HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1100
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1775/16, Beschluss v. 10.11.2017, HRRS 2017 Nr. 1100
Der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 13. April 2016 - 281 ER 05 Gs 1466/16 - und der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 27. Juli 2016 - 8 Qs 49/16 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 27. Juli 2016 - 8 Qs 49/16 - wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten an das Landgericht Leipzig zurückverwiesen.
Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer die im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers.
1. Gegen den Beschwerdeführer wurde bei der Staatsanwaltschaft Leipzig ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls oder (Fund-)Unterschlagung geführt. Das Verfahren war aufgrund einer bei dem Polizeirevier Leipzig-Südost am 9. Februar 2016 erstatteten Strafanzeige der Zeugin E... eingeleitet worden.
Die Anzeigeerstatterin hatte angegeben, dass sie sich am 5. Februar 2016 ab 19.30 Uhr in einem Billardzentrum in Leipzig aufgehalten habe, wo sie mit einer Freundin Tischtennis gespielt habe. Ihre Tasche, in der sich auch ihr Smartphone Samsung Galaxy Fit befunden habe, habe sie auf einem der benachbarten Tische abgelegt. Sie hätten etwa eine Stunde gespielt. Im Bereich des Tisches hätten sie nur einen vorbeilaufenden Kellner wahrgenommen.
Als sie gegen 22.00 Uhr wieder zu Hause gewesen sei, habe sie festgestellt, dass sich ihr Smartphone nicht mehr in ihrer Tasche befunden habe. Ein Versuch, das Mobiltelefon durch Anrufen der eigenen Nummer in der Wohnung aufzufinden, sei ebenso erfolglos geblieben wie die Suche im Fahrzeug ihrer Freundin. Am Morgen des Folgetags habe ihre Freundin bemerkt, dass jemand in dem WhatsApp-Benutzerkonto der Anzeigeerstatterin eine Nachricht angenommen habe. Sie sei daher der Ansicht, dass ihr Smartphone entwendet worden sei.
Am 16. Februar 2016 teilte die Zeugin E... ergänzend zu der von ihr erstatten Strafanzeige mit, dass sie am 10. Februar 2016 um 15.16 Uhr von der Mobilfunknummer ... angerufen worden sei. Eine weibliche Stimme habe ihr in schlecht verständlichen Worten Folgendes mitgeteilt: „Sie kriegen ihr Handy wieder“. Mehr habe die Anruferin nicht gesagt. Der Anruf habe sieben Sekunden gedauert. Sie habe noch am selben Tag eine SMS an diese Mobilfunknummer geschrieben, in der sie um Kontaktaufnahme gebeten und eine Belohnung für die Herausgabe des Smartphones versprochen habe. Hierauf habe sie jedoch keine Antwort erhalten.
2. Auf ein Auskunftsersuchen gemäß § 112 TKG teilte der betreffende Mobilfunkanbieter mit, dass der Beschwerdeführer der Anschlussinhaber der von der Anzeigeerstatterin angegebenen Rufnummer sei. Durch eine anschließende Abfrage bei dem sächsischen Melderegister ermittelte die Polizei daraufhin die dort zu dem Beschwerdeführer gespeicherten Personendaten, unter anderem dessen aktuelle Wohnanschrift in Leipzig.
In einem Ermittlungsbericht vom 15. März 2016 führte der sachbearbeitende Polizeibeamte aus, dass aufgrund der vorgenannten Erkenntnisse der „dringende Verdacht“ bestehe, dass der nun als Beschuldigter geführte Beschwerdeführer das Smartphone der Zeugin E... am 5. Februar 2016 entwendet habe. Es müsse noch ermittelt werden, ob es sich bei dem Beschwerdeführer um den Kellner des Billardzentrums handele, der als einzige Person an den Sachen der Zeugin vorbeigelaufen sein solle. Es sei jedoch auffällig, dass die Zeugin und der Beschwerdeführer in derselben Straße wohnten. Noch bemerkenswerter sei, dass die beiden Hausnummern sich unmittelbar gegenüber lägen. Es sei auch durchaus möglich, dass die Zeugin ihr Smartphone beim Aussteigen aus dem Fahrzeug ihrer Freundin vor dem Haus verloren habe und dieses dann durch den Beschwerdeführer aufgefunden worden sei. Im sächsischen Melderegister seien zwei Kinder des Beschwerdeführers eingetragen. Es scheine indes ausgeschlossen, dass diese sich im Besitz des Smartphones befänden oder befunden hätten. Sie seien fünf und sieben Jahre alt.
In einem weiteren Ermittlungsbericht vom 16. März 2016 hielt der sachbearbeitende Polizeibeamte unter anderem fest, dass die Anzeigeerstatterin auf seine Nachfrage hin nicht habe ausschließen können, dass sie ihr Smartphone beim Aussteigen aus dem Auto oder beim Aufschließen der Haustür verloren haben könnte. Sie habe zu Hause festgestellt, dass das vordere Fach ihrer mitgeführten Tasche gerissen gewesen sei. Die Zeugin sei sich sicher gewesen, dass sie ihr Smartphone in dieses vordere Fach hineingelegt hätte.
Der Sachbearbeiter übersandte daraufhin der Staatsanwaltschaft Leipzig die Verfahrensakte zur Prüfung und „eventuellen Erwirkung“ eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Beschwerdeführers.
3. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Leipzig durch Beschluss vom 13. April 2016 die Durchsuchung der Person und der Wohnung sowie der Fahrzeuge des Beschwerdeführers nach dem der Anzeigeerstatterin abhanden gekommenen Smartphone Samsung Galaxy Fit an.
Dem Beschwerdeführer wurde in dem Durchsuchungsbeschluss zur Last gelegt, das Smartphone der Anzeigeerstatterin auf bislang unbekannte Art und Weise erlangt und auch auf deren Herausgabeverlangen hin nicht wieder an diese zurückgegeben zu haben. Dies sei strafbar als Diebstahl oder (Fund-)Unterschlagung gemäß § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 StGB.
Am 9. Mai 2016 erfolgte die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers, bei der das Smartphone der Anzeigeerstatterin nicht aufgefunden wurde.
4. Am 19. Mai 2016 wurde der Beschwerdeführer als Beschuldigter vernommen.
Der Beschwerdeführer gab an, dass er seinem achtjährigen Sohn G... ein Handy für gelegentliche Anrufe zur Verfügung gestellt habe. Die Prepaid-Karte sei auf seine Personalien eingetragen. Am 10. Februar 2016 sei seinem Sohn, der sich mit einem Schulfreund auf dem Heimweg befunden habe, ein Aushang mit der Überschrift „Smartphon verloren“ aufgefallen. Die Kinder hätten sich zuerst über die falsch geschriebene Überschrift lustig gemacht und dann beschlossen, bei der angegebenen Telefonnummer anzurufen. In einem Gespräch von sechs Sekunden Dauer hätten sie der angerufenen Person den Hinweis gegeben, dass das Wort Smartphone falsch geschrieben worden sei. Sein Sohn habe ihm erzählt, dass auf seinem Handy keine SMS mit einem Herausgabeverlangen angekommen sei. Er könne dies nicht mehr prüfen, da das damalige Handy seines Sohnes Anfang April verschwunden sei. Er habe in keiner Weise etwas mit dem Verlust des Handys der Anzeigeerstatterin zu tun.
Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 21. Juni 2016 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
5. Das Landgericht Leipzig verwarf die vom Beschwerdeführer gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde durch Beschluss vom 27. Juli 2016 als unbegründet. Nach Ansicht des Landgerichts lagen bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sich das der Anzeigeerstatterin abhandengekommene Handy bei dem Beschwerdeführer befunden habe. Hierauf hätten die Angaben der Anzeigeerstatterin, die Auswertung deren Handys sowie das Ergebnis des Auskunftsersuchens gemäß § 112 TKG hingedeutet.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Die Durchsuchung stehe in einem „noch angemessenen“ Verhältnis zur Art und Schwere des Tatverdachts und zur Bedeutung der aufzuklärenden Straftat.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG. Der Anordnung der Durchsuchung habe nicht der erforderliche Anfangsverdacht einer Straftat zugrunde gelegen. Die Annahme der Ermittlungsbehörden, dass es sich bei der Person, welche die Anzeigeerstatterin angerufen hatte, um den Täter eines Diebstahls beziehungsweise einer Unterschlagung an deren Smartphone handele, stelle lediglich eine Vermutung dar. Die Schwere der Tat und die Stärke des Tatverdachts seien von den Gerichten zudem nur unzureichend geprüft worden.
Den Ermittlungsbehörden hätten schließlich auch zahlreiche andere Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden, um vor einer etwaigen Durchsuchung den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat der Generalbundesanwalt Stellung genommen. Er vertritt die Ansicht, dass die Verfassungsbeschwerde jedenfalls wegen des Fehlens einer ausreichenden Begründung für die Durchsuchung und des damit verbundenen Eingriffs in Art. 13 Abs. 1 GG begründet sei. Sowohl die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts als auch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts erschöpften sich hinsichtlich der Darlegung des Tatverdachts und hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung jeweils in knapp und allgemein gehaltenen Wendungen. Eine hinreichende einzelfallbezogene Darlegung sei den Ausführungen nicht zu entnehmen. Dies werde in Anbetracht der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls den Begründungsanforderungen nicht gerecht.
Das sächsische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet.
1. a) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>).
Notwendige Voraussetzung für die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>; BVerfGK 5, 84 <88>). Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich sind (BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>).
Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt jedenfalls dann vor, wenn sich sachlich zureichende, plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen, so dass die richterliche Entscheidung im Ergebnis bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist (vgl. BVerfGE 42, 64 <73 f.>; 59, 95 <97>; BVerfGK 3, 55 <61>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 2005 - 2 BvR 728/05 u.a. -, juris, Rn. 23).
b) Der Erheblichkeit des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss vor allem in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (BVerfGE 20, 162 <186 f.>; 96, 44 <51>; 115, 166 <197>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Dezember 2014 - 2 BvR 2393/12 -, juris, Rn. 23; BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Januar 2015, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich Sache der ermittelnden Behörden ist, über die Zweckmäßigkeit und die Reihenfolge vorzunehmender Ermittlungshandlungen zu befinden. Ein Grundrechtseingriff ist aber jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts steht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. November 2005, a.a.O., Rn. 24; BVerfGK 11, 88 <92>).
2. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses plausible Gründe für einen gegen den Beschwerdeführer gerichteten Anfangsverdacht vorlagen. Jedenfalls waren die tatsächlichen Anhaltspunkte, die möglicherweise auf eine von dem Beschwerdeführer begangene Straftat hinweisen konnten, von so geringem Gewicht, dass sich die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung als unverhältnismäßig darstellt.
a) Aus der Ermittlungsakte ergibt sich, dass der gegen den Beschwerdeführer gerichtete Tatverdacht eines Diebstahls oder einer Unterschlagung im Wesentlichen auf den ungeklärten Verbleib des Smartphones der Anzeigeerstatterin und den Umstand gestützt worden ist, dass diese von einer dem Beschwerdeführer zuzuordnenden Telefonnummer angerufen worden war.
Hinsichtlich des angenommenen Anfangsverdachts eines Diebstahls ist indes zu berücksichtigen, dass die Anzeigeerstatterin angegeben hatte, es könne durchaus sein, dass sie ihr Smartphone beim Aussteigen aus dem Pkw ihrer Freundin oder beim Aufschließen der Haustüre verloren habe, und dass das vordere Fach ihrer Tasche, in welches sie ihr Smartphone hineingelegt hätte, gerissen gewesen sei. Ein Verlust des Smartphones erschien daher zumindest gleichermaßen wahrscheinlich wie ein Diebstahl. Zudem lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Beschwerdeführer in dem Billardzentrum als dem für einen Diebstahl in Betracht kommenden Tatort aufgehalten haben könnte.
Die Annahme des Anfangsverdachts einer durch den Beschwerdeführer begangenen Fundunterschlagung erscheint bereits in Anbetracht des Umstands, dass die Anzeigeerstatterin die Stimme des Anrufers für eine Frauenstimme gehalten hatte, zweifelhaft. Hinzu kommt, dass in dem Telefonat nach den Angaben der Anzeigeerstatterin die Rückgabe des vermissten Smartphones angekündigt worden war, was gerade gegen einen für eine Unterschlagung erforderlichen Zueignungswillen sprach. Auch das anschließende bloße Unterlassen einer Herausgabe des Smartphones war nicht ohne weitere Umstände geeignet, einen Zueignungsvorsatz zu manifestieren (vgl. BGHSt 34, 309 <311 f.>; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 246 Rn. 9). Im Übrigen erfolgte der Anruf nicht von dem vermissten Mobiltelefon aus, so dass gar nicht feststand, ob der Anrufer überhaupt im Besitz des Smartphones war.
Die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen einer Straftat und eine Täterschaft des Beschwerdeführers hindeuten konnten, waren somit zumindest sehr schwach.
Hinzu kommt, dass die in Betracht kommende Straftat von ihrem Unrechtsgehalt her eher im unteren Bereich der Eigentumsdelikte anzusiedeln wäre. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass ein gebrauchtes Smartphone der betreffenden Marke bereits für um die 40,00 Euro erworben werden kann, so dass der Schaden nicht weit von der Grenze der Geringwertigkeit gemäß § 248a StGB entfernt gewesen wäre; für eine besondere kriminelle Energie des Täters bestanden keine Anhaltspunkte.
b) Bei dieser Sachlage waren die Ermittlungsbehörden zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gehalten, alle in Betracht kommenden, naheliegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, bevor sie eine Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers in Betracht ziehen durften. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles hätte zumindest eine vorherige Vernehmung des Beschwerdeführers in Betracht gezogen werden müssen. Angesichts des allenfalls sehr schwachen Tatverdachts und der geringen Schwere der Tat stellt sich der mit der Durchsuchung verbundene Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 GG vorliegend als unverhältnismäßig dar.
Von einer Aufhebung des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts ist aufgrund des bereits erfolgten Vollzugs und der damit eingetretenen prozessualen Überholung abzusehen. Insoweit ist lediglich die Feststellung zu treffen, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juli 2016 - 2 BvR 2474/14 -, juris, Rn. 29). Die Entscheidung des Landgerichts ist demgegenüber aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1100
Bearbeiter: Holger Mann