HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 558
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2294/18, Beschluss v. 27.03.2019, HRRS 2019 Nr. 558
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zulässigkeit einer mit vollständiger Entkleidung und körperlicher Inspektion verbundenen Durchsuchung des strafgefangenen Beschwerdeführers nach einem Kontakt mit Besuchern.
1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Am 6. Juni und am 2. August 2017 erhielt er jeweils Familienbesuch in der Cafeteria der Justizvollzugsanstalt. Während der Besuche befanden sich zwei bis drei Vollzugsbeamte in dem Besuchsraum, der mit insgesamt vier Videokameras und einem Rundspiegel zur besseren Einsehbarkeit versehen war. Die für Besuchsgespräche vorgesehenen sieben Tische wiesen eine durchsichtige Tischplatte aus Glas auf. Die Besucher der Anstalt wurden vor Eintritt in die Justizvollzugsanstalt mit einem Metalldetektor überprüft und waren zudem der Möglichkeit unangekündigter Kontrollen mit Betäubungsmittel-Spürhunden ausgesetzt.
Nach den Besuchen wurde der Beschwerdeführer unter vollständiger Entkleidung körperlich durchsucht, wobei auch seine ansonsten verdeckten Körperöffnungen inspiziert wurden. Den körperlichen Durchsuchungen lag ausweislich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt im fachgerichtlichen Verfahren jeweils eine auf Art. 91 Abs. 3 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG) gestützte und als „Genehmigung“ bezeichnete allgemeine Anordnung des Anstaltsleiters zugrunde. Die für die in Frage stehenden Besuchstage geltenden Anordnungen sahen vor, dass „an jedem 5. Gefangenen und Sicherungsverwahrten nach der Vorführung (Art. 91 BayStVollzG) zum Besuch, Rechtsanwalt, Notar, Polizei u.a. eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen [sei], soweit nicht die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs fern liegt.“ Zudem bezeichnete die Anordnung beispielhaft Konstellationen, in denen ein Missbrauch des Besuchs „insbesondere“ fernliegen könne, etwa Besuche durch eine Amtsperson unter Verwendung einer Trennvorrichtung, wenn der Gefangene beziehungsweise Sicherungsverwahrte unmittelbar nach dem Besuch in das Unterkunftsgebäude verbracht worden sei. Ausweislich eines Vermerks wurde im Falle der verfahrensgegenständlichen Besuche ein Missbrauch nicht als hinreichend fernliegend angesehen, um von der Durchsuchung absehen zu können.
2. Der Beschwerdeführer wandte sich am 2. Februar 2018 mit einem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen gerichteten Antrag an das Landgericht Regensburg. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass es bei Haftbesuchen ihn betreffend nie zu Beanstandungen seitens der Anstaltsleitung gekommen sei und er daher für den sogenannten „Cafeteria-Besuch“ zugelassen sei. Dies sei die am stärksten gelockerte Besuchsform. Auch die zugelassenen Besucher (Mutter, Stiefvater, Verlobte und die zwei Kinder des Beschwerdeführers) seien bisher nicht mit Regelverstößen aufgefallen. Die Durchsuchungen, die er als entwürdigend empfunden habe, seien willkürlich erfolgt und hätten ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.
Im weiteren Verfahrensverlauf ergänzte er, dass sich die Durchsuchung auch nicht damit begründen lasse, dass er Betäubungsmittel konsumiert habe und daher die Gefahr bestehe, dass der Besuch diese für ihn in die Justizvollzugsanstalt einschmuggele. Denn sein letztmaliger Konsum habe im Jahr 2008 stattgefunden. Dies wisse die Justizvollzugsanstalt auch, weil alle von ihr durchgeführten Urinproben negativ gewesen seien. Daher bestehe nur eine abstrakte Missbrauchsgefahr, der mit milderen, gleich effektiven Mitteln, etwa dem Einsatz von Betäubungsmittel-Spürhunden und der Überwachung im Besucherraum, begegnet werden könne. Der Gefahr, dass Handys und Waffen in die Justizvollzugsanstalt eingebracht würden, werde ohnehin bereits dadurch begegnet, dass nicht nur die Besucher, sondern auch die Gefangenen vor und nach Besuchen mittels Metalldetektoren kontrolliert würden.
3. Die Justizvollzugsanstalt nahm im Verfahren zu dem Antrag des Beschwerdeführers Stellung. Er sei unbegründet, da die erfolgten Durchsuchungen rechtmäßig auf Grundlage von Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG erfolgt seien. Nach dieser Vorschrift bedürfe es für die allgemeine Anordnung von mit einer vollständigen Entkleidung verbundenen Untersuchungen nach Gefangenenbesuchen lediglich einer abstrakten Gefahr. Es müsse nicht konkret nachgewiesen werden, dass der Kontakt mit Besuchern zum Einschmuggeln von Gegenständen, insbesondere Drogen, Handys, Bargeld oder Waffen missbraucht werden könne. Die abstrakte Möglichkeit hierzu habe bestanden. Zu Recht sei von den Bediensteten auch verneint worden, dass ein Missbrauch des Besuchs ferngelegen habe. Der Beschwerdeführer habe in Freiheit Betäubungsmittel konsumiert, bei ihm sei eine dissoziale Persönlichkeitsstörung geringen Ausprägungsgrades diagnostiziert worden, und er verbüße eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen eines „unter Alkoholeinfluss begangenen massiven Sexualdelikts“, wobei gegen ihn Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei. Auch weise sein Bundeszentralregisterauszug „zahlreiche Einträge wegen Gewalt-, Sexual- und Drogendelikten auf“. Wer die Hemmschwelle zu derartigen Delikten überwinde, dem sei auch zuzutrauen, dass er die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährde. Selbst wenn weder der Beschwerdeführer noch dessen Familienangehörige in Verdacht stünden, dem Schmuggel verbotener Gegenstände zuzuneigen, sei die Durchsuchung rechtmäßig erfolgt, denn gerade bisher unauffällige Personen könnten durch Angehörige krimineller Netzwerke unter Druck gesetzt werden.
4. Mit Beschluss vom 8. Juni 2018 stellte das Landgericht Regensburg hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Durchsuchungen fest, dass diese rechtswidrig gewesen seien. Die Justizvollzugsanstalt Straubing habe die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung nicht hinreichend beachtet (unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris). Diese sei auf die vorliegende Konstellation anwendbar und verlange, dass die Anstaltsleitung ermessensfehlerfrei über die Frage entscheide, ob in der Person des Beschwerdeführers die Gefahr eines Missbrauchs des Besuchs fernliege. Dies habe sie nicht getan, sondern stattdessen den Umstand in ihre Ermessenserwägung eingestellt, dass die bislang unauffälligen Besucher des Antragstellers durch Angehörige krimineller Netzwerke unter Druck gesetzt werden könnten, gefährliche Gegenstände in die Anstalt einzubringen. Diese Erwägung sei sachfremd, da mit ihr in jedem Einzelfall die Gefahr eines Missbrauchs begründet werden könne. Zudem lasse die Ermessensentscheidung auch nicht erkennen, dass etwaiges Verhalten des Antragstellers bei früheren Besuchen in die Ermessensentscheidung eingeflossen sei. Gleiches gelte für das Verhalten des Beschwerdeführers im Vollzug. Indes sei dessen früherer Betäubungsmittelkonsum berücksichtigt worden, ohne dass erkennbar sei, inwiefern in die Abwägung eingestellt worden sei, dass der letzte Konsum zeitlich weit zurückliege.
5. Auf die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt hin hob das Oberlandesgericht Nürnberg den Beschluss des Landgerichts vom 8. Juni 2018 mit angegriffenem Beschluss vom 5. September 2018 auf und wies den ursprünglichen Feststellungsantrag des Beschwerdeführers als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte der Senat aus, das Landgericht habe verkannt, dass jeder Besuch eines Gefangenen - gerade in einem Gefängnis mit höchster Sicherheitsstufe wie der Justizvollzugsanstalt Straubing - eine abstrakt gefährliche Situation darstelle. Demzufolge sei die Anstalt befugt, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Durchsuchung des Gefangenen mit vollständiger Entkleidung nach einem Besuch müssten entgegen der Ansicht des Landgerichts weder in der Person des Gefangenen noch hinsichtlich der sonstigen äußeren Umstände, unter denen der Besuch stattgefunden habe, im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die einen Missbrauch vermuten ließen. Vielmehr genüge die abstrakte Gefahr des Einbringens von Betäubungsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen, die nur dann nicht bestehe, wenn objektive Umstände vorlägen, die einen Missbrauch insgesamt nahezu ausschlössen.
Wenn - wie vorliegend - in der Besuchscafeteria parallel mehrere Besuche durchgeführt würden und daher nicht nur der Beschwerdeführer und sein Besuch, sondern auch weitere Personen anwesend seien, bei denen ein Missbrauch nicht fernliege, könne es weder nur auf die Person des Beschwerdeführers noch auf dessen Besuch ankommen. Insoweit könnten auch die Erwägungen, dass alle Besuche des zu beurteilenden Strafgefangenen bislang beanstandungsfrei verlaufen seien, er zum Besuch in der Cafeteria zugelassen sei und auch seine Besucher bislang keinen Grund zur Beanstandung gegeben hätten, für sich allein nicht dazu führen, dass von einer Durchsuchung des Gefangenen abzusehen sei. Vielmehr müssten hinsichtlich eines konkreten Besuchs objektive Umstände bezogen auf die Art und Weise des durchgeführten Besuchs und die einzelnen Besucher vorliegen, die einen Missbrauch als fernliegend erscheinen ließen. Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn nur ein Besuch zeitgleich stattfinde und es sich bei dem Besucher um eine Person handele, bei der ein Missbrauch per se nahezu ausgeschlossen werden könne, wie etwa bei Ermittlungsbeamten, Seelsorgern, Sozialarbeitern oder Therapeuten, die als zuverlässig bekannt seien. Vergleichbare Umstände hätten in diesem Fall nicht vorgelegen.
6. Mit Beschluss vom 21. September 2018 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurück, mit der dieser im Wesentlichen vorgetragen hatte, das Oberlandesgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die „Nacktdurchsuchung“ erforderlich gewesen sei. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, der Senat habe das dahingehende Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Entscheidung gewürdigt.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 26. September 2018 rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG.
Im Wesentlichen wiederholt und vertieft er den Vortrag aus dem fachgerichtlichen Verfahren. Insbesondere sei nicht in Betracht gezogen worden, inwiefern mit den von ihm im fachgerichtlichen Verfahren benannten milderen Maßnahmen (z.B. Betäubungsmittel-Spürhunde, Überwachung des Besucherraums, Metalldetektoren) den Sicherheitsinteressen bereits Genüge getan werde. Insoweit sei sein Vortrag übergangen worden. Durch die Durchsuchungen sei in nicht gerechtfertigter Weise in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen worden.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt, da die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248 ff.>; BVerfGK 12, 189 <196>).
Sie ist unzulässig, weil sie den Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht genügt. Die genannten Vorschriften enthalten Mindestanforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde. So muss der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen werden (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 113, 29 <44>; 130, 1 <21>; stRspr). Aus der Verfassungsbeschwerde muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>).
1. a) Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts, hier des von der Justizvollzugsanstalt für die Maßnahme ausdrücklich herangezogenen Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG, sind grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, unterliegen aber der verfassungsgerichtlichen Prüfung daraufhin, ob sie die Grenze zur Willkür überschreiten oder die Bedeutung eines Grundrechts grundsätzlich verkennen (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 30, 173 <196 f.>; 57, 250 <272>; 74, 102 <127>; stRspr). Der fachgerichtliche Spielraum ist insbesondere dann überschritten, wenn das Gericht bei der Gesetzesauslegung und -anwendung in offensichtlich nicht zu rechtfertigender Weise den vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetzestext ausgedrückten Sinn des Gesetzes verfehlt (vgl. BVerfGE 86, 59 <64>) oder das zu berücksichtigende Grundrecht völlig unbeachtet gelassen hat (vgl. BVerfGE 59, 231 <268 f.>; 77, 240 <255 f.>).
Grundrechte dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes und nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden; dies gilt auch für Grundrechte von Gefangenen (vgl. BVerfGE 33, 1 <11>; 89, 315 <322 f.>). Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (vgl. BVerfGK 2, 102 <105>; 17, 9 <14>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. März 2015 - 2 BvR 746/13 -, juris, Rn. 33; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris, Rn. 29; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. April 2016 - 2 BvR 695/16 -, juris, Rn. 6). Dies gilt in besonderem Maße für Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise verdeckten Körperöffnungen verbunden sind (vgl. BVerfGK 17, 9 <14>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Juli 2013 - 2 BvR 2815/11 -, juris, Rn. 15; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris, Rn. 29). Wegen des besonderen Gewichts von Eingriffen, die den Intimbereich und das Schamgefühl des Inhaftierten berühren, hat der Inspizierte Anspruch auf besondere Rücksichtnahme (vgl. BVerfGK 17, 9 <16>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Juli 2013 - 2 BvR 2815/11 -, juris, Rn. 15; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris, Rn. 29).
Diese Wertung liegt auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde, die bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes maßgeblich zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 120, 180 <200 f.>; 128, 326 <370 f.>). Mit Entkleidungen und der Inspektion von Körperöffnungen verbundene Durchsuchungen können danach durch die Erfordernisse der Sicherheit und Ordnung der Haftanstalt gerechtfertigt sein; sie müssen aber in schonender Weise - unter anderem außerhalb möglichen Sichtkontakts anderer Gefangener oder unnötigerweise anwesenden Personals - und dürfen nicht anlasslos, routinemäßig und unabhängig von Verdachtsgründen durchgeführt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris, Rn. 30 m.w.N. zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).
b) Mit Rücksicht darauf hat der Landesgesetzgeber in Art. 91 BayStVollzG die Voraussetzungen für diesen Eingriff in differenzierter Weise geregelt und Durchsuchungen dieser Art in Art. 91 Abs. 2 und 3 BayStVollzG strengeren Voraussetzungen unterworfen als sonstige Durchsuchungen (vgl. Art. 91 Abs. 1 BayStVollzG; siehe zu der entsprechenden Regelung in § 84 StVollzG BT-Drucks 7/918, S. 137 f.). Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG ermächtigt den Anstaltsleiter, für drei vom Gesetz als typischerweise besonders gefahrenträchtig eingeschätzte Konstellationen (Aufnahme des Gefangenen, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt) aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt Durchsuchungen mit Entkleidung allgemein anzuordnen; dies soll insbesondere der Verhinderung des Drogenschmuggels dienen (vgl. Bayerischer Landtag, Drucks 15/8101, S. 68 mit Verweis auf die Regelung in § 84 StVollzG; vgl. dazu BT-Drucks 13/11016, S. 26).
Wie Einzelfallanordnungen gemäß Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG setzen auch Allgemeinanordnungen nach Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG bei am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichteter Auslegung voraus, dass die Verfügung der Anstaltsleitung erkennen lässt, dass von der generellen Anordnung der Durchsuchung abgewichen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Juli 2013 - 2 BvR 2815/11 -, juris, Rn. 15). Ein gerechter Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt ist nur zu erreichen, wenn den vollstreckenden Vollzugsbeamten durch den Wortlaut der Anordnung die Möglichkeit belassen wird, von ihr abzuweichen, wenn die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs durch den Gefangenen fernliegt oder ihr mit gleich geeigneten, milderen Mitteln begegnet werden kann. Jedenfalls in den Fällen, in denen für die handelnden Vollzugsbediensteten erkennbar ist oder mit praktikablem Aufwand erkennbar gemacht werden könnte, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Gefahr eines Missbrauchs des bewilligten Besuchs durch den Gefangenen fernliegt, gebührt dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Vorrang (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, juris, Rn. 36). Ohnedies obliegt es der Anstaltsleitung schon angesichts der besonderen Eingriffsintensität der damit verbundenen Maßnahmen, vor Erlass einer Allgemeinanordnung gemäß Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG zu prüfen, inwiefern sie ihrem Sicherheitsinteresse auch durch weniger eingreifende Maßnahmen hinreichend Rechnung tragen kann.
2. Die Darlegungen des Beschwerdeführers lassen nicht erkennen, dass die angegriffene Entscheidung Bedeutung und Tragweite seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkennt oder ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
a) Verfassungsrechtlich ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht nicht davon ausgegangen ist, dass - über den Wortlaut des Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG hinaus - konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Besuchs vorliegen müssen, um eine Durchsuchung auf Grundlage der generellen Anordnung grundrechtskonform durchführen zu können, sondern die abstrakte Gefahr etwa des Einbringens unerlaubter Gegenstände oder von Betäubungsmitteln nach einem Besuch im Regelfall ausreicht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Juli 2013 - 2 BvR 2815/11 -, juris, Rn. 20; BVerfGK 2, 102 <106>). Die der Durchsuchung zugrundeliegenden Allgemeinanordnungen sahen zudem - den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend - die Möglichkeit vor, dass im Einzelfall von ihnen abgewichen werden kann, wenn die Gefahr des Missbrauchs fernliegt.
Dass das Oberlandesgericht nach einer Auswertung der konkreten Umstände des Einzelfalls keine hinreichenden Gründe dafür gesehen hat, dass der Missbrauch im Fall der verfahrensgegenständlichen Besuche zwingend als fernliegend anzusehen gewesen wäre, bleibt ebenfalls ohne verfassungsgerichtliche Beanstandung. Das Oberlandesgericht hat insoweit nachvollziehbar angenommen, dass angesichts der Situation im Besuchsraum zur Zeit der verfahrensgegenständlichen Besuche das Fernliegen eines Missbrauchs im Falle des Beschwerdeführers durch die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt vertretbar verneint wurde. Die von der Justizvollzugsanstalt im Verfahren nachgeschobene weitere Erwägung, dass es durch die Anwesenheit von Personen, bei denen ein Missbrauch nicht fernlag, nicht allein auf die Person des Beschwerdeführers und auf dessen Besuch ankommen könne, weil der Beschwerdeführer etwa durch Nötigung durch andere Gefangene zum Einschmuggeln von Gegenständen bewegt werden könne, ist als Sicherheitserwägung nicht sachfremd, auch wenn die Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer damit eine belastende Maßnahme auferlegt, deren Ursache er selbst nicht gesetzt hat.
b) Auch die Rüge des Beschwerdeführers, weder die Justizvollzugsanstalt noch das Oberlandesgericht hätten sich damit auseinandergesetzt, ob in seinem Fall mildere Mittel, nämlich die von ihm benannten Betäubungsmittel-Spürhunde, die Überwachung des Besucherraums oder die Nutzung von Metalldetektoren, zur Verfügung gestanden hätten, dringt nicht durch.
Zum einen geht es dem Beschwerdeführer bei den von ihm benannten Maßnahmen nicht um alternative Maßnahmen, die die Justizvollzugsanstalt anstelle der körperlichen Durchsuchungen hätte ergreifen können oder müssen, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Denn die von ihm benannten Maßnahmen werden als begleitende Sicherheitsmaßnahmen von der Justizvollzugsanstalt ohnehin zusätzlich zu den Durchsuchungen der Gefangenen durchgeführt. Zum anderen hat sich das Oberlandesgericht der Sache nach mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, dass die vorhandenen Überwachungsmaßnahmen angesichts der von ihm und seinen Besuchern in der Vergangenheit unter Beweis gestellten Vertrauenswürdigkeit bereits ausreichten und die zusätzliche Durchsuchung schon deshalb unverhältnismäßig gewesen sei. Ohne dass dies zu beanstanden wäre, ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es angesichts der Anwesenheit anderer Gefangener im Besuchsraum, bei denen ein Missbrauch nicht fernlag, neben den ohnehin ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen auch der körperlichen Durchsuchung des Beschwerdeführers bedurfte.
c) Es kann angesichts der auch insoweit nicht hinreichend substantiierten Verfassungsbeschwerde dahinstehen, ob es den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, dass sich das Oberlandesgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, ob andere, vom Beschwerdeführer nicht benannte Maßnahmen, die den unerwünschten Austausch von gefährlichen Gegenständen während des Gefangenenbesuchs oder deren Einschmuggeln mit gleicher Effektivität wie körperliche Untersuchungen mit Inspizierung der Körperöffnungen unterbinden können, ausgeschöpft wurden. Zwar sind grundsätzlich organisatorische Möglichkeiten denkbar, die die Missbrauchsgefahr bei Besuchen herabsetzen und die anstaltsseitige Überwachung von Besuchen erleichtern (vgl. z.B. zu besonders gesicherter Anstaltskleidung, die den Gefangenen als Alternative zur Möglichkeit der Durchsuchung angeboten werden könnte, Ziebarth, StV 2017, S. 737 <739>). Ob derartige Maßnahmen mildere und gleich geeignete Alternativen zu den eingriffsintensiven körperlichen Durchsuchungen darstellen oder als flankierende Maßnahmen geeignet sind, zumindest die Frequenz von körperlichen Durchsuchungen herabzusetzen, ist durch die Justizvollzugsanstalt in die Ermessensprüfung und durch die Fachgerichte in die rechtliche Überprüfung der Eingriffsmaßnahmen einzubeziehen. Insbesondere bei der körperlichen Durchsuchung von Gefangenen, die selbst nicht in Verdacht stehen, das Besuchsrecht zu missbrauchen, ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einer mit Entkleidung verbundenen Durchsuchung zu prüfen, inwiefern mildere Alternativmaßnahmen gleich geeignet sind, um die Sicherheit und Ordnung der Anstalt hinreichend zu wahren. Dabei ist zu beachten, dass solche Gefangenen eingriffsintensiven Durchsuchungsmaßnahmen ausgesetzt werden, weil sie vor der Ausnutzung durch andere Gefangene seitens der Justizvollzugsanstalt möglicherweise nicht effektiv geschützt werden können.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 558
Bearbeiter: Holger Mann