HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 5
Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvL 5/09, Beschluss v. 06.10.2009, HRRS 2010 Nr. 5
Die Vorlage ist unzulässig.
Gegenstand der Vorlage ist die Frage, inwieweit die Länder durch die Regelung in § 304 StGB von der Schaffung von Strafvorschriften auf dem Gebiet des Denkmalschutzes ausgeschlossen sind.
1. Das Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen (Sächsisches Denkmalschutzgesetz - SächsDschG) vom 3. März 1993 (SächsGVBl S. 229), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 29. Januar 2008 (SächsGVBl S. 138, 146) enthält in § 35 eine Strafvorschrift folgenden Inhalts:
(1) Wer
1. ohne die nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 erforderliche Genehmigung ein Kulturdenkmal oder einen wesentlichen Teil eines Kulturdenkmals zerstört, oder
2. ohne die nach § 14 Abs. 2 erforderliche Genehmigung Grabungen mit dem Ziel, Kulturdenkmale zu entdecken, durchführt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
(2) Die fahrlässige Begehung einer Tat nach Absatz 1 wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.
(3) Reste eines Kulturdenkmals, das durch eine Tat nach Absatz 1 zerstört worden ist, können eingezogen werden.
In § 12 SächsDSchG sind die Genehmigungspflichten wie folgt geregelt:
(1) Ein Kulturdenkmal darf nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde
1. wiederhergestellt oder instand gesetzt werden,
2. in seinem Erscheinungsbild oder seiner Substanz verändert oder beeinträchtigt werden,
3. mit An- und Aufbauten, Aufschriften oder Werbeeinrichtungen versehen werden,
4. aus einer Umgebung entfernt werden,
5. zerstört oder beseitigt werden.
(2) Bauliche oder garten- und landschaftsgestalterische Anlagen in der Umgebung eines Kulturdenkmals, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung sind, dürfen nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde errichtet, verändert oder beseitigt werden. Andere Vorhaben in der Umgebung eines Kulturdenkmals bedürfen dieser Genehmigung, wenn sie die bisherige Grundstücksnutzung ändern würde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals nur unerheblich oder nur vorübergehend beeinträchtigen würde oder wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls Berücksichtigung verlangen.
(3) Bedarf ein Vorhaben der Baugenehmigung oder bauordnungsrechtlichen Zustimmung, tritt an die Stelle der Genehmigung nach diesem Gesetz die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde gegenüber der Bauaufsichtsbehörde.
2. Entsprechende Strafbestimmungen enthalten neben dem Sächsischen Denkmalschutzgesetz lediglich die Regelungen in Niedersachsen (§ 34 Nds.DSchG) und Sachsen-Anhalt (§ 21 DSchG LSA). In den übrigen Ländern wird die ungenehmigte Zerstörung von Denkmälern durch Ordnungswidrigkeitenvorschriften sanktioniert.
1. Der Angeschuldigte des Ausgangsverfahrens erwarb im Jahre 2002 ein unter Denkmalschutz stehendes Anwesen. Es handelte sich um ein Wohnhaus mit Anbau (Fachwerk), Scheune (Fachwerk) und um ein Wirtschaftsgebäude einer ehemaligen Mühle. Der Angeschuldigte beabsichtigte den Umbau des Anwesens. In der ihm erteilten Baugenehmigung ist als sonstige Nebenbestimmung vermerkt:
3. Die Stellungnahme der unteren Denkmalschutzbehörde vom 27.02.2002 ist der Baugenehmigung als Kopie beigefügt. Vorgenannte Stellungnahme ist Bestandteil der Baugenehmigung und für die Bauausführung maßgebend.
Die Stellungnahme der unteren Denkmalschutzbehörde enthält in zehn Punkten detaillierte Vorgaben, die bei der Umbaumaßnahme zu beachten sind.
Anlässlich eines Ortstermins wurde festgestellt, dass der Angeschuldigte das Wohnanwesen abweichend von der Baugenehmigung umgebaut sowie die Scheune ohne entsprechende Genehmigung abgerissen und an deren Stelle eine Doppelgarage errichtet hatte. Auf entsprechenden Antrag wurde eine diesbezügliche Nachtragsbaugenehmigung erteilt. Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen stellte in einem Schreiben vom 27. März 2006 fest, dass die Maßnahmen des Angeschuldigten als vollständige Zerstörung eines Kulturdenkmals zu betrachten seien. Aufgrund denkmalpflegerischen Wertverlustes könne das Gebäude nicht mehr weiter als Kulturdenkmal geführt werden.
2. Mit Anklageschrift vom 23. Mai 2007 wurde dem Angeschuldigten ein Vergehen der vorsätzlichen Zerstörung eines Kulturdenkmals gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 SächsDSchG zur Last gelegt. Es sei hervorzuheben, dass der Angeschuldigte und seine Ehefrau das Grundstück im Jahr 2002 von der Schwiegermutter des Angeschuldigten erworben hätten. Seine Schwiegermutter sei jedoch bereits mit Schreiben vom 27. März 1995 durch die untere Denkmalschutzbehörde davon unterrichtet worden, dass das Wohnhaus mit Anbau, Scheune und Wirtschaftsgebäude einer ehemaligen Mühle Kulturdenkmal im Sinne des § 2 SächsDSchG sei. Am 13. Dezember 2001 habe eine Objektbegehung stattgefunden. Dabei seien die Forderungen des Denkmalschutzes unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Umbaus bezogen auf das Wohnhaus erläutert worden.
3. Nachdem das Amtsgericht Meißen gegenüber dem Vertreter des Beschuldigten sowie der Staatsanwaltschaft Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 35 SächsDSchG geäußert, die Staatsanwaltschaft der vom Gericht vorgeschlagenen Einstellung nach § 153 StPO jedoch nicht zugestimmt hatte, setzte es mit Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 15. Juli 2008 das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Prüfung vor, ob
"§ 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen (SächsDSchG) insoweit mit Bundesrecht vereinbar ist, als danach die Zerstörung und Beschädigung auch privater Denkmäler und auch fahrlässiges Handeln unter Strafe gestellt wird."
a) Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und in der Folge eine etwaige Verurteilung des Angeschuldigten hänge im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG von der Gültigkeit des § 35 Abs. 1 Nr. 1 SächsDSchG ab. Im Falle der Gültigkeit der Norm wäre eine Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich und daher das Hauptverfahren zu eröffnen. Gegenläufig sei im Falle der Verfassungswidrigkeit der Norm zu entscheiden.
b) Die Norm des § 35 Abs. 1 Nr. 1 SächsDSchG sei nicht mit den bundesrechtlichen Vorschriften der § 304 Abs. 1 StGB und Art. 4 Abs. 2 EGStGB vereinbar und verstoße damit letztlich auch gegen Art. 31 sowie Art. 70 Abs. 1 GG, Art. 72 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
Die auch von der strafrechtlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasste Vorschrift des § 304 Abs. 1 StGB enthalte eine abschließende Regelung des Schutzes von Kulturgütern gegen Beschädigung oder Zerstörung und damit einer Materie im Sinne des Art. 4 Abs. 2 EGStGB. Schutzzweck beider Vorschriften sei die Bewahrung von Kulturgütern beziehungsweise Kulturdenkmalen, die für die Allgemeinheit bedeutsam sind, vor einer Vernichtung oder einer Brauchbarkeitsminderung. Die Tathandlung sei in beiden Vorschriften mit "zerstört" übereinstimmend beschrieben. § 304 StGB enthalte lediglich darüber hinaus die Beschädigung als weitere Tatalternative. Unterschiede ergäben sich beim Tatobjekt und dem subjektiven Tatbestand: Zum einen setze § 35 Abs. 1 Nr. 1 SächsDSchG nicht die Zerstörung öffentlicher Denkmäler voraus, zum anderen stelle die Vorschrift in Absatz 2 im Gegensatz zu § 304 StGB auch fahrlässiges Handeln unter Strafe.
Die beiden Regelungen seien jedoch unvereinbar. Zum einen ergebe sich aus Art. 4 Abs. 5 EGStGB kein ausdrücklicher Vorbehalt für landesrechtliche Strafvorschriften, da dort neben den Sachbeschädigungsvorschriften des Strafgesetzbuchs nur Vorschriften zum Schutze von Feld und Forst unberührt blieben. Zum anderen stelle § 304 StGB eine abschließende Regelung zur Pönalisierung von Beschädigungen von Denkmälern als einer Materie im Sinne von Art. 4 Abs. 2 EGStGB dar. Aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch ergebe sich, dass der Begriff Materie bewusst anstatt des Begriffes Rechtsgebiet verwendet worden sei, da bei Letzterem die unerwünschte Auslegung möglich gewesen wäre, dass die Regelung des Absatz 2 des Art. 4 EGStGB nur dann gelte, wenn hinsichtlich eines größeren, zusammengehörenden Komplexes von Vorschriften im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs eine abschließende Regelung getroffen sei, nicht aber bereits bei einer nur vereinzelten Regelung, möge sie auch für sich betrachtet eine Materie abschließend regeln. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber das Merkmal der Öffentlichkeit von Denkmälern zur rechtsstaatlich gebotenen Präzisierung des Tatobjekts eingeführt habe und die Begehung fahrlässiger Sachbeschädigungen dem Strafgesetzbuch fremd sei, lasse nur den Schluss zu, dass die bei der Regelung der Materie übergangenen Fälle im Sinne einer stillschweigend negativen Regelung straffrei bleiben sollten.
Soweit in der Literatur unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des § 304 StGB vertreten werde, die bundes- und landesrechtlichen Strafvorschriften des Denkmalschutzes seien insoweit miteinander vereinbar, als die § 303, § 304 StGB landesrechtlichen Vorschriften vorgingen, soweit die schädigenden Handlungen durch sie erfasst würden, sei dies unzutreffend. Die von den Befürwortern dieser These zitierte Bundestagsdrucksache (8/2382, S. 13) enthalte eine solche Aussage gerade nicht. Vielmehr lasse sich dem Gesetzentwurf des Sechzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes gegenteilig entnehmen, dass die (künftig auch von § 304 StGB erfassten) Fälle der Beschädigung oder Zerstörung eines Naturdenkmals, welche bislang landesrechtlich unterschiedlich als Straftat oder Ordnungswidrigkeit normiert waren, künftig gerade einer einheitlichen Regelung zugeführt werden sollten.
Die Vorlage ist unzulässig.
Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76>). Das vorlegende Gericht muss hierzu darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Normen abhängt. Ferner muss das Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm näher darlegen und deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit nahe liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie einer eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darstellung der Rechtslage (vgl. BVerfGE 86, 71 <77>; 88, 198 <201>; 89, 329 <336 f.>; 97, 49 <60>). Die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab dabei nicht nur benennen, sondern auch die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 86, 71 <77 f.>).
Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluss nicht gerecht.
Das Amtsgericht Meißen hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift nicht in ausreichender Weise begründet.
Zutreffend wirft der Vorlagebeschluss die Frage auf, ob der Bund durch Erlass des § 304 StGB von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG abschließend Gebrauch gemacht hat. Bejahendenfalls wäre die entsprechende landesrechtliche Norm mit Bundesrecht unvereinbar (mit der Folge der Nichtigkeit nach Art. 31 GG, vgl. BVerfGE 67, 1 <11>) sowie gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nichtig (vgl. zu diesbezüglichen Feststellungen, BVerfGE 77, 288 <289, 298>; 87, 95).
1. Bei der Beurteilung der Unvereinbarkeit eines formellen Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG fungiert neben dem entsprechenden Bundesgesetz auch das Grundgesetz als Prüfungsmaßstab (vgl. BVerfGE 53, 100 <106>; 67, 1 <11>; 87, 95 <96>; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 100 Rn. 24 <August 1971>; Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 95).
Im Falle des hiernach einschlägigen Art. 72 Abs. 1 GG hat der Landesgesetzgeber die Gesetzgebungsbefugnis, soweit nicht der Bund von der ihm verliehenen Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Ein Gebrauchmachen im Sinne dieser Vorschrift liegt allerdings nicht nur dann vor, wenn der Bund eine Regelung getroffen hat. Auch in dem absichtsvollen Unterlassen einer Regelung kann ein Gebrauchmachen von einer Bundeszuständigkeit liegen, das dann insoweit Sperrwirkung für die Länder erzeugt (vgl. BVerfGE 32, 319 <327 f.>).
Der Bundesgesetzgeber kann im Bereich der im Strafgesetzbuch herkömmlich geregelten Materien Straftatbestände auch dort schaffen, wo ihm sonst durch den Zuständigkeitskatalog des Grundgesetzes Grenzen gezogen sind (vgl. BVerfGE 23, 113 <124>; 98, 265 <312>). Soweit diese Regelungen abschließend sind, verhindern sie ergänzendes oder abweichendes Landesrecht, das auf den Schutz desselben Rechtsguts gerichtet ist. Dies wird in Art. 4 Abs. 2 EGStGB einfachgesetzlich bestätigt (vgl. BVerfGE 98, 265 <312>).
Die Frage, ob und inwieweit der Bund von einer Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, kann im Einzelnen schwierig zu beantworten sein. Die Antwort ergibt sich dabei in erster Linie aus dem Bundesgesetz selbst, in zweiter Linie aus dem hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien. Das gilt auch bei einem absichtsvollen Regelungsverzicht, der in dem Gesetzestext selbst keinen unmittelbaren Ausdruck gefunden hat. Der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von eigener Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist (vgl. BVerfGE 102, 99 <114 f.>). Ob der Gebrauch, den der Bund von einer Kompetenz gemacht hat, abschließend ist, muss aufgrund einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes festgestellt werden (vgl. BVerfGE 67, 299 <324>; 109, 190 <230>). In jedem Fall setzt die Sperrwirkung für die Länder voraus, dass der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund hinreichend erkennbar ist (vgl. BVerfGE 98, 265 <301>).
Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle im vorliegenden Fall ist somit die Frage, welche Materie von § 304 StGB erfasst wird und welchen Regelungszweck diese Vorschrift verfolgt. Ergänzt um Aspekte der Gesetzesentstehung ist auf dieser Basis im Wege einer Gesamtbetrachtung die Frage nach einer abschließenden, ergänzende landesrechtliche Regelungen ausschließenden Norm zu beantworten. Mit diesem Maßstab und den sich hieraus ergebenden Fragestellungen setzt sich der Vorlagebeschluss nicht hinreichend auseinander.
2. Das vorlegende Gericht macht keine Ausführungen dazu, aus welchen Umständen ein erkennbarer Wille des Bundesgesetzgebers zu einer abschließenden Regelung gefolgert wird. Es macht nicht deutlich, ob der Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist und inwiefern er nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte (vgl. hierzu BVerfGE 102, 99 <115>). Dass sich dies, entsprechend den genannten Vorgaben, aus der Norm selbst ergibt, legt der Vorlagebeschluss nicht dar. Darüber hinaus wird aus ihm auch nicht deutlich, ob sich der Wille zu einer abschließenden Regelung aus dem Zweck der Norm oder ihrer historischen Entwicklung ergibt.
Für das Vorliegen einer erkennbar abschließenden Regelung liegen auch keine derartigen Anhaltspunkte vor, die eine Auseinandersetzung im Vorlagebeschluss entbehrlich machten. Im Gegenteil lassen weder der Schutzzweck noch die Entstehungsgeschichte des § 304 StGB ohne Weiteres den unmittelbaren Schluss auf eine abschließende Regelung zu.
a) Der Schutzzweck der Norm besteht in der Wahrung des öffentlichen Interesses an der Unversehrtheit der in § 304 StGB genannten Tatobjekte (vgl. Wieck-Noodt, in: Münchener Kommentar zum StGB, 1. Aufl. 2006, § 304 Rn. 1).
Die Vorschrift des § 304 StGB erfasst dabei nicht sämtliche, sondern nur öffentliche Denkmäler. Damit liegt ein umfassender und lückenloser Schutz von Denkmälern durch den Bund gerade nicht ohne weiteres vor.
Der Vorlagebeschluss geht davon aus, dem Begriffsmerkmal "öffentlich" in § 304 StGB komme eine eigenständige Bedeutung zu. Anders, als dies die Vorlagefrage vermuten lässt, kommt es hierbei auf die Eigentumsverhältnisse jedoch nicht an. Vielmehr wird ein öffentliches Denkmal durch einen entsprechenden Widmungsakt sowie eine - wenn auch beschränkte - öffentliche Zugangsmöglichkeit gekennzeichnet. Erforderlich ist hiernach eine Zweckbestimmung, durch die die Sache der Öffentlichkeit gewidmet wird (vgl. RGSt 43, 240 <243>). Dies kann auch konkludent erfolgen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 28. Januar 1974 - 2 Ss 301/73 -, NJW 1974, S. 1291 <1292>; Wieck-Noodt, in: Münchener Kommentar zum StGB, 1. Aufl. 2006, § 304 Rn. 8; Wolff, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 304 Rn. 2). Als weitere Voraussetzung ist nach weit verbreiteter Ansicht die allgemeine Zugänglichkeit des Denkmals zu fordern (vgl. RGSt 58, 346 <347>; BGH, Urteil vom 31. Mai 1957 - 1 StR 155/57 -, NJW 1957, S. 1158; Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 304 Rn. 4; Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 304 Rn. 7; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. 2007, § 304 Rn. 2; Wolff, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 304 Rn. 7 a.E.; Eberl, BayVBl. 2007, S. 459 <461>; Keller, Der strafrechtliche Schutz von Baudenkmälern unter Berücksichtigung der Bußgeldtatbestände in den Landesdenkmalgesetzen, 1987, S. 37; Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995, S. 181, Fn. 260; Siebertz, Denkmalschutz in Bayern, 1977, S. 180; von "leicht zugänglich" spricht auch der Bundesgesetzgeber im Rahmen des Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes, mit welchem der Schutz von Naturdenkmälern in § 304 StGB aufgenommen wurde, vgl. BTDrucks 8/2382, S. 13; offen gelassen von OLG Celle, a.a.O.; ablehnend Hönes, NuR 2006, S. 750 <752>). Gerade deswegen, weil die Denkmäler nach ihrer Zweckbestimmung öffentlich zugänglich sein müssten und deshalb erhöhter Gefahr der Zerstörung oder Beschädigung ausgesetzt seien, stünden diese unter einem, gegenüber der allgemeinen Sachbeschädigung erhöhten Strafschutz (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1957 - 1 StR 155/57 -, NJW 1957, S. 1158; RGSt 58, 346 <347>; Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Dritter Teil, Denkschrift zu dem Entwurf von 1919, S. 300; Amtlicher Entwurf eines allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs, Zweiter Teil: Begründung, 1925, S. 150).
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Regelungsintention des Bundes lediglich darauf bezog, sicher zu stellen, dass gerade öffentliche Denkmäler, mithin solche, die in irgendeiner Form öffentlich zugänglich sind und an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, unter einen besonderen strafrechtlichen Schutz gestellt werden. Dies schließt es nicht von vornherein aus, dass es daneben den Ländern freigestellt sein sollte, auch solche Denkmäler, welche nicht öffentlich zugänglich sind, deren Erhaltung aber ebenso im öffentlichen Interesse liegt, vor Zerstörung strafrechtlich zu schützen. Auch diesen droht in erheblichem Maße die Gefahr einer Zerstörung. So mag in vielen Fällen die Beseitigung eines Baudenkmals dem Grundstückseigentümer eine rentablere Nutzung eröffnen (vgl. Backhaus, Denkmalrecht in Niedersachsen, 1988, S. 146; differenzierend zu § 304 StGB, Eberl, in: Eberl/Martin/Petzet, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 5. Aufl. 1997, Art. 23 Rn. 2). Der Vorlagebeschluss legt nicht dar, inwiefern der durch § 304 StGB gewährte partielle Schutz dahingehend zu verstehen sei, dass weitergehende Normierungen, die auch nicht öffentliche Denkmäler erfassen, ausgeschlossen werden sollten.
b) Allein aus dem Umstand, dass sich aus Art. 4 Abs. 5 EGStGB für den Bereich des Denkmalschutzes kein ausdrücklicher Vorbehalt für eine landesrechtliche Vorschrift ergibt, kann entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts (ebenso Weber, in: Festschrift für Herbert Tröndle, 1989, S. 337 <344 ff.>) nicht auf eine abschließende Regelung geschlossen werden. Aufgrund des grundgesetzlichen Kompetenzgefüges ist es vielmehr erforderlich, dass der Bund seinerseits deutlich macht, dass er eine abschließende Regelung getroffen hat. Dieser Wille muss erkennbar sein.
Hinzu kommt Folgendes: Ausweislich der Materialien zu Art. 4 EGStGB war es das Ziel des Gesetzgebers, die seit alters her eigenständigen Regelungen der Länder auf dem Gebiet des Feld- und Forstschutzes in gewissem Umfange fortbestehen zu lassen (vgl. BTDrucks 7/550, S. 201). Die Entwicklung der Landesdenkmalschutzgesetze unterscheidet sich aber von der der Gesetze zum Schutz von Feld und Forst. Hiervon ausgehend hätte im Vorlagebeschluss näher dargelegt werden müssen, inwiefern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch im Bereich des Denkmalschutzes neuere und ähnliche landesrechtliche Regelungen existierten, von deren Fortbestehen jedoch bewusst abgesehen werden sollte.
c) Entgegen den Ausführungen im Vorlagebeschluss wurde das Merkmal der Öffentlichkeit nicht durch den Bundesgesetzgeber - zur rechtsstaatlich gebotenen Präzisierung - eingefügt (kritisch zum Argument möglicher Ergänzung aus Gründen des Bestimmtheitsgebots Hönes, NuR 2006, S. 750 <752>). Was das Tatobjekt des öffentlichen Denkmals anbetrifft, geht die Regelung auf entsprechende Formulierungen in Gesetzentwürfen des 19. Jahrhunderts zurück. So enthielt bereits § 28 des Ersten Teils, 14. Abschnitt des Entwurfs des Straf-Gesetz-Buches für die Preußischen Staaten von 1828 eine Strafvorschrift, welche den Fall der Zerstörung öffentlicher Denkmäler mit Arbeitshausstrafe belegte (abgedruckt bei Schubert/Regge, Quellen zur preußischen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, Gesetzesrevision <1825-1848>, I. Abteilung Straf- und Strafprozessrecht, Band 1 Strafrecht <Ministerium Danckelmann; 1827-1830>, S. 365). Die genannten preußischen Regelungen nahmen dabei auf das Allgemeine Preußische Landrecht Bezug, das im Zwanzigsten Teil in § 211 bereits die Verunstaltung oder Beschädigung öffentlicher Denkmäler unter Strafe stellte (vgl. den Hinweis auf § 211 ALR in den Materiellen Abweichungen des Revidirten Entwurfs des Criminal-Strafgesetzbuchs vom Allgemeinen Landrecht und den übrigen gegenwärtigen Criminal-Strafgesetzen, 1833, abgedruckt bei Schubert/Regge, Quellen zur preußischen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, Gesetzesrevision <1825-1848>, I. Abteilung Straf- und Strafprozessrecht, Band 3, Straf- und Strafprozessrecht <Ministerium Kamptz; 1833-1837>, S. 232).
Der Bundesgesetzgeber hat dieses Begriffsmerkmal ohne Kommentierung übernommen (vgl. zur historischen Entwicklung Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995, S. 180 ff.; Hönes, NuR 2006, S. 750). Behauptet das vorlegende Gericht, das Öffentlichkeitserfordernis lasse nur den Schluss zu, der Reichs- bzw. Bundesgesetzgeber habe damit auch eine negative Regelung dahingehend treffen wollen, dem Landesgesetzgeber zu untersagen, nicht öffentliche Denkmäler strafrechtlich zu schützen (so Weber, in: Festschrift für Herbert Tröndle, 1989, S. 337 <347>; im Ergebnis ebenso Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, Vor § 1 Rn. 41), so hätte dies historisch belegt werden müssen. Daran fehlt es. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Intention bereits den preußischen Gesetzen des 18. beziehungsweise 19. Jahrhunderts zu Grunde lag. Angesichts der territorialen Zersplitterung Deutschlands kann auch ausgeschlossen werden, dass damals eine (weitere) landesrechtliche Regelungen ausschließende Normierung gewollt war (vgl. zu den Erwägungen des Entwurfs von 1828, die sich jedoch nicht explizit mit dem Begriff des öffentlichen Denkmals befassen, die Motive zu dem von dem Revisor vorgelegten "Ersten Entwurfe des Criminal-Gesetzbuches für die Preußischen Staaten", Vierter Band, 1828, abgedruckt bei Schubert/Regge, Quellen zur preußischen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, Gesetzesrevision <1825-1848>, I. Abteilung Straf- und Strafprozessrecht, Band 2, Straf- und Strafprozessrecht <Ministerium Danckelmann; 1828-1830>, S. 395 ff., insbesondere S. 433 ff.). Lediglich in Bezug auf die in der gleichen Norm erfasste Beschädigung von Wegen und Brücken führen die Motive aus, dass es auch hier notwendig des Beiwortes "öffentlich" bedürfe, da sonst das "Verbrechen" in der Sphäre der Rechtsverletzungen gegen Einzelne bleibe (vgl. Motive zu dem von dem Revisor vorgelegten "Ersten Entwurfe des Criminal-Gesetzbuches für die Preußischen Staaten", Vierter Band, 1828, a.a.O., S. 433). Zwar ist es dem Bundesgesetzgeber nicht verwehrt, einer übernommenen Regelung auch noch nachträglich eine abschließende Wirkung beizumessen. Mit Blick auf die historische Entwicklung ist es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts aufzuzeigen, aufgrund welcher Umstände darauf geschlossen werden müsse, der Bundesgesetzgeber, der die Regelung unkommentiert in das Strafgesetzbuch übernommen hat, habe diese - nunmehr - als abschließend verstanden.
Aus dem Umstand der Einfügung des Tatobjekts der Naturdenkmäler im Zuge des Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes (Art. 1 Nr. 7 des Achtzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 28. März 1980,BGBl I S. 373) kann auf einen nachträglich geäußerten Willen des Bundesgesetzgebers zu einer abschließenden Regelung nicht ohne Weiteres geschlossen werden (vgl. Keller, Der strafrechtliche Schutz von Baudenkmälern unter Berücksichtigung der Bußgeldtatbestände in den Landesdenkmalgesetzen, 1987, S. 94 ff.). Unabhängig davon, dass der Vorlagebeschluss hierauf nicht eingeht, lässt sich den Gesetzesmaterialien kein Hinweis auf eine derartige Willensbekundung entnehmen. Ausgeführt wird lediglich, dass die bisherigen unterschiedlichen landesrechtlichen Normierungen zum Schutz von Naturdenkmälern einer einheitlichen Regelung zugeführt werden sollen. Dabei sei es sachlich gerechtfertigt, Naturdenkmäler den anderen in § 304 StGB genannten Sachen gleichzustellen (vgl. BTDrucks 8/2382, S. 13). Der Vorlagebeschluss macht keine Ausführungen dazu, inwieweit aus diesem Umstand die Schlussfolgerung gezogen werden kann, der Bundesgesetzgeber sei hinsichtlich der übrigen in § 304 StGB genannten Gegenstände, zu denen er im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine Stellung nahm, von einer abschließenden Regelung ausgegangen.
d) Selbst wenn man - wie im Vorlagebeschluss - die Ansicht vertritt, der Bund habe die Materie des Denkmalschutzes umfassend geregelt, hätte das vorlegende Gericht weiter prüfen müssen, ob das Landesrecht dasselbe Rechtsgut schützt wie das Bundesrecht (vgl. BVerfGE 98, 265 <312>).
Insoweit wird teilweise vertreten, die Regelungen bezweckten jeweils den Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter. So ziele § 304 StGB auf den Erhalt bestimmter, gemeinnützigen Zwecken gewidmeter Sachen. Demgegenüber wolle die landesrechtliche Regelung einfach den Bestand an Kulturdenkmälern schützen (vgl. zu der Strafvorschrift in § 34 Nds.DSchG, Wiechert, in: Grosse-Suchsdorf/Schmaltz/Wiechert, Niedersächsische Bauordnung, Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz, 5. Aufl. 1992, § 34 Rn. 2; Reich, Denkmalschutzgesetz Sachsen-Anhalt, 2000, § 21 Rn. 1; kritisch hierzu Keller, Der strafrechtliche Schutz von Baudenkmälern unter Berücksichtigung der Bußgeldtatbestände in den Landesdenkmalgesetzen, 1987, S. 96). Vertreten wird aber auch, die landesrechtlichen Bestimmungen sanktionierten ausschließlich den Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt (vgl. Hönes, Denkmalschutz und Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz, 1984, S. 63, 76 f.).
Es wäre Aufgabe des vorlegenden Gerichts gewesen, hierzu Stellung zu nehmen und zu erörtern, ob die Ahndungsvorschriften eine unterschiedliche Zielrichtung verfolgen (vgl. auch Rehborn, NWVBl 1988, S. 325 <326>). Dies ist unterblieben.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 5
Bearbeiter: Stephan Schlegel