HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 860
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1454/13, Beschluss v. 06.07.2016, HRRS 2016 Nr. 860
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde hat die Zulässigkeit einer Überwachung der Internetnutzung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auf der Grundlage des § 100a StPO zum Gegenstand.
1. Am 12. Mai 2010 wurde B., die Mutter der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, entführt und eine Lösegeldforderung an ihren Ehemann gerichtet. Ungeachtet einer versuchten Geldübergabe wurde B. getötet; der Leichnam wurde am 3. Juni 2010 in einem Waldstück aufgefunden. Der Sohn des Opfers und der Beschwerdeführer gerieten in der Folgezeit im Zuge der Ermittlungen zeitweise in den Verdacht, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Der von den Ermittlungsbehörden angenommene Tatverdacht gründete - wie sich später herausstellte - auf fehlerhaften Ermittlungsergebnissen; dies war darauf zurückzuführen, dass Telefongespräche auf Grund eines temporären Stromausfalls in einer Telefonanlage zeitlich falsch eingeordnet worden waren. Das gegen den Beschwerdeführer und den Sohn der Getöteten gerichtete Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 7. November 2011 mangels weiteren Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Aufgrund des Verdachts der Beteiligung an einem Mord ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Ellwangen mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 - neben anderen heimlichen Überwachungsmaßnahmen - auch die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs des Beschwerdeführers an. Davon waren zahlreiche auf den Namen des Beschwerdeführers laufende Telefonnummern und unter anderem auch der streitgegenständliche DSL-Anschluss des Beschwerdeführers betroffen. Mit Beschluss vom 9. November 2010 wurde der Beschluss vom 15. Oktober 2010 einerseits dahin erweitert, dass zur Überwachung der über die Anschlüsse geführten verschlüsselten Telekommunikation die Vornahme hierzu erforderlicher Maßnahmen im Rahmen der Fernsteuerung angeordnet wurde. Andererseits wurden nur solche Maßnahmen für zulässig erklärt, die der Überwachung der Telekommunikation dienten und für die Umsetzung zwingend erforderlich waren. Insbesondere wurde die Durchsuchung fremder Computer nach bestimmten gespeicherten Dateien sowie das Übertragen und Kopieren entsprechender Daten außerhalb eines Telekommunikationsvorgangs explizit für unzulässig erklärt.
Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Ellwangen vom 14. Januar 2011 und vom 14. April 2011 wurde die Anordnung für die Telekommunikationsüberwachung jeweils um drei Monate verlängert und teils auf E-Mail-Konten erweitert. Die Ermittlungen aufgrund der angeordneten Überwachungsmaßnahmen dauerten längstens bis zum 17. Juni 2011. Auf Anforderung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers ließ die Staatsanwaltschaft Ellwangen diesem mit Schreiben vom 1. Juli 2011 eine Aufstellung über Umfang und Dauer der verdeckten Maßnahmen gemäß § 101 StPO zukommen.
2. Der Beschwerdeführer stellte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 7. Juli 2011 Antrag auf gerichtliche Überprüfung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Im Zuge von Akteneinsicht und weiteren Auskünften durch die Staatsanwaltschaft erhielt er Kenntnis davon, dass über seinen streitgegenständlichen DSL-Anschluss insgesamt 129.000 Aufrufe von HTML-Seiten im Überwachungszeitraum registriert wurden. Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers erläuterte die Staatsanwaltschaft, dass durch Vorlage eines Beschlusses nach § 100a StPO der Provider verpflichtet sei, eine Kopie der von ihm übermittelten Impulse, zu denen auch HTML-Seiten gehörten, an die Polizei auszuleiten. Die Internetüberwachung erschöpfe sich in der Erfassung der vom Provider ausgeleiteten HTML-Seiten, die von den überwachten Anschlüssen aus aufgerufen worden seien. Die weiteren von der Staatsanwaltschaft dem Prozessbevollmächtigten übermittelten Unterlagen enthielten eine chronologisch geordnete Auflistung sämtlicher während des Überwachungszeitraums über den DSL-Anschluss angewählter Internetseiten.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. Juni 2012 begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Überprüfung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen. Er beanstandete, dass die Internetüberwachung den Kernbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung verletze. Die überwachte Internetaktivität sei außerdem schon keine „Kommunikation“ im Sinne des § 100a StPO.
Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg gab mit Schreiben vom 27. Juni 2012 eine Stellungnahme zur durchgeführten Internetüberwachung ab. Darin wurde unter anderem dargestellt, dass sämtliche ausgeleiteten Rohdaten über eine verschlüsselte Verbindung zur TKÜ-Anlage übermittelt und dort nach den Vorgaben der Technischen Richtlinien als Rohdaten entgegengenommen und gespeichert würden. Zur Auswertung würden die Rohdaten vom TKÜ-System automatisiert dekodiert und dem Auswerter zur Verfügung gestellt. Die Staatsanwaltschaft gab ebenfalls eine Stellungnahme ab. Aus ihrer Sicht sei das Abrufen von Internetseiten als Telekommunikation im Sinne des § 100a StPO zu bewerten und eine Verletzung des Kernbereichs des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht ersichtlich.
3. Mit Beschluss vom 7. November 2012 stellte das Amtsgericht fest, dass die Art und Weise des Vollzugs der angegriffenen Beschlüsse rechtmäßig gewesen sei, soweit die Ausleitung, Aufzeichnung und Auswertung von HTML-Seiten beanstandet werde. Die vom Beschwerdeführer monierte „Internetüberwachung“ durch Speicherung sämtlicher angewählter Internetseiten sowie auch eingegebener Suchbegriffe sei von der Anordnung gemäß § 100a StPO umfasst gewesen.
4. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19. November 2012 legte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde ein, welche mit Schriftsätzen vom 21. Dezember 2012 und 20. März 2013 begründet wurde.
Das Erfassen, Speichern und Auswerten der Internetaktivitäten sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 100a StPO gedeckt und damit rechtswidrig. Die Auslegung des Begriffs „Telekommunikation“ müsse sich an dem Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG orientieren. Nicht mit allen Diensten des Internets finde ein Kommunikationsvorgang statt. Entscheidend für eine Kommunikation sei, dass ein Austausch von Informationen zwischen Menschen stattfinde, das heißt die Information für einen Empfänger bestimmt sei. Bei der Benutzung des World Wide Web verbinde sich der Computer über die Telefonleitung aber nur mit dem Netzwerksystem und rufe die auf dem Server zum Abruf bereit gestellten Informationen auf. Hierbei erfolge lediglich ein Datenaustausch mit dem Netzwerk und gerade keine Kommunikation.
5. Das Landgericht Ellwangen hat die sofortige Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 28. Mai 2013 in diesem Punkt als unbegründet verworfen.
Durch die Überwachung der Aktivitäten des Beschwerdeführers über das Internet, insbesondere des Besuchs von Web-Seiten, die über „Google“ gesucht wurden, werde in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten eingegriffen, welches auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme umfasse.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liege aber auch in der Nutzung des Internets durch Abruf von Seiten im World Wide Web mittels eines Browsers eine Internetkommunikation und damit auch eine Telekommunikation im Sinne strafprozessualer Vorschriften. Dies werde vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zu Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes für Nordrhein-Westfalen (unter Hinweis auf BVerfGE 120, 274 ff.) ohne Weiteres vorausgesetzt. Dies sei auch Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Überwachung der Internetnutzung nach § 100a StPO beurteile und dem Schutz des Art. 10 GG unterstelle (unter Hinweis auf BGH NStZ-RR 2011, S. 148 f.).
Die Kammer könne sich der abweichenden Ansicht, es fehle an (Tele-)Kommunikationsinhalten, nicht anschließen. Bereits aus der Ersetzung der früheren gesetzlichen und heute noch in Art. 10 GG verwendeten Formulierung „Fernmelde…“, durch den neueren Begriff „Telekommunikation“ werde deutlich, dass gerade auch die immer neuen Formen des Umgangs mit elektronischen Medien unter besonderen gesetzlichen Schutz im Rahmen der informationellen Selbstbestimmung gestellt werden sollten. Demgemäß wäre es im Sinne einer grundrechtskonformen Auslegung fatal, wenn man die Betätigung durch „Surfen“ etwa nur an der allgemeinen Vorschrift des § 161 StPO messen wollte. Vielmehr würden diese Betätigungsweisen gerade auch dann dem Schutz der entsprechenden Vorschriften unterfallen, wenn bei rein förmlichem semantischem Verständnis der herkömmliche Wortsinn nicht mit der gesetzlichen Formulierung überein zu stimmen scheine. Somit sei davon auszugehen, dass eine Ermächtigung der Ermittlungsbehörden nach § 100a StPO auch die Überwachung des gesamten Internet-Verhaltens des Beschuldigten erlaube; Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 100a StPO bestünden nicht.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Ellwangen vom 28. Mai 2013 und rügt eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unter besonderer Berücksichtigung der Ausprägung als Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme.
Der Beschluss des Landgerichts verletze ihn in diesem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, da er letztlich ignoriere, dass der durchgeführte Grundrechtseingriff nach derzeitiger Gesetzeslage nicht gerechtfertigt sei. § 100a StPO komme bereits aufgrund des Wortlauts der Norm nicht als Rechtsgrundlage für den durchgeführten Eingriff in Betracht. Das Aufrufen von Web-Seiten stelle entgegen der Auffassung des Landgerichts bereits keine „Telekommunikation“ in diesem Sinne dar. Bei der Auslegung des Begriffs „Telekommunikation“ in § 100a StPO sei ein Rückgriff auf die Legaldefinition in § 3 Nr. 22 TKG zu kurz gegriffen. Die Auslegung müsse sich vielmehr an Art. 10 Abs. 1 GG orientieren und einschränkend gehandhabt werden, da andernfalls die Erstellung eines vollständigen Persönlichkeitsprofils ermöglicht würde, was weder mit dem gesetzgeberischen Willen noch mit dem Sinn und Zweck der Eingriffsmaßnahme vereinbar wäre. Vom neuen § 100a StPO sollten lediglich Kommunikationsarten erfasst werden, die das herkömmliche Telefon ersetzen beziehungsweise neben dieses treten könnten, wo also Kommunikation zwischen Menschen stattfinde. Beispiele dafür seien unter anderem SMS, E-Mails, Messenger-Systeme, sämtliche Arten der Internet-Telefonie (VoIP, Skype) und einige andere.
Bei der Benutzung des World Wide Web verbinde sich der Computer aber über die Telefonleitung mit dem Netzwerksystem und rufe die auf dem Server zum Abruf bereit gestellten Informationen auf. Hierbei erfolge lediglich ein Datenaustausch mit dem Netzwerk und gerade keine Kommunikation mit einem Menschen. Der Internetbenutzer verfolge nicht den gezielten Austausch von Informationen an einen menschlichen Empfänger, wie dies bei den klassischen Fernmeldevorgängen der Fall sei. Die Informationsbeschaffung über das World Wide Web sei ein einseitiger Vorgang des Benutzers, der allein an das Netzwerk gerichtet sei und demnach keinerlei „Kommunikation“ mit einer natürlichen Person beinhalte.
Das Landgericht habe in seinem Beschluss verkannt, dass es sich mit der Frage nach einer Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme hätte auseinandersetzen müssen. Zwar würden durch einen Internetzugriff durch den Beschwerdeführer von ihm keine personenbezogenen Daten im Internet selbst hinterlegt. Die Mitteilung des Besuchs auf den Seiten durch den Anschlussanbieter und die vollständige Dokumentation bei der Ermittlungsbehörde führe jedoch zum selben Ergebnis. Dem Nutzer wäre die Inanspruchnahme des Internets als informationstechnisches System nicht mehr möglich ohne die abstrakte und in vielen Fällen zugleich konkrete Gefahr, dass Umfang und Vielfalt der auf die dargestellte Weise erhobenen Daten es der Ermittlungsbehörde ermöglichten, einen wesentlichen Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung seiner Person - sei es beruflicher oder privater Natur - zu erhalten. Suchmaschinen seien für den Nutzer eine Art „anonyme Hilfe“ in jeder Lebenslage geworden.
Die systematische Darstellung der aufgerufenen Web-Seiten gebe den Ermittlungsbeamten auch Aufschluss über das gesamte Einkaufsverhalten, die persönlichen Vorlieben, Hobbys, die kulturellen Interessen, den Gesundheitszustand, sexuelle Vorlieben und die finanziellen Mittel des Internetnutzers. Eine solch umfassende Maßnahme habe der Gesetzgeber mit der Regelung nicht intendiert. Konkret habe er dem Landgericht dargelegt, dass es aus den gespeicherten Suchbegriffen möglich gewesen sei, die von ihm kontaktierten Anwälte ausfindig zu machen, und zum Beispiel herauszufinden, über welche psychischen Krankheiten, Strafrechtstatbestände, Öffnungszeiten von Kirchen oder detaillierte Fahrplanauskünfte er sich informiert habe.
Von § 100a StPO könnten auch allenfalls solche Kommunikationsarten erfasst sein, bei welchen der Beschuldigte zumindest ein potentielles Bewusstsein habe, nach außen zu kommunizieren, also seine Gedankenwelt verlassen wolle. Dieses Bewusstsein liege jedoch beim Aufruf von Web-Seiten oder der Eingabe von Suchbegriffen gerade nicht vor.
Soweit auch das systematische Erfassen, Speichern und Auswerten aller durch den Beschwerdeführer aufgerufenen Web-Seiten als Telekommunikation im Sinne des § 100a StPO gewertet würde, werde § 100a StPO zu einer Art Generalklausel für eine „Rundumüberwachung“. Die Grenze zu anderen Eingriffsmaßnahmen mit höheren Anwendungsvoraussetzungen würde verschwimmen beziehungsweise könnte umgangen werden.
Schlussendlich biete der Kernbereichsschutz nach § 100a Abs. 4 StPO gegen diesen schwerwiegenden Eingriff keinen ausreichenden Schutz. Der Aufruf der einzelnen Web-Seite betreffe zwar häufig nicht den Kernbereich des Internetnutzers, jedoch könne durch die systematische Auswertung und Gesamtschau ein Persönlichkeitsprofil erstellt werden, welches wiederum den absoluten Kernbereich jedes Menschen betreffe. Die Argumentation des Landgerichts im Hinblick auf § 161 StPO zeige, dass das Landgericht diesen massiven Grundrechtseingriff verkannt habe.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführer hat keine Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte aufgezeigt.
In der Verfassungsbeschwerde wird bereits nicht der richtige Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Denn der Beschwerdeführer beachtet nicht, dass die Auslegung und Anwendung von Strafprozessrecht Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen ist, soweit bei der zu treffenden Entscheidung nicht Willkür vorliegt oder spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 34, 369 <379>). Ein etwaiger Fehler der Fachgerichte muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen. Das ist in der Regel erst dann der Fall, wenn ein Fehler sichtbar wird, der auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruht, oder wenn eine fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 62, 189 <192 f.>; 89, 1 <14>; 95, 96 <127 f.>). Nach diesem Maßstab ist die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Ellwangen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
1. Die Auslegung des Begriffs „Telekommunikation“ in § 100a StPO durch das Landgericht entspricht vielmehr - im Ergebnis - einer in Literatur und Rechtsprechung verbreiteten Auffassung (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 23. März 2010 - StB 7/10 -, NStZ-RR 2011, S. 145 f.; Kudlich, GA 2011, S. 193 <196>; Kudlich, JA 2000, S. 227 <230 f.>; Singelnstein, NStZ 2012, S. 593 <594>; Bär, in: KMR-StPO, November 2013, § 100a Rn. 11a).
a) Die herrschende Meinung in der Literatur und Rechtsprechung greift zur Inhaltsbestimmung für das Tatbestandsmerkmal „Telekommunikation“ in § 100a StPO im Ausgangspunkt - teilweise mit Einschränkungen - auf die Legaldefinition in § 3 Nr. 22 TKG (i.V.m. § 3 Nr. 23 TKG) zurück. „Telekommunikation“ ist danach zunächst der technische Vorgang des in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels technischer Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 341/02 -, NJW 2003, S. 2034 <2034>; Hauck, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 100a Rn. 29; Bruns, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 100a Rn. 4; Graf, in: Beck‘scher Online-Kommentar StPO, Februar 2016, § 100a Rn. 6; Eschelbach, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl. 2016, § 100a Rn. 2; Bär, in: KMR-StPO, November 2013, § 100a Rn. 9 ff.; ders., in: Handbuch zur EDV-Beweissicherung im Strafverfahren, 2007, Rn. 48). Dieser Ansatz geht konform mit der Gesetzesbegründung (BR-Drucks 369/97, S. 45), ausweislich derer die Einfügung des Wortes Telekommunikation (statt Fernmeldeverkehr) den Sprachgebrauch der StPO an den des TKG anpassen sollte (vgl. auch Hauck, a.a.O., Rn. 29). Im TKG wird der allein den technischen Vorgang bezeichnende Begriff der Telekommunikation dabei völlig inhaltsneutral verstanden, mit dem Ausdruck „Nachrichten“ nur irgendein Informationsgehalt vorausgesetzt; das Signal muss also nur überhaupt Daten transportieren (Cornils, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 3 Rn. 74).
b) Gegen die vollständige Gleichsetzung des Bedeutungsinhalts der „Telekommunikation“ in § 100a StPO und § 3 Nr. 22 TKG wenden sich erhebliche Teile der Literatur mit dem Kernargument, dass damit die Kommunikation selbst mit den technischen Mitteln der Kommunikation gleichgesetzt werde. Aus § 3 TKG müsse aber lediglich der semantische Gehalt, nicht jedoch zwangsläufig der Regelungsgehalt des im TKG verwendeten Telekommunikationsbegriffs übernommen werden (vgl. z.B. Böckenförde, Die Ermittlung im Netz, 2003, S. 435 f.). Die Forderungen nach einer einschränkenden Auslegung des Telekommunikationsbegriffs gehen dabei mit divergierenden Begründungen unterschiedlich weit. Teilweise wird verlangt, dass jedenfalls der Initiator der Verbindung bewusst die Telekommunikation für die Übermittlung eines Nachrichteninhalts einsetzen wolle (Fezer, NStZ 2003, S. 625 <627>). Andere fordern im Rahmen des § 100a StPO ein „materielles“, nicht lediglich „formal-technisches“ Kommunikationsverständnis. Der bloße Austausch von Datenpaketen mit den Diensteanbietern sei noch keine Telekommunikation. Erst wenn die Datenpakete Informationen enthielten, die bewusst von Personen zu Kommunikationszwecken ausgetauscht würden, sei von einer Telekommunikation im materiellen Sinne auszugehen (vgl. Braun, in: jurisPR-ITR 18/2013, Anm. 5). Der Kommunikationsbegriff in § 100a StPO setze einen Austausch zwischen - auf beiden Seiten - individuellen Kommunikationspartnern beziehungsweise eine „soziale Interaktion“ zwischen Sender und Empfänger einer Nachricht voraus (vgl. z.B. Hiéramente, StraFO 2013, S. 96 <99>). Schließlich wird zum Beispiel das „Surfen“ im Internet auch als „rein passive Informationsgewinnung“ angesehen und deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 100a StPO exkludiert (Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl. 2016, § 100a Rn. 7d).
c) Von anderer Seite wiederum wird den einschränkenden Auslegungsvarianten entgegengehalten, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung der Norm gerade keine derartigen Beschränkungen zum Ausdruck gebracht habe (vgl. Bär, Handbuch zur EDV-Beweissicherung im Strafverfahren, 1. Aufl. 2007, Rn. 49) und dass der Begriff Kommunikation keineswegs voraussetze, dass mindestens zwei oder überhaupt menschliche Kommunikationspartner an einem Informationsaustausch unmittelbar beteiligt sind (Graf, in: Beck‘scher Online-Kommentar StPO, Februar 2016, § 100a Rn. 7a). Dass auch alle „Datenkommunikation“ - unter anderem der Übertragungsvorgang beim Aufruf einer Seite aus dem Internet, Fälle des Up- und Downloads oder das „Surfen“ und „Googeln“ - als Telekommunikation anzusehen ist, wird teilweise sogar als unproblematisch erachtet (vgl. Kudlich, GA 2011, S. 193 <199>; Bär, in: KMR-StPO, November 2013, § 100a Rn. 11a).
d) Das Landgericht Ellwangen hat im Ergebnis bei der Auslegung einem weiten Verständnis den Vorzug gegeben und ist - vor allem unter Berufung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. März 2010 (StB 7/10) - zu der Annahme gelangt, dass auch die Nutzung des Internets durch Abrufen von Web-Seiten, „Surfen“ und die Eingabe von Suchbegriffen als „Telekommunikation“ im Sinne des § 100a StPO anzusehen ist. Dieses Ergebnis hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Weder die Kompetenzregelungen in Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG, Art. 80 Abs. 2 GG und Art. 87f GG noch Art. 10 Abs. 1 GG zwingen zu einer anderen Auslegung.
aa) Der Begriff „Telekommunikation“ wird in der Verfassung selbst in den Kompetenzregelungen der Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG, Art. 80 Abs. 2 GG und Art. 87f Abs. 1 und 2 GG verwendet. Der verfassungsrechtliche Begriff setzt das „Fernmeldewesen“ fort und wird nach wie vor in Anlehnung an die Definition dieses verfassungsterminologischen Vorläufers bestimmt (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 73 Rn. 164). Unter Telekommunikation im Sinne dieser Vorschrift ist also die Übermittlung von Informationen auf fernmeldetechnischem Weg (vgl. BVerfGE 12, 205 <226>), also mittels elektromagnetischer Wellen oder Signale zu verstehen. Ob sie leitungsgebunden oder drahtlos (vgl. BVerfGE 46, 120 <141>), analog oder digital (vgl. BVerfGE 46, 120 <142>), offen oder verdeckt erfolgt, ist ebenso ohne Belang wie die Länge des Übermittlungsweges, die sinnliche Wahrnehmbarkeit des Übermittelten oder die Frage, ob Massen-, Individual- oder Maschinenkommunikation vorliegt. Entscheidend ist die fehlende Verkörperung der zunächst übermittelten, dann empfangenen und schließlich wiedererzeugten Information (vgl. Uhle, a.a.O., Rn. 164).
Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG umfasst die technische Seite aller gegenwärtigen und künftigen Formen der Individual- und Massenkommunikation (vgl. BVerfGE 12, 205 <226>). Das schließt auch Zwischenformen wie Abruf- und Zugriffsdienste und die sogenannten „neuen“ Medien ein (vgl. Uhle, a.a.O., Rn. 165 f.). Der gesamte Bereich des Internets, der Multimediadienste beziehungsweise der Telemedien sind Gegenstand des Kompetenztitels (vgl. Sannwald, in: SchmidtBleibtreu, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 73 Rn. 102; Uhle, a.a.O., Rn. 165 f.). Dazu zählen dann beispielsweise auch Suchmaschinen, Internettelefonie, die elektronische Presse und viele andere (vgl. Sannwald, a.a.O., Rn. 110; zur Eingruppierung der Suchmaschinen und der elektronischen Presse in den Bereich der Telemedien vgl. Altenhain, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2015, § 1 TMG, Rn. 26). In Art. 80 Abs. 2 GG und Art. 87f GG ist dem Begriff „Telekommunikation“ kein anderer Inhalt beizumessen als in Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG (vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, 2015, Art. 87f Rn. 29). Das verfassungsrechtliche Verständnis des Begriffs „Telekommunikation“ in diesen Vorschriften steht also nicht in Widerspruch zu der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung.
bb) Die nähere Auslegung des Begriffs „Telekommunikation“ im Rahmen des § 100a StPO muss sich aber insbesondere auch an dem grundrechtlichen Schutz des Betroffenen durch Art. 10 GG orientieren, denn das Fernmeldegeheimnis ist der verfassungsrechtliche Maßstab für die heimliche Überwachung flüchtiger Daten (vgl. BGH <Ermittlungsrichter>, Beschluss vom 31. Juli 1995 - 1 BGs 625/95 -, NStZ 1997, S. 247 <248>; BGH <Ermittlungsrichter>, Beschluss vom 21. Februar 2001 - 2 BGs 42/01 -, NJW 2001, S. 1587 <1588>; vgl. auch BVerfGE 100, 313 <358 f.>; 113, 348 <364 ff.>; 129, 208 <240 ff.>). Dabei ist - wie zu Recht vom Beschwerdeführer vorgetragen - zu berücksichtigen, dass Art. 10 Abs. 1 GG nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes folgt, sondern an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang anknüpft (vgl. BVerfGE 124, 43 <55 f.>; BVerfGK 9, 62 <75>). Aber auch unter Einbeziehung dieses Schutzinhalts in die Auslegung des § 100a StPO steht Art. 10 Abs. 1 GG vorliegend dem vom Landgericht Ellwangen gefundenen Ergebnis nicht entgegen.
Als Facette der freien Entfaltung der Persönlichkeit durch Kommunikationsaustausch schützt das „Fernmeldegeheimnis“ aus Art. 10 Abs. 1 GG die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs (BVerfGE 67, 157 <172>; 106, 28 <35 f.>; 115, 166 <182>). Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die übermittelten Informationen am Empfangsort wieder erzeugt werden (vgl. BVerfGE 12, 205 <226>; 46, 120 <143>).
Für das Merkmal „Telekommunikation“ kommt es auch im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 GG aber weder auf die technische Umsetzung der Kommunikation noch auf deren Inhalt und Empfängerkreis an (vgl. BVerfGE 120, 274 <307>). Auch ist irrelevant, wer Betreiber der Übertragungs- und Vermittlungseinrichtungen ist (vgl. BVerfGE 107, 299 <322>); das Grundrecht ist insgesamt „entwicklungsoffen“ (vgl. Guckelberger, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 10 Rn. 21; BVerfGE 106, 28 <36>).
Unabhängig vom Übertragungsweg und der Übermittlungsform ist also allein maßgeblich, dass die Informationen körperlos befördert werden und dass sie am Empfangsort wieder erzeugt werden können. Dies macht ihre Vulnerabilität für heimliche Ausforschungsmaßnahmen aus. Wo dies nicht der Fall ist - es sich entweder um ein körperliches Medium handelt oder der Übermittlungsvorgang wie bei der „online-Durchsuchung“ bereits abgeschlossen ist - sind andere Verfassungsvorschriften einschlägig, zum Beispiel das Briefgeheimnis und die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung, auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Die Nutzung eines Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich möglich sein (vgl. BVerfGE 100, 313 <358>). Mit der grundrechtlichen Verbürgung der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Telekommunikationsanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen (vgl. BVerfGE 100, 313 <359>). Der Schutz der Vertraulichkeit knüpft dabei aber nicht an die Beteiligten der Kommunikation, sondern an den Übermittlungsvorgang und das dabei genutzte Medium an (BVerfGE 106, 28 <43>).
Vorliegend ist der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG eröffnet. Dies ergibt sich schon aus der Verfassungsbeschwerde selbst, denn die gesamte Argumentation des Beschwerdeführers gründet sich auf dem Umstand, dass er die Internetnutzung in Form des „Surfens“, „Googelns“ und Abrufens von Web-Seiten vertraulich wissen will.
Ein empfängergesteuerter Abruf von Informationen aus dem Netz erfüllt zudem die Kriterien der körperlosen Übermittlung von Informationen an einen individuellen Rezipienten. Bei der Nutzung des Internets durch eine natürliche Person kommunizieren auch nicht ausschließlich technische Geräte miteinander; es findet nicht - wie etwa beim Einsatz eines „IMSI-Catchers“ - lediglich ein Datenaustausch zur Sicherung der Betriebsbereitschaft statt (vgl. BVerfGK 9, 62 <74 ff.>). Vielmehr ist das für die Auslösung des Art. 10 GG notwendige spezifische Gefährdungspotential für die Privatheit der Kommunikation vorhanden, da nicht lediglich die Position eines Endgerätes übermittelt, sondern willensgesteuert auf konkrete Kommunikationsinhalte zugegriffen wird. Auch das „Surfen“ im Internet ist unter das Fernmeldegeheimnis zu subsumieren (vgl. z.B. Singelnstein, NStZ 2012, S. 593 <594>). Somit steht auch der Bedeutungsinhalt des Art. 10 Abs. 1 GG der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung des § 100a StPO nicht entgegen.
2. Der Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG ist auf der Grundlage des § 100a StPO gerechtfertigt; insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot vor.
a) Soweit vorliegend der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG eröffnet ist, kommt das aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht beziehungsweise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung daneben nicht zur Anwendung (BVerfGE 125, 260 <310>; zuletzt: BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 -, Rn. 228). Bezogen auf die Telekommunikation enthält Art. 10 GG eine spezielle Garantie, die die allgemeinen Vorschriften verdrängt und aus der sich besondere Anforderungen für Daten ergeben, die durch Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlangt werden. Der spezielle Schutz des Fernmeldegeheimnisses schafft einen Ausgleich für den technisch bedingten Verlust an Beherrschbarkeit der Privatsphäre, der durch die Nutzung von Anlagen Dritter zwangsläufig entsteht, und errichtet eine besondere Hürde gegen den vergleichsweise wenig aufwendigen Zugriff auf Kommunikationsdaten, den die Nutzung der Fernmeldetechnik ermöglicht. Demgegenüber wird die vom Bürger selbst beherrschbare Privatsphäre von anderen Grundrechten, insbesondere Art. 13 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt (BVerfGE 115, 166 <186>).
Auch das aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme findet nur Anwendung, soweit die anderen Freiheitsgewährleistungen, wie insbesondere der Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG, der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 1 GG sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung keinen oder keinen hinreichenden Schutz gewähren (BVerfGE 120, 274 <302 ff.>; vgl. auch Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 2 Rn. 81). Art. 10 Abs. 1 GG ist demgegenüber zum Beispiel alleiniger grundrechtlicher Maßstab für die Beurteilung einer Ermächtigung zu einer „Quellen-TKÜ“, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt (BVerfGE 120, 274 <309>; zuletzt: BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 -, Rn. 234). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, da sich die Überwachung auf die laufende Internetkommunikation beschränkt.
Soweit das Landgericht das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme in den Vordergrund stellt, wirkt sich dies jedenfalls aber nicht zu Lasten des Beschwerdeführers aus. Denn wie oben ausgeführt stellt Art. 10 GG eine spezielle Gewährleistung der Privatsphäre dar und lassen sich die Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt hat, weitgehend auf die speziellere Garantie des Art. 10 GG übertragen (BVerfGE 100, 313 <358 f.>; 115, 166 <188 f.>). Das Landgericht nimmt zudem explizit auf den für § 100a StPO zentralen Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a. - (BVerfGE 129, 208 ff.) Bezug, in welchem die Maßstäbe für die Prüfung des § 100a StPO anhand von Art. 10 GG ausgeführt sind. Zusätzlich weist es darauf hin, dass auch der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. März 2010 (NStZ-RR 2011, S. 148 f.) die Überwachung der Internetnutzung dem Schutz des Art. 10 GG unterstellt hat. Der ergänzende Rückgriff des Landgerichts auf § 161 StPO wirkt sich ebenfalls nicht zu Lasten des Beschwerdeführers aus, da das Landgericht die Intensität des Grundrechtseingriffs durch Anwendung des Art. 10 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zutreffend bewertet und dementsprechend die strengeren Eingriffsvoraussetzungen des § 100a StPO als verfassungsrechtlich notwendig erachtet.
b) § 100a StPO ist verfassungskonform (BVerfGE 129, 208 ff.). Der Zweite Senat hat in seinem Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a. - bereits festgestellt, dass durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Klassifizierung der neu aufgenommenen Delikte als Katalogtaten für Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung, deren legitimen Zweck der Gesetzgeber darin sieht, den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Mittel zur Verfolgung schwerer und schwer ermittelbarer Kriminalität an die Hand zu geben, mit Blick auf Art. 10 GG nicht bestehen.
Insbesondere liegen keine Verstöße gegen das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor (BVerfGE 129, 208 <241 ff.>). Mit den zusätzlichen Tatbestandsmerkmalen, dass die Katalogtat auch im Einzelfall schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts ohne die Überwachung der Telekommunikation wesentlich erschwert oder aussichtlos sein muss (§ 100a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO), hat der Gesetzgeber ein Schutzkonzept geschaffen, das dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht (BVerfGE 129, 208 <244>).
Zudem genügen die durch § 100a Abs. 4 StPO geschaffenen Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei der Telekommunikationsüberwachung sowohl auf der Erhebungsebene als auch in der Auswertungsphase den verfassungsrechtlichen Anforderungen (BVerfGE 129, 208 <245 ff.>). Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen müssen nicht schon deshalb von vornherein unterlassen werden, weil auch Tatsachen mit erfasst werden, die den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts berühren. Ein entsprechendes umfassendes Erhebungsverbot würde die Telekommunikationsüberwachung in einem Maße einschränken, dass eine wirksame Strafverfolgung gerade im Bereich schwerer und schwerster Kriminalität nicht mehr gewährleistet wäre. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist in diesen Fällen durch einen hinreichenden Grundrechtsschutz in der Auswertungsphase sicherzustellen (BVerfGE 129, 208 <247>).
Schließlich entstehen für einen umfassenden Kernbereichsschutz schon auf der Erhebungsebene Schwierigkeiten daraus, dass Telekommunikationsüberwachung mittels automatisierter Aufzeichnung der Kommunikationsinhalte durchgeführt wird und eine persönliche Überwachung durch (paralleles) Mithören in Echtzeit in der Regel nur punktuell stattfinden kann (BVerfGE 129, 208 <247 f.>). Mit dem absoluten Verwertungsverbot, dem unverzüglichen Löschungsgebot und der dazugehörigen Dokumentationsverpflichtung (§ 100a Abs. 4 Sätze 2 bis 4 StPO) wird dem Rechnung getragen und entspricht das Gesetz den Anforderungen an einen effektiven Kernbereichsschutz (BVerfGE 129, 208 <249>).
Diese Erwägungen gelten auch für den vorliegenden Fall. Dass sich durch die Ausleitung der aufgerufenen HTML-Seiten ein quantitatives Mehr an überwachter Kommunikation als bei der Telefonüberwachung ergibt, rechtfertigt keine andere Bewertung. Denn der Masse an aufgerufenen Web-Seiten und eingegebenen Suchbegriffen steht ein fragmentarischer Inhalt des einzelnen Abrufs beziehungsweise der einzelnen Informationsrecherche gegenüber. Es werden lediglich Einzelakte einer häufig nur sehr kurzen beziehungsweise wie gerade beim „Surfen“ lediglich oberflächlichen Kommunikation zur Kenntnis genommen. Der Beschwerdeführer weist selbst darauf hin, dass der Aufruf einer einzelnen Web-Seite häufig gerade nicht den Kernbereich der Persönlichkeit des Internetnutzers betrifft. Auch bei der Internetnutzung stellen Akte der höchstvertraulichen Kommunikation nur einen kleinen Teil dar, der bei der Überwachung miterfasst zu werden droht, nicht aber - wie die Überwachung des Rückzugsbereichs der Wohnung - typusprägend ist (vgl. dazu BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 -, Rn. 238).
Sofern der höchstpersönliche Bereich betroffen ist, haben die Ermittlungsbehörden dem durch sorgfältige Beachtung der Verwertungsverbote und Löschungspflichten Genüge zu tun, was der Erstellung eines umfassenden „Kommunikationsprofils“ vorbeugen kann. Es ergeben sich bei der Umsetzung und Anwendung der Regelungen hier keine Besonderheiten im Vergleich zur „klassischen“ Telekommunikation - eher dürfte es sogar einfacher sein, höchstpersönliche Inhalte bei einer Sichtung der ausgeleiteten HTML-Seiten auszusondern.
Schließlich ist die Ausgestaltung einer Überwachung in jedem Einzelfall den Erfordernissen anzupassen und die Angemessenheit jeder Maßnahme sorgfältig zu überprüfen. So haben sich die Ermittlungsbehörden grundsätzlich die Frage zu stellen, ob überhaupt eine „Internetüberwachung“ verhältnismäßig ist oder eine angeordnete Telekommunikationsüberwachung auf die Überwachung beispielsweise des Telefon- und E-Mail-Verkehrs zu beschränken ist. Dies hängt dann unter anderem von der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts im Einzelfall ab. Eine Überschreitung der Verhältnismäßigkeitsgrenze kann gegebenenfalls über die Rüge der Art und Weise der Ausführung der Maßnahme geltend gemacht werden (§ 101 Abs. 7 Satz 2 2. Alt. StPO).
c) Vorliegend ist aber auch die konkrete Durchführung der Maßnahme aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Denn die Ermittlungsbehörden waren um die Aufklärung eines schweren Kapitalverbrechens bemüht, und dem Eingriff in die Privatsphäre des Beschwerdeführers stehen das Legalitätsprinzip und der Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung gegenüber, die die zuständigen Behörden zur intensiven Ermittlung nicht nur berechtigen sondern auch verpflichten. Eine - im Ergebnis - fehlerhafte und spezifisches Verfassungsrecht verletzende Abwägung des Landgerichts ist nicht zu erkennen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 860
Bearbeiter: Holger Mann