HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 373
Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 3012/09, Beschluss v. 09.03.2010, HRRS 2010 Nr. 373
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. November 2009 - 3 Ws 419/09 -, der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 5. Oktober 2009 - 18 StVK 265/09 - R - und der Bescheid der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 24. August 2009 - 932 VRs 400 Js 12564/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse und der Bescheid werden aufgehoben. Die Sache wird an die Staatsanwaltschaft Mannheim zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung einer Strafunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 StPO.
Der Beschwerdeführer wurde 2005 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Er hatte im alkoholisierten Zustand seiner Ehefrau und seinem Sohn mit einem Messer lebensgefährliche Verletzungen zugefügt.
Seit dem 7. Mai 2005 war der Beschwerdeführer in Untersuchungs- und Strafhaft, seit dem 4. Juli 2006 im Maßregelvollzug. Mangels Aussicht auf einen Therapieerfolg wurde wenig später der Vorwegvollzug von zwei Jahren der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Seit dem 16. Mai 2007 ist der Beschwerdeführer wieder in Strafhaft. Die Hälfte der Gesamtstrafe war am 4. November 2009 verbüßt. Strafende ist der 6. Mai 2014.
Der Beschwerdeführer ist schwer krebskrank. Während der Strafhaft wurde er mehrfach auf der Krankenstation der Justizvollzugsanstalt, in einem anderen Vollzugskrankenhaus und in externen Krankenhäusern behandelt.
Unter dem 7. April 2008 beantragte er auf Anregung der Anstaltsärztin eine Strafunterbrechung. Aufgrund seiner Erkrankung sei durch die Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr zu besorgen. Seine Krankheit könne nicht im Anstaltskrankenhaus behandelt werden. Durch eine Verlegung in ein Sanatorium könne sein Zustand stabilisiert und eine Operation ermöglicht werden. Die Anstaltsärztin befürwortete "dringend" eine Strafunterbrechung, um eine Operation oder mehrwöchige Bestrahlung in einer externen Klinik durchzuführen. Die Justizvollzugsanstalt sprach sich gegen eine Strafunterbrechung aus. Zwar könne die Krankheit weder dort noch im Anstaltskrankenhaus behandelt werden (§ 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO). Jedoch stünden einer Strafunterbrechung Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegen. Der Beschwerdeführer habe nach Einschätzung des Abteilungspsychologen, der den Vollzugsplan erstellt habe, eine hohe Gewaltbereitschaft und neige unter Alkohol zu eruptiven Durchbrüchen. Seine Alkohol- und Gewaltproblematik sei nicht behandelt worden.
Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag am 18. Juli 2008 ab. Zwar sei der Beschwerdeführer schwer krank. Eine Behandlung sei innerhalb des Vollzugs nach Auffassung der Justizvollzugsanstalt auch nicht durchführbar. Es sei aber nicht ersichtlich, welche Weiterbehandlung außerhalb des Vollzugs vorgesehen sei. Derzeit müsse davon ausgegangen werden, dass den gesundheitlichen Belangen dadurch Rechnung getragen werde, dass der Beschwerdeführer bei Bedarf in Einrichtungen außerhalb des Vollzugs behandelt werde. Da nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt weitere schwere Straftaten nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könnten, könne die Haft nicht unterbrochen werden.
Der Beschwerdeführer beantragte am 1. August 2008 bei der Staatsanwaltschaft, ein Sachverständigengutachten zur Art und Dauer der durchzuführenden Heilbehandlungen und zu der Frage einzuholen, wie sich seine körperlichen Beeinträchtigungen auf die Gefährlichkeitsprognose auswirkten. Als der Anstaltspsychologe den Vollzugsplan erstellt habe, sei seine Krebserkrankung noch nicht bekannt gewesen, ebenso wenig der Umstand, dass er stark abgenommen habe. Zudem sei er zur Erstellung des Vollzugsplans nur kurz untersucht worden. Die Anstaltsärztin selbst habe die Strafunterbrechung angeregt. In einer Stellungnahme teilte die Justizvollzugsanstalt mit, dass eine Operation nicht möglich sei und der Beschwerdeführer eine Strahlentherapie ablehne. Daher erhalte er eine Schmerztherapie, die in der Anstalt durchgeführt werden könne. Die Anstaltsärztin habe am 11. August 2008 erklärt, der Beschwerdeführer sei körperlich durchaus in der Lage, ein Messer zu halten. Solange dies so sei, stünden überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit einer Strafunterbrechung entgegen. Die Staatsanwaltschaft lehnte daraufhin den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ab.
Im Februar 2009 beantragte der Beschwerdeführer erneut eine Strafunterbrechung. Er habe zehn Tage in einer externen Klinik im Koma gelegen. Es sei ein Luftröhrenschnitt durchgeführt worden. Infolge der stationären Behandlung stelle er keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. In einer Stellungnahme vom 19. Februar 2009 teilte die Anstaltsärztin mit, der Beschwerdeführer sei Ende Januar 2009 zunehmend kurzatmig geworden und in ein externes Krankenhaus verbracht worden. Von dort sei er in ein anderes Vollzugskrankenhaus verlegt worden. Da sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe, sei er erneut in ein externes Krankenhaus verbracht worden, wo er seither beatmet werde. In einem Bericht der externen Klinik vom 23. Februar 2009 wurde dem Beschwerdeführer ein insgesamt schlechter Gesundheitszustand diagnostiziert. Es sei mit fortbestehender Pflegebedürftigkeit zu rechnen. Hinsichtlich des inoperablen Bronchialkarzinoms bestehe eine palliative Therapiesituation. In einer Stellungnahme vom 27. Februar 2009 teilte die Anstaltsärztin mit, dass der Beschwerdeführer mehrere Wochen lang beatmet worden sei und derzeit im Überwachungsraum des anderen Vollzugskrankenhauses überwacht werden müsse. Letzteres teilte unter dem 4. März 2009 mit, dass der Beschwerdeführer haftfähig sei. Er müsse nicht mehr im Überwachungsraum untergebracht werden. Auch wenn eine leichte Besserungstendenz festzustellen sei, müsse aber jederzeit mit Verschlechterung des Gesundheitszustands gerechnet werden. Für diesen Fall sei eine Verlegung in eine externe Klinik geplant.
Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag am 13. März 2009 ab. Ausweislich der Stellungnahme vom 4. März 2009 sei der Beschwerdeführer derzeit haftfähig. Bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustands sei eine Verlegung beabsichtigt. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Art und Dauer der Heilbehandlung werde zurückgewiesen. Insoweit werde auf die Stellungnahmen einer externen Klinik vom 21. Mai 2008, der Anstaltsärztin vom 27. Februar 2009 und des Vollzugskrankenhauses vom 4. März 2009 verwiesen.
Nach einem Bericht des Vollzugskrankenhauses vom 1. April 2009 wurde der Beschwerdeführer am 25. März 2009 in relativ gutem Allgemeinzustand in die Justizvollzugsanstalt entlassen. Am 6. April, 11. April und 4. Mai 2009 musste er wegen akuter Notfälle in ein externes Krankenhaus verbracht werden. Die Justizvollzugsanstalt gab in einer Stellungnahme vom 5. Mai 2009 an, der Beschwerdeführer sei nach Auffassung der Anstaltsärztin nicht mehr in der Lage, die körperliche Belastung einer Entgiftung durchzuhalten. Dem schloss sich der behandelnde Arzt des anderen Vollzugskrankenhauses an. Die Anstaltsärztin führte in einer Stellungnahme vom 7. Mai 2009 aus, der Beschwerdeführer sei zunehmend auf ärztliche Versorgung unter stationären Bedingungen des Haftkrankenhauses angewiesen. Mit Beschluss vom 19. Mai 2009 erklärte die Strafvollstreckungskammer daraufhin die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt.
Der Beschwerdeführer beantragte unter dem 26. Juni 2009 zum dritten Mal eine Strafunterbrechung. Er sei vom 30. Januar bis 25. März 2009 zum vierten Mal stationär in dem anderen Vollzugskrankenhaus behandelt worden. Obwohl dieses am 1. April 2009 bescheinigt habe, dass er einen relativ guten Allgemeinzustand habe, sei er kurz darauf dreimal in eine Universitätsklinik eingeliefert worden. Wegen seiner Krankheit sei von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr zu besorgen. Die Krankheit könne nicht im Anstaltskrankenhaus behandelt werden. Sinnvoll sei eine Sanatoriumsbehandlung, um eine operative Lösung zu begünstigen. Er sei psychisch stark belastet. Er müsse sich mit einer erheblich verkürzten Lebenszeit auseinandersetzen, ferner mit Atemnot, Erstickungspanik und Todesangst. Zudem werde er ständig von der Justizvollzugsanstalt in das Anstaltskrankenhaus und von dort in andere Kliniken verlegt. Dadurch würden seine Beschwerden intensiviert. Eine psychologische Betreuung durch einen Facharzt sei unerlässlich. Er sei sich sicher, dass er nicht mehr lange leben werde und wolle in Freiheit würdig sterben. Die Tat liege schon vier Jahre zurück. Zuvor sei er strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Seine Ehefrau gehe nicht mehr von einer Gefahrensituation aus, habe eingeräumt, dass er sich entschuldigt habe und sei überzeugt, dass er die Tat bereue. Sie sei bereit, ihn zu pflegen. Bei einem todkranken Gefangenen, von dem eine nur noch sehr eingeschränkte Gefahr von Straftaten ausgehe, könne die Achtung der Menschenwürde nach einem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2006 (1 Ws 59/06, NStZ-RR 2006, S. 285) eine Strafunterbrechung auch dann gebieten, wenn von der Vollstreckung selbst eine nahe Lebensgefahr nicht zu besorgen sei und die Krankheit im Anstaltskrankenhaus behandelt werden könne. Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich zusehends und schränke die Gefahr weiterer Straftaten erheblich ein. Insoweit sei ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Der behandelnde Arzt des anderen Vollzugskrankenhauses wies in einer Stellungnahme vom 31. Juli 2009 darauf hin, dass sich das Krankheitsbild nicht wesentlich geändert habe. Der Beschwerdeführer könne dort versorgt werden. Der Gesundheitszustand könne sich aber - wie in der Vergangenheit - jederzeit verschlechtern. Es müsse auf den reduzierten Allgemein-, Ernährungs- und Kräftezustand hingewiesen werden. Bezüglich des Bronchialkarzinoms bestehe eine palliative Situation. Die Prognose sei durch die beiden Lungenerkrankungen deutlich eingeschränkt. Demnächst sei eine Operation in einer externen Klinik geplant. Das Anstaltskrankenhaus legte diese Stellungnahme der Staatsanwaltschaft mit der ergänzenden Anmerkung vor, dass es derzeit nicht möglich sei, die Gefahr weiterer Straftaten sicher auszuschließen, weil sich das Krankheitsbild nicht wesentlich geändert habe. Eine Strafunterbrechung könne nicht befürwortet werden. Sollte sich der Gesundheitszustand verschlechtern, sei eine erneute Prüfung angezeigt.
Die Staatsanwaltschaft lehnte daraufhin den Antrag am 24. August 2009 ab. Im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege sei die richterliche Entscheidung mit Nachdruck und Beschleunigung zu vollstrecken. Die Gesuchsgründe rechtfertigten keine Abweichung hiervon. Durch die Vollstreckung entstünden keine so erheblichen, außerhalb des Strafzwecks liegenden Nachteile, dass zu deren Vermeidung ein "Strafaufschub" geboten sei. Die Stellungnahme des Vollzugskrankenhauses gehe nicht von Haftunfähigkeit aus. Der Beschwerdeführer könne im Vollzugskrankenhaus ausreichend medizinisch versorgt werden.
Der Beschwerdeführer erhob gemäß § 458 Abs. 2 StPO Einwendungen. Er sei körperlich nicht in der Lage, Straftaten zu begehen. Es sei ein Gutachten einzuholen. Ihm müsse ein würdiger Tod bei seinen Angehörigen ermöglicht werden.
Die Strafvollstreckungskammer wies die Einwendungen mit Beschluss vom 5. Oktober 2009 zurück. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft begegne keinen Bedenken. Zwar sei der Beschwerdeführer schwer krank und in verschiedenen Krankenhäusern behandelt worden. Bereits mit Schreiben vom 4. März 2009 habe aber das Vollzugskrankenhaus mitgeteilt, dass er nicht mehr im Überwachungsraum untergebracht werden müsse und eine leichte Besserungstendenz festzustellen sei. Die Anstaltsärztin habe am 7. Mai 2009 festgestellt, dass der Beschwerdeführer zunehmend auf ärztliche Versorgung unter stationären Bedingungen des Vollzugskrankenhauses angewiesen sei, es aber bei dem Bronchialkarzinom nicht zu einer Progression gekommen sei. Zuletzt habe das Vollzugskrankenhaus am 31. Juli 2009 mitgeteilt, dass sich das Krankheitsbild nicht wesentlich verändert habe, der Beschwerdeführer dort ausreichend medizinisch versorgt werden könne und demnächst eine Operation in einer externen Klinik geplant sei. All dies belege zur Überzeugung der Kammer, dass von der Vollstreckung keine nahe Lebensgefahr für den Beschwerdeführer zu besorgen sei und er im Anstaltskrankenhaus ausreichend behandelt werden könne. Sollte sich sein Gesundheitszustand wesentlich verschlechtern, werde die Vollstreckungsbehörde gegebenenfalls auf erneuten Antrag die Sachlage neu zu prüfen haben.
Der Beschwerdeführer erhob sofortige Beschwerde. Er wiederholte sein Vorbringen. Insbesondere rügte er, dass kein Gutachten eingeholt worden sei und sich die Strafvollstreckungskammer nicht mit dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2006 auseinandergesetzt habe.
Das Oberlandesgericht wies die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass Bedenken bestehen könnten, ob die staatsanwaltliche Entscheidung vom 24. August 2009 den Darlegungsanforderungen genüge, die an eine nachprüfbare Ermessensentscheidung zu stellen seien. Die Staatsanwaltschaft habe sich angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls nicht in gebotener Weise mit dem aktuellen Krankheitsbild des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, insbesondere nicht dazu, ob ein Sachverhalt vorliege, wie er dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2006 zugrunde gelegen habe. Die Generalstaatsanwaltschaft bat gleichwohl darum, eine Beschwerdeentscheidung zu erlassen.
Das Oberlandesgericht verwarf die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 19. November 2009 unter Verweis auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung. Ergänzend führte es aus: Die Darlegungsmängel der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 455 Abs. 4 StPO habe die Strafvollstreckungskammer durch die in ihrem Beschluss getroffenen Feststellungen geheilt. Die danach mögliche Nachprüfung der Entscheidungen von Staatsanwaltschaft und Strafvollstreckungskammer ergebe, dass die schwere Erkrankung des Beschwerdeführers den Tatbestand von § 455 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2 und 3 StPO nicht erfülle. Weder gehe von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Beschwerdeführer aus noch könne die Krankheit nicht innerhalb des Vollzugskrankenhauses oder in einem externen Krankenhaus behandelt werden. Im Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei die Krankheit auch noch nicht so weit fortgeschritten gewesen, dass eine Strafunterbrechung nach § 455 Abs. 4 StPO analog hätte in Betracht gezogen werden müssen. Ein Fall der Ermessensreduzierung im Sinne des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts wie bei einem todkranken Verurteilten habe nicht vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer meine, es hätte ein Gutachten zur Möglichkeit der Verbesserung seines Gesundheitszustands und zur Unerlässlichkeit einer fachärztlich-psychologischen Betreuung eingeholt werden müssen, handele es sich um Fragen des Strafvollzugs, die einem Verfahren nach §§ 56 ff. StVollzG vorbehalten seien. Soweit der Beschwerdeführer ein Gutachten zur Gefahr weiterer Straftaten für erforderlich halte, sei darüber im Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB zu entscheiden. Aufgrund des Krankheitsverlaufs werde die Staatsanwaltschaft gegebenenfalls Anlass haben, aufgrund neuer Erkenntnisse erneut zu prüfen, ob eine Unterbrechung der Vollstreckung anzuordnen sei. Hierbei werde sie gegebenenfalls zwischen dem Recht auf Sterben in Würde und dem verbleibenden Sicherheitsinteresse der ehemaligen Tatopfer abzuwägen haben.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG. Sein Recht, in Würde zu sterben, sei nicht berücksichtigt worden. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen.
Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Strafverfahrens und das Vollstreckungsheft vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
1. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom 24. August 2009 und die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer vom 5. Oktober 2009 und des Oberlandesgerichts vom 19. November 2009 verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
a) Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine Entscheidung über eine Strafunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 StPO sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.
aa) Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und die Gleichbehandlung aller in Strafverfahren rechtskräftig Verurteilten gebietet grundsätzlich die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs (vgl. BVerfGE 51, 324 <343 f.>). Das bedeutet auch, dass rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafen zu vollstrecken sind.
bb) Das Gebot, den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen, findet seine Grenzen im Grundrecht des Verurteilten auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Bei Gesundheitsgefährdungen eines Strafgefangenen entsteht zwischen der Pflicht des Staates zur Durchsetzung des Strafanspruchs und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte ein Spannungsverhältnis. Keiner dieser Belange genießt schlechthin den Vorrang. Ein Konflikt ist nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips, das bei der Beurteilung von Eingriffen in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Beachtung erfordert, durch Abwägung der widerstreitenden Interessen zu lösen. Führt diese Abwägung zu dem Ergebnis, dass die dem Eingriff entgegenstehenden Interessen des Verurteilten ersichtlich wesentlich schwerer wiegen als diejenigen Belange, deren Wahrung die Strafvollstreckung dienen soll, so verletzt der gleichwohl erfolgte Eingriff das Verhältnismäßigkeitsprinzip und damit das Grundrecht des Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 51, 324 <343 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2003 - 2 BvR 1007/03 -, NStZ-RR 2003, S. 345). Die Grenze ist jedenfalls erreicht, wenn angesichts des Gesundheitszustands des Verurteilten ernsthaft zu befürchten ist, dass er bei Durchführung der Strafvollstreckung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen wird (vgl. BVerfGE 51, 324 <345 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2003, a.a.O.).
cc) Darüber hinaus verpflichtet Art. 1 Abs. 1 GG die Strafvollstreckungsbehörde dazu, in allen ihren Erscheinungsformen die Würde des Menschen zu achten und zu schützen (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>). Der Strafvollzug steht unter dem Gebot, schädlichen Auswirkungen für die körperliche und geistige Verfassung des Gefangenen im Rahmen des Möglichen entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 109, 133 <150 f.>; 117, 71 <91>) und die Gefangenen lebenstüchtig zu halten (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 117, 71 <91>). Mit der Würde des Menschen wäre es unvereinbar, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance, der Freiheit wieder teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <245>; 72, 105 <113>; 117, 71 <95>), auf einen von Siechtum und Todesnähe gekennzeichneten Lebensrest zu reduzieren (vgl. BVerfGE 72, 105 <116 f.>). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann dem Interesse des Gefangenen an der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit ein Gewicht zukommen, welches das der Gründe für einen weiteren, ununterbrochenen Vollzug zu übertreffen vermag (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>).
dd) Die §§ 56 ff. StVollzG und § 455 Abs. 4 StPO tragen diesem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zur Durchsetzung seines Strafanspruchs einerseits und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner Gesundheit und Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit andererseits Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2003, a.a.O.). Bei der Auslegung von § 455 Abs. 4 StPO hat die Vollstreckungsbehörde die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Strafgefangenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in Rechnung zu stellen. Diese kann im Einzelfall eine Strafunterbrechung auch über den Wortlaut von § 455 Abs. 4 StPO hinaus gebieten.
§ 455 StPO verbietet einen Vollzug, von dem eine nahe Lebensgefahr oder schwere Gesundheitsgefahr droht. Allerdings muss bei einer solchen Gefahr nicht stets die Strafhaft unterbrochen werden, denn vom Vollzug droht die Gefahr dann nicht, wenn er Mittel zur Abhilfe bereit hält. Solche Mittel sind nicht nur die in § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO ausdrücklich genannte Untersuchung und Behandlung in Vollzugseinrichtungen, sondern auch diejenigen in einem externen Krankenhaus (§ 65 Abs. 2 StVollzG), die ebenfalls ohne Unterbrechung des Vollzugs vonstatten gehen können. Dies gilt aber nur, soweit die Behandlung noch als adäquat angesehen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2003, a.a.O.).
Auch wenn die Krankheit im Anstaltskrankenhaus oder in einer externen Klinik behandelt werden kann, wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung eine Strafunterbrechung nach § 455 Abs. 4 StPO in Betracht gezogen, wenn der Strafgefangene todkrank ist und von ihm nur noch eine sehr eingeschränkte Gefahr erneuter Straftaten ausgeht (vgl. Hanseatisches OLG, Beschluss vom 2. Mai 2006, a.a.O.; vgl. auch Appl, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 455 Rn. 17; Arloth, StVollzG, 2. Aufl. 2008, § 65 Rn. 4; Zeitler, Rpfleger 2009, S. 205 <207>). Erwogen wird auch eine analoge Anwendung von § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO, wenn ein schwer kranker Gefangener zwar haftfähig ist, aber langfristig erfolgreich nur außerhalb des Strafvollzugs behandelt werden kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. Februar 1991 - 3 Ws 41/91 -, StV 1991, S. 478).
ee) Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; 109, 133 <162>). Drängen sich Anhaltspunkte für eine Ausnahmesituation auf, die in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Strafgefangenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eine Strafunterbrechung über den Wortlaut von § 455 Abs. 4 StPO hinaus gebieten könnte, ist die Vollstreckungsbehörde von Verfassungs wegen gehalten, Einzelheiten insbesondere des Gesundheitszustands, der Lebenserwartung und der Gefährlichkeit des Verurteilten zu klären. Gegebenenfalls hat sie insoweit (ergänzende) ärztliche Stellungnahmen oder ein Sachverständigengutachten einzuholen.
ff) Die von der Vollstreckungsbehörde gemäß § 455 Abs. 4 StPO zu treffende Entscheidung ist eine Ermessensentscheidung. Die gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO über die Einwendungen beinhaltet lediglich die Überprüfung, ob die Vollstreckungsbehörde ermessensfehlerfrei entschieden hat. Diese Ermessensprüfung setzt voraus, dass die Vollstreckungsbehörde eine nachprüfbare Ermessenentscheidung trifft (vgl. ThürOLG, Beschluss vom 21. August 2003 - 1 Ws 264/03 -, StV 2004, S. 84; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Februar 2009 - 2 Ws 25/09 -, NStZ-RR 2009, S. 189 <190>). Dem hat die Vollstreckungsbehörde angesichts der in besonderem Maße wertenden Natur der Entscheidung, ob die Strafe zu unterbrechen ist, dadurch Rechnung zu tragen, dass sie ihre Würdigung je nach den Umständen des Einzelfalls eingehender abfasst, sich also nicht mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt.
b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom 24. August 2009 nicht gerecht.
Sie lässt bereits nicht erkennen, welche Strafunterbrechungsgründe des § 455 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 StPO die Staatsanwaltschaft geprüft hat. Normen werden nicht genannt. Die Staatsanwaltschaft hat ein Formular für einen Strafaufschub verwendet. Während der Strafaufschub § 455 Abs. 1 bis 3 StPO betrifft, ist die Strafunterbrechung in § 455 Abs. 4 StPO geregelt.
Auch die Grundlagen der Entscheidung werden nicht hinreichend deutlich. Zwar wird auf "die Stellungnahme des Vollzugskrankenhauses" Bezug genommen. Auf welche der zahlreichen ärztlichen Stellungnahmen der verschiedenen Krankenhäuser, in denen der Beschwerdeführer behandelt wurde, die Entscheidung gestützt wird, wird aber nicht erläutert.
Sofern sich die im Formular ergänzten Ausführungen der Staatsanwaltschaft auf § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO beziehen sollen, enthält die Entscheidung keine Ausführungen dazu, ob die Behandlung im Anstaltskrankenhaus mit den ständigen Verlegungen in externe Kliniken ohne Unterbrechung der Haft insgesamt noch als adäquat angesehen werden kann. Sie geht in keiner Weise auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den psychischen und physischen Belastungen durch die haftbedingten, zahlreichen und notfallmäßigen Verlegungen ein.
Darüber hinaus lässt die äußerst knapp gehaltene Entscheidung nicht erkennen, ob die Staatsanwaltschaft die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigt hat. Die Staatsanwaltschaft geht weder auf die Lebenserwartung noch auf den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ein. Ob der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner derzeitigen Konstitution noch als gefährlich angesehen werden kann, wird nicht erörtert. Ob die fachgerichtliche Rechtsprechung, die in besonderen Ausnahmefällen im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eine Strafunterbrechung über den Wortlaut von § 455 Abs. 4 StPO hinaus als geboten ansieht, von der Staatsanwaltschaft berücksichtigt worden ist, ergibt sich aus der Entscheidung nicht.
Zu einer entsprechenden Sachaufklärung und Ausführungen in der Entscheidung hätte Anlass bestanden, weil sich hier Anhaltspunkte für eine etwaige Ausnahmesituation aufdrängten. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Antrag auf den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2006 sowie darauf hingewiesen, dass er nur noch eine geringe Lebenserwartung habe und nicht mehr in der Lage sei, Gewalttaten im Sinne der Anlasstat zu begehen. Sein dramatischer Gesundheitszustand war unter anderem aus den Stellungnahmen der Anstaltsärztin vom 19. und 27. Februar 2009, dem vorläufigen Arztbericht der externen Klinik vom 23. Februar 2009 und dem Bericht des anderen Vollzugskrankenhauses vom 4. März 2009 ersichtlich. Aus diesen ergab sich, dass ein Luftröhrenschnitt durchgeführt werden musste, der Beschwerdeführer zehn Tage lang im Koma lag, mehrere Wochen lang künstlich beatmet werden musste, und dass hinsichtlich des inoperablen Bronchialkarzinoms eine palliative Therapiesituation besteht. Zudem musste der Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner Entlassung aus einem anderen Vollzugskrankenhaus am 6. April, 11. April und 4. Mai 2009 dreimal binnen kürzester Zeit in akuten Notsituationen in ein externes Krankenhaus verbracht werden. Die Justizvollzugsanstalt gab in einer Stellungnahme vom 5. Mai 2009 an, dass der Beschwerdeführer nach Auffassung der Anstaltsärztin nicht mehr in der Lage sei, die körperliche Belastung einer Entgiftung durchzuhalten. Dem schloss sich der behandelnde Arzt des anderen Vollzugskrankenhauses an. Die Anstaltsärztin führte in einer Stellungnahme vom 7. Mai 2009 aus, der Beschwerdeführer sei zunehmend auf ärztliche Versorgung unter stationären Bedingungen des Haftkrankenhauses angewiesen. Infolgedessen erklärte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 19. Mai 2009 die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt. Zuletzt wies der behandelnde Arzt des anderen Vollzugskrankenhauses in einer Stellungnahme vom 31. Juli 2009 darauf hin, dass sich das Krankheitsbild nicht wesentlich geändert habe und sich der Gesundheitszustand - wie in der Vergangenheit - jederzeit verschlechtern könne. Er machte auf den reduzierten Allgemein-, Ernährungs- und Kräftezustand aufmerksam und führte aus, dass bezüglich des Bronchialkarzinoms eine palliative Situation bestehe und die Prognose durch die Lungenerkrankungen deutlich eingeschränkt sei.
Trotz der sich danach aufdrängenden Umstände für eine mögliche Ausnahmesituation hat die Staatsanwaltschaft auch auf den Hinweis des Oberlandesgerichts, dass die Entscheidung den Anforderungen an eine nachprüfbare Ermessensentscheidung nicht genügen könnte, keine weiteren Sachaufklärungsmaßnahmen ergriffen und ihre Entscheidung nicht ergänzend begründet.
c) Es kann dahinstehen, ob - wie das Oberlandesgericht meint - die Darlegungsmängel der Staatsanwaltschaft von der Strafvollstreckungskammer und dem Oberlandesgericht geheilt werden konnten. Auch die gerichtlichen Entscheidungen lassen sich nämlich nicht zu der Frage ein, ob im Rahmen von § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO die Behandlung ohne Unterbrechung des Strafvollzugs in Anbetracht des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers und der ständigen Verlegungen in externe Kliniken insgesamt noch als adäquat angesehen werden kann. Darüber hinaus enthalten sie - unter dem Gesichtspunkt einer Anwendung von § 455 Abs. 4 StPO über den Wortlaut hinaus - auch keine Feststellungen zur voraussichtlichen Restlebenserwartung und Gefährlichkeit des Beschwerdeführers, obwohl das Oberlandesgericht durch die Hervorhebung, dass "von der Vollstreckung" eine nahe Lebensgefahr nicht ausgehe, erkennen lässt, eine nahe Lebensgefahr durchaus - nur eben nicht infolge der Vollstreckung - für möglich zu halten.
d) Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet auch der Umgang des Oberlandesgerichts mit dem Begehren des Beschwerdeführers, seine gegenwärtige Gefährlichkeit durch ein Gutachten klären zu lassen. Insoweit verkennt das Oberlandesgericht, dass das verfassungsrechtliche Gebot bestmöglicher Sachaufklärung auch im Verfahren nach § 455 Abs. 4 StPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens gebieten kann, wenn die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Strafunterbrechung vorliegen, nicht hinreichend sicher beantwortet werden kann.
2. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Auslagenerstattung auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
3. Mit der Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren (vgl. BVerfGE 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>).
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 373
Bearbeiter: Stephan Schlegel