HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 517
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 221/15, Beschluss v. 09.04.2015, HRRS 2015 Nr. 517
Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20. Januar 2015 - 1 Ausl(A) 63/14 (73/14) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig erklärt; er wird in diesem Umfang aufgehoben. Das Verfahren wird an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen, soweit der Beschluss des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20. Januar 2015 - 1 Ausl(A) 63/14 (73/14) die Fortdauer der Auslieferungshaft anordnet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger und gläubiger Moslem. Nach seinen Angaben ist er nach einem Studium der türkischen Sprache und des Korans in Istanbul/Türkei ab September 2013 Ende Mai 2014 nach Deutschland eingereist. Er hat in Deutschland am 25. Juni 2014 wegen Verfolgung durch die russischen Behörden einen Asylantrag gestellt.
Am 31. Oktober 2014 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer Ausschreibung über Interpol vorläufig festgenommen. Mit Beschlüssen vom 6. November 2014 beziehungsweise 9. Dezember 2014 wurde die (vorläufige) Auslieferungshaft gegen ihn angeordnet. Der Beschluss vom 6. November 2014 erwähnt ausdrücklich, dass der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt habe.
Mit förmlichem Ersuchen vom 3. Dezember 2014 hat die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation um die Auslieferung des Beschwerdeführers zum Zweck der Strafverfolgung gebeten. Dem Beschwerdeführer wird darin vorgeworfen, sich von September bis Dezember 2013 in einem syrischen Milizenlager befunden zu haben, um Kenntnisse, praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten für Explosionen, Brandstiftungen und sonstige Handlungen zur Einschüchterung der Bevölkerung und Schaffung einer Todesgefahr für Menschenleben und für den Umgang mit Sprengvorrichtungen, Spreng-, Gift- und Kampfstoffen und anderen lebensbedrohenden Stoffen und für die weitere Teilnahme an der Schädlings-, Diversions- und Terrortätigkeit auf dem Territorium der Russischen Föderation zu erwerben - nach russischem Recht strafbar als Ableistung der Ausbildung zum Zweck der Durchführung der Terrortätigkeit.
Die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation hat in ihrem Auslieferungsersuchen unter anderem zugesichert, dass dieses nicht dem Zweck der politischen Verfolgung oder der Verfolgung wegen Rasse, Religion, Volkszugehörigkeit oder politischer Überzeugung diene. Der Beschwerdeführer werde zudem nur wegen derjenigen Straftat strafrechtlich verfolgt, derentwegen um Auslieferung ersucht werde, und er könne nach Beendigung der Strafverfolgung beziehungsweise Gerichtsverhandlung beziehungsweise Verbüßung der Strafe das Territorium Russlands verlassen.
Gegen seine Auslieferung hat der Beschwerdeführer unter anderem eingewandt, dass ihm der russische Geheimdienst wahrheitswidrig unterstelle, dass er sich in einem syrischen Terrorcamp habe ausbilden lassen. Es werde eine Tat behauptet, die als politische Tat einzustufen sei. Jeder konsequente Anhänger des Islam aus dem Kaukasus, der ausgereist sei, würde von der Russischen Föderation als massiv verdächtig eingestuft; dieser Personenkreis würde rücksichtslos verfolgt und eingeschüchtert. Im Fall seiner Auslieferung müsse er daher mit politischer Verfolgung beziehungsweise mit Verfolgung wegen seiner Rasse, seiner Religion beziehungsweise seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe rechnen.
Mit Beschluss vom 20. Januar 2015 hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (1 Ausl(A) 63/14 (73/14)) die Auslieferung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der im Auslieferungsersuchen bezeichneten strafbaren Handlungen für zulässig erklärt und die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet. Es ging dabei insbesondere davon aus, dass Auslieferungshindernisse angesichts der völkerrechtlich verbindlichen Zusagen der Russischen Föderation nicht vorlägen und der Haftgrund gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG weiterhin bestehe. Auf den Asylantrag beziehungsweise einen möglichen Anspruch des Beschwerdeführers auf Asyl ging das Oberlandesgericht nicht ein.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den Beschluss des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 20. Januar 2015 in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 und Art. 16a Abs. 1 GG verletzt.
Zur Begründung trägt er unter anderem vor, sich als gläubiger Moslem den Risiken, die in seiner Heimat für Glaubensbrüder bestanden hätten und noch bestünden, entzogen und in Deutschland im Hinblick auf die Verfolgung durch die russischen Behörden einen Asylantrag gestellt zu haben. Die Behauptung des russischen Geheimdiensts, dass er sich in einem Camp in Syrien habe ausbilden lassen, sei Teil dieser Verfolgung. Strenggläubige Menschen, die unabhängig von ihrem Verhältnis zum Terrorismus von staatlicher Verfolgung aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses bedroht seien, seien im Zweifel asylberechtigt.
Dem Bundesverfassungsgericht lagen die Akten des Ausgangsverfahrens vor. Das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein und das Bundesamt für Justiz hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung richtet, ist sie zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 16a Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde ist insoweit durch die Kammer stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffene Entscheidung verletzt, soweit sie seine Auslieferung für zulässig erklärt hat, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 16a Abs. 1 GG.
a) Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politische Verfolgung setzt voraus, dass sie aus Gründen erfolgt, die allein in der politischen Überzeugung des Betroffenen, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (vgl. BVerfGE 80, 315 <333>; 94, 49 <103>), sogenannte asylerhebliche Merkmale. Art. 16a Abs. 1 GG gewährt jedem politisch Verfolgten, der Zuflucht in der Bundesrepublik Deutschland sucht, unabhängig davon, ob ihm eine Straftat vorgeworfen wird, Asyl und damit auch Schutz vor Auslieferung (vgl. BVerfGE 60, 348 <359>). Er schützt dabei nicht nur das materielle Asylrecht politisch Verfolgter; zur Sicherung seines materiellen Gehalts kommt der Norm auch verfahrensrechtliche Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 52, 391 <407>; 63, 215 <225>).
Für Auslieferungssachen folgt daraus eine Verpflichtung der zuständigen Stellen, soweit Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung des Auszuliefernden bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 1996 - 2 BvR 66/96 -, juris, Rn. 17), auch bei der Prüfung von § 6 Abs. 2 IRG oder entsprechender auslieferungsvertraglicher Regelungen (z.B. Art. 3 Nr. 2 EuAlÜbK) eigenständig zu prüfen, ob dem Betroffenen im Fall seiner Auslieferung politische Verfolgung droht.
Soweit ernstliche Gründe für die Annahme einer politischen Verfolgung sprechen, hat das Oberlandesgericht, um eine Vereitelung eines möglicherweise bestehenden Asylanspruchs zu vermeiden, die Auslieferung daher für unzulässig zu erklären. Die Voraussetzungen politischer Verfolgung hat es insoweit unabhängig von der Entscheidung im Asylverfahren zu prüfen, ohne dass dessen Ausgang abgewartet werden muss. Die Notwendigkeit zu einer in dieser Weise eigenständigen Prüfung des Asylanspruchs durch das Oberlandesgericht ergibt sich nicht nur aus § 6 Abs. 2 IRG und entsprechenden auslieferungsvertraglichen Vorschriften sowie aus § 6 AsylVfG, der die Entscheidung über den Asylantrag für alle Angelegenheiten für verbindlich erklärt, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter rechtserheblich ist, das Auslieferungsverfahren davon jedoch ausnimmt. Sie ergibt sich auch aus den norminternen Direktiven von Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. allgemein BVerfGE 52, 391 <400>; 60, 348 <357 f.>; 63, 215 <227>; 64, 46 <65>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats [Vorprüfungsausschuss] vom 1. Februar 1983 - 2 BvR 140/83 -, NVwZ 1983, S. 734 <735>).
Um der Bedeutung von Art. 16a Abs. 1 GG gerecht zu werden, muss das Oberlandesgericht daher bei entsprechenden Anhaltspunkten - wie die Verwaltungsgerichte im Asylverfahren - vor der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung die ihm möglichen Ermittlungen zur Aufklärung einer behaupteten Gefahr politischer Verfolgung des Betroffenen veranlassen (vgl. BVerfGE 52, 391 <407>; 63, 215 <225>; 64, 46 <59, 65>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 1996 - 2 BvR 66/96 -, juris, Rn. 17). Hierzu sind regelmäßig die Akten des Asylverfahrens beizuziehen, es sei denn, es steht zum Beispiel aufgrund des Vortrags des Auszuliefernden fest, dass sich daraus keine neuen Erkenntnisse ergeben.
b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung Bedeutung und Tragweite von Art. 16a Abs. 1 GG grundsätzlich verkannt und den Beschwerdeführer dadurch in diesem Grundrecht verletzt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>).
aa) Obwohl das Oberlandesgericht ausweislich der Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft Kenntnis vom Asylantrag des Beschwerdeführers hatte und dessen Vorbringen im Auslieferungsverfahren deutliche Anhaltspunkte für einen möglicherweise bestehenden Asylanspruch zu entnehmen sind, hat es sich mit einem der Auslieferung möglicherweise gegenläufigen Recht des Beschwerdeführers aus Art. 16a Abs. 1 GG nicht auseinandergesetzt. Es hat vor Erlass der hier angegriffenen Entscheidung weder die Akten des vom Beschwerdeführer betriebenen Asylverfahrens beigezogen noch sich in sonstiger Weise, zum Beispiel durch entsprechende Rückfrage beim Beschwerdeführer, Kenntnis vom konkreten Inhalt dieser Akten verschafft, um einen möglicherweise bestehenden Anspruch des Beschwerdeführers aus Art. 16a Abs. 1 GG und damit ein Auslieferungshindernis prüfen zu können. Weder der angegriffenen Entscheidung noch der vorgelegten Gerichtsakte lässt sich entnehmen, dass das Oberlandesgericht die Einwirkung des Art. 16a Abs. 1 GG auf das Auslieferungsverfahren überhaupt erkannt hat. Dies wiegt umso schwerer, als sich eine Befassung mit dieser Frage im vorliegenden Fall aufgedrängt hätte, da der dem Vorbringen des Beschwerdeführers möglicherweise zu entnehmende Asylgrund, die politische Verfolgung aufgrund seines religiösen Bekenntnisses, in engem Zusammenhang mit dem vom ersuchenden Staat geltend gemachten Auslieferungsgrund steht.
bb) Das Oberlandesgericht war der Prüfung eines Anspruchs auf Asyl gemäß Art. 16a Abs. 1 GG auch nicht deshalb enthoben, weil die Russische Föderation zugesichert hat, dass das Auslieferungsersuchen nicht dem Zweck der politischen Verfolgung oder der Verfolgung wegen Rasse, Religion, Volkszugehörigkeit oder politischer Überzeugung diene und der Beschwerdeführer nur wegen derjenigen Straftat strafrechtlich verfolgt werde, derentwegen um Auslieferung ersucht werde. Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfGE 63, 215 <224>; 109, 38 <62>; BVerfGK 2, 165 <172 f.>; 3, 159 <165>; 6, 13 <19>; 6, 334 <343>; 13, 128 <136>; 13, 557 <561>; 14, 372 <377 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2007 - 2 BvQ 51/07 -, juris, Rn. 27 f.); auch ist die Zusicherung der Spezialität der Strafverfolgung in der Regel als ausreichende Garantie gegen eine drohende politische Verfolgung des Auszuliefernden anzusehen (vgl. BVerfGE 15, 249 <251 f.>; 38, 398 <402>; 60, 348 <358>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2000 - 2 BvR 1560/00 -, NJW 2001, S. 3111 <3112>). Eine Zusicherung entbindet jedoch nicht von der Pflicht, sich zumindest Kenntnis vom Inhalt der Akten des Asylverfahrens zu verschaffen. Diese Akten werden gerade im Interesse und zur Prüfung des Asylanspruchs des jeweils Betroffenen angelegt und sollen daher im Sinne der verfahrensrechtlichen Dimension von Art. 16a Abs. 1 GG der Prüfung des Anspruchs auf Asyl - unabhängig davon, in welchem Verfahren diese erfolgt - auch tatsächlich zugrunde gelegt werden. Durch die Pflicht zur Berücksichtigung des Inhalts der Asylverfahrensakten auch im Auslieferungsverfahren wird sichergestellt, dass der gesamte, vor staatlichen Stellen gemachte Vortrag des Asylbewerbers zu seinem Asylanspruch und alle seinen Asylanspruch betreffenden, bereits erfolgten Sachverhaltsermittlungen bei der Prüfung des Asylanspruchs berücksichtigt werden. Aus dem Inhalt der Asylverfahrensakten können sich insbesondere auch Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Einzelfall die Einhaltung erfolgter Zusicherungen nicht zu erwarten ist und daher vermeintlich nicht näher zu prüfende Auslieferungshindernisse, zum Beispiel gemäß § 6 Abs. 2 IRG oder entsprechenden auslieferungsvertraglichen Vorschriften, doch eingehend geprüft werden müssen.
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft richtet, kommt ihr weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG); insoweit wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93b Satz 1 BVerfGG).
a) Dass das Oberlandesgericht Bedeutung und Tragweite von Art. 16a Abs. 1 GG bei der Prüfung von Auslieferungshindernissen verkannt hat, führt nicht automatisch auch zur Verfassungswidrigkeit der Fortdauer der Auslieferungshaft. Ihr Zweck, die Sicherung des Auslieferungsverfahrens und die Ermöglichung der Durchführung der Auslieferung, kann es zulassen, die Auslieferungshaft grundsätzlich bereits dann anordnen und fortdauern lassen zu können, wenn festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung gegeben sein können, auch wenn dies noch nicht abschließend geklärt ist und die abschließende Klärung erst im weiteren Auslieferungsverfahren erfolgen kann. Dies ergibt sich einfachrechtlich aus § 15 Abs. 2 IRG, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 61, 28 <32> zu der entsprechenden Vorschrift des § 10 des zur Zeit der Entscheidung noch einschlägigen Deutschen Auslieferungsgesetzes - DAG). Mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und das ihm innewohnende Gebot größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung sowie die Verhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft können mit zunehmender Dauer der Auslieferungshaft strengere Voraussetzungen für ihre Fortdauer beziehungsweise ihren Vollzug gelten (vgl. BVerfGE 61, 28 <34 ff.>).
b) Nach den bisherigen Erkenntnissen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts und dem Vortrag des Beschwerdeführers ist offen, ob dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Asyl zukommt oder seiner Auslieferung ein sonstiges Auslieferungshindernis entgegensteht. Dies kann im weiteren Auslieferungsverfahren durch die Beiziehung und Auswertung der Asylverfahrensakte geklärt werden. Die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft verstößt daher angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und der bisherigen Dauer des Auslieferungsverfahrens jedenfalls derzeit nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Satz 3 BVerfGG).
3. Durch die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 7, 99 <109>).
4. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten (§ 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG), weil sein Rechtsschutzbegehren nur zum Teil erfolgreich war.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 517
Bearbeiter: Holger Mann