HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 177
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 2449/14, Beschluss v. 09.12.2015, HRRS 2016 Nr. 177
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Versagung von Einsicht in die Akten eines Strafverfahrens gemäß § 406e StPO, in dem gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und den Finanzvorstand der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG und der Porsche Automobil Holding SE wegen Verdachts der Marktmanipulation nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes ermittelt wurde. Als Hedgefonds sehen sie sich durch diese Marktmanipulationen geschädigt und begehrten mit Blick auf parallel betriebene zivilrechtliche Schadensersatzklagen erfolglos Einsicht in die Strafakten. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen sie eine Verletzung ihrer Grundrechte auf ein faires Verfahren, auf Schutz des Eigentums und auf Gleichbehandlung.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Das in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gründende allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren ist nicht verletzt.
a) An der für alle Prozessordnungen geltenden Garantie eines fairen Verfahrens sind all diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den spezielleren grundrechtlichen Verfahrensgarantien nicht erfasst werden (vgl. BVerfGE 83, 182 <194>; 109, 13 <34>; 110, 339 <342>; 113, 29 <47>). Das Recht auf ein faires Verfahren hat als prozessuales „Auffanggrundrecht“ allerdings keinen feststehenden Gewährleistungsumfang, sondern bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Eine Verletzung liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist (vgl. BVerfGE 130, 1 <25 f.> m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juli 2006 - 2 BvR 1317/05 -, NJW 2007, S. 204 <205>). Dies ist hier weder in Bezug auf die Gestaltung des Straf- noch des Zivilverfahrens der Fall.
b) Hinsichtlich des Strafverfahrens scheidet eine Beschränkung verfahrensmäßiger Rechte der Beschwerdeführerinnen aus, weil sie eine Beteiligung am Strafverfahren im eigentlichen Sinne weder anstreben noch thematisieren.
c) Nichts anderes gilt mit Blick auf das von den Beschwerdeführerinnen betriebene Zivilverfahren. Das Grundrecht auf faire Verfahrensgestaltung gibt hier außerhalb des strafgerichtlichen Verfahrens keine Rechte bei der Führung anderer, zivilgerichtlicher Verfahren. Ob in anderen Situationen anders zu entscheiden ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls haben die Beschwerdeführer keine strukturell begründete Beweisnot von solchem Gewicht dargetan, dass diese nur durch ein Akteneinsichtsrecht in dem betreffenden Strafverfahren behoben werden könnte und so einen verfassungsunmittelbaren Informationsbeschaffungsanspruch durch die Stellen der Strafrechtspflege zur Förderung eines Zivilrechtsstreits begründen könnte (hierzu bereits BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 1987 - 2 BvR 1203/86 -, NJW 1988, S. 405).
2. Die angegriffenen Entscheidungen sind nicht willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG). Die eingrenzende Auslegung des Begriffs des von der Straftat Verletzten nach § 406e Abs. 1 StPO anhand des Schutzzwecks der - als verletzt unterstellten - Strafnorm ist eine in Rechtsprechung und Literatur gängige Differenzierung (vgl. beispielhaft LG Berlin, Beschluss vom 15. Februar 2010 - (519) 3 Wi Js 1665/07 KLs (03/09) u.a.; Riedel/Wallau, NStZ 2003, S. 393 <395> - vertieft zum Meinungsstand BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Dezember 2008 - 2 BvR 1043/08 -, juris). Der Rückgriff auf den Schutzzweckzusammenhang zur Bestimmung der im Sinne des Strafverfahrens Verletzten liegt ebenso im fachgerichtlichen Wertungsrahmen wie die Annahme, dass die Strafnorm des § 20a WpHG nicht drittschützend sei (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10 -, BGHZ 192, 90 <97 ff.>).
3. Inwieweit die Beschwerdeführerinnen, die ihren Sitz überwiegend außerhalb der Europäischen Union haben, grundrechtsberechtigt sind, kann damit dahinstehen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 177
Bearbeiter: Holger Mann