beschlagnahmeverboten aus § 97 StPO für unzulässig gehalten hat (c). Substantielle Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bringt der Beschwerdeführer nicht vor (d).
a) aa) Voraussetzung einer jeden Durchsuchung und damit auch der Durchsicht nach § 110 StPO ist der Verdacht, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 2014 - 2 BvR 969/14 -, juris, Rn. 38). Durchsuchung und Durchsicht dürfen nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2014 - 2 BvR 200/14 -, juris, Rn. 15). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende Gründe für eine Durchsuchung beziehungsweise Durchsicht nicht finden lassen (vgl. BVerfGE 59, 95 <97>).
Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. Sein Eingreifen ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>; 115, 166 <199>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2014 - 2 BvR 200/14 -, juris, Rn. 15).
bb) Die Annahme eines Anfangsverdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften ist jedenfalls nicht willkürlich und beruht nicht auf einer Verkennung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
(1) Als Erkenntnisquellen standen dem Landgericht drei Chat-Verläufe vom 2., 8. und 12. November 2017 sowie die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen zu der sich hinter dem Pseudonym „O.“ verbergenden Person zur Verfügung. Mit den Inhalten der Chats hat sich das Landgericht in seiner Entscheidung eingehend auseinandergesetzt und sie zum Teil wörtlich wiedergegeben. Erkennbar beruht seine Bewertung auf den Chat-Inhalten.
(2) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf dieser Tatsachengrundlage den Beschwerdeführer als möglichen Urheber der Chat-Korrespondenz unter dem Benutzernamen „O.“ angesehen hat. Die von „O.“ zuletzt genutzte dynamische IP-Adresse, zu der noch Daten vorhanden waren, ist durch den Internetprovider dem Anschluss des Beschwerdeführers zugeordnet worden. Darüber hinaus waren für die von „O.“ bei dem Portal „www.poppen.de“ angegebene E-Mail-Adresse bei dem E-Mail-Anbieter die Daten des Beschwerdeführers als Inhaberdaten hinterlegt. Dass sich „O.“ als „Paula“ ausgab, heißt zudem nicht, dass sich hinter „Paula“ zwingend nur eine weibliche Person verbergen muss.
(3) Die von „O.“ in den Chats getätigten Äußerungen lassen ein sexuelles Interesse des Verfassers an Kindern (vgl. § 19, § 176 Abs. 1 StGB) und Jugendlichen (vgl. § 1 Abs. 2 JGG, § 184c Abs. 1 Nr. 1 StGB) augenscheinlich werden. So berichtet „O.“ alias „Paula“, dass die „kids“ sie schon auf dem Wickeltisch „geil gemacht“ hätten und dass es sie aufgegeilt habe, als sie ihren Ehemann beim Geschlechtsverkehr mit ihrer 11-jährigen Tochter überrascht habe. Diesen habe es sexuell erregt, wenn sie ihrer Tochter als kleines Mädchen Röckchen und weiße Kniestrümpfe angezogen habe. Darüber hinaus werden sexuelle Handlungen des Ehepaares mit und vor ihren Kindern, beginnend in einem Alter von 11 Jahren, beschrieben.
Zwar schildert „O.“ möglicherweise keine tatsächlichen Geschehnisse, sondern sexuelle Phantasien, diese aber in sehr bildhafter und auch drastischer Sprache. Es erregt den Verfasser offenkundig, sich Kinder und Jugendliche in den beschriebenen Posen und bei den beschriebenen sexuellen Handlungen vorzustellen oder sie in solchen Posen und bei solchen Handlungen zu betrachten. Kinder- und jugendpornographisches Material zur Befriedigung dieser Neigung ist im Internet auch leicht und anonym zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund durfte es das Landgericht unter Heranziehung von kriminalistischer Erfahrung für möglich halten, dass der Verfasser der Chats strafbares kinderpornographisches Material zur Befriedigung seiner sexuellen Neigung besitzt, auch wenn in den Chats nicht über die Anfertigung, den Austausch oder den Besitz von kinderpornographischem Material gesprochen wird. Der angenommene Verdacht beruht auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage und stellt sich daher nicht als bloße Vermutung dar.
(4) Das Landgericht leitet den Anfangsverdacht dabei auch nicht in unzulässiger Weise allein aus legalem Verhalten her.
Steht fest, dass eine Straftat begangen wurde, kann aus einem legalen Verhalten einer Person wie beispielsweise dem Erwerb eines Messers ohne Weiteres auf einen Anfangsverdacht geschlossen werden (vgl. Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 152 Rn. 4a; Hoven, in: Fischer/Hoven, Verdacht, 1. Aufl. 2016, S. 117 <121 und 132>). Anders zu beurteilen sind Fälle wie der vorliegende, in denen eine konkrete Straftat noch nicht bekannt ist, bestimmte legale Handlungen einer Person es jedoch nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheinen lassen, dass sich die Person strafbar gemacht hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann in solchen Fällen ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden, wenn weitere Anhaltspunkte hinzutreten (vgl. BVerfGK 5, 84 <90>; 8, 332 <336>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1994 - 2 BvR 396/94 -, juris, Rn. 16-19; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 2014 - 2 BvR 969/14 -, juris, Rn. 38; siehe dazu auch LG Regensburg, Beschluss vom 10. Oktober 2014 - 2 Qs 41/14 -, BeckRS 2014, 100231, Rn. 17; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 152 Rn. 4a; Jahn, in: Fischer/Hoven, Verdacht, 1. Aufl. 2016, S. 147 <157>; Hoven, NStZ 2014, S. 361 <365 ff.>).
Zwar erfüllen die vorliegenden Chats keinen Straftatbestand. Es ist nicht strafbar, in Internet-Foren Texte wie die hier in Rede stehenden zu verbreiten. Allerdings kommt hinzu, dass „O.“ seinen Chatpartnern ganz offen von schweren Straftaten wie dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB und dem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 StGB berichtet. Auch wenn es sich möglicherweise um bloße Phantasien handelt, macht der Verfasser deutlich, dass ihn insbesondere auch strafbares Verhalten an und mit Kindern wie der Geschlechtsverkehr eines erwachsenen Mannes mit seiner 11-jährigen Tochter sexuell erregt. Angesichts dieses zusätzlichen Umstands begegnet die Annahme eines Anfangsverdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
(5) Gleichfalls ist es unbedenklich, dass erstmals in der Beschwerdeentscheidung auf den Verdacht nach § 184b Abs. 3 StGB abgehoben wurde, um die Durchsicht nach § 110 StPO zu rechtfertigen. Denn das Beschwerdegericht tritt grundsätzlich an die Stelle des Erstgerichts und trifft eine eigene Sachentscheidung. Im Fall einer zulässigen Beschwerde hat es eine umfassende eigene tatsächliche und rechtliche Prüfung der angefochtenen Entscheidung vorzunehmen (vgl. Neuheuser, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 309 Rn. 12; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 309 Rn. 3). Die Prüfungskompetenz des Landgerichts war hier insbesondere nicht durch den Richtervorbehalt in Art. 13 Abs. 2 GG eingeschränkt (vgl. dazu Neuheuser, a.a.O., § 309 Rn. 14 f.), da Art. 13 GG von der Sicherstellung zur Durchsicht nicht mehr berührt wird. Unschädlich ist es schließlich, dass das Landgericht den Tatbestand des Besitzes kinderpornographischer Schriften irrtümlich in § 184b Abs. 1 StGB anstatt in § 184b Abs. 3 StGB verortet hat.
b) Das Landgericht hat das Bestehen eines der Durchsicht entgegenstehenden Beweisverwertungsverbots nicht unter Verletzung von Verfassungsrecht verneint.
aa) Zu Recht hat das Landgericht die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung vom 18. Januar 2018 festgestellt. Zudem genügte die Durchsuchungsanordnung entgegen seiner Ansicht auch im Hinblick auf den Vorwurf des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht ihrer verfassungsrechtlich gebotenen Begrenzungsfunktion, da der Tatvorwurf weder zeitlich noch in Bezug auf das Opfer eingeschränkt wurde.
bb) Aus der bloßen Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung folgt aber nicht ohne Weiteres ein Beweisverwertungsverbot (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2000 - 2 BvR 1990/96 -, juris, Rn. 8; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 -, juris, Rn. 15 m.w.N.). Insoweit gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris, Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 -, juris, Rn. 16 m.w.N.). Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt dabei in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, so dass ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts nur gerechtfertigt ist, wenn Verfassungsrecht verletzt wurde (vgl. BVerfGK 4, 283 <285>; 9, 174 <196>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, juris, Rn. 9 m.w.N.).
cc) Die Bewertung des Landgerichts, es liege keine schwerwiegende Rechtsverletzung vor, die durch eine grobe Verkennung der Rechtslage geprägt sei, weshalb darauf abgestellt werden könne, ob die betreffenden Beweismittel auch bei einem hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlauf hätten gewonnen werden können, erscheint danach vertretbar und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Februar 1989 - 2 StR 402/88 -, juris, Rn. 43). Der Beschwerdeführer setzt sich insofern weder mit der angegriffenen Entscheidung noch mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben auseinander und zeigt nicht auf, warum ein Beweisverwertungsverbot verfassungsrechtlich zwingend sein soll.
c) Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht das Bestehen eines Beschlagnahmeverbots gemäß § 97 Abs. 5 StPO aufgrund der journalistischen Tätigkeit des Beschwerdeführers verneint. Der Beschwerdeführer verkennt, dass § 97 StPO auf selbst beschuldigte Zeugnisverweigerungsberechtigte regelmäßig nicht anwendbar ist (vgl. BVerfGE 117, 244 <262 m.w.N.>; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 97 Rn. 4 m.w.N.). Eine Beschlagnahmefreiheit gemäß § 97 Abs. 4 Sätze 1, 2 StPO in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 53a Abs. 1 Satz 1 StPO kommt hier zwar grundsätzlich in Betracht, worauf das Landgericht auch hinweist. Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers geht jedoch bereits nicht hervor, dass einzelne Daten die nach diesen Vorschriften erforderlichen Voraussetzungen für ein solches Beschlagnahmeverbot erfüllen könnten.
d) Substantielle Einwände gegen die Verhältnismäßigkeit der vorläufigen Sicherstellung zur Durchsicht bringt der Beschwerdeführer nicht vor. Was den Umfang der Maßnahme betrifft, legt er schon nicht dar, dass und anhand welcher Kriterien eine Eingrenzung der Sicherstellung hätte erfolgen können (vgl. insofern BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 2014 - 2 BvR 969/14 -, juris, Rn. 45). Soweit er geltend macht, das Erstellen einer Datenkopie sei ihm verweigert worden, teilt er nicht mit, auf welche konkreten Daten er zu welchem Zweck angewiesen ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass mit einer Auswertung bislang allein aufgrund von Rechtsbehelfen des Beschwerdeführers nicht begonnen wurde. Die von der Staatsanwaltschaft ausweislich der Ermittlungsakte auf vier Wochen bezifferte voraussichtliche Dauer der Auswertung erscheint angesichts des Umfangs der Sicherstellung auch nicht unangemessen.
4. Andere Grundrechte des Beschwerdeführers sind nicht verletzt. Der mit dem Besitzentzug infolge der vorläufigen Sicherstellung verbundene Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG ist aus den genannten Gründen ebenso gerechtfertigt wie der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Art. 13 Abs. 1 GG ist, wie bereits dargelegt, nicht einschlägig. Gleiches gilt für Art. 12 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann den strafprozessualen Eingriffsnormen des Ersten Buchs 8. Abschnitt der Strafprozessordnung und den darauf gestützten Maßnahmen keine berufsregelnde Tendenz entnommen werden, da sie unterschiedslos sämtliche Beschuldigte strafrechtlicher Vorwürfe betreffen (vgl. BVerfGE 113, 29 <48>; 129, 208 <266 f.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 989
Bearbeiter: Holger Mann