HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 568
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 93/07, Beschluss v. 16.05.2007, HRRS 2007 Nr. 568
Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 6. September 2006 - 105 - 31/05 -und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2006 - 2 Ws 511/06 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz in einem strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren.
1. a) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Aachen vom 31. Oktober 1997 des Mordes und Totschlags für schuldig befunden. Ausgesprochen wurde eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Beschwerdeführer am 14. Juni 1996 gegen 23.15 Uhr in dem Club "N." in G. zunächst H. durch Schüsse aus einem Revolver ermordet und unmittelbar darauf P. mit einem Schuss in den Oberkörper getötet.
Die Einlassung des Beschwerdeführers, H. habe ihn mit einer Schusswaffe bedroht, woraufhin er in Verteidigungsabsicht auf den frontal vor ihm stehenden H. geschossen habe, sah die Strafkammer als widerlegt an. Zwar habe sich in der rechten Hand des tot auf dem Rücken liegenden H. eine kleine, mit sechs Patronen geladene halbautomatische Selbstladepistole der Marke Browning, Modell Baby, Kaliber 6,35 mm befunden. Diese sei jedoch auf Veranlassung des Beschwerdeführers nach der Tat in die Hand des Opfers gelegt worden.
Hinsichtlich des unmittelbaren Tatablaufs ging das Landgericht davon aus, der Beschwerdeführer habe sich wegen einer Beziehung von H. zu seiner Lebensgefährtin, die als Mitinhaberin des Clubs die wirtschaftliche Basis für seinen gehobenen Lebensstil gewährleistet habe, spontan entschlossen, diesen zu töten, als er aus der Küche das Auftreten H. in der Bar beobachtet habe, der sich dort wie deren Besitzer geriert habe. Wegen der überlegenen körperlichen Statur des H. sei für den Beschwerdeführer nur der Einsatz einer Schusswaffe in Betracht gekommen. Er habe einen fünfschüssigen, vollständig geladenen Revolver der Marke Smith & Wesson, Modell Airweight, Kaliber 38 Spezial in die rechte Hand genommen und sei - den Finger am Abzug - aus der Küche durch den Durchgang in den eigentlichen Barraum gegangen. Dort habe er sich mit dem Revolver im inneren Thekenbereich der Bar dem Opfer genähert, das ihm den Rücken zugekehrt habe. Als er nur noch knapp einen halben Meter hinter ihm gewesen sei, habe er den Revolver in einer Höhe von 1,24 m vom Fußsohlenrand H. aus gemessen auf dessen T-Shirt aufgesetzt und in Tötungsabsicht den Abzugshahn betätigt. Das Geschoss sei in die Wirbelsäule eingedrungen und habe das Rückenmark verletzt. H. sei von dem Angriff völlig überrascht und durch die Schussverletzungen in seiner Mobilität sofort erheblich eingeschränkt gewesen. Er habe sich torkelnd zu dem Beschwerdeführer hin gedreht und an ihm hinabgleitend den hilflosen Versuch einer Abwehrbewegung gemacht. Hierdurch sei es zu intensiveren Körperkontakten und möglicherweise auch zu einem Kontakt mit dem Revolver gekommen, so dass sich H. zwei kleine blutende Platzwunden im Bereich der linken Augenbraue zugezogen habe. Dabei sei es auch zu wechselseitigen Übertragungen von Mikrofasern der Kleidungsstücke gekommen. In dem Gerangel habe sich aus dem Revolver ein zweiter Schuss gelöst, der unkontrolliert in das Spiegelglas über dem inneren Thekenbereich eingeschlagen sei. Glassplitter seien sowohl auf den Boden im inneren Thekenbereich als auch auf die Ablage vor der hinteren Spiegelglaswand gelangt. Unmittelbar danach habe der Beschwerdeführer hinter der Theke auf den zusammenbrechenden H. in fortbestehender Tötungsabsicht aus einer Entfernung von jeweils 20 bis 30 cm zwei weitere Schüsse in dessen Bauch und Oberarm abgegeben. Dabei sei es unter anderem zu einer Verletzung der Lunge sowie der Lungen- und Hauptschlagader gekommen. Im Zuge des gesamten Geschehens seien einige Blutstropfen von H. auf die Ablage vor der hinteren Spiegelglaswand gelangt. Die Strafkammer hielt es für überwiegend wahrscheinlich, dass diese Blutanhaftungen von den blutenden Platzwunden an der linken Augenbraue H. herrührten, hielt es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass das Blut zu einem späteren Zeitpunkt dorthin getropft oder gespritzt sei.
Unmittelbar nach der letzten Schussabgabe auf H. sei der Beschwerdeführer einige Schritte zurückgetreten und habe sich in Richtung des Eingangs gedreht. Er habe dann aus einer Entfernung von weniger als 50 cm einen weiteren Schuss mit dem Revolver auf den Oberkörper des ihm in diesem Moment mit seiner rechten Körperseite zugewandten P. abgegeben, wobei er dessen Tod billigend in Kauf genommen habe. Ob P. unmittelbar vor der Schussabgabe eine Bewegung auf den Beschwerdeführer hin gemacht habe und dieser mit dem Schuss einer Überwältigung habe zuvorkommen wollen, konnte die Strafkammer nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen. Auch P. verstarb innerhalb kurzer Zeit an massiven inneren Blutungen.
Die Tötung des H. sah die Strafkammer als Mord an, weil der Beschwerdeführer dessen Arg- und Wehrlosigkeit in feindseliger Willensrichtung zur Tat ausgenutzt habe. Der Beschwerdeführer habe sich bewusst den Umstand zu Nutze gemacht, dass sich H., der ihm vor Abgabe des ersten Schusses den Rücken zugekehrt habe, weder eines Angriffs versehen habe noch mit einem solchen habe rechnen müssen. In Folge des Überraschungsmoments habe dieser auch keine Abwehrmöglichkeit gehabt. Damit habe der Beschwerdeführer heimtückisch gehandelt. Weitere Mordmerkmale seien nicht verwirklicht. Die festgestellte Motivlage rechtfertige vor allem nicht die Annahme, der Beschwerdeführer habe H. aus Habgier oder aus niedrigen Beweggründen getötet. Hinsichtlich der Tat zum Nachteil des P. sah die Strafkammer kein Mordmerkmal, sondern nur den Tatbestand des Totschlags als verwirklicht an.
b) Die Revision des Beschwerdeführers wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 24. Juni 1998 verworfen.
2. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
Zum einen führte er an, dass mit den Zeugen B. und M. neue Beweismittel zur Verfügung stünden. B. habe gesehen, dass sich H. vor dem Betreten der Gaststätte, in der sich die Tat ereignet habe, eine kleine Pistole in den Hosenbund gesteckt habe. M. könne bestätigen, dass B. ihn gefragt habe, ob er bei dem Fahrer des Porsche - einen solchen fuhr H. am Tag der Tat - eine Waffe in der Hand gesehen habe. Zudem könne der Zeuge bekunden, dass es kurze Zeit später am Eingang des Lokals zu einem Tumult gekommen sei.
Zum anderen behauptete der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein Gutachten des Arztes für Rechtsmedizin Dr. Sch. und des Kriminalbiologen Dr. B. eine andere als die vom Schwurgericht festgestellte Schussreihenfolge. Auf Grund der Ausführungen der Sachverständigen könne er gar nicht erst in den Rücken des H. geschossen haben. Aus medizinischer Sicht könne es zudem im Hinblick auf die eingetretenen Verletzungen der Wirbelsäule ausgeschlossen werden, dass es anschließend noch, wie vom Landgericht festgestellt, zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit H. hätte kommen können. Ebenso spreche das auf der Ablage vor der hinteren Spiegelglaswand vorgefundene Blut des Tatopfers H. gegen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum Tathergang. Auf den Blutanhaftungen hätten sich Spiegelsplitter befunden. Mithin müssten der in die Lunge - das Blut auf der Ablage könne nur ausgehustet worden sein - eingedrungene und der die Spiegeldecke zerstörende Schuss vor dem Rückenschuss abgegeben worden sein.
Schließlich wurde die im Erkenntnisverfahren nicht erreichbare Zeugin B. als Beweismittel benannt. In deren Wissen wurde gestellt, dass der Hauptbelastungszeuge L. in der Hauptverhandlung gelogen habe. All dies entziehe dem Urteil des Landgerichts Aachen die Grundlage.
3. Das Landgericht Köln erklärte den Wiederaufnahmeantrag mit Beschluss vom 11. Januar 2006 für zulässig. In der Folge vernahm es die Zeugen B. und M.
4. Mit Beschluss vom 6. September 2006 verwarf das Landgericht Köln den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Es schenkte den Aussagen der Zeugen B. und M. keinen Glauben. Die Vernehmung der Zeugin B. und der beiden Sachverständigen sah es nicht als erforderlich an, weil von der Zeugin keine neuen erheblichen Tatsachenbekundungen zu erwarten seien und es sich bei den beiden Sachverständigen nicht um neue Beweismittel handele.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein.
5. Das Oberlandesgericht Köln verwarf diese mit Beschluss vom 6. Dezember 2006.
In den Gründen verwies es zunächst darauf, dass das Landgericht die Aussagen der Zeugen B. und M. zu Recht als nicht glaubhaft angesehen habe. Auch sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Vernehmung der Zeugin B. nicht geboten gewesen sei. Die Frage, ob der Zeuge L. bei seinen Angaben dazu, wie die Zeugin B. am Morgen nach der Tat zum Polizeipräsidium gekommen sei, gelogen habe, betreffe einen völlig untergeordneten Punkt. Selbst wenn sich ergeben würde, dass der Zeuge in diesem Zusammenhang die Unwahrheit gesagt hätte, beeinträchtige dies die Überzeugungskraft seiner Angaben zum eigentlichen Tatgeschehen nicht. Auch die erkennende Strafkammer sei bereits davon ausgegangen, dass der Zeuge L. im Laufe des Ermittlungsverfahrens in Nebenpunkten vorsätzlich die Unwahrheit gesagt habe. Dies habe aber nichts an der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen zum Kerngeschehen geändert. Insoweit fehle auch jedes erkennbare Interesse an einer Falschaussage. In Bezug auf das Verhältnis zu der Zeugin sei dies hingegen anders, da er seine Beziehung zu dieser Frau als kompromittierend habe empfinden können.
Schließlich könne das Wiederaufnahmegesuch auch nicht mit Erfolg auf die eingereichten Privatgutachten gestützt werden. Soweit das Landgericht die beiden Sachverständigen nicht als neue Beweismittel angesehen habe, sei dies zwar im Ansatz richtig. Ein weiterer Sachverständiger sei nicht schon dann ein neues Beweismittel, wenn der Antragsteller behaupte, er werde zu anderen Schlussfolgerungen gelangen als der früher vernommene, sondern nur dann, wenn er einem anderen Fachgebiet als der frühere Sachverständige angehöre oder über Forschungsmittel verfüge, die diesem überlegen seien. Dies treffe für keinen der beiden Sachverständigen zu. Allerdings sei dies gar nicht der entscheidende Punkt. Zu sehen sei vielmehr, dass das Wiederaufnahmegesuch insoweit gar nicht auf neue Beweismittel, sondern auf neue Tatsachen gestützt werde, die durch die Sachverständigen lediglich unter Beweis gestellt würden.
Mit dem Wiederaufnahmeantrag werde behauptet, dass die Verletzung des Opfers H. an der Augenbraue 24 Stunden vor seinem Tod entstanden sei, ferner, dass nach dem Rückenschuss ein Kampf zwischen diesem und dem Beschwerdeführer nicht mehr möglich gewesen sei. Schließlich werde behauptet, dass das auf der Ablage vorgefundene Blut des Opfers H. in Folge des Schusses, der dessen Lunge verletzt habe, ausgehustet worden sei. Alle drei Behauptungen sollten zu dem Schluss führen, dass entgegen den von der erkennenden Strafkammer getroffenen Feststellungen nicht bereits der erste, sondern erst der dritte Schuss in den Rücken des Opfers gegangen sei.
Diese Tatsachen seien jedoch letztlich nicht geeignet, zwingend diesen Schluss zu tragen. Daher sei der Antrag insofern unzulässig und die Vernehmung der Sachverständigen zu Recht unterblieben.
Die Behauptung, die Wunde an der Augenbraue sei zum Todeszeitpunkt bereits rund 24 Stunden alt gewesen, sei zwar neu, da das Landgericht davon ausgegangen sei, dass H. sich diese Verletzung erst nach dem Rückenschuss zugezogen habe. Auf dieser Feststellung beruhe das Urteil aber nicht. Das Landgericht habe gerade nicht festgestellt, dass die Blutanhaftungen auf der Theke auf die Augenbrauenverletzung zurückzuführen sei. Es habe dies zwar für überwiegend wahrscheinlich, es jedoch auch nicht für ausgeschlossen gehalten, dass das Blut zu einem späteren Zeitpunkt dorthin getropft oder gespritzt sei. Das Schwurgericht habe also selbst die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Blutanhaftungen nicht von der Wunde an der Augenbraue stammten. Gleichwohl habe es sich nicht daran gehindert gesehen, den Beschwerdeführer zu verurteilen.
Die Behauptung, nach dem Schuss in den Rücken sei H. nicht mehr in der Lage gewesen, sich umzudrehen und sich seinem Angreifer zuzuwenden, sei gleichfalls nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen. Gehe man hiervon aus, könne es nach dem Rückenschuss nicht zu dem intensiven Körperkontakt zwischen H. und dem Beschwerdeführer gekommen sein, den die Strafkammer festgestellt habe. Dieser Umstand sei jedoch nur relevant für die Frage, ob sich H. die Augenbrauenverletzung unmittelbar vor seinem Tod oder bereits deutlich früher zugezogen habe. Hierauf aber komme es gerade nicht an. Ausgeschlossen werde dagegen nicht, dass der durch den Schuss in den Rücken erheblich verletzte H. an dem Verurteilten entlang zu Boden geglitten sei, wodurch es zu den festgestellten Faserübertragungen gekommen sei.
Auch wenn man schließlich als wahr unterstelle, H. habe in Folge der Lungenverletzung Blut in die Atemwege bekommen, das er dann ausgehustet habe, führe dies nicht zwingend zu der Annahme, dass das Schwurgericht von einer unzutreffenden Reihenfolge der vom Beschwerdeführer abgegebenen Schüsse ausgegangen und der Rückenschuss tatsächlich erst der dritte Schuss gewesen sei. Die Verteidigung sehe sich zu diesem Schluss veranlasst, weil die auf den Blutanhaftungen zu sehenden Spiegelsplitter erst nach dem Schuss, der in die Spiegeldecke gegangen sei, dorthin gelangt sein könnten. Demnach müsse der Schuss in die Spiegeldecke und damit auch der unmittelbar davor abgegebene Schuss in den Rücken dem Schuss in die Lunge nachgefolgt sein, während die erkennende Strafkammer davon ausgegangen sei, dass der Schuss in den Rücken der erste Schuss gewesen sei.
Richtig an dieser Argumentation sei jedoch nur die Prämisse. Da die Spiegelsplitter auf den Blutanhaftungen gelegen hätten, müsse das Blut zuerst auf die Ablage vor der hinteren Spiegelglaswand gelangt sein und erst danach die darauf liegenden Spiegelsplitter. Dies führe jedoch nur dann zu dem von der Verteidigung vorgetragenen Schluss, der den Schuldspruch des Urteils in Frage stellen würde, wenn davon auszugehen wäre, dass die Spiegelsplitter unmittelbar nach dem Schuss in die Spiegeldecke an die Stelle gefallen seien, wo sie dann photographisch festgehalten worden seien. Möglich sei jedoch, dass diese erst später dorthin gelangt seien. Hierfür gebe es weitere, praktisch nahe liegende Möglichkeiten. So könnten die Spiegelsplitter nicht unmittelbar nach dem Treffer in die Decke heruntergefallen sein, sondern erst später. Es erscheine durchaus möglich, dass nicht das gesamte gesplitterte Glas sogleich von der Decke gefallen sei, sondern sich zumindest einige Teile erst später in der Folge von Erschütterungen gelöst hätten. Solche Erschütterungen seien etwa durch den mit der Abgabe weiterer Schüsse verbundenen Explosionsdruck entstanden. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass die Spiegelsplitter gar nicht von der Decke gefallen, sondern später auf andere Weise dorthin gelangt seien. Das Lichtbild, auf dem die Blutanhaftungen mit den Spiegelsplittern zu sehen seien, sei erst geraume Zeit nach der Tat gefertigt worden. In der Zwischenzeit hätten sich zahlreiche Personen, unter anderem der Beschwerdeführer und Rettungskräfte in dem fraglichen Bereich aufgehalten. Es erscheine keineswegs fern liegend, dass eine dieser Personen die Lage der Spiegelsplitter unbeabsichtigt nachträglich verändert habe. Der Umstand, dass die Spiegelsplitter auf dem Blut gelegen hätten, lasse deshalb keine zwingende Aussage über die Reihenfolge der Schussabgabe zu. Gerade dies aber sei erforderlich, um die Urteilsfeststellungen in einem für den Schuldspruch wesentlichen Punkt in Frage zu stellen und die Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen.
6. Nachdem ihm der oberlandesgerichtliche Beschluss am 15. Dezember 2006 zugestellt worden war, erhob der Beschwerdeführer mit hier am 15. Januar 2007 per Fax eingegangenem Schriftsatz Verfassungsbeschwerde. Die Seiten 121 bis 161 der Verfassungsbeschwerde, die unter anderem den Zulassungsbeschluss des Landgerichts Köln und die Protokolle der Beweisaufnahme umfassten, wurden dabei nicht übermittelt. Stattdessen wurden die Seiten 81 bis 120 der Verfassungsbeschwerde per Fax doppelt übermittelt. Vollständig ging der Schriftsatz im Original am 17. Januar 2007 ein.
1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Der oberlandesgerichtliche Beschluss sei ergangen, ohne dass ihm zuvor in gehöriger Weise rechtliches Gehör gegeben worden sei. Zur Begründung würden neue Sachverhaltsalternativen und daraus resultierende Erwägungen herangezogen, die zuvor nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien und zu denen Stellung zu nehmen er keine Gelegenheit gehabt habe. Das Oberlandesgericht habe verfahrensfehlerhaft eine Schlussanhörung unterlassen.
Zudem habe das Oberlandesgericht verkannt, dass eine Erheblichkeit des Wiederaufnahmevorbringens bereits dann vorliege, wenn die neuen Tatsachen oder Beweise geeignet seien, die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Urteils zu erschüttern. Zwingend müssten diese nicht sein. Ausreichend sei es, wenn diese genügend wahrscheinlich seien. Die sachverständigenseits eruierten neuen Anknüpfungstatsachen aber seien in ihrem Zusammenspiel offensichtlich geeignet, ernsthafte Zweifel an der vom Tatgericht angenommenen Schussreihenfolge zu wecken. Daher hätte eine Anhörung der Sachverständigen im Probationsverfahren erfolgen müssen. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen den Grundsatz fairen Verfahrens und das Recht auf effektiven Rechtsschutz vor. Die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts entwerte das Wiederaufnahmeverfahren und lasse es leer laufen, zumal es auch den Grundsatz "in dubio pro reo" außer Acht lasse.
Schließlich liege auch eine Verletzung des Willkürverbots vor. Die vom Oberlandesgericht als praktisch mögliche alternative Geschehensabläufe in den Raum gestellten Erwägungen seien nicht haltbar. Aus der vorgelegten Tatort- und Geschehensrekonstruktion sei ersichtlich, dass sich kleinste Glassplitter im Rahmen eines homogenen Splitterfeldes auf der Thekenablage befänden, was ein späteres "Verschleppen" von Glassplittern auf die Thekenablage ausschließe. Auch ein nachträgliches Herunterfallen von Glassplittern wegen eines Explosionsdruckes bei einem Pistolenschuss sei wissenschaftlich unhaltbar, weil sich Druckwellen nur in Schussrichtung und keineswegs nach allen Richtungen ausbreiten würden. Ein Schuss sei nicht geeignet, einen Explosionsdruck zu erzeugen, der das Herabfallen weiterer Spiegelsplitter im relevanten Streubereich bewirke. Bei einem entsprechenden Hinweis vor der Entscheidung hätte auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen werden können.
2. Den gemäß § 94 BVerfGG Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Ebenso ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, vor allem fristgemäß erhoben.
Die unvollständige Übermittlung der Verfassungsbeschwerde per Fax innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG stellt im vorliegenden Fall ihre Zulässigkeit nicht in Frage. Bei den fehlenden Teilen handelt es sich lediglich um Anlagen, die vom Bevollmächtigten des Beschwerdeführers bei der Darstellung des Sachverhalts in Ablichtung unmittelbar in den Schriftsatz integriert wurden. Ihr Fehlen beeinträchtigt jedoch weder die Verständlichkeit der Verfassungsbeschwerde noch spielen sie für die Beurteilung der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde eine Rolle.
Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht eine fehlende Rechtswegerschöpfung entgegen. Einem Antrag nach § 33 a StPO fehlen im vorliegenden Falle von vornherein die Erfolgsaussichten, da das Vorliegen einer Gehörsverletzung nicht gegeben ist, worauf auch das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in der von ihm in Bezug genommenen Stellungnahme des Berichterstatters beim Oberlandesgericht Köln zutreffend hinweist. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht nach der Zustellung der Verfassungsbeschwerde diese auch nicht zum Anlass genommen, in ein Verfahren nach § 33 a StPO, das auch von Amts wegen eingeleitet werden kann, einzutreten. Der Berichterstatter hat vielmehr in der vom Justizministerium eingereichten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der angegriffene Beschluss auch ansonsten nicht zu beanstanden sei. In einem solchen Fall kann einem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, einen Antrag nach § 33 a StPO zu stellen.
Die Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 6. September 2006 und des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2006 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
1. a) Das strafrechtliche Wiederaufnahmeverfahren hat die Funktion, den Konflikt zwischen den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit, die sich beide gleichermaßen aus dem Rechtsstaatsgedanken ableiten lassen, zu lösen, indem es um der materialen Gerechtigkeit willen gestattet, das Prinzip der Rechtssicherheit zu durchbrechen (vgl. BVerfGE 22, 322 <328 f.>). Demgemäß ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass im Wiederaufnahmeverfahren zunächst die Zulässigkeit gemäß § 368 Abs. 1 StPO zu prüfen ist, mithin der Antrag auf Wiederaufnahme als unzulässig verworfen werden kann, wenn er nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht ist oder wenn kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht wird.
Ebenso sind die Wiederaufnahmegerichte verfassungsrechtlich nicht gehindert, im Rahmen des Aditions-, aber auch des Probationsverfahrens zu prüfen, ob eine vorgetragene neue Tatsache oder ein benanntes neues Beweismittel geeignet ist, für den Antragsteller die Freisprechung, in Anwendung eines milderen Gesetzes eine geringere Bestrafung oder eine im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung herbeizuführen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist die Meinung vorherrschend, es sei vom Standpunkt des erkennenden Gerichts her zu prüfen, ob dessen Urteil bei Berücksichtigung der neuen Beweise anders ausgefallen wäre. Zu diesem Zweck sei das Antragsvorbringen zu dem gesamten Inhalt der Akten und zu dem früheren Beweisergebnis in Beziehung zu setzen. Das Wiederaufnahmegericht sei allerdings an die (denkgesetzlich mögliche) Beweiswürdigung und an die (nicht offensichtlich unhaltbare) Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts gebunden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 368 Rn. 9 m.w.N.).
b) Weicht das Wiederaufnahmegericht von den genannten Grundsätzen im Sinne einer wesentlichen Verschlechterung der Chancen des Verurteilten auf Erlangung eines gerechten Richterspruchs ab, so verfehlt es das Ziel des Wiederaufnahmeverfahrens, den Konflikt zwischen materialer Gerechtigkeit und Rechtssicherheit angemessen zu lösen. Wird das Wiederaufnahmeverfahren - an seinem Ziel gemessen - derart ineffektiv, so steht dies im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und verletzt den Verurteilten in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, das ein Recht auf effektiven Rechtsschutz in sich schließt (vgl. BVerfGE 53, 115 <127 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 1993 - 2 BvR 1746/91 -, NJW 1993, S. 2735 f.).
Dies ist etwa der Fall, wenn die Gerichte die prozessrechtlichen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung so eng auslegen, dass ihnen eine sachliche Prüfung derjenigen Fragen, die ihnen vorgelegt worden sind, nicht möglich ist und das vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel deshalb nicht erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.> m.w.N.). Nichts anderes gilt für den Fall, dass ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung unvertretbar eng auslegt oder faktisch entsprechend verfährt (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; 108, 129 <137 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2004 - 2 BvR 779/04 -, BVerfGK 4, 119 <127 f.>).
Ferner ist es dem Wiederaufnahmegericht verfassungsrechtlich verwehrt, im Wege der Eignungsprüfung Beweise zu würdigen und Feststellungen zu treffen, die nach der Struktur des Strafprozesses der Hauptverhandlung vorbehalten sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist allein diese auf die Feststellung von strafrechtlicher Schuld angelegt und als Kernstück des Strafverfahrens auf die Ermittlung aller erheblichen objektiven und subjektiven Tatsachen gerichtet. Erst und gerade die durchgeführte Hauptverhandlung setzt den Richter in den Stand, sich eine Überzeugung zur Schuldfrage zu bilden. Alle erforderlichen Beweise sind unter Wahrung der Rechte des Angeklagten zu erheben; es gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit, es dürfen also nur die in der Hauptverhandlung behandelten Gesichtspunkte in das Urteil eingehen. Die Regeln für die Hauptverhandlung sind deshalb so ausgestaltet, dass sie die größtmögliche Gewähr für die Erforschung der Wahrheit ebenso wie für die bestmögliche Verteidigung des Angeklagten und damit für ein gerechtes Urteil bieten (vgl. BVerfGE 74, 358 <372>; 86, 288 <318>). Das Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), das gewährleistet, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, verleiht - über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehend (vgl. BVerfGE 57, 250 <274>) - einen Anspruch, dass die vom Gesetzgeber vorgegebene Verfahrensstruktur beachtet wird (vgl. BVerfGE 86, 288 <317>). Damit muss jedenfalls die Feststellung solcher Tatsachen, die den Schuldspruch wesentlich tragen, indem sie die abgeurteilte Tat in ihren entscheidenden Merkmalen umgrenzen, oder deren Bestätigung oder Widerlegung im Verteidigungskonzept des Angeklagten eine hervorragende Rolle spielt, der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben (vgl. auch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 1994 - 2 BvR 2093/93 -, NJW 1995, S. 2024 f.).
2. Nach diesem Maßstab verletzen die Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 6. September 2006 und des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2006 das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG in seiner durch das Rechtsstaatsprinzip vermittelten Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.
a) Das Landgericht hat zwar zu den im Wiederaufnahmeantrag enthaltenen neuen Indiztatsachen, die geeignet waren, eine Notwehrsituation zu stützen, eine Beweisaufnahme durchgeführt. Die von ihm vorgenommene und auch vom Oberlandesgericht geteilte Beweiswürdigung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden und wird auch vom Beschwerdeführer hingenommen. Dies gilt auch, soweit die Fachgerichte die Vernehmung der weiter benannten Zeugin B. als nicht erforderlich angesehen haben.
Demgegenüber hat das Landgericht den weiteren Begründungsansatz des Wiederaufnahmeantrages in seinem Kern nicht hinreichend erfasst, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hingewiesen hat. Der Beschwerdeführer hat - mit neuen Tatsachen unterlegt - geltend gemacht, dass sich die von der erkennenden Strafkammer des Landgerichts Aachen festgestellte Schussreihenfolge nicht halten lasse. Der erste Schuss könne nicht in den Rücken des Opfers eingedrungen sein. Würde diese Behauptung zutreffen, hätte dies die Konsequenz, dass sich die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Mordes mit der Begründung des Landgerichts Aachen nicht mehr halten ließe, da dieses gerade wegen des Schusses in den Rücken eine Heimtücke angenommen hat. Das Landgericht Köln hat im Wiederaufnahmeverfahren dieses Vorbringen aber lediglich unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, dass die benannten Sachverständigen keine neuen Beweismittel seien. Eine Prüfung des Vortrages des Beschwerdeführers, ob dieser auch neue Tatsachen enthält, hat das Landgericht nicht angestellt. Es hat damit den Vortrag des Beschwerdeführers nur einer unzulänglichen Bewertung zugeführt und mit der Nichtberücksichtigung des Gesichtspunkts, der Vortrag des Beschwerdeführers enthalte auch diesbezüglich neue Tatsachen, das Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers nicht in dem gebotenen Maße erfasst. Damit aber ist das Wiederaufnahmeverfahren in einem zentralen Punkt entwertet worden, so dass dem Beschwerdeführer ein effektiver Rechtsschutz nicht zu Teil wurde.
b) Das Oberlandesgericht hat zwar diese verfehlte Ansicht nicht geteilt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag im Zusammenhang mit der Darlegung einer anderen Schussreihenfolge nicht auf neue Beweismittel stütze, sondern neue Tatsachen geltend mache. Indessen ist der bei der Würdigung der Erheblichkeit dieser neuen Tatsachen im Sinne der § 359 Nr. 5, § 368 StPO angelegte rechtliche Maßstab ebenso wie die vorweggenommene Beweiswürdigung als solche von Verfassungs wegen zu beanstanden. Auch hat das Oberlandesgericht die vom Gesetz vorgegebene Verfahrensstruktur unbeachtet gelassen.
aa) Die neuen Tatsachen und Beweismittel müssen geeignet sein, die in § 359 Nr. 5 StPO bezeichneten Rechtsfolgen herbeizuführen. In dieser Hinsicht müssen sie erheblich sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 368 Rn. 8). Vorzunehmen ist seitens der Fachgerichte zunächst nur eine hypothetische Schlüssigkeitsprüfung. Dabei ist zu unterstellen, dass die in dem Antrag behaupteten Tatsachen richtig sind und die beigebrachten Beweismittel den ihnen zugedachten Erfolg haben werden. Dabei ist in gewissen Grenzen auch eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung zulässig. Die Beweiskraft von beigebrachten Beweismitteln kann etwa bewertet werden, soweit das ohne förmliche Beweisaufnahme möglich ist, wobei die Prüfung vom Standpunkt des erkennenden Gerichts aus zu erfolgen hat. Dem Wiederaufnahmegericht ist es hingegen verwehrt, im Zulassungsverfahren eigene neue Feststellungen zur Straftat zu treffen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 368 Rn. 9). Sind die neuen Tatsachen und Beweise unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes mit genügender Wahrscheinlichkeit geeignet, die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Urteils zu erschüttern, ist die Erheblichkeit gegeben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 368 Rn. 10 m.w.N.).
bb) Gemessen an diesen Vorgaben hat das Oberlandesgericht bei der Prüfung der Erheblichkeit einen zu engen Prüfungsmaßstab angelegt, der im Ergebnis dazu führt, dass das Wiederaufnahmeverfahren für den Beschwerdeführer ineffektiv wird. Es hat im konkreten Fall letztlich einen Grad an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Erheblichkeit gefordert, der das Vorliegen einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bedingt. Dies stellt eine Überspannung der Zulässigkeitsvoraussetzungen dar. Hinzu tritt, dass das Oberlandesgericht seine tatsächliche Würdigung nicht auf eine hinreichend gesicherte Basis stellt und wesentliche Gesichtspunkte unbehandelt lässt.
Dies betrifft zunächst die Annahme des Oberlandesgerichts, es könne auch bei einer fehlenden Drehbewegung von H. nach dem Rückenschuss zu einem Entlanggleiten seines Körpers an dem Beschwerdeführer gekommen sein. Auf die Frage, ob ein solches Entlanggleiten im Hinblick auf die Art der erlittenen Verletzung überhaupt plausibel ist, wird nicht eingegangen. Aus dem vom Beschwerdeführer mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Gutachten des Rechtsmediziners Dr. Sch. ist in diesem Zusammenhang zu entnehmen, dass ein Opfer bei einer solchen Rückenmarksverletzung auf Grund der eintretenden Lähmung grundsätzlich sofort zu Boden stürzt. Ferner ist in dem Gutachten folgendes ausgeführt:
"Weiterhin ist zu bedenken, dass das Projektil eine Bewegungsenergie (Impuls) auf den getroffenen Körper überträgt. Dieser Effekt ist keineswegs zu vernachlässigen, da das Auftreffen eines über 10 g schweren Projektils mit einer Geschwindigkeit von mindestens 300 m/sec (typisch für Kurzwaffen) wie ein plötzlicher, ausgesprochen heftiger und überraschender Stoß oder Tritt gegen die getroffene Stelle wirkt. Allein schon hierdurch gehen getroffene Personen in der Regel zu Boden. Diesen Effekt nennt man, vor allem in der amerikanischen Literatur, 'mannstoppende Wirkung' (man stopping power). Um es salopp auszudrücken, von einem solchen Schuss getroffen zu werden, das ist, als wenn man vom Elefanten getreten wird."
Diese Ausführungen legen eine Vorauswärtsbewegung des Opfers H. bei einem Rückenschuss nahe, während das Oberlandesgericht ohne jede Ausführungen zu diesem Punkt von einem Kontakt des Opfers zu dem hinter ihm stehenden Täter ausgeht.
Aber nicht nur in dieser Hinsicht blendet das Oberlandesgericht die Gesamtzusammenhänge aus. Bei der Annahme eines Entlanggleitens des Opfers am Beschwerdeführer erhebt sich weiter die Frage, ob dann auch Blutspuren an der Kleidung des Beschwerdeführers hätten festgestellt werden müssen. Ausgehend von der Überlegung des Oberlandesgerichts verbliebe nur die Möglichkeit eines Kontaktes zwischen dem Rücken von H. und dem Beschwerdeführer. Dann aber läge es nahe, dass es auf Grund der Schusswunde auch zu Blutanhaftungen an der Kleidung des Beschwerdeführers gekommen wäre. Dies aber lässt sich den Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen.
Die Verkürzung des Blickwinkels des Oberlandesgerichts drückt sich auch in der Aussage aus, die Behauptung des Beschwerdeführers, nach dem Schuss in den Rücken sei das Tatopfer nicht mehr in der Lage gewesen, sich umzudrehen und sich seinem Angreifer zuzuwenden, habe nur Bedeutung für die Frage, ob sich H. die Augenbrauenverletzung unmittelbar vor seinem Tod oder bereits deutlich vorher zugezogen habe. Das Oberlandesgericht lässt hier unberücksichtigt, dass die Frage des Bewegungsablaufs auch unmittelbar zu der Frage führt, wie das Opfer auf den Boden gefallen und dort zum Liegen gekommen ist. Es ist gerade unter Berücksichtigung der zitierten Ausführungen des Rechtsmediziners Dr. Sch. nicht auszuschließen, dass die Annahme einer fehlenden Drehbewegung des Körpers und ein nichtsdestoweniger unterstelltes Hinabgleiten des Opfers an dem Beschwerdeführer mit der vorgefundenen Lage des toten Körpers am Boden nicht in Einklang zu bringen sind. Überdies geht aus den Ausführungen des Rechtsmediziners Dr. Sch. hervor, das Opfer sei nach dem Erleiden der Rückenschussverletzung weder in der Lage gewesen, sich umzudrehen noch mit dem Angreifer zu rangeln. Nach den Feststellungen des Landgerichts aber hat sich ein zweiter Schuss in einem Gerangel gelöst, wobei das Projektil in die Spiegeldecke eingeschlagen sein soll. Insoweit erhebt sich auch die Frage, ob diese Feststellungen bei der Annahme eines bloßen Entlanggleitens des Opfers an dem Beschwerdeführer noch haltbar sind. Auch hierzu finden sich in der Entscheidung des Oberlandesgerichts keinerlei Ausführungen.
Erhebliche Argumentationslücken bestehen auch noch in weiteren Zusammenhängen. Die erkennende Strafkammer hat festgestellt, dass nach dem zweiten, auf die Decke gerichteten Schuss Glassplitter sowohl auf den Boden im inneren Thekenbereich als auch auf die Ablage vor der hinteren Spiegelwand gefallen seien. Die Möglichkeit, dass noch andere Spiegelsplitter später heruntergefallen seien, bezeichnet das Oberlandesgericht als praktisch nahe liegend, ohne dies jedoch hinreichend zu begründen. Es setzt sich auch in diesem Zusammenhang weder mit nahe liegenden Fragestellungen auseinander noch ist ersichtlich, dass es für deren Beantwortung die erforderliche Sachkunde besitzt. So stellt sich zum einen die Frage, wie die Zerstörungskraft einer Revolverkugel auf die Glasdecke einwirken kann und tatsächlich eingewirkt hat. Insoweit ist auch von Bedeutung, ob es im Hinblick auf den Deckenaufbau, die Beschaffenheit des Glases und den genauen Einschlagsort der Kugel im Bereich der Thekenablage überhaupt zu einem Verbleiben von Glasresten an der Decke kommen konnte, die später dort noch hätten herunterfallen können. Zum anderen ist die Frage von Bedeutung, ob sich nach dem erstellten Lichtbild der Ablage, vor allem dem daraus ersichtlichen Streufeld der Glassplitter, Aussagen über die Art und Weise des Herabfallens der Splitter treffen lassen. Dies gilt in gleichem Maße auch hinsichtlich der vom Oberlandesgericht in den Raum gestellten Möglichkeit, es könne zu Verschleppungen von Glassplittern durch Dritte gekommen sein. Diese Fragen können verlässlich lediglich mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden. Auch die Beantwortung der Frage, ob ein Explosionsdruck einer Faustfeuerwaffe das spätere Herabfallen von weiteren Splittern bewirken kann, erfordert eine entsprechende Sachkunde. Aus dem angegriffenen Beschluss geht nicht hervor, dass das Oberlandesgericht über die erforderliche Sachkunde verfügt. Ohne Aufklärung dieser Fragen bleiben die vom Oberlandesgericht als "praktisch nahe liegende Möglichkeiten" angesprochenen Alternativen bloße Hypothesen, die auf einer völlig ungesicherten Grundlage stehen.
Das Oberlandesgericht hat im Übrigen den Inhalt der erstellten Tatort- und Geschehensrekonstruktion und der medizinischen Stellungnahmen nicht ausgeschöpft. Das medizinische Gutachten vom 18. Februar 2004 äußert sich nicht nur zu den Folgen der Rückenmarksverletzung. Vielmehr wird darin auch ausgeführt, dass keine der bei dem Opfer H. festgestellten Schussverletzungen zu einem spritzenden Blutaustritt geführt hat. Nach diesen Ausführungen, die vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingeführt und vom Oberlandesgericht ebenfalls unbeachtet gelassen wurden, kommt als Ursache der Blutanhaftungen nur die Thoraxverletzung in Betracht, da bei dieser Blut in die Luftwege eindringt und bei Erreichen des Kehlkopfes einen Hustenreflex auslöst.
Darüber hinaus wird in der Tatort- und Geschehensrekonstruktion ausgeführt, dass die Tatwaffe keine Anhaftungen von Blut und Gewebe aufwies, was gegen das festgestellte Ansetzen der Waffe auf die Kleidung im Rückenbereich des Opfers spreche. Ferner wird dort auch auf die von der Strafkammer festgestellte Geschossreihenfolge eingegangen, die gleichfalls nicht als haltbar angesehen wird. In diesem Zusammenhang hat der Kriminalbiologe Dr. B. auch ausgeführt, dass der vom Landgericht Aachen gehörte Sachverständige Dr. S. seine damalige Aussage zu dem so genannten doppelten Abschlag im Zusammenhang mit der Feststellung der Geschossreihenfolge ihm gegenüber revidiert habe. Überdies wird in der Tatort- und Geschehensrekonstruktion zu den festgestellten Faser-Spuren Stellung genommen.
Alle diese Gesichtspunkte dürfen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Geschehensablaufs nicht unberücksichtigt bleiben. Mag es sich hierbei auch nicht stets um neue Tatsachen handeln, so hindert dies gleichwohl nicht, diese Umstände bei der Bewertung der neuen Tatsachen mit in die Betrachtung einzubeziehen. Nur auf dieser Grundlage lässt sich die Frage der Plausibilität und der genügenden Wahrscheinlichkeit des von dem Beschwerdeführer im Wiederaufnahmeantrag dargestellten Geschehensablaufes in sachgemäßer Weise beantworten.
Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass nicht nur das Landgericht, sondern auch das Oberlandesgericht § 368 StPO im Zusammenhang mit der Bewertung der neuen Tatsachen hinsichtlich der Schussreihenfolge in einer Weise gehandhabt haben, die das Wiederaufnahmeverfahren ineffektiv macht und eine effektive Rechtsgewährleistung verhindert. Ausgehend von den Ausführungen des Kriminalbiologen Dr. B. in der Tatort- und Geschehensrekonstruktion und des Rechtsmediziners Dr. Sch. kann eine genügende Wahrscheinlichkeit für die Erheblichkeit einer anderen Schussreihenfolge und damit für das Entfallen des Mordmerkmals der Heimtücke nicht in Abrede gestellt werden. Über die darin enthaltenen neuen Tatsachen, die das unmittelbare Tatgeschehen betreffen, wird unter Heranziehung von Sachverständigen eine förmliche Beweisaufnahme durchzuführen sein.
Wie bereits dargelegt, steht für die Feststellung strafrechtlicher Schuld die Hauptverhandlung zur Verfügung. Sie ist von Rechts wegen so ausgestaltet, dass sie die größtmöglichste Gewähr sowohl für die Erforschung der Wahrheit wie für die bestmöglichste Verteidigung des Angeklagten bietet, der nicht als Objekt des Verfahrens behandelt werden darf (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>) und dessen Unschuld bis zur Schuldspruchreife der Hauptverhandlung vermutet wird (vgl. BVerfGE 74, 358 <370 f.>). Der Angeklagte kann dort Beweisanträge stellen, Zeugen befragen und sonst auf Gang und Ergebnis des Verfahrens in dem näher geregelten Maße Einfluss nehmen. Diese Möglichkeiten sind ihm abgeschnitten, wenn die in der Hauptverhandlung getroffene, jedoch unhaltbar gewordene oder ernstlich in Frage gestellte, Feststellung einer wesentlichen, den Schuldspruch begründenden Tatsache im Nachhinein durch eine andere ersetzt wird, die ohne Hauptverhandlung ermittelt wurde (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 1994 - 2 BvR 2093/93 -, NJW 1995, S. 2024 <2025>). Dies verbietet es, ohne erneute Hauptverhandlung den festgestellten unmittelbaren Tatverlauf in einer Kernfrage der Beweisaufnahme durch einen anderen zu ersetzen oder eine Erschütterung der betreffenden Feststellungen unter Verweis auf denkbare alternative Verläufe für unmaßgeblich zu erklären, wie es das Oberlandesgericht bezüglich der vom Schwurgericht festgestellten Drehung des Opfers getan hat. Dadurch hat das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, auf den Prozess der Wahrheitsfindung in einer wesentlichen Frage angemessen einzuwirken.
Auf die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen kommt es somit nicht an.
Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG festzustellen. Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sind unter Zurückverweisung der Sache an das Landgericht aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 568
Bearbeiter: Karsten Gaede